TE Vwgh Erkenntnis 1997/3/5 95/03/0010

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Veröffentlicht am 05.03.1997
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;
95/02 Maßrecht Eichrecht;

Norm

B-VG Art139 Abs6;
B-VG Art140 Abs7;
MEG 1950 §40;
StVO 1960 §20 Abs1;
StVO 1960 §20 Abs2;
VStG §1 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Gruber, Dr. Gall und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde des J in R, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 23. November 1994, Zl. 11/16-5/1994, in der durch Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 15. Februar 1995, Zl. 11/16-7/1994, berichtigten Fassung, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer ist schuldig, dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 9. Dezember 1993, dem Beschwerdeführer zugestellt am 22. Dezember 1993, wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 17. Mai 1993 gegen 15.35 Uhr ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Motorrad auf der B 100 in Fahrtrichtung Mittewald gelenkt und dabei die laut § 1 lit. b der Verordnung der Tiroler Landesregierung vom 13. Feber 1990, LGBl. Nr. 8/1990, in der derzeit geltenden Fassung, in Tirol auf Bundes- und Landesstraßen außerhalb von Ortsgebieten zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 30 km/h überschritten. Er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 in Verbindung mit § 1 lit. b der genannten Verordnung der Tiroler Landesregierung begangen. Gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 wurde über ihn (unter Anrechnung einer Verwahrungshaft) eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,-- verhängt. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 23. November 1994 wurde die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung abgewiesen. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 15. Feber 1995 wurde dieser Bescheid dahin ergänzt, daß die Abweisung der Berufung mit der Maßnahme erfolge, daß der Tatort mit "B 100 im Bereich des Straßen-km 121,3" präzisiert werde.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides beantragt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 17. Juni 1993, V 117-119/92 u.a., die Verordnung der Tiroler Landesregierung vom 13. Feber 1990, LGBl. Nr. 8/1990, als gesetzwidrig aufgehoben hat, wobei der Verfassungsgerichtshof aussprach, daß die Aufhebung erst mit Ablauf des 31. Dezember 1993 in Kraft trete. Der vorliegende Fall war kein "Anlaßfall" für die Aufhebung der Verordnung. Im hier zu beurteilenden Tatzeitpunkt war daher die Verordnung noch in Geltung (vgl. Art. 139 Abs. 6 B-VG), auch zum Zeitpunkt der Zustellung des Straferkenntnisses erster Instanz am 22. Dezember 1993 war die Rechtslage für den Beschwerdeführer nicht als günstiger anzusehen. Daß die Aufhebung der Verordnung vor Zustellung des angefochtenen Bescheides in Kraft trat, ist für die Beurteilung des gegenständlichen Falles ohne Belang (vgl. die in Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5 zu § 1 Abs. 2 VStG angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf den Seiten 741f).

Die belangte Behörde ging nach der Begründung des angefochtenen Bescheides im wesentlichen davon aus, daß sich auf Grund der Aussagen der Meldungsleger und des eingeholten Gutachtens des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen vom 20. Oktober 1994 ergeben habe, daß eine ordnungsgemäße Messung der vom Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt eingehaltenen Geschwindigkeit mittels Laser-Verkehrsgeschwindigkeitsmessers VKGM LTI 20.20 TS/KM vorgenommen worden sei. Die Geschwindigkeit sei aus einer Entfernung von 232 m gemessen worden, das Gerät sei geeicht gewesen und habe die Geschwindigkeit von 114 km/h angezeigt. Zum Einwand des Beschwerdeführers, nicht die von ihm eingehaltene Geschwindigkeit sei gemessen worden, sondern die des nachfahrenden Pkws, entgegnete ihm die Behörde im wesentlichen, daß auf Grund des Gutachtens schlüssig feststehe, daß ordnungsgemäße Messungen der Geschwindigkeit von Motorrädern mit dem Laser-VKGM auch in größerer Entfernung möglich seien, auch dann, wenn hinter dem anvisierten Motorrad ein Pkw fahre. Im Rahmen ihrer Beweiswürdigung legte die belangte Behörde ferner dar, warum sie den Aussagen des die Messung vornehmenden Gendarmeriebeamten folgte, daß die vom Beschwerdeführer eingehaltene Geschwindigkeit gemessen worden und eine Verwechslung auszuschließen sei.

Der Beschwerdeführer führt - wie schon im Verwaltungsstrafverfahren - auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ins Treffen, daß unmittelbar hinter seinem Motorrad ein größeres Objekt, nämlich ein Pkw gefahren sei. Im Hinblick darauf, daß der Pkw eine größere Aufprallfläche habe, und im Hinblick darauf, daß aus einer Entfernung von 232 m gemessen worden sei, sei anzunehmen, daß nicht die vom Beschwerdeführer eingehaltene Geschwindigkeit, sondern die von dem hinter ihm fahrenden Pkw gemessen worden sei. Dieser Pkw habe zuvor andere Motorradlenker überholt. Insbesondere auch um dieses Überholen zu erhärten, habe er die Einvernahme von Zeugen und die Vornahme eines Lokalaugenscheines beantragt. Die Zeugen hätten an Ort und Stelle aufzeigen können, wo der Pkw überholt habe, welche Sicht im Bereich der Stelle gegeben gewesen sei und "was eine Person auf eine Entfernung von 300, 250 oder 232 m sehen kann und wie sich dies bei Bedienung des Lasergerätes auswirkt". Diese Anträge habe die belangte Behörde aber abgewiesen.

Zur zuletzt genannten Verfahrensrüge des Beschwerdeführers ist ihm das Folgende zu entgegnen. Strittig ist die Frage, ob der die Geschwindigkeitsmessung vornehmende Gendarmeriebeamte die Geschwindigkeit, die der Beschwerdeführer mit seinem Motorrad einhielt, gemessen hat - wie von der belangten Behörde festgestellt -, oder die eines anderen Fahrzeuges. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß dieses Fahrzeug (Pkw) zum Tatzeitpunkt hinter ihm fuhr. Ob vom Lenker dieses Pkws zuvor andere Motorradlenker überholt wurden, ist für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens völlig unerheblich; daß der Beschwerdeführer vom Pkw-Lenker überholt worden sei, wurde nicht behauptet. Daß auf Grund der gegebenen Straßen- und Witterungsverhältnisse die Sicht für einen ordnungsgemäßen Meßvorgang ausreichend war, wurde im Verwaltungsstrafverfahren nicht bestritten. Was nun die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte "weite" Entfernung vom Standort des messenden Gendarmeriebeamten zum anvisierten Motorrad des Beschwerdeführers anlangt, ist dem Beschwerdeführer zu entgegnen, daß im Hinblick auf die Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. März 1994, Zl. 93/03/0317) diese Entfernung bei weitem innerhalb des zulässigen und für einen ordnungsgemäßen Meßvorgang ausreichenden Bereiches gelegen ist. Der Beschwerdeführer vermag es somit nicht, eine Relevanz des von ihm behaupteten Verfahrensmangels aufzuzeigen.

Zu der vom Beschwerdeführer aufgeworfenen Problematik, daß sein Motorrad eine kleinere Aufprallfläche für den Laserstrahl des Geschwindigkeitsmeßgerätes biete und es daher leicht möglich sei, daß die Messung nicht das Motorrad, sondern den dahinterfahrenden Pkw erfaßt habe, wurde im Gutachten des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen, dem die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid im wesentlichen folgte, folgendes ausgeführt:

"Hinsichtlich ihres Verhaltens bei Geschwindigkeitsmessungen mit den sehr zielsicheren Laser-VKGM unterscheiden sich Motorräder von Pkw oder Lkw durch eine kleinflächigere und stärker strukturierte Reflexions-Silhouette. Motorrader sind daher insbesondere in größerer Entfernung grundsätzlich etwas schlechter anvisierbar, auch werden Messungen entsprechend der vorstehend beschriebenen Funktionsweise (Ansprechen der Kontrollroutinen) häufiger unterdrückt und statt eines Geschwindigkeitswertes eine Fehlermeldung angezeigt.

Ordnungsgemäße Messungen der Geschwindigkeit von Motorrädern sind jedoch durchaus auch in größerer Entfernung möglich, auch dann, wenn hinter dem anvisierten Motorrad ein Fahrzeug mit großflächigerer Reflektions-Silhouette - z.B. ein Pkw - fährt. Wird dabei vom Laser-VKGM ein Geschwindigkeitswert und keine Fehlermeldung angezeigt, so gilt auch in solchen Fällen, daß dieser Geschwindigkeitswert richtig ist. Er ist demjenigen der beiden Fahrzeuge zuzuordnen, das während der Meßzeit von 0,3 s dauernd anvisiert worden ist.

