RS Vfgh 2021/6/8 E3947/2020

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Veröffentlicht am 08.06.2021
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
AsylG 2005 §3, §8, §10, §57,
FremdenpolizeiG 2005 §46, §52, §53, §55
BFA-VG §49, §52
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander mangels Anwesenheit eines - ordnungsgemäß geladenen - Rechtsberaters bei der mündlichen Beschwerdeverhandlung im Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz betreffend einen Staatsangehörigen aus Nigeria

Rechtssatz

In seinem Erkenntnis VfSlg. 19.490/2011 hat der VfGH zur Frage des Rechtsschutzes von Asylwerbern im Asylverfahren durch den damaligen Asylgerichtshof im Hinblick auf den damals in §66 AsylG 2005 (nunmehr §§ 49 und 52 BFA-VG) normierten Rechtsberater ausgesprochen, dass es auf Grund des spezifischen Rechtsschutzbedürfnisses von Asylwerbern Sache des Asylgerichtshofes ist, dafür Sorge zu tragen, dass das einem Asylwerber zustehende Recht auf einen Rechtsberater auch tatsächlich in Anspruch genommen werden kann, wenn der Asylwerber ein solches Begehren stellt oder aufrecht hält.

In diesem Sinne hat auch der VwGH judiziert (VwGH 03.05.2016, Ro 2016/18/0001), dass auf Grund der aus dem rechtsstaatlichen Prinzip einerseits und den einschlägigen unionsrechtlichen Vorschriften andererseits resultierenden Verfahrensgarantien es auch Sache des Verwaltungsgerichtes ist, dafür Sorge zu tragen, dass das einem Asylwerber zustehende Recht auf einen Rechtsberater tatsächlich in Anspruch genommen werden kann. Zu diesem Zweck hat es in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem der Asylwerber das Ersuchen um Teilnahme an den Rechtsberater vor der Verhandlung gestellt hatte, diesem aber vom Rechtsberater unentschuldigt nicht entsprochen worden ist, von der Möglichkeit des §19 Abs1 AVG, der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß §17 VwGVG sinngemäß anzuwenden ist, Gebrauch zu machen und das nötige Erscheinen des Rechtsberaters durch förmliche Ladung zu bewirken.

Im vorliegenden Fall, ist zu der vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) anberaumten mündlichen Verhandlung der vom Beschwerdeführer bevollmächtigte Rechtsberater (ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe) unentschuldigt nicht erschienen. Dennoch führte der erkennende Richter die mündliche Verhandlung durch, ohne den Beschwerdeführer zumindest über die Möglichkeit der Ladung des Rechtsberaters in Kenntnis zu setzen oder ihn dahingehend zu befragen, ob er sein Vertretungsverhältnis aufrechterhält. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Rechtsberater zwar ordnungsgemäß geladen, jedoch nicht am Verhandlungsort in Wien, sondern an der Außenstelle des BVwG in Innsbruck erschienen ist. Auch wenn dieser Fehler dem Rechtsberater anzulasten ist, hätte der erkennende Richter den Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung über seine Rechte gemäß §52 BFA-VG informieren müssen. Diese Information ist nicht erfolgt, obwohl der erkennende Richter - seinen eigenen Angaben zufolge - bereits vor Beginn der mündlichen Verhandlung in Kenntnis davon war, dass der Rechtsberater am falschen Ort erschienen ist. Dieser Umstand legt nicht nahe, dass eine weitere Vertretung des Beschwerdeführers durch den ihm zur Seite gestellten Rechtsberater nicht mehr erwünscht sei. Diese Handhabung des Verfahrensrechtes stellt Willkür dar.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Asylrecht, Verhandlung mündliche, Ladung, Rechtsschutz, Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2021:E3947.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.08.2021
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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