TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/29 W154 2234901-7

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Veröffentlicht am 29.04.2021
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Entscheidungsdatum

29.04.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77
FPG §80

Spruch


W154 2234901-7/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. KRACHER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , auch XXXX , auch XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen, und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer reiste am 21.01.2005 gemeinsam mit seiner Mutter illegal in das Bundesgebiet ein und stellte seine Mutter als gesetzliche Vertreterin für den damals minderjährigen Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 31.05.2007 wurde dem Beschwerdeführer der Status eines Asylberechtigten zuerkannt und festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Der Beschwerdeführer wurde während seines Aufenthalts in Österreich mehrmals straffällig und strafgerichtlich verurteilt.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) vom 05.12.2014 wurde der Schutzstatus aberkannt und festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukommt. Zudem wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass eine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig ist. Ein Einreiseverbot für die Dauer von 10 Jahren wurde erlassen. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.10.2018 wurde die Beschwerde gegen den Bescheid als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer befand sich zuletzt von 13.10.2012 bis 18.08.2020 durchgehend in Strafhaft.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 21.07.2020 wurde über den Beschwerdeführer die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung erlassen und der Bescheid bei der Entlassung aus der Strafhaft am 18.08.2020 in Vollzug gesetzt.

Am 22.09.2020 stellte der Beschwerdeführer im Stande der Schubhaft einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Mit Aktenvermerk vom 22.09.2020 wurde die Schubhaft aufgrund der Verzögerungsabsicht des Asylantrages aufrechterhalten. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 01.12.2020 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.09.2020, W117 2234901-1/6E, wurde eine Beschwerde gegen die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft abgewiesen und ein Fortsetzungsausspruch erlassen.

Mit Erkenntnissen vom 18.12.2020, W283 2234901-2/12E, 14.01.2021, W154 2234901-3/4E, 10.02.2021, W278 2234901-4/9E, 08.03.20221, W117 2234901-5/4E, 01.04.2021, W184 2234901-6/5E, stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass die zur Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und diese auch verhältnismäßig ist.

Am 22.04.2021 erfolgte seitens des Bundesamtes die verfahrensgegenständliche Aktenvorlage gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG. Im Rahmen der Aktenvorlage erstattete das Bundesamt eine Stellungnahme. Darin führte das Bundesamt nach Darlegung des maßgeblichen Sachverhaltes im Wesentlichen aus, dass ein Heimreisezertifikat (HRZ) bereits im Mai 2020 bei den russischen Behörden beantragt und im Dezember 2020 urgiert worden sei. Am 07.12.2020 sei beim Bundesamt ein Schreiben der russischen Migrationsbehörde eingelangt, wonach die durchgeführte Überprüfung ergeben habe, dass XXXX , geboren am XXXX im Dorf Nadteretschnoje, Rayon Nadteretschnyj, in der Tschetschenisch-Inguschetischen Autonomen Sowjetischen Sozialistischen Republik, ein Staatsbürger der Russischen Föderation sei. Es sei jedoch nicht möglich, die Identität der Person, die rückgeführt werden solle, festzustellen, weil in den Registern des Innenministeriums Russlands kein Foto von XXXX vorhanden sei.

Die HRZ-Abteilung der Direktion des Bundesamtes sei deshalb am 09.12.2020 ersucht worden, ein Schreiben mit der Bitte um Durchführung eines Interviews zu verfassen. Am 28.12.2020 sei des Weiteren die LPD Wien ersucht worden, die Mutter des Beschwerdeführers aufzusuchen, um diese dazu zu bewegen, die Identität ihres Sohnes zu bestätigen. Ein diesbezügliches Formblatt sei seitens des Bundesamtes erstellt und der LPD zur Verfügung gestellt worden. Mit Mail vom 29.12.2020 übermittelte die LPD Wien dem Bundesamt die durch die Mutter gefertigte Bestätigung in deutscher Sprache, die noch am selben Tag an die HRZ-Abteilung weitergeleitet worden sei.

