TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/31 W258 2230234-1

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Veröffentlicht am 31.03.2021
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Entscheidungsdatum

31.03.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
DSG §1
StPO §76 Abs4

Spruch


W258 2230234-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerold PAWELKA-SCHMIDT als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Dr. Gerd TRÖTZMÜLLER und Gerhard RAUB als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid der Datenschutzbehörde vom 10.02.2020, GZ XXXX , XXXX , mitbeteiligte Partei vor dem Verwaltungsgericht Staatsanwaltschaft XXXX , in nichtöffentlicher Sitzung in einer datenschutzrechtlichen Angelegenheit zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

Verfahrensgegenständlich ist die Frage, ob die belangte Behörde zu Recht die Beschwerde des Beschwerdeführers abgewiesen hat, wonach er in seinem Recht auf Geheimhaltung nach § 1 Abs 1 DSG verletzt worden sei, indem die mitbeteiligte Partei am 01.02.2019 über Anforderung der Landespolizeidirektion XXXX (in Folge „LPD“) ein psychiatrisches und neurologisches Gutachten an sie zum Zweck übermittelt hat, einen Antrag des Beschwerdeführers auf Löschung über ihn gespeicherter erkennungsdienstlichen Daten bearbeiten zu können.

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer beantragte am 14.11.2018 bei der LPD über ihn verarbeitete erkennungsdienstlichen Daten zu löschen. Um die Voraussetzung für eine Löschung zu prüfen, stellte die LPD am 13.12.2018 ein Amtshilfeersuchen an die mitbeteiligte Partei, ihr allfällige Ermittlungsinformationen über den Beschwerdeführer zukommen zu lassen. Die mitbeteiligte Partei übermittelte daraufhin der LPD am 01.02.2019 den Ermittlungsakt zur AZ 7 St 226/17a, in dem der Beschwerdeführer als Beschuldigter geführt worden ist und ua ein psychiatrisches Sachverständigengutachten des XXXX (in Folge „Gutachten XXXX “) über den Beschwerdeführer vom 13.10.2015 enthalten war.

Dadurch fühlte sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Geheimhaltung verletzt und beantragte mit Beschwerde an die belangte Behörde vom 04.06.2019 diese Rechtsverletzung festzustellen.

Mit Bescheid vom 10.02.2020 wies die belangte Behörde die Beschwerde ab. Die Weiterleitung des Sachverständigengutachtens sei durch Amtshilfe nach Art 22 B-VG iVm § 76 Abs 4 Z 2 lit b StPO gerechtfertigt.

Dagegen richtet sich die gegenständliche Beschwerde des Beschwerdeführers vom 04.06.2019, ergänzt am 10.04.2020 (OZ 2) und am 17.06.2020 (OZ 4), in der er im Wesentlichen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtige Tatsachenfeststellung infolge unrichtiger Beweiswürdigung sowie unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht. Begründend führte der Beschwerdeführer auf das Wesentlichste zusammengefasst aus, die Interpretation des § 76 StPO durch die belangte Behörde sei überschießend. Dies im Besonderen, weil die mitbeteiligte Partei in einem anderen Verfahren festgehalten habe, dass bei ihr der Datenschutz eine vorrangigere Rolle gegenüber der Amtshilfe gemäß Art 22 B-VG spiele. Entgegen den Feststellungen der belangten Behörde sei das Gutachten, das im Übrigen keine Gefährdungsprognose enthalte, nicht im Ermittlungsverfahren der mitbeteiligten Partei zur AZ 7 St 226/17a nach § 126 StPO beauftragt worden.

Mit Beschwerdevorlage und Stellungnahme vom 25.03.2020 replizierte die belangte Behörde, die bekämpften Tatsachenfeststellungen wären für den Ausgang des Verfahrens ohne Bedeutung. Auch sei irrelevant, ob das beigezogene Gutachten eine Gefährdungsprognose enthalte, weil die Gefährdungsprognose von der LPD vorzunehmen sei. Ein Sachverständigengutachten über den Geisteszustand einer Person sei für eine Gefährdungsprognose jedenfalls denkmöglich relevant. Dazu nahm der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 08.03.2021 Stellung.

