TE Bvwg Beschluss 2021/6/1 W269 2182731-2

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Veröffentlicht am 01.06.2021
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Entscheidungsdatum

01.06.2021

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W269 2182731-2/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch die Richterin Dr. Elisabeth MAYER-VIDOVIC als Einzelrichterin in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.05.2021, Zl. 1087380404/210674451, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, folgenden Beschluss:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005 iVm § 22 Abs. 10 Asylgesetz 2005 iVm § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Asylwerber stellte am 15.09.2015 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 18.12.2017 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Dem Asylwerber wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 Asylgesetz 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 Asylgesetz 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz (FPG) erlassen und weiters festgestellt, dass die Abschiebung des Asylwerbers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise auf 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).

1.3. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.06.2020, W276 2182731-1, als unbegründet abgewiesen.

1.4. Mit Beschluss vom 21.09.2020, E 2617/2020, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes erhobenen Beschwerde ab.

1.5. Mit Beschluss vom 21.12.2020, Ra 2020/14/0532, wies der Verwaltungsgerichtshof die gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes erhobene Revision ab.

2.1. Am 12.03.2021 stellte der Asylwerber einen Folgeantrag auf internationalen Schutz.

2.2. Mit gegenständlichem, gemäß §§ 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005 iVm § 22 Abs. 10 Asylgesetz 2005 mündlich verkündeten Bescheid vom 26.05.2021 hob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den faktischen Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005 auf.

Nach Rückübersetzung bestätigte der Asylwerber die schriftliche Ausfertigung des Einvernahmeprotokolls samt Beurkundung des mündlich verkündeten Bescheides.

3. Die Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langten am 28.05.2021 bei der zuständigen Gerichtsabteilung W269 des Bundesverwaltungsgerichtes ein, worüber die belangte Behörde gemäß § 22 Abs. 2 BFA-VG mit Mitteilung vom 31.05.2021 in Kenntnis gesetzt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu Spruchpunkt A)

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Asylwerbers:

Der Asylwerber ist Staatsangehöriger Afghanistans und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen.

Der Asylwerber ist ledig und kinderlos.

Der Asylwerber besuchte in Afghanistan sieben Jahre lang die Grundschule und arbeitete als Hilfsarbeiter im Baugewerbe.

Die Mutter des Asylwerbers, zwei Brüder und zwei Schwestern leben in Kabul in Afghanistan; zwei weitere Schwestern halten sich ebenfalls in Afghanistan auf.

Der Asylwerber leidet an keiner schwerwiegenden Erkrankung und ist gesund.

Der Asylwerber lebt in Österreich mit seinem Bruder, dem subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, im gemeinsamen Haushalt. Ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis besteht nicht; der Asylwerber bezieht Leistungen aus der Grundversorgung.

Der Asylwerber erlangte in Österreich seinen Pflichtschulabschluss. Er spricht Deutsch. Er hat in Österreich Freunde, die er in der Schule und beim Fußballspielen kennengelernt hat.

Der Asylwerber ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zu den Asylverfahren:

Der Asylwerber stellte am 15.09.2015 seinen ersten Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz und begründete diesen dahingehend, dass sein Vater ein Angehöriger der Taliban sei. Die Taliban hätten den Asylwerber mehrfach aufgefordert, sich ihnen anzuschließen. Eines Tages sei er von den Taliban entführt und gezwungen worden, für sie zu arbeiten. Nach gelungener Flucht habe er Afghanistan verlassen.

Dieser Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.12.2017 abgewiesen.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.06.2020, W276 2182731-1, als unbegründet abgewiesen und die mit dem angefochtenen Bescheid verhängte Rückkehrentscheidung bestätigt.

Mit Beschluss vom 21.09.2020, E 2617/2020, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes erhobenen Beschwerde ab.

Mit Beschluss vom 21.12.2020, Ra 2020/14/0532, wies der Verwaltungsgerichtshof die gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes erhobene Revision ab.

Am 12.03.2021 stellte der Asylwerber den zweiten (gegenständlichen) Antrag auf internationalen Schutz. Diesen zweiten Antrag auf internationalen Schutz begründete der Asylwerber im Rahmen seiner Erstbefragung dahingehend, dass er nach wie vor die gleichen Fluchtgründe habe. Es bestehe immer noch die Bedrohung durch die Taliban, die seine Familie und die Nachbarschaft belästigen und verlangen würden, dass der Asylwerber zurückkehre. Nunmehr könne er Bestätigungen von Familienangehörigen und Zeugen vorlegen, die diese Bedrohung bestätigen würden.

Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 26.05.2021 führte der Asylwerber aus, dass er nun nach fünf Jahren wieder Kontakt zu seiner Mutter und seinen Geschwistern in Afghanistan habe. Seine Mutter habe ihm mitgeteilt, dass sein Leben immer noch in Gefahr sei. Sein Vater komme immer wieder mit bewaffneten Personen nach Hause und frage, wo der Asylwerber sei. Er könne ein Schreiben seiner Mutter und ein Schreiben des Nachbarn vorlegen, welche diese Bedrohung bestätigen würden. Der Sohn des Nachbarn sei getötet worden, weil sein Vater dieses Schreiben für den Asylwerber verfasst habe. Er lege auch ein Foto vor, welches den getöteten Sohn des Nachbarn zeige.

Mit gegenständlichem, gemäß §§ 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005 iVm § 22 Abs. 10 Asylgesetz 2005 mündlich verkündeten Bescheid vom 26.05.2021 hob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den faktischen Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005 auf.

Der Folgeantrag wird voraussichtlich zurückzuweisen sein.

Der Asylwerber hat Österreich seit Beendigung seines ersten Asylverfahrens nicht verlassen.

1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Eine entscheidungswesentliche Änderung der Situation im Herkunftsstaat des Asylwerbers ist seit der letzten Entscheidung über den vorhergehenden Antrag nicht eingetreten.

Auch die aktuell vorherrschende COVID-19-Pandemie bildet kein Rückkehrhindernis. Der Asylwerber ist gesund und gehört mit Blick auf sein Alter und das Fehlen physischer (chronischer) Vorerkrankungen keiner spezifischen Risikogruppe betreffend COVID-19 an. Es besteht keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Asylwerber bei einer Rückkehr nach Afghanistan eine COVID-19-Erkrankung mit schwerwiegendem oder tödlichem Verlauf bzw. mit dem Bedarf einer intensivmedizinischen Behandlung bzw. einer Behandlung in einem Krankenhaus erleiden würde. COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Asylwerber im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan Übergriffe von staatlicher oder privater Seite zu erwarten hätten. Ebenso kann nicht festgestellt werden, dass er in eine die Existenz bedrohende Notlage geriete.

2. Beweiswürdigung

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Asylwerbers:

Die Staatsangehörigkeit und Volksgruppenzugehörigkeit des Asylwerbers konnten aufgrund der glaubhaften und gleichbleibenden Angaben des Asylwerbers festgestellt werden und wurden zudem bereits im Vorverfahren festgestellt. Es besteht kein Grund an diesen Angaben zu zweifeln.

Dass der Asylwerber ledig und kinderlos ist, geht aus seinem Vorbringen im Rahmen der Erstbefragung hervor.

Die Feststellungen zu seinem schulischen und beruflichen Werdegang, zu seinen Verwandten sowie zu seinem Gesundheitszustand beruhen ebenfalls auf den glaubhaften Angaben des Asylwerbers.

Die Feststellungen zum Leben des Asylwerbers in Österreich konnten ebenfalls aufgrund der von ihm getätigten Angaben getroffen werden.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Asylwerbers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

2.2. Zu den Feststellungen zu den Asylverfahren:

Die Feststellungen zum Gang der Asylverfahren ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes zu den Verfahren aufgrund der zwei Anträge auf internationalen Schutz des Asylwerbers.

Hinsichtlich der Feststellung, dass der Folgeantrag voraussichtlich zurückzuweisen sein wird, wird auf die Ausführungen im Rahmen der rechtlichen Beurteilung verwiesen.

Dass der Asylwerber Österreich seit der Beendigung seines ersten Asylverfahrens nicht verlassen hat, ergibt sich aus seinen Angaben im Zuge der Erstbefragung zu seinem zweiten Asylantrag.

