TE Lvwg Erkenntnis 2021/6/23 LVwG-2021/24/0246-11

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.06.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

23.06.2021

Index

60/02 Arbeitnehmerschutz
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

ASchG 1994 §130 Abs1 Z26
VStG §45 Abs1 Z1
PSA-V §3 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Dr.in Voppichler-Thöni über die Beschwerde des AA, vertreten durch BB, Rechtsanwältin, Adresse 1, **** Z, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 15.12.2020, Zahl ***, betreffend eine Übertretung nach dem ASchG, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 15.12.2020, Zl ***, wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt wie folgt:

„1.      Datum/Zeit: 04.06.2019, 10:00 Uhr

Ort:             **** X, Adresse 2

Sie haben es als gemäß § 9 VStG verantwortlicher Vertreter des Arbeitgebers (handelsrechtlicher Geschäftsführer der CC, Adresse 3, **** X) zu verantworten, dass bei einer durch das Arbeitsinspektorat Tirol durchgeführten Kontrolle am 01.09.2019 festgestellt wurde, dass am 04.06.2019, gegen 10 Uhr in der Arbeitsstätte der CC, Adresse 3, **** X, ein Arbeitnehmer ohne die zur Verfügung gestellte Gas-Atemschutzvollmaske (geeignete persönliche Schutzausrüstung), mit konzentrierter Natronlauge hantiert hat.“

Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 3 Abs 2 PSA-V iVm § 15 Abs 2 Z1 PSA-V begangen und wurde über ihn eine Geldstrafe in Höhe von Euro 830,00 (EFS 12 Stunden) verhängt.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht durch seine ausgewiesene Rechtsvertreterin Beschwerde und führte darin ausgeführt, dass aus dem gegenständlichen Spruch des Straferkenntnisses weder hervorgehe, welcher Arbeitnehmer ohne eine zur Verfügung gestellte Gas-Atemschutzvollmaske hantiert haben soll, noch mit welcher Natronlauge hantiert worden sei, so dass der Spruch nicht ergibt, wofür der Täter bestraft werden soll. Die angeblich verletzte Rechtsvorschrift sei § 3 Abs 2 PSV-V, in der angeführt werde, dass der Dienstgeber den Bediensteten für die Benutzung von persönlicher Schutzausrüstung erforderlichenfalls eine verständliche Bedienungsanleitung zur Verfügung zu stellen habe. Der Bedienstete habe die persönliche Schutzausrüstung gemäß der Bedienungsanleitung zu prüfen und an dem dafür vorgesehenen Platz zu lagern. Es gehe weder aus dem Spruch noch aus dem Straferkenntnis an sich hervor, dass der Dienstgeber keine verständliche Bedienungsanleitung zur Verfügung gestellt hätte, oder dass der Arbeitnehmer (welcher) die persönliche Schutzausrüstung gemäß der Bedienungsanleitung nicht geprüft oder nicht an dem dafür vorgesehenen Platz gelagert hätte, sodass der Spruch nicht in der Rechtsvorschrift Deckung finde.