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Der folgende Sachverhalt steht fest:

1.1. Zur Bescheidbeschwerde:

In der Bescheidbeschwerde führt der Beschwerdeführer unter anderem aus (Fehler im Original):

„[…] ist der Bescheid grob mangelhaft und rechtswidrig und führt daher zu einem falschen Ergebnis.

[…] ist völlig unklar, weshalb die Beschwerdegegnerin das Gutachten von […] überhaupt an die LPD XXXX übermittelt hat. […]

Daher war für die Gefährlichkeitsprognose die Übermittlung des Gutachtens […] völlig überflüssig – es ist keine Gefährlichkeitsprognose enthalten.

Die Übermittlung des Gutachten von […] erweist sich daher als rechtswidrig. Ich stelle den Antrag, den Bescheid der DSB ersatzlos aufzuheben. […]“

1.2. Zur Sache:

Der Beschwerdeführer beantragte am 14.11.2018 bei der LPD die Löschung seiner bei ihr verarbeiteten erkennungsdienstlichen Daten.

Um die Berechtigung des Löschungsantrags zu prüfen, richtete die LPD am 13.12.2018 das folgende Schreiben an die mitbeteiligte Partei:

„[…] Herr XXXX wurde von der LVT XXXX wegen des Verdachts der gefährlichen Drohung (§ 107 StGB) und des Missbrauchs der Amtsgewalt (§ 302 StGB) am 29.01.2018 zur Zahl J-03/0397/2017 erkennungsdienstlich behandelt.

Er war verdächtig gewesen, unter Verwendung falscher E-Mail-Adressen beleidigende und als „Arbeitsanweisung“ und „Strategiepapier“ titulierte E-Mails an verschiedene Einrichtungen, Ämter und Behörden versandt zu haben. Weiters war er verdächtig, Polizeibeamte und deren nahen Angehörigen gefährlich bedroht zu haben.

Sollte bei der do. StA insbesondere in ähnlich gelagerten Fällen gegen Herrn XXXX ermittelt worden sein, wird ersucht, gemäß § 76 Abs 4 Z 2 lit b StPO, den diesbezüglichen do Akt zur kurzfristigen Einsichtnahme zu überlassen.“

Die mitbeteiligte Partei übermittelte daraufhin der LPD am 01.02.2019 den dortigen Ermittlungsakt zur AZ 7 St 226/17a, in dem der Beschwerdeführer als Beschuldigter geführt wird. In dem Akt befand sich ein psychiatrisches Sachverständigengutachten von XXXX vom 13.10.2015, in dem Befund und Gutachten über den psychischen Zustand des Beschwerdeführers erstattet wird.

2. Der Sachverhalt gründet auf der folgenden Beweiswürdigung:

Die Feststellungen gründen auf dem unbedenklichen Verwaltungsakt.

3. Rechtlich folgt daraus:

Zu A)

Die zulässige Beschwerde ist nicht berechtigt.

3.1. Zum Beschwerdeantrag:

Der Inhalt der Bescheidbeschwerde scheint unklar. Einerseits begehrt der Beschwerdeführer, das Bundesverwaltungsgericht möge den bekämpften Bescheid „ersatzlos beheben“. Daraus würde folgen, dass der Beschwerdeführer der Meinung ist, dass die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid überhaupt nicht erlassen hätte dürfen. Andererseits führt der Beschwerdeführer begründen aus, warum die belangte Behörde festzustellen gehabt hätte, dass er durch die Übermittlung des Gutachtens XXXX durch die mitbeteiligte Partei an die LPD in seinem Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten verletzt worden sei.