Am 11.02.2021 sei der Beschwerdeführer der Konsularabteilung der Botschaft der Russischen Föderation vorgeführt worden. Das Interview sei auf Deutsch geführt worden, da der Beschwerdeführer (entgegen den Feststellungen in der erkennungsdienstlichen Evidenz des BMI, sowie diverser in russischer Sprache durchgeführter niederschriftlichen Einvernahmen) angab, kein Russisch zu sprechen. Im Laufe des Interviews habe der Beschwerdeführer seinen Bruder A. erwähnt, welcher am 03.12.2020 mittels Charter in die Russische Föderation abgeschoben worden sei. Dies werde seitens der HRZ-Abteilung als positiv bewertet, da die Chance bestehe, dass A. in Russland die Identität des Beschwerdeführers bestätige. Das Bestätigungsschreiben der Mutter, leider nur auf Deutsch ausgefüllt, sei seitens der Vertreterin des BFA ebenfalls an die russische Behörde übermittelt worden. Die Daten würden durch die Botschaftsmitarbeiter zur erneuten Überprüfung nach Moskau geschickt werden.

Zur Sicherung der Abschiebung des Beschwerdeführers sei daher, so das BFA in seiner Stellungnahme, die Schubhaft weiter aufrecht zu halten.

Im gegenständlichen Verfahren wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eine Anfrage an die für die Erlangung von Heimreisezertifikaten zuständige Abteilung des BFA zum bisher geführten Verfahren und zur Wahrscheinlichkeit einer baldigen Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer gerichtet.

In der Anfragebeantwortung vom 27.04.2021 teilte die für die Erlangung von Heimreisezertifikaten zuständige Abteilung des BFA mit, dass am 11.02.2021 in der Botschaft der Russischen Föderation ein Interview mit dem Beschwerdeführer stattgefunden habe. Im Rahmen des Interviews seien erneut alle Unterlagen an die Botschaft übergeben worden. Auch sei ein Schreiben der Mutter des Beschwerdeführers an die Botschaft übergeben worden, in welchem die Mutter die Identität des Beschwerdeführers bestätigt habe. Angemerkt werde, dass der Beschwerdeführer während des Interviews auch seinen älteren Bruder erwähnt habe, welcher bereits am 03.12.2020 in die Russische Föderation abgeschoben worden sei. Am 19.04.2021 sei bei der Botschaft der Russischen Föderation urgiert worden, ob seitens des Migrationsdienstes der Russischen Föderation eine Antwort eingelangt wäre. Es konnte am gleichen Tag mitgeteilt werden, dass alles, vor allem das Schreiben der Mutter, in welchem sie die Identität des Beschwerdeführers bestätigte, nochmals beim Migrationsdienst seitens der Botschaft urgiert worden sei. Angemerkt werde, dass der Beschwerdeführer als russischer Staatsbürger identifiziert habe werden können, jedoch sei es nicht möglich gewesen, die Identität des Beschwerdeführers zu bestätigen, da kein Foto in den Registern des Innenministeriums der Russischen Föderation vorhanden sei. Aufgrund dieser Tatsache, dass der Genannte bereits als Staatsangehöriger der Russischen Föderation bestätigt habe werden können und die Mutter auch mit einem extra Schreiben die Identität des Genannte bestätigt habe, sei davon auszugehen, dass im vorliegenden Fall eine Zustimmung zur HRZ- Ausstellung erfolgen werde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person des Beschwerdeführers und zu den Voraussetzungen der Schubhaft

Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger der russischen Föderation. Die Feststellung der Identität des Beschwerdeführers durch die russische Vertretungsbehörde ist bisher noch nicht erfolgt. Der Beschwerdeführer ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär

Schutzberechtigter.

Der Beschwerdeführer wird seit 18.08.2020 in Schubhaft angehalten (Anhaltedatei).

Der Beschwerdeführer weist einen guten medizinischen Allgemeinzustand auf, ist uneingeschränkt haftfähig und wird wegen Schlafstörungen medikamentös behandelt. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim Beschwerdeführer vor. Der Beschwerdeführer hat in der Schubhaft Zugang zu medizinischer Versorgung (medizinische Unterlagen des PAZ vom 05.02.2021).

Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf

Gegen den Beschwerdeführer besteht eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung und liegt ein für die Dauer von 10 Jahren erlassenes Einreiseverbot vor (W111 1258000-3/9E vom 30.10.2018). Hinsichtlich des Folgeantrages vom 22.09.2020 liegt eine rechtskräftige zurückweisende Entscheidung des Bundesamts vom 01.12.2020 vor (IZR Auszug, Kopie des Bescheides im Akt). Der Beschwerdeführer ist nicht bereit in seinen Herkunftsstaat auszureisen (Niederschrift vom 13.05.2020, S. 6).