Die belangte Behörde gehe in ihrer Begründung nur rudimentär auf den Inhalt der Rechtfertigung ein und führt aus, dass es dem Beschuldigten nicht gelungen sei nachzuweisen, dass der betroffene Arbeitnehmer nicht die Aerosole des gegenständlichen Laugenreinigers eingeatmet habe und geht im Spruch jedoch wiederum davon aus, dass ein Arbeitnehmer mit einer konzentrierten Natronlauge hantiert habe. Die angebotenen Beweise seien nicht aufgenommen worden, sondern wurde –nach wie vor ohne Begründung- davon ausgegangen, dass ein Arbeitnehmer mit einer unverdünnten Natronlösung gearbeitet hätte. An dem Vorfallstag sei keine unverdünnte Natronlösung verwendet worden. Nachweislich sei eine verdünnte Reinigungsmittelschaumlösung verwendet worden, für deren Hantieren laut anwendbaren Sicherheitsdatenblatt keine Atemschutzvollmaske notwendig und vorgeschrieben sei. Es sei auch in der Rechtfertigung die Reinigungsmittellösung genau benannt worden, die am Vorfallstag verwendet worden sei. Die Konzentration dieser Reinigungsmittellösung DD bedürfe keinen Atemschutz. Die Räumlichkeiten, in denen der Schaum am Vorfallstag verwendet worden sei, seien, sind mit einer ordnungsgemäßen ausreichenden Belüftung (Zu- und Abluft) versehen. Diese Räumlichkeiten werden regelmäßig vom Arbeitsinspektorat kontrolliert und seien niemals beanstandet worden. Die Luftumwälzung sei ausreichend, sodass mit der gegenständlichen verdünnten Schaumlösung ohne Atemschutzmaske gearbeitet werden könne. Es könne aufgrund der verwendeten Lösung in der Umgebungsatmosphäre keine Konzentration entstehen. Unmittelbar an dem Arbeitsplatz sei jedoch eine Gasmaske mit entsprechendem Filter verfügbar und könne der Mitarbeiter selber entscheiden, ob er sie tragen will oder nicht, da eben aufgrund des Sicherheitsdatenblattes das Tragen der Maske nicht vorgeschrieben sei.

Die Schaumbereitungsanlage führe die Mischung für die richtige Konzentration automatisiert durch und hätten die Mitarbeiter in der Wäscherei keinen Zugang zu der Schaumbereitungsanlage, die die Lauge einstelle. Diese funktioniere einwandfrei und sei es auch bei zahlreichen Kontrollen niemals beanstandet worden.

Die Schaumbereitungsanlage mische automatisiert die richtige Konzentration mit dem Wasser, das Sicherheitsdatenblatt besage keine Notwendigkeit zur Tragung einer Atemschutzvollmaske, sodass der Beschuldigte in keinster Weise damit rechnen habe müsse, dass ein Arbeitnehmer bei der gegenständlichen Tätigkeit körperlichen Schaden erleide. Die Lüftungsanlage reagiere ebenso automatisiert, sollte eine Störung vorliegen. Der Beschuldigte habe sich somit an das Sicherheitsdatenblatt gehalten, sodass ihn kein Verschulden an dem gegenständlichen Vorfall treffe.

Der Beschwerdeführer beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die Einvernahme des Beschwerdeführers sowie des Zeugen EE und das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos zu beheben und das Verfahren einzustellen; in eventu, eine Ermahnung auszusprechen bzw. auf eine die Strafhöhe auf ein Tat und Schuld angemessenes Maß herabzusetzen.

II.      Sachverhalt:

Zur Klärung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes wurde Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den verwaltungsbehördlichen Akt, insbesondere in die Anzeige des Arbeitsinspektorates Tirol vom 5.8.2019, *** samt Lichtbildbeilage, in die Bestellungsmeldung des Beschwerdeführers als verantwortlichen Beauftragten gemäß § 23 ArblG, und das Vorbringen des Beschwerdeführers samt Sicherheitsdatenblatt vom 23.2.2015, und Gerätebeschreibung (Lüftungsleistungsbeschreibung) der FF vom 16.3.2015, Validierung der jährlichen Schulung 2017 und in das Beschwerdevorbringen.

Seitens des Landesverwaltungsgerichtes wurde der Abschlussbericht der Polizeiinspektion X vom 12.7.2019 samt Niederschrift über die Einvernahme des Zeugen GG am 3.7.2019 und des JJ vom 12.7.2019 eingeholt.

Weiters fand am 09.04.2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, anlässlich derer der Beschwerdeführer sowie die geladenen Zeugen EE, JJ und GG einvernommen wurden.

Am 27.4.2021 fand im Betrieb der CC Messungen auf Chlorgas durch die KK statt. Der Mess- und Beratungsbericht der KK vom 21.05.2021 wurden dem Landesverwaltungsgericht vom Beschwerdeführer mit Eingabe vom 8.6.2021 zur Verfügung gestellt.