Auf Grund seines Antrags vor der Datenschutzbehörde, sein Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten festzustellen, und seinen Beschwerdeausführungen, wonach die Übermittlung des Gutachtens – aus mehreren genannten Gründen – rechtswidrig gewesen sei, folgt aber eindeutig, dass es dem Beschwerdeführer tatsächlich darum geht, dass die Behörde inhaltlich über sein Feststellungsbegehren abspricht. Das erkennende Gericht ist daher befugt, über diese Frage zu entscheiden (zur für die Beurteilung des Beschwerdebegehrens maßgeblichen Gesamtschau siehe VwGH 19.11.2020, Ra 2020/21/0420).

3.2. Zur Abweisung der Beschwerde:

Verfahrensgegenständlich ist im gerichtlichen Verfahren, ob die mitbeteiligte Partei den Beschwerdeführer in seinem Recht auf Geheimhaltung verletzt hat, indem sie der LPD ein im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens ermitteltes und den Beschwerdeführer betreffendes medizinischen Sachverständigengutachtens übermittelt hat, damit die LPD einen Antrag des Beschwerdeführers auf Löschung erkennungsdienstlicher Daten prüfen kann.

Die belangte Behörde hat als gemäß § 31 Abs 1 DSG im Anwendungsbereich des 3. Hauptstücks des DSG zuständige Aufsichtsbehörde nach Abwägung der schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen des Beschwerdeführers einerseits und der Veröffentlichungsinteressen der LPD andererseits keinen Verstoß gegen das Recht auf Geheimhaltung des Beschwerdeführers nach § 1 Abs 1 DSG erkannt.

Der Beschwerdeführer hält dem – soweit relevant und auf das Wesentlichste zusammengefasst – entgegen, das übermittelte Gutachten XXXX sei für die LPD nicht relevant gewesen, weil es keine Gefährdungsprognose enthalte. Entgegen der Meinung der belangten Behörde stelle § 76 StPO keine taugliche Rechtsgrundlage für die Übermittlung des Gutachtens dar, andernfalls würde der Datenschutz vollständig ausgehebelt.

Dem kann nicht gefolgt werden:

3.2.1. Rechtliches:

Gemäß § 1 Abs 1 DSG hat jedermann, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht.

Beschränkungen des Geheimhaltungsanspruchs sind gemäß § 1 Abs 2 DSG ua zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art 8 Abs 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.

Die auf Grund dieses Gesetzesvorbehaltes erlassenen grundlegenden strafprozessualen Normen zur Verarbeitung personenbezogener Daten bzw zu ihrer Übermittlung im Wege der Amts- und Rechtshilfe nach Art 22 B-VG finden sich in §§ 74 bis 76 StPO. Sie gehen als „lex specialis“ den allgemeineren Regelungen im 3. Hauptstück des DSG vor.

Inhaltlich regelt § 76 Abs 4 StPO in der maßgeblichen Fassung zum Zeitpunkt der Übermittlung des Gutachtens am 01.02.2019 (vgl VwGH 24.03.2015, Ro 2014/09/0066), dh idF BGBl I 32/2018, die Übermittlung personenbezogener, im Zuge eines Strafverfahrens gewonnener Daten an andere Gerichte und Behörden. Sie ist nach dem 1. und 2. Satz leg cit zulässig, wenn eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung (zur Datenübermittlung) besteht, die Daten in einem Strafverfahren zulässigerweise als Beweis Verwendung finden dürfen und der Übermittlung keine überwiegend schutzwürdigen Interessen des betroffenen Grundrechtsträgers entgegenstehen.

Gemäß 3. Satz leg cit. dürfen darüber hinaus personenbezogene Daten, die nicht durch eine körperliche Untersuchung, eine molekulargenetische Untersuchung (§§ 123, 124 StPO) oder eine Ermittlungsmaßnahme nach dem 4. bis 6. Abschnitt des 8. Hauptstücks der StPO – ie durch Observation, verdeckte Ermittlung, Scheingeschäft, Beschlagnahme von Briefen, Auskunft über Daten einer Nachrichtenübermittlung, Auskunft über Vorratsdaten, Überwachung von Nachrichten und von Personen sowie automationsunterstützten Datenabgleich – ermittelt worden sind, an die in § 76 Abs 4 Z 2 lit a bis d StPO aufgezählten Empfänger zu den dort genannten Zwecken übermittelt werden. Demnach ist eine Übermittlung der Daten an Sicherheitsbehörden und Kriminalpolizei für Zwecke der Sicherheitsverwaltung und der Strafrechtspflege zulässig (§ 76 Abs 4 Z 2 lit b StPO).