Der Beschwerdeführer befand sich zuletzt von 13.10.2012 bis 18.08.2020 durchgehend in Justizhaft. Davor befand sich der Beschwerdeführer von 24.10.2009 bis 04.01.2012 durchgehend in Justizhaft (Zentrales Melderegister).

In Österreich leben die Mutter und die zwei Brüder des BF. Der BF verfügt in Österreich über keine ausreichend sozialen Bindungen, die ihn von einem Untertauchen abhalten. Während seiner Anhaltung in Schubhaft hat er mehrfach Besuche von Bekannten und Angehörigen erhalten (Anhaltedatei). Er verfügt über Barmittel in Höhe von € 1.244,15 und einen behördlich gemeldeten Wohnsitz (Anhaltedatei; Melderegister).

Zur Verhältnismäßigkeit und Dauer der Schubhaft

Der Beschwerdeführer weist in Österreich folgende Verurteilung auf (Strafregister):

Mit Urteil eines Landesgerichts vom 15.09.2009 wurde der Beschwerdeführer aufgrund einer Jugendstraftat wegen §§ 15, 127, 129 Abs. 1, 130 erster Fall, 223 Abs. 2, 229 Abs. 1, 241e Abs. 3 Strafgesetzbuch zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten, bedingt unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren nachgesehen. Es wurde Bewährungshilfe angeordnet.

Mit Urteil eines Landesgerichts vom 12.01.2010 wurde der BF wegen §§ 127, 129/1, 12 dritter Fall, 142/1, 229/1 135/1 241e Abs. 3, 15, 130 Abs. 1 vierter Fall, 15, 169/1 Strafgesetzbuch zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, davon 12 Monate bedingt unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahre als junger Erwachsener verurteilt.

Mit Urteil eines Landesgerichts vom 18.03.2011 wurde der Beschwerdeführer wegen einer Jugendstraftat nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 130 erster Fall, 229/1, 241e Abs. 3 Strafgesetzbuch zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten, davon 12 Monate bedingt unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahre verurteilt.

Mit Urteil eines Landesgerichts vom 13.02.2013 wurde der BF nach §§ 241e Abs. 1, 229 Abs. 1, 127, 128 Abs. 2, 129 Z 1, 129 Z 2, 130 erster Fall, 130 vierter Fall, 15, 125 Strafgesetzbuch zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 4 Jahren als junger Erwachsener verurteilt.

Mit Urteil eines Landesgerichts vom 26.09.2013 wurde der Beschwerdeführer nach §§ 127, 129 Z 1, 130 vierter Fall, § 15 Strafgesetzbuch zu keiner Zusatzstrafe als junger Erwachsener verurteilt.

Mit Urteil eines Landesgerichts vom 22.09.2016 wurde der BF nach § 15, §§ 127, 129 Abs. 1 Z 1 Strafgesetzbuch zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt.

Der Beschwerdeführer achtet die österreichische Rechtsordnung nicht. Der Beschwerdeführer ist nicht bereit, freiwillig in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren und nicht vertrauenswürdig.

Bei einer Entlassung aus der Schubhaft wird der Beschwerdeführer untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten, um sich einer Abschiebung in die russische Föderation zu entziehen.

Das Bundesamt hat zeitgerecht ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates am 18.03.2020 eingeleitet. Die zuständige Abteilung im Bundesamt erteilte noch am selben Tag den Auftrag zur Durchführung einer Einvernahme mit dem Beschwerdeführer. Am 13.05.2020 wurde die fehlende Niederschrift zur Erlangung eines Heimreisezertifikates erstellt. Am 14.05.2020 wurde der Antrag zur Erlangung eines HRZ an die Dolmetscherin übermittelt. Am 25.05.2020 langte die Übersetzung beim Bundesamt ein, und wurde noch am selben Tag an die Vertretungsbehörde weitergeleitet. Die Rückmeldung des Migrationsdienstes langte Anfang Dezember beim Bundesamt ein, wonach die durchgeführte Überprüfung ergab, dass eine Person mit den Identitätsdaten des Beschwerdeführers Staatsbürger der russischen Föderation sei, die Identität des Beschwerdeführers könne jedoch mangels Vorliegens eines Lichtbildes in den russischen Registern nicht festgestellt werden.