Aufgrund der vorliegenden Beweisergebnisse steht nachfolgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest:

Der Beschwerdeführer ist aufgrund Bestellungsmeldung nach § 23 ArblG vom 3.11.2015 der verantwortlich Beauftragte gemäß § 9 VStG.

Im Betrieb der CC wird zur Reinigung der in der Käserei zur Lagerung der Produkte verwendeten Bretter ein chloralkalischer Schaumreiniger (DD) verwendet.

Im Betrieb wird eine verdünnte Lösung von etwa 3% verwendet. Dabei wird 1x wöchentlich palettenweise Bretter mit einem alkalischen, chlorhaltigen Schaumreiniger getränkt und anschließend in eine automatische „Waschstraße“ eingelegt. 1 x pro Woche (freitags) wird die Schaumreinigung auf ein saures Produkt umgestellt, um vor allem die Edelstahlteile der Reinigungsanlage zu desinfizieren und zu reinigen.

Diese Reinigungsmittel werden in einem separaten Raum im Obergeschoss gelagert und mittels automatischem Mischvorgang mit Wasser auf die Anwendungskonzentration verdünnt.

Am 4.6.2019 gegen 10.00 Uhr arbeiteten in der Arbeitsstätte der CC, Adresse 3, **** X die JJ und GG. Sie waren mit Reinigungsarbeiten von Brettern unter Verwendung einer stationären Dosieranlage für Lauge oder Säure mit Schlauchanschluss beschäftigt.

JJ drehte den Laugenhahn auf und begann mit der Reinigung der Bretter. GG und weitere Personen arbeiteten zeitgleich im gleichen Raum. Am Nachmittag desselben Tages bekam GG – als er zu Hause war - Atembeschwerden und wurde in das BKH W eingeliefert, wo eine leichte Lungenverätzung diagnostiziert wurde. Der Betrieb wurde über die gesundheitlichen Beschwerden durch GG nicht informiert. GG war über fünf Tage lang arbeitsunfähig. Wodurch diese Verletzung konkret entstanden ist, konnte ha nicht mit aller Sicherheit festgestellt werden, zumal an diesem Tag drei weitere Personen im gleichen Raum gearbeitet haben und bei ihnen keine gesundheitlichen Beschwerden festgestellt wurden.

Mit Eingabe vom 8.6.2021 legte der Beschwerdeführer einen Mess – und Beratungsbericht der KK vor. Um eine mögliche Chlorgasbildung – und damit eine allfällige Gefährdung der Mitarbeiter beim Arbeiten und während der Umstellung zwischen Säure und Lauge abzuklären, wurde mit dem Messgerät LL am 27.4.2021 im Betrieb der CC Messungen konkret auf Chlorgas durchgeführt. Bei den von der KK durchgeführten Messungen waren Reinigungsmittel-Konzentrate der MM (DEPTAL CMP; DEPTACID SM) in Verwendung (Anmerkung: laut ha telefonischer Nachfrage bei NN handelt es sich um eine Nachfolgebezeichnung des Produktes „DD“ mit inhaltsgleichen Stoffe).

Die Anlage im Betrieb der CC wurde von der KK wie folgt beschrieben:

Die verdünnten Reinigungs-Lösungen werden jeweils über ein fix verlegtes Edelstahl-Rohrleitungssystem zur Schaumreinigungsanlage im Untergeschoss befördert. Dabei ist für die Lauge- und für die Säurelösung je eine eigene Rohrleitung vorgesehen. Es bestehen noch 2 weitere Leitungssysteme für Druckluft und Wasser. Durch Mischen der verdünnten Reinigungslösung mit Druckluft wird in der Schaumreinigungsanlage ein Schaumreiniger erzeugt. Über einen absperrbaren Anschluss fließt dieser Schaureiniger in einen flexiblen Schlauch, an dem sich ein Regulierventil mit Anschlussstück befindet.