2.3. Zu den Feststellungen zur Lage im Herkunftsland:

Dass eine entscheidungswesentliche Änderung der Situation in Afghanistan nicht eingetreten ist, ergibt sich aus einem Abgleich der Länderfeststellungen des letzten Asylverfahrens mit dem seitens der belangten Behörde in das Verfahren eingeführten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan (Stand 14.12.2020), das dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 17.03.2021 mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme übermittelt wurde. Davon machte der Beschwerdeführer keinen Gebrauch und erstattete auch im Zuge seiner Einvernahme keine Stellungnahme. Auch den zuletzt am 01.04.2021 in das Länderinformationsblatt eingefügten Informationen ist keine verfahrensrelevante Verschlechterung der allgemeinen Lage in Afghanistan zu entnehmen.

Die notorische Lage in Afghanistan betreffend die COVID-19-Pandemie sowie die Definition von Risikogruppen ergeben sich aus allgemein zugänglichen, wissenschaftsbasierten Informationen von WHO (https://www.who.int) und CDC (https://www.cdc.gov/) sowie auf Basis von Informationen der österreichischen Bundesregierung https://www.oesterreich.gv.at/?gclid=EAIaIQobChMI0ZWfp52a6QIVRaqaCh2o2gR4EAAYASAAEgL9NfD_BwE) und aus unbedenklichen tagesaktuellen Berichten. Die derzeitige Lage in Afghanistan im Hinblick auf die weltweite COVID-19-Pandemie ist nicht dergestalt, dass für jeden dort aufhältigen Menschen ein reales Risiko bestünde, an dieser Krankheit schwer zu erkranken oder daran zu sterben. Der Asylwerber ist jung und leidet an keinen schwerwiegenden körperlichen Erkrankungen. Er fällt somit weder in die Risikogruppe der älteren Personen noch in jene der Personen mit spezifischen physischen Vorerkrankungen, sodass auch keine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Asylwerber bei einer Rückkehr nach Afghanistan eine COVID-19-Erkrankung mit schwerwiegendem oder tödlichem Verlauf bzw. mit dem Bedarf einer intensivmedizinischen Behandlung bzw. einer Behandlung in einem Krankenhaus zu gewärtigen hätte. Inwiefern die COVID-19-Pandemie in Bezug auf Afghanistan der Rückkehr des Asylwerbers konkret entgegenstehen soll, tat dieser auch in seinen Einvernahmen in keiner Weise dar.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt gegenständlich somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 1 VwGVG trat dieses Bundesgesetz mit 1. Jänner 2014 in Kraft. Gemäß Abs. 2 leg. cit. bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu Spruchpunkt A)

Der mit „Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen“ betitelte § 12a Abs. 2 AsylG 2005 lautet:

„(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.“

Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 ergehen Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 leg.cit.mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakte sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese Übermittlung gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.

Der mit „Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes“ betitelte § 22 BFA-VG lautet:

„(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakte bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden.“

§ 75 (23) AsylG 2005 lautet:

„Ausweisungen, die gemäß § 10 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012 erlassen wurden, bleiben binnen 18 Monaten ab einer Ausreise des Fremden aufrecht. Diese Ausweisungen gelten als aufenthaltsbeendende Maßnahmen gemäß dem 1. oder 3. Abschnitt des 8. Hauptstückes des FPG in der Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012.“

3.2. Zu den Voraussetzungen des § 12a Asylgesetz 2005, auf den gegenständlichen Fall bezogen, im Detail:

3.2.1. Aufrechte Rückkehrentscheidung:

Mit rechtkräftig negativem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.06.2020 wurde gegen den Asylwerber eine Rückkehrentscheidung erlassen. Der Asylwerber hat Österreich seither nicht verlassen. Im Entscheidungszeitpunkt liegt demnach eine rechtskräftige aufrechte Rückkehrentscheidung gegen den Asylwerber vor.

3.2.2. res iudicata:

Bei den vom Asylwerber im Rahmen seiner zweiten Antragstellung vorgebrachten Fluchtgründen handelt es sich um dieselben Gründe wie jene, mit denen er bereits seine erste Antragstellung begründete. Er führte dezidiert an, dass er nach wie vor die gleichen Fluchtgründe habe; er werde immer noch von den Taliban verfolgt. Er bezieht sich damit ausschließlich auf ein Vorbringen, das bereits im Rahmen seines ersten Asylverfahrens beurteilt wurde. Ein neues entscheidungsrelevantes Vorbringen machte der Asylwerber nicht geltend.