Die HRZ-Abteilung der Direktion des Bundesamtes hat am 10.12.2020 der russischen Vertretungsbehörde erneut das Ersuchen zur Prüfung der Rückübernahme des Beschwerdeführers vorgelegt und um Durchführung eines Interviewtermins ersucht.

Am 28.12.2020 wurde die Polizei ersucht, die Mutter des Beschwerdeführers aufzusuchen, um diese dazu zu bewegen, die Identität ihres Sohnes zu bestätigen. Mit Mail vom 29.12.2020 übermittelte die LPD Wien dem Bundesamt die durch die Mutter gefertigte Bestätigung in deutscher Sprache, die noch am selben Tag an die HRZ-Abteilung weitergeleitet wurde.

Eine Bestätigung für die Durchführung des Interviews ist von den russischen Behörden am 29.01.2021 beim Bundesamt eingelangt.

Am 11.02.2021 wurde der Beschwerdeführer aus dem PAZ Hernalser Gürtel der Konsularabteilung der Botschaft der Russischen Föderation vorgeführt.

Im Laufe des Interviews erwähnte er seinen Bruder ABUBAKAR (IFA 740955404), welcher am 03.12.2020 mittels Charter in die Russische Föderation abgeschoben wurde. Dies wurde seitens der HRZ-Abteilung als positiv bewertet, da die Chance besteht, dass sein Bruder in Russland die Identität des BF bestätigt.

Das Bestätigungsschreiben der Mutter wurde seitens der Vertreterin des BFA ebenfalls an die russische Behörde übermittelt. Die Daten wurden durch die Botschaftsmitarbeiter zur erneuten Überprüfung nach Moskau geschickt. Bis zur gegenständlichen Aktenvorlage langte kein Ergebnis ein.

Das Bundesamt hat angemessene Bemühungen zur Erlangung eines Heimreisezertifikates unternommen. Die HRZ Ausstellung ist jedenfalls innerhalb der höchstzulässigen Anhaltedauer möglich.

Es ist davon auszugehen, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers unmittelbar nach der Ausstellung des HRZ effektuiert wird.

Der BF ist haftfähig, es sind keine Umstände hervorgekommen, dass die weitere Inschubhaftnahme unverhältnismäßig wäre.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang, die getroffenen Feststellungen und die Haftfähigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der Behörde, Abfragen der Anhaltedatei, des IZR, des Strafregisters, des Melderegisters und den rechtskräftigen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgereichtes der Vorverfahren. Diesen Feststellungen wurde vom Beschwerdeführer im Zuge des Parteiengehörs nicht entgegengetreten.

Die Feststellungen zum Heimreisezertifikatsverfahren ergeben sich aus der Stellungnahme des Bundesamtes im gegenständlichen Verfahren vom 22.04.2021 und aus der Anfragebeantwortung der für die Erlangung von Heimreisezertifikaten zuständige Abteilung des BFA vom 27.04.2021.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A. – Fortsetzung der Schubhaft

3.1. Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

3.2. Gemäß § 76 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn 1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder 2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder 3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit. n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird.

Hinsichtlich der Fluchtgefahrtatbestände des §76 Abs. 3 FPG hat sich in Hinblick auf die Vorerkenntnisse zur gegenständlich zu überprüfenden Schubhaft keine Änderung ergeben, die für eine Freilassung des BF sprechen.

Es liegt daher jedenfalls weiterhin Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 Z 3 (rechtskräftige Rückkehrentscheidung), Z 5 (Folgeantrag vom 22.09.2020 trotz rechtskräftiger Rückkehrentscheidung im Stande der Schubhaft in Verzögerungsabsicht) und Z 9 FPG vor (Das Verfahren hat keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass im Fall des BF Änderungen im Zusammenhang mit der Ziffer 9 gegeben habe. Auch die engen familiären Bande konnten den Beschwerdeführer in der Vergangenheit nicht zu rechtskonformen Verhalten bewegen und können die aufgrund der mangelnden Vertrauenswürdigkeit des BF bestehende hohe Fluchtgefahr nicht relativieren).