Zusätzlich zum Anschluss für den Schaumreiniger verfügt die Schaumreinigungsanlage ausgangsseitig über einen ebenfalls absperrbaren Wasseranschluss, an den im Bedarfsfall (für einen Spülvorgang mit Wasser) der Schlauch angeschlossen werden muss. Das Umschalten zwischen Säure und Lauge, sowie der Spülvorgang mit Wasser wird händisch durchgeführt. Erst wenn im Obergeschoss auf Lauge bzw. umgeschaltet wird, kann die Schaum-Reinigungsanlage im Untergeschoss bezogen werden, während der andere Leitungsstrang stillgelegt wird (d.h. an der Schaum Reinigungsanlage im Untergeschoss können nur entweder verdünnte alkalische Reinigungslösung oder verdünnte saure Reinigungslösung bezogen werden, jedoch niemals beide Reinigungslösungen zugleich).

Bei der durch die KK durchgeführten Messung wurde zunächst eine Palette mit Brettern mit dem chloralkalischen Schaumreiniger behandelt. Anschließend wurden die Bretter mit Wasser abgespült und die Palette mit den Brettern aus dem Arbeitsbereich entfernt. Schließlich wurde die Schaum-Reinigungsanlage auf Säurebetrieb umgeschaltet und der Boden in dem Arbeitsbereich, in dem zuvor die Bretterreinigung stattgefunden hat, mit saurem Schaumreiniger behandelt.

Etwa vier Minuten nach Beginn der Reinigung mit dem Chor alkalischen Schaumreiniger konnte kurzfristig im Arbeitsbereich eine Konzentration von 0,25ppn Cl2 nachgewiesen werden. Während der Ausbringung des sauren Schaumreinigers konnte jedoch kein Cl2 detektiert werden.

Die KK kam nach der erfolgten Messung zu folgender abschließender Beurteilung:

Zur Beurteilung, ob eine gefährliche oder in anderer Weise für die Gesundheit von ArbeitnehmerInnen nachteilige Konzentration von Gasen, Dämpfen oder Schwebstoffen gesundheitsgefährdende Arbeitsstoffe vorliegt, wurden die in Österreich jeweils geltenden maximalen Arbeitsplatzkonzentrationen und technischen Richtkonzentrationen laut der Grenzwerteverordnung in der geltenden Fassung herangezogen:

Stoff

Grenzwert

Chlor (Cl2)

0,5ppm

Chlor (Cl2) Kurzzeitwert

0,5 ppm (als Momentanwert)

Der MAK-Wert für Chlor sowie der Kurzzeitwert für Chlor wurden während der Messung nicht überschritten.

Die KK gab die Empfehlung ab, während der Arbeiten mit dem Schaumreiniger Schutzbrillen sowie geeignete Schutzhandschuhe zu tragen. Um eine Vermischung der verdünnten sauren und alkalischen Reinigungslösung -und damit das potentielle Entstehen von Chlorgas- Gemische der Schaum Reinigungsanlage bzw. in dem an die Schaum Reinigungsanlage angeschlossenen Schlauch auch dann zu verhindern, wenn der beim Umschalten von Säure auf Lauge (bzw umgekehrt) vorgesehene Spülvorgang mit Wasser unterbleibt, wurde eine technische Lösung empfohlen, die eine obligatorische Wasser-Spülung des Mischer sowie des Schlauches beim Umschalten von Säure auf Lauge (bzw. umgekehrt) vorsieht. Bis zur Umsetzung dieser technischen Lösung wurde empfohlen, die im Arbeits-Bereich der Bretterreinigung tätigen Mitarbeiter mit einem personenbezogenen, auf Chlorgas kalibrierten, Eingas-Messgerät auszustatten und in diesem Bereich auch eine Atemschutzmaske mit geeignetem Filter (mit Filtertyp B) griffbereit vorzuhalten.