Soweit der Asylwerber nunmehr Unterlagen wie Bestätigungen und Erklärungen von Familienangehörigen und Zeugen sowie ein Foto vorlegte, die die behauptete Bedrohung durch die Taliban nachweisen sollten, ist dem Asylwerber entgegenzuhalten, dass mit der Vorlage der genannten Dokumente bloß das „Fortbestehen und Weiterwirken“ (vgl. VwGH 20.03.2003, 99/20/0480) jenes Fluchtgrundes, den er bereits im Zuge des ersten Antrages auf internationalen Schutz vorbrachte, behauptet wird. Der Asylwerber beabsichtigt im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung seines mit Erkenntnis vom 29.06.2020 bereits rechtskräftig entschiedenen Antrages auf internationalen Schutz (vgl. VwGH 07.06.2000, 99/01/0321).

Auch die für den Asylwerber maßgebliche Ländersituation ist seit Erlassung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.06.2020 zur Frage der Zuerkennung von Asyl bzw. subsidiärem Schutz in Hinblick auf Afghanistan im Wesentlichen gleich geblieben.

Nach Anstellung einer Prognose über den voraussichtlichen Ausgang des Folgeantrages vom 12.03.2021 kommt das Bundesverwaltungsgericht sohin zum Ergebnis, dass der gegenständliche Folgeantrag des Asylwerbers gemäß § 68 Abs. 1 AVG voraussichtlich zurückzuweisen sein wird, weil im Zuge der Grobprüfung durch das Gericht keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes im Vergleich zum Vorverfahren hervorgetreten ist.

3.2.3. Prüfung der Verletzung von Rechten nach der EMRK:

3.2.3.1. Bereits im ersten Verfahren hat das Bundesasylamt für Fremdenwesen und Asyl ausgesprochen, dass der Asylwerber bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen würde.

Im nunmehr zweiten Asylverfahren bestehen – im Lichte der eben getroffenen Erwägungen – keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Abschiebung des Asylwerbers nach Afghanistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringt.

Es sind auch keine wesentlichen in der Person des Asylwerbers liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden, wie beispielsweise eine schwere Erkrankung, die eine umfassende Refoulementprüfung für notwendig erscheinen lassen würden. Auch seitens des Asylwerbers wurde kein entsprechendes Vorbringen hiezu getätigt.

Wie bereits beweiswürdigend ausgeführt, besteht weiters keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung nach Art. 3 EMRK alleine aufgrund der gegenwärtigen COVID-19-Pandemie.

3.2.3.2. Es liegt auch keine Gefahr einer Verletzung von Art. 8 EMRK vor: Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass der Asylwerber in Österreich im gemeinsamen Haushalt mit seinem Bruder lebt. Es besteht jedoch kein wie auch immer geartetes Abhängigkeitsverhältnis. Darüber hinaus handelt es sich hierbei auch nicht um einen Umstand, der sich erst nach Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag ergeben hätte; der gemeinsame Haushalt mit dem Bruder des Asylwerbers wurde bereits im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.06.2020 berücksichtigt. Neue Sachverhaltselemente das Privat- und Familienleben des Asylwerbers betreffend haben sich nicht ergeben.

Der am 12.03.2021 gestellte Folgeantrag wird daher zurückzuweisen sein.

3.2.4. Rechtmäßigkeit des Verfahrens:

Im Verfahren zur Aberkennung des faktsichen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005 ist durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Ermittlungsverfahren durchzuführen (vgl. § 18 Asylgesetz 2005), wobei auch der Grundsatz der Einräumung von rechtlichem Gehör (§§ 37, 45 Abs. 3 AVG) zu beachten ist.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat das Ermittlungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt. Der Asylwerber hat Parteiengehör erhalten, er wurde am 26.05.2021 im Beisein eines Dolmetschers einvernommen.

Im Lichte des § 22 BFA-VG hatte keine mündliche Verhandlung stattzufinden.

Da insgesamt die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005 für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes vorgelegen sind, ist der dazu mündlich verkündete Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.05.2021 rechtmäßig erfolgt, weshalb spruchgemäß zu entscheiden ist.

Zu Spruchpunkt B)

Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind vom Asylwerber nicht vorgebracht worden oder im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung EMRK faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig Folgeantrag res iudicata

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W269.2182731.2.00

Im RIS seit

05.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

05.08.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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