Die Schubhaft ist weiterhin jedenfalls wegen hoher Fluchtgefahr aufrechtzuerhalten, weil aus dem vergangenen und aktuellen Verhalten des BF – siehe Darstellung im Rahmen des Verfahrensganges und der Feststellungen – mit Sicherheit geschlossen werden kann, dass der Beschwerdeführer seine Abschiebung mit allen Mitteln zu verhindern oder jedenfalls zu behindern beabsichtigt.

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig. Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann. Die Verhängung der Schubhaft darf stets nur ultima ratio sein.

Zur Dauer der Schubhaft:

Gemäß § 80 Abs. 4 FPG kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden, wenn ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden kann, weil

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck

der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2.

eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht
vorliegt,

3.

der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13)

widersetzt, oder

4.

die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen
oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint.

Gemäß § 80 Abs. 4 Z 1 FPG kann ein Drittstaatsangehöriger bis zu 18 Monate in Schubhaft angehalten werden, wenn er bisher deshalb nicht abgeschoben werden konnte, weil die Abschiebung dadurch gefährdet scheint, dass die Feststellung der Identität und der Staatsangehörigkeit des Fremden, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes nicht möglich ist.

Mit dieser Bestimmung wird Art. 15 Abs. 6 der Rückführungs-RL umgesetzt, wonach sich in den Fällen, in denen Abschiebungsmaßnahmen trotz ihrer angemessenen Bemühungen aufgrund (lit. a) der mangelnden Kooperationsbereitschaft seitens der betroffenen Drittstaatsangehörigen wahrscheinlich länger dauern werden oder Abschiebungsmaßnahmen trotz ihrer angemessenen Bemühungen aufgrund (lit. b) von Verzögerungen bei der Übermittlung der erforderlichen Unterlagen durch Drittstaaten wahrscheinlich länger dauern werden, die höchstmögliche Schubhaftdauer um weitere 12 Monate verlängert.

§ 80 Abs. 4 Z 1 FPG stellt auf eine Gefährdung der Abschiebung ab, die sich daraus ergeben kann, dass die Feststellung der Identität und der Staatsangehörigkeit des Fremden, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes nicht möglich ist.

Zu prüfen ist daher, ob im vorliegenden Fall die Abschiebung trotz angemessener Bemühungen iSd Art. 15 Abs. 6 lit. b Rückführungs-RL aufgrund von Verzögerungen bei der Übermittlung der erforderlichen Unterlagen durch Drittstaaten wahrscheinlich länger dauern wird.

Der Beschwerdeführer wird seit 18.02.2021 über sechs Monate lang in Schubhaft angehalten. Es kommt trotz angemessener Bemühungen des Bundesamtes zu einer Verzögerung bei der Übermittlung der erforderlichen Unterlagen durch die russische Vertretungsbehörde, nämlich der Zustimmung zur Erteilung des Heimreisezertifikates.

Das Bundesamt hat im gegenständlichen Fall das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates wie oben dargelegt im Hinblick auf die Behördenerfahrung mit der russischen Vertretungsbehörde zeitgerecht eingeleitet. Die Rückmeldung des Migrationsdienstes langte am Anfang Dezember beim Bundesamt ein, wonach die durchgeführte Überprüfung ergab, dass eine Person mit den Identitätsdaten des Beschwerdeführers Staatsbürger der russischen Föderation sei, die Identität des Beschwerdeführers wurde jedoch mangels Vorliegens eines Lichtbildes in den russischen Registern nicht festgestellt.

Die HRZ-Abteilung der Direktion des Bundesamtes hat bereits am 10.12.2020 der russischen Vertretungsbehörde erneut das Ersuchen zur Prüfung der Rückübernahme des BF vorgelegt und um Durchführung eines Interviewtermins ersucht. Zusätzlich veranlasste das Bundesamt die Identifizierung des BF durch seine Mutter, die bereits erfolgt ist.

Die Zustimmung zum Interviewtermin ist am 29.01.2021 erfolgt, der Termin erfolgte zeitnah am 11.02.2021. Daher ist das Erfordernis der angemessenen Bemühungen jedenfalls erfüllt. Die nachgewiesenen Bemühungen des Bundesamts sind durch Belege im Akt dokumentiert.