III.     Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen betreffend die Person des Beschwerdeführers als verantwortlicher Beauftragter nach § 9 VStG stützen sich auf die Bestellungsmeldung vom 3.11.2015.

Die Feststellungen über die Funktion und Handhabung der Reinigungsanlage stützen sich auf die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung und auf die Angaben in der Mess- und Beratungsbericht der KK vom 21.5.2021.

Letzteres wurde dem Arbeitsinspektorat V zur Stellungnahme übermittelt. Mit Eingabe des Arbeitsinspektors vom 15.6.2021 wurde erklärt, dass aufgrund des Messberichtes dem Antrag des Beschwerdeführers 8.6.2021 (Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens) zugestimmt wird.

IV.      Rechtslage:

Die hier maßgeblichen Bestimmungen nach der Verordnung über die Persönliche Schutzausrüstung, BGBl II Nr 77/2014, lauten wie folgt:

Allgemeine Pflichten der Arbeitgeber/innen

§ 3.

(1) Arbeitgeber/innen müssen Arbeitnehmer/innen am Ort der Gefahr persönliche Schutzausrüstung zur Verfügung stellen, die den §§ 69 und 70 ASchG sowie dieser Verordnung entspricht, wenn Gefahren nicht durch kollektive technische Schutzmaßnahmen oder durch arbeitsorganisatorische Maßnahmen vermieden oder ausreichend begrenzt werden können. Wird von Arbeitgeber/innen persönliche Schutzausrüstung erworben, die nach den für sie geltenden Rechtsvorschriften gekennzeichnet ist, können Arbeitgeber/innen, die über keine anderen Erkenntnisse verfügen, davon ausgehen, dass diese persönliche Schutzausrüstung den für sie geltenden Rechtsvorschriften über Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen entspricht.

(2) Die Beschäftigung von Arbeitnehmer/innen mit Tätigkeiten, bei denen eine der im 2. Abschnitt angeführten Gefahren besteht oder auftreten kann, ist nur bei Verwendung geeigneter persönlicher Schutzausrüstung zulässig.

[…]

Atemschutz

§ 15.

(1) Atemschutz sind Atemschutzgeräte als persönliche Schutzausrüstung zum Schutz des Trägers/der Trägerin vor dem Einatmen von gesundheitsgefährdenden oder biologischen Stoffen aus der Umgebungsatmosphäre oder vor Sauerstoffmangel bei der Arbeit.

(2) Arbeitgeber/innen müssen Arbeitnehmer/innen Atemschutz zur Verfügung stellen, wenn für diese eine oder mehrere der nachfolgenden Gefahren (§ 4) für die Atmung bestehen:

1. Konzentration der gesundheitsgefährdenden oder biologischen Stoffe in der Umgebungsatmosphäre

2. Sauerstoffkonzentration unter 15 Volumsprozent in der Umgebungsatmosphäre.

(3) Atemschutz ist so auszuwählen, dass die inhalative Einwirkung von gefährlichen Stoffen zumindest soweit minimiert wird, dass die Grenzwerte (MAK-, TRK-Werte einschließlich Kurzzeitwerte oder Bewertungsindex für Stoffgemische) für die Träger/innen sicher unterschritten werden.

(4) Bei der Ermittlung und Beurteilung der Gefahren sind folgende Einflüsse auf die Arbeitnehmer/innen zu berücksichtigen:

1. Körperliche Belastung,

2. Tragedauer pro Arbeitseinsatz,

3. Anzahl der Arbeitseinsätze pro Arbeitsschicht,

4. Länge von Pausen zwischen den Arbeitseinsätzen,

5. Einflüsse der Arbeitsumgebung wie Lufttemperatur, Luftfeuchtigkeit, Strahlungswärme.

(5) Arbeitgeber/innen müssen bei der Benutzung von Atemschutzgeräten Folgendes gewährleisten:

1. Bei langer Tragedauer oder hoher Tragehäufigkeit müssen für jede/n gefährdete/n Arbeitnehmer/in Atemanschlüsse zur alleinigen Benutzung zur Verfügung stehen. Einwegfiltermasken (filtrierender Atemanschluss) sind unabhängig von der Tragedauer oder Tragehäufigkeit immer für jede/n gefährdete/n Arbeitnehmer/in zur alleinigen Benutzung zur Verfügung zu stellen.