Zur Interpretation des § 76 Abs 4 StPO BGBl I 32/2018:

Auf Grund der Formulierung „darüber hinaus“ ist unklar, ob die in § 76 Abs 4 3. Satz StPO genannten zulässigen Übermittlungsempfänger und –zwecke zu den in den ersten beiden Sätzen der Bestimmung genannten Anforderungen hinzutreten oder ob sie eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung im Sinne des Art 76 Abs 4 1. Satz StPO darstellen.

Diese Frage kann durch die Betrachtung des Gesetzgebungsprozesses zu § 76 Abs 4 StPO BGBl I Nr 32/2018 beantwortet werden.

In der Regierungsvorlage wurde der folgende Text für § 76 Abs 4 StPO vorgeschlagen (RV 181 BlgNR 25. GP):

„(4) Daten, die durch eine körperliche Untersuchung, eine molekulargenetische Untersuchung (§§ 123, 124) oder eine Ermittlungsmaßnahme nach dem 4. bis 6. Abschnitt des 8. Hauptstücks ermittelt worden sind und

deren Verwendung in einem Strafverfahren als Beweis zulässig ist, dürfen nur

an Staatsanwaltschaften und Gerichte für Zwecke der Strafrechtspflege,

an Sicherheitsbehörden außer im Fall des § 124 Abs. 5 für Zwecke der Sicherheitspolizei, soweit dies für die Abwehr mit beträchtlicher Strafe bedrohter Handlungen (§ 17 SPG) sowie die Abwehr erheblicher Gefahren für Leben, Leib oder Freiheit einer Person oder für erhebliche Sach- und Vermögenswerte erforderlich ist, sowie

an Gerichte und andere Behörden für Zwecke der Durchführung von Verfahren wegen durch die Straftat verwirklichter Disziplinarvergehen oder aus dieser Tat abgeleiteter zivilrechtlicher Ansprüche übermittelt werden.

Andere nach diesem Gesetz ermittelte personenbezogene Daten dürfen

Staatsanwaltschaften und Gerichten für Zwecke der Straf- und Zivilrechtspflege,

Sicherheitsbehörden und Kriminalpolizei für Zwecke der Sicherheitsverwaltung und der Strafrechtspflege,

Finanzstrafbehörden für deren Dienste im Rahmen der Strafrechtspflege, sowie

all den erwähnten Gerichten und Behörden zur Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Handelns der genannten Organe übermittelt werden.

Im Übrigen ist eine Übermittlung von nach diesem Gesetz ermittelten personenbezogenen Daten nur zulässig, wenn hiefür eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung besteht.“

In den Materialien wird dazu ausgeführt (ErläutRV 181 BlgNR 25. GP 7.; zu Z 13 und 14 (§ 75 Abs. 5 und 76 Abs. 4):

„Den Überlegungen einer gesetzlichen Neuregelung liegt nunmehr zugrunde, die Zulässigkeit der Datenverwendung einer Normierung durch den jeweiligen Materiengesetzgeber zu überlassen, um den Regelungsgehalt der StPO nicht zu überfordern. Letztlich ist es wohl auch nur dem konkreten Materiengesetzgeber möglich, hinreichend zu beurteilen, ob der Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz auf das Erforderliche beschränkt, geeignet und verhältnismäßig ist. In Anlehnung an die vergleichbaren Bestimmungen der §§ 57 Abs. 3, 58b Abs. 2, 58c Abs. 1 und 2, 58d Abs. 2 und 71 SPG soll sich in der StPO daher nur eine Regelung zur Zulässigkeit der Datenübermittlung an Behörden und Gerichte finden, die der besonderen Sensibilität durch grundrechtsinvasive Eingriffe ermittelter Daten insofern Rechnung trägt, als deren Übermittlung an Behörden und Gerichte nur für exakt festgelegte Zwecke möglich sein soll.“

Aus diesem Gesetzesvorschlag und den Materialien erhellt, dass eine Übermittlung nicht im besonderen Maße grundrechtssensitiver Daten an Sicherheitsbehörden für Zwecke der Sicherheitsverwaltung ohne weitere gesetzliche Grundlage zulässig hätte sein sollen.