Aufgrund des vor kurzem durchgeführten Termins bei der russischen Botschaft in Zusammenschau mit der erfolgten Identifizierung des Beschwerdeführers durch seine Mutter ist von einer konkreten Erlangbarkeit eines HRZ mit hoher Wahrscheinlichkeit auszugehen. Die Bemühungen des Bundesamts sind im gegenständlichen Fall erfolgversprechend und entsprechen jedenfalls den Erfordernissen der höchstgerichtlichen Judikatur (Vgl. VwGH Ra 2020/21/0070 vom 26.11.2020 Ra 2020/21/0174-8 vom 22.12.2020).

Daher ist im gegenständlichen Fall die Verlängerung der zulässigen Schubhaftdauer gemäß § 80 Abs. 1 Z 1 FPG iVm Art. 15 Abs. 6 lit. b zulässig.

Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Gemäß § 76 Abs. 2a FPG ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

Der Beschwerdeführer missachtete die Rechtsordnung, wurde mehrfach straffällig und sechs Mal strafgerichtlich zu langjährigen Haftstrafen wegen des Begehens von zahlreichen schwerwiegenden Eigentumsdelikten verurteilt. Daher besteht ein besonders hohes öffentliches Interesse an der baldigen Außerlandesbringung des Beschwerdeführers. Betrachtet man die Interessen des Beschwerdeführers an den Rechten seiner persönlichen Freiheit in Bezug auf seine familiären bzw. sozialen Verhältnisse im Inland zeigt sich, dass er zwar Familienangehörige in Österreich hat, aber andere enge soziale oder berufliche Kontakte im Inland – auch aufgrund seiner langjährigen Haftstrafe unmittelbar vor Inschubhaftnahme - nicht vorweisen konnte, die im Rahmen der Abwägung die Entscheidung zu Gunsten einer Freilassung zu beeinflussen geeignet waren. Der Beschwerdeführer hat mit seinen eigenen Angaben klar zum Ausdruck gebracht, dass er nicht bereit ist seiner Ausreiseverpflichtung in die russische Föderation nachzukommen und stellte auch einen unbegründeten Folgeantrag, um seine Abschiebung zu verzögern.

Für den Beschwerdeführer wird zeitnah nach der Ausstellung eines Heimreisezertifikates die Abschiebung, voraussichtlich in den nächsten Monaten effektuiert. Die absehbare weitere Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist nach derzeitigem Stand mit wenigen Monaten, einzustufen. Der Beschwerdeführer befindet sich zum Entscheidungszeitpunkt etwa 8 Monate in Schubhaft. In Anbetracht der höchstzulässigen Schubhaftdauer im Ausmaß von 18 Monaten – der fehlenden Vertrauenswürdigkeit (der Beschwerdeführer nutzte auch einen eintägigen Freigang aus der Justizanstalt um einen weiteren Einbruchsdiebstahl zu begehen), der angemessenen Bemühungen des Bundesamtes, erweist sich im vorliegenden Fall insbesondere aufgrund der massiven Straffälligkeit des Beschwerdeführers die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers als verhältnismäßig. Es ist fallbezogen jedenfalls vertretbar, die Schubhaft in Erwartung der baldigen Ausstellung eines Heimreisezertifikates in Anbetracht des bereits durchgeführten Interviewtermins am 11.02.2021 aufrecht zu erhalten.

Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass die angeordnete Schubhaft zum Entscheidungszeitpunkt das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt.

Zu prüfen ist, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt. Aufgrund der festgestellten mangelnden Vertrauenswürdigkeit kommt die Verhängung eines gelinderen Mittels weiterhin nicht in Betracht.

Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher nach wie vor eine „ultima ratio“ dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des Beschwerdeführers zu gewährleisten.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

Zu Spruchpunkt B. - Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Da keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen sind, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen, war die Revision daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Abschiebung Dauer Einreiseverbot Fluchtgefahr Folgeantrag Fortsetzung der Schubhaft gelinderes Mittel Heimreisezertifikat Identität öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Ultima Ratio Verhältnismäßigkeit Verlängerung Verzögerung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W154.2234901.7.00

Im RIS seit

30.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

30.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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