2. Entsprechend dem Ergebnis der Ermittlung und Beurteilung der Gefahren sind erforderlichenfalls die Tragedauer und die Anzahl der Arbeitseinsätze zu beschränken. Zwischen den Arbeitseinsätzen sind die für die Erholung der Arbeitnehmer/innen erforderlichen Pausen zu gewähren.

3. Filtergeräte zum Schutz vor Schadstoffen dürfen nur dann verwendet werden, wenn die Umgebungsatmosphäre eine Sauerstoffkonzentration von mindestens 17 Volumsprozent enthält. Vor dem Einsatz von Filtergeräten ist die Sauerstoffkonzentration zu messen. Eine Messung ist nicht erforderlich, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Sauerstoffgehalt der Luft über dem angeführten Wert liegt.

4. Bei unklaren Einsatzbedingungen sowie in kleinen, engen oder schlecht belüfteten Räumen und Behältern dürfen Filtergeräte nicht verwendet werden. In solchen Fällen sind geeignete, von der Umgebungsatmosphäre unabhängige Atemschutzgeräte (Isoliergeräte) zu verwenden.

5. Für Notfälle wie Erschöpfung oder Atemnot ist durch geeignete Maßnahmen eine unverzügliche Rettung zu gewährleisten.

(6) Die Unterweisung (§ 7 Abs. 4) hat insbesondere auch zu umfassen:

1. Einsatzbedingungen, Handhabung und Wartung,

2. richtiges An- und Ablegen der Atemschutzgeräte,

3. Funktionskontrolle,

4. zulässige Tragedauer,

5. Verhalten bei Notfällen,

6. allenfalls erforderliche Maßnahmen zwischen den Trageperioden,

7. Funktion von Sicherheits- und Warneinrichtungen

(7) Für die Unterweisung über den Atemschutz gilt:

1. Arbeitgeber/innen haben dafür zu sorgen, dass die Arbeitnehmer/innen im An- und Ablegen der Atemschutzgeräte und in der Funktionskontrolle geschult werden.

2. Über das An- und Ablegen von Atemschutzgeräten sind Übungen im Abstand von maximal sechs Monaten durchzuführen. Bei diesen Übungen ist die Unterweisung über die Funktionskontrolle zu wiederholen.

3. Die Unterweisung und Übungsdurchführung für die Benutzung von Isoliergeräten hat durch fachkundige Personen zu erfolgen. Das sind insbesondere im Grubenrettungs- und Gasrettungswesen oder in Feuerwehrschulen tätige Personen oder Personen, die durch Hersteller/innen von Atemschutzgeräten ausgebildet und regelmäßig (mindestens alle fünf Jahre) fortgebildet werden.

(8) Für die Prüfung von Atemschutzgeräten gilt:

1. Filter- und Isoliergeräte sind mindestens vierteljährlich von fachkundigen Personen auf ihren ordnungsgemäßen Zustand und die Einhaltung der Schutzfunktion zu prüfen. Dies gilt nicht für originalverpackte Filtergeräte (einschließlich Einwegfiltermasken).

2. Filter- und Isoliergeräte dürfen nur verwendet werden, wenn die erforderlichen Prüfungen durchgeführt wurden.

3. Die Ergebnisse der Prüfungen sind in Prüfbefunden festzuhalten. Der Prüfbefund muss beinhalten:

a) Prüfdatum,

b) Name und Anschrift des Prüfers/der Prüferin, Bezeichnung der Prüfstelle, Unterschrift des Prüfers/der Prüferin,

c) Ergebnis der Prüfung,

d) Angaben über die der Prüfung zu Grunde gelegten Prüfinhalte, insbesondere Herstellerangaben und Prüfnormen.