Die tatsächlich beschlossene Novellierung des § 76 Abs 4 StPO basiert auf einem Abänderungsantrag im Justizausschuss (AB 203 BlgNR 25. GP), der wie folgt begründet war:

„Durch die Änderung soll einerseits ausdrücklich klargestellt werden, dass die Übermittlung von Daten immer nur dann zulässig ist, wenn diese in einem Strafverfahren zulässig als Beweis Verwendung finden dürfen.

Ferner stellt auch schon die Übermittlung von Daten zum Zweck deren Verwendung in einem anderen Verfahren einen Eingriff in das durch § 1 DSG 2000, Art. 8 MRK und Art. 8 GRC geschützte Grundrecht des Betroffenen auf Datenschutz dar. Aus diesem Grund sehen die Z 1 und 2 an der Intensität des Grundrechtseingriffs gemessene Beschränkungen in der Zulässigkeit der Datenübermittlung vor.

Aus § 1 Abs. 2 DSG 2000 ist jedoch auch das Erfordernis einer Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall abzuleiten: Eine Übermittlung von Daten soll nur erfolgen dürfen, wenn die im Einzelfall damit verfolgten Zwecke (etwa öffentliche Interessen oder die Interessen Beteiligter an jenen Verfahren, für deren Führung die Daten übermittelt werden) bedeutender sind als die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen der von der Übermittlung Betroffenen. Implizit ist damit auch verbunden, dass Daten nur in jenem Umfang übermittelt werden dürfen, in dem dies jeweils erforderlich und verhältnismäßig ist.“

Damit wird die Zulässigkeit aller Datenübermittlungen um zwei Voraussetzungen ergänzt: die zu übermittelnden Daten müssen in einem Strafverfahren als Beweis zulässig sein und eine einzelfallbezogene Interessensabwägung darf keine überwiegenden schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen des Grundrechtsträgers ergeben. Dass die Datenübermittlung an die genannten Übermittlungsempfänger und –zwecken nicht mehr grundsätzlich, dh ohne weitere Rechtsgrundlage, möglich sein soll, ergibt sich daraus nicht.

Daraus folgt, dass eine Übermittlung von nach der StPO ermittelten Daten, die nicht durch körperliche Untersuchung, molekulargenetische Untersuchung (§§ 123, 124 StPO) oder eine Ermittlungsmaßnahme nach dem 4. bis 6. Abschnitt des 8. Hauptstücks der StPO gewonnen worden sind, an die Sicherheitspolizei zum Zwecke der Sicherheitsverwaltung zulässig ist, wenn die Daten in einem Strafverfahren als Beweis verwendet werden dürfen und eine Interessensabwägung nicht zu Gunsten des Grundrechtsträgers ausschlägt (so auch OGH 10.12.2019, 11 Os 76/19i arg „Außerhalb dieser in § 76 Abs 4 Z 1 und Z 2 StPO explizit normierten Fälle ist eine Übermittlung von nach der StPO gewonnenen personenbezogenen Daten zulässig, wenn diesbezüglich eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung besteht“; Kert, Rechtliche Rahmenbedingungen für eine Zusammenarbeit zwischen Kontrolleinrichtungen und Strafverfolgungsbehörden, in Österreichischer Städtebund (Hrsg), Umgang mit Strafverfolgungsbehörden (2016) 14. unter Berufung auf Wiederin in Korinek/Holoubek, Kommentar zum B-VG Art 22 Rz 50; Adamovic/Handler, Staatsanwaltschaften und Kontrolleinrichtungen: Optimierung der Zusammenarbeit als gemeinsames Ziel, in Österreichischer Städtebund (Hrsg), Umgang mit Strafverfolgungsbehörden (2016) 17 77; so ausdrücklich auch den Erlass BMJ-S578.028/0021-IV 3/2014, vom 12.12.2014, Punkt 5.2; diesen Erlass zitierend und in diesem Sinne daher offenbar auch Fabrizy/Kirchbacher, StPO14 § 76 Rz 10/1 (Stand 1.10.2020, rdb.at)).

3.3.2. Angewendet auf den Sachverhalt bedeutet das:

Die mitbeteiligte Partei hat das Gutachten XXXX , das nach den Bestimmungen der StPO ermittelt worden ist, am 01.02.2019 auf Grund eines Amtshilfeersuchens der LPD vom 13.12.2018 an die LPD übermittelt, die einen Antrag des Beschwerdeführers auf Löschung seiner erkennungsdienstlichen Daten zu prüfen hatte.

Da es sich bei einem medizinischen Sachverständigengutachten nicht um eine der in § 76 Abs 1 Z 1 StPO abschließend aufgezählten besonders grundrechtsinvasiven Datenarten handelt, durfte es grundsätzlich an die LPD als Sicherheitsbehörde zum Zwecke der Sicherheitsverwaltung, nämlich der Prüfung einer etwaigen Löschung von erkennungsdienstlichen Daten des Beschwerdeführers (§ 2 Abs 2 iVm § 5 Abs 3 letzter Fall SPG), übermittelt werden.

Auch eine Interessensabwägung schlägt nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers aus. Zwar handelt es sich bei einem medizinischen Gutachten, insbesondere wenn es wie hier den psychischen Zustand des Betroffenen zum Inhalt hat, um besonders schutzwürdige Daten (vgl § 39 DSG), an deren Geheimhaltung der Beschwerdeführer ein besonderes Interesse hat. Die Übermittlung des Gutachtens lag aber im Interesse des Betroffenen, weil die LPD die Daten angefordert hat, um den Antrag des Beschwerdeführers auf Löschung erkennungsdienstlicher Daten bearbeiten zu können. Der Beschwerdeführer hat kein subjektives öffentliches Recht darauf, dass die belangte Behörde nur Beweismittel erhebt, die seinem Standpunkt dienen; dass es zum Zwecke der von der LPD im Zuge einer Prüfung auf Löschung erkennungsdienstlicher Daten vorzunehmenden Beurteilung einer etwaigen Gefährlichkeit des Beschwerdeführers nicht geeignet gewesen sein soll (§ 73 Abs 1 Z 4 SPG), ist nicht ersichtlich und zwar auch dann nicht, wenn – wie der Beschwerdeführer vorbringt – andere Gutachten vorhanden sein sollen, die zu anderen Ergebnissen wir das Gutachten XXXX kommen.

Da auch keine Hinweise darauf vorliegen, dass das Gutachten nicht in einem Strafverfahren verwendet werden darf (§ 281 Abs 1 Z 5 StPO), erweist sich die Übermittlung des Gutachtens durch die mitbeteiligte Partei als zulässig.

3.3.3. Auch die Einwände des Beschwerdeführers können daran nichts ändern:

So kommt es auf die vom Beschwerdeführer bekämpften Feststellungen des Bescheids, wonach zur AZ 7 St 226/17a mehrere Gutachten erstellt worden seien, das Gutachten XXXX zur AZ 7 St 226/17a beauftragt und der gesamte Ermittlungsakt der StA XXXX , AZ 7 St 226/17a, an die LPD übermittelt worden sei, nicht an. Entscheidungsrelevant ist lediglich, ob das Gutachten in einem nach der StPO geführten Ermittlungsakt enthalten und damit gemäß den Bestimmungen der StPO ermittelt worden war, was die belangte Behörde festgestellt hat. In welchem nach der StPO durchgeführten Ermittlungsverfahren das Gutachten erstellt worden ist, – hier von der StA XXXX zur AZ 3 St 52/15f (Gutachten XXXX vom 13.10.2015 OZ 1 S 79 ff) – ist unerheblich.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist auch nachvollziehbar, warum die mitbeteiligte Partei das Gutachten übermittelt hat: da es eine Aussage über die psychische Verfassung des Beschwerdeführers enthält, kann es für die – entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers – von der LPD im Rahmen der Prüfung auf Löschung erkennungsdienstlicher Daten durchzuführende Gefährlichkeitsprognose (§ 73 Abs 1 Z 4 SPG) grundsätzlich von Bedeutung sein. Dies reicht für die Zulässigkeit der Übermittlung aus. Ob es eine und welche Bedeutung es für die Prüfung der Löschung erkennungsdienstlicher Daten tatsächlich hat, ist erst vom Empfänger, der LPD, zu prüfen. Sofern der Beschwerdeführer darauf verweist, dass ein anderes – ihn entlastendes – Gutachten nicht übermittelt worden sei, ist ihm entgegen zu halten, dass durch eine Nichtübermittlung personenbezogener Daten das Recht auf Geheimhaltung nicht verletzt werden kann. Für eine – vom Beschwerdeführer in den Raum gestellte – absichtliche Unterdrückung von den Beschwerdeführer entlastenden Beweismitteln durch die mitbeteiligte Partei gibt es im Akt keinerlei Anhaltspunkte. Von der Einvernahme der zu diesen Themen beantragten Zeugen konnte daher mangels Relevanz abgesehen werden.

Auch der Hinweis des Beschwerdeführers, dass die LPD aus der Einstellung des Ermittlungsverfahrens der StA XXXX wegen Unzurechnungsfähigkeit nicht folgern dürfe, dass sich der Verdacht gegen ihn bestätigt habe und sich im Ermittlungsverfahren keine ihn belastenden Beweise ergeben hätten, kann ihm nicht helfen. Einerseits wäre in diesem Fall die LPD dennoch verpflichtet, eine etwaige Gefährlichkeit des Beschwerdeführers zu prüfen (§ 73 Abs 1 Z 4 SPG). Andererseits wäre es die LPD und nicht die StA, welche die Verdachtslage gegen den Beschwerdeführer zu prüfen gehabt hätte. Ein etwaiger Wegfall des Verdachts hätte die Übermittlung des Gutachtens durch die mitbeteiligte Partei daher nicht unzulässig gemacht.

Wenn der Beschwerdeführer letztlich darauf verweist, dass im Rahmen der Amtshilfe auch keine Gesundheitsdaten betreffend Covid-19 übermittelt werden dürften, ist ihm entgegen zu halten, dass Daten über Covid-19 – anders als Informationen über den psychischen Zustand – für eine Prognose, ob jemand gefährliche Angriffe begehen könnte, nicht geeignet wären.

Die belangte Behörde hat daher zu Recht die gegen die Übermittlung des Gutachtens eingebrachte Datenschutzbeschwerde abgewiesen, weshalb die dagegen gerichtete Beschwerde abzuweisen war.

3.4. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.5. Da lediglich Rechtsfragen zu klären waren, konnte gemäß § 24 Abs 4 VwGVG – trotz Parteiantrags – von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden (VwGH 19.09.2017, Ra 2017/01/0276).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig. Zwar fehlt es an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Frage, ob § 76 Abs 4 Z 2 StPO eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung im Sinne des § 76 Abs 4 1. und 2. Satz darstellt oder ob dadurch lediglich die zulässigen Übermittlungsempfänger sowie Übermittlungszwecke einschränkt werden. Die Frage entfaltet aber keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung, weil sie sich auf eine Rechtslage bezieht, die bereits mit 27.12.2019, dh seit über einem Jahr außer Kraft getreten ist und – soweit ersichtlich – hg keine vergleichbaren Fälle anhängig oder entschieden worden sind.

Schlagworte

Datenschutz Datenübermittlung Geheimhaltung Interessenabwägung personenbezogene Daten Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W258.2230234.1.00

Im RIS seit

25.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

25.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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