Dazu sei noch festgehalten, daß die geschilderte Funktionsweise der Laser-VKGM, insbesondere auch die Wirksamkeit der beschriebenen Kontrollroutinen, vom BEV in umfangreichen, praxisgerechten Straßenversuchen untersucht worden ist. Dabei wurden auch zahlreiche Messungen an Motorrädern alleine sowie an Motorrädern mit dahinterfahrendem Pkw durchgeführt.

Da bei der vom Beschuldigten angezweifelten Geschwindigkeitsmessung ein Geschwindigkeitswert angezeigt worden ist, kann diese Messung unbeschadet der größeren Entfernung und der Tatsache, daß hinter dem zu messenden Motorrad ein Pkw gefahren ist, als einwandfrei und richtig innerhalb der vom BEV festgelegten Fehlergrenzen (diese betragen im gegenstädlichen Fall +/- 3 %) angesehen werden.

Die Frage, ob dieser Geschwindigkeitswert dem Motorrad oder dem Pkw zuzuordnen ist, kann vom Gutachter nicht eindeutig beantwortet werden. Es ist zwar wenig wahrscheinlich aber immerhin theoretisch möglich, daß durch ungenaues Anvisieren des zu messenden Motorrades während der Meßzeit von 0,3 s alle Laserlichtimpulse am Motorrad vorbei an dem die Silhouette des Motorrades überragenden Pkw reflektiert worden sind und der angezeigte Geschwindigkeitswert somit dem Pkw zuzuordnen wäre. Für eine diesbezügliche Entscheidung müßte die Zeugenaussage des die fragliche Geschwindigkeitsmessung durchführenden Gendarmeriebeamten herangezogen werden ..."

Die belangte Behörde zeigte im angefochtenen Bescheid im Rahmen der Beweiswürdigung schlüssig auf, aus welchen Gründen sie der Darstellung des die Messung vornehmenden Gendarmeriebeamten - und den anderen Gendarmeriebeamten, die der Messung beiwohnten - Glauben schenkte, und nicht der Darstellung des Beschwerdeführers, er habe eine Fahrgeschwindigkeit von 80 km/h eingehalten. Gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde vermag der Beschwerdeführer keine Bedenken zu erwecken. Auch das Argument, der die Messung vornehmende Gendarmeriebeamte habe selbst dargelegt, daß er zunächst aus größerer Entfernung das Motorrad des Beschwerdeführers wegen der geringen Aufprallfläche "nicht gleich traf", läßt für den Standpunkt des Beschwerdeführers nichts gewinnen, zeigt es doch nicht auf, warum der folgende Meßvorgang, der zum vorliegenden Ergebnis führte, nicht korrekt gewesen sein soll. Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, daß ein Laser-Verkehrsgeschwindigkeitsmesser der angeführten Bauart grundsätzlich ein taugliches Mittel zur Feststellung einer von einem Fahrzeug eingehaltenen Geschwindigkeit darstellt. Auch ist einem mit der Geschwindigkeitsmessung mittels eines Laser-Verkehrsgeschwindigkeitsmessers betrauten Beamten auf Grund seiner Schulung die ordnungsgemäße Verwendung des Gerätes zuzumuten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. März 1994, Zl. 93/03/238, u.a.). Konkrete Bedenken gegen das zutreffende Anvisieren des Beschwerdeführers bzw. seines Motorrades durch den Beamten und den gegenständlichen Meßvorgang hat der Beschwerdeführer nicht aufgezeigt. Daß allenfalls in anderen Ländern Lasergeschwindigkeitsmeßgeräte nur mit fix montierter Videokamera verwendet werden dürfen, wie der Beschwerdeführer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren darlegt, ist für die Beurteilung des vorliegenden Falles nicht relevant.

Der Beschwerdeführer bringt schließlich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren in seiner Äußerung vom 23. März 1995 vor, daß auf Grund einer Untersuchung des ADAC festgestellt worden sei, daß die Verwendung der Laserpistole LTI 20.20 "sehr leicht zu falschen Ergebnissen in bezug auf das gemessene Fahrzeug führen kann" und dies soweit führen könne, daß ein vom Zielfahrzeug links oder rechts befindliches Fahrzeug "tatsächlich gemessen wird, wenn es lediglich mit einer seitlichen Versetzung von 1,5 m anstelle des anvisierten Fahrzeuges fährt", und legt hiezu einen Untersuchungsbericht des ADAC vor. Daraus ist aber für den Standpunkt des Beschwerdeführers schon deshalb nichts gewonnen, weil es sich hiebei um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung handelt.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Feststellen der Geschwindigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995030010.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

02.07.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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