4. Die Prüfbefunde sind von den Arbeitgeber/innen bis zum Ausscheiden der persönlichen Schutzausrüstung aufzubewahren.

Die Strafsanktionsnorm ist in § 130 ASchG idF geregelt:

Strafbestimmungen

§ 130.

(1) Eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 166 bis 8 324 €, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 333 bis 16 659 € zu bestrafen ist, begeht, wer als Arbeitgeber entgegen diesem Bundesgesetz oder den dazu erlassenen Verordnungen

[1. … 25.]

26. die Verpflichtungen betreffend persönliche Schutzausrüstungen oder Arbeitskleidung verletzt,

[…]

V.       Erwägungen:

Die Erstbehörde gründet ihre Entscheidung im Wesentlichen auf den Verdacht, dass die Verletzung des GG durch das Einatmen der Aerosole des Laugenreinigers (Natronlauge) entstanden sind und dieser keine Gas-Atemvollschutzmaske trug.

Dieser Vorwurf konnte auch nach dem ha durchgeführten Beweisverfahren nicht bestätigt werden. So handelte es sich bei dem im Betrieb der CC verwendeten Reinigungsmittel zur Bretterreinigung im konkreten um einen chloralkalischen Schaumreiniger, wodurch allenfalls Chlorgas freigesetzt hätte werden könnte. Die von der KK durchgeführte Chlorgasmessung ergab jedoch, dass der Grenzwert von 0,5 ppm laut der Grenzwerteverordnung (GKV 2021) nicht überschritten wurde. Dieser lag laut dem im Bericht dargestellten Diagramm bei höchstens 0,25 ppm. Während der Ausbringung des sauren Schaumreinigers konnte kein Cl2 festgestellt werden.

Die Umstände die zu einer allfälligen Verletzung des Arbeitnehmers führten und die Frage, woher die gesundheitlichen Beschwerden des GG herrührten, konnte ha nicht abschließend geklärt werden. Aufgrund der Chlorgasmessung war jedoch auszuschließen, dass diese durch den chloralkalischen Schaumreiniger entstanden sind, zumal nicht feststellbar war, dass diese den MAK-Wert überschritten hätte. Auch ist nicht ersichtlich gewesen, inwieweit der Arbeitnehmer mit einer konzentrierten Natronlauge hantieren hätte können, zumal die im Betrieb verwendete Reinigungslösung nur verdünnt verwendet wurde und die Mischung auch nicht händisch, sondern die im Obergeschoss lagernde Mittel elektronisch in die Reinigungsleitung bezogen wird.

Es wäre zwar denkbar, dass die Verletzung durch eine feine Aerosolbildung von Natriumhydroxid entstanden, allerdings ist eine nachträgliche Feststellung mit einer für die Bestrafung notwendigen Sicherheit nicht mehr möglich.

Das Landesverwaltungsgericht kommt aufgrund der vorliegenden Beweisergebnisse – insbesondere aufgrund der getroffenen Negativfeststellungen und im Zweifel zugunsten des Beschwerdeführers zu dem Ergebnis, dass der hier in Rede stehende Vorwurf nicht aufrechterhalten werden kann.

 

Es konnte nicht mit der für eine Bestrafung notwendigen Sicherheit festgestellt werden, dass ein Arbeitnehmer – wie vorgeworfen, mit einer konzentrierten Natronlauge hantiert hat, ohne dass ihm eine Gas-Atemschutzmaske zur Verfügung gestellt worden sei.

Nach § 45 Abs 1 Ziff 1 VStG ist von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrens-hilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Hinweis:

Rechtskräftig verhängte Geldstrafen (sowie Verfahrenskostenbeiträge) sind bei der Behörde einzubezahlen (vgl § 54b Abs 1 VStG).

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr.in Voppichler-Thöni

(Richterin)

Schlagworte

Schutzausrüstung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.24.0246.11

Zuletzt aktualisiert am

04.08.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten