TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/15 W216 2238559-1

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Veröffentlicht am 15.04.2021
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Entscheidungsdatum

15.04.2021

Norm

BEinstG §14
BEinstG §2
BEinstG §3
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §15
ZustG §26

Spruch


W216 2238559-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marion STEINER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Benedikta TAURER sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich, vom 25.11.2020, OB: XXXX , betreffend die Zurückweisung des Vorlageantrages vom 23.11.2020, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer hat am 24.06.2020 (einlangend) beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (in der Folge: belangte Behörde) unter Vorlage eines Befundkonvolutes einen Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten gestellt.

1.2. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 03.09.2020 wurde der Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass im Ermittlungsverfahren eine ärztliche Begutachtung zur Feststellung des Grades der Behinderung durchgeführt worden sei und danach der Grad der Behinderung 40 v. H. betrage.

1.3. Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 11.10.2020 – fristgerecht – Beschwerde erhoben.

1.4. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 27.10.2020 hat die belangte Behörde, nach Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens, die Beschwerde abgewiesen.

1.5. Mit Schreiben vom 18.11.2020 hat der Beschwerdeführer die Vorlage der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht beantragt.

1.6. Mit angefochtenem Bescheid vom 25.11.2020 hat die belangte Behörde den Vorlageantrag zurückgewiesen. Die belangte Behörde begründete dies damit, dass der Vorlageantrag am 23.11.2020 eingebracht worden und der angefochtene Bescheid zu diesem Zeitpunkt bereits rechtskräftig gewesen sei.

1.7. Dagegen hat der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben und er bringt darin im Wesentlichen vor, dass ihm die Beschwerdevorentscheidung vom 27.10.2020 erst am 10.11.2020 per Post zugestellt worden sei. Da der Beschwerdeführer am 19.11.2020, sohin innerhalb der zweiwöchigen Frist zur Stellung des Vorlageantrages, seinen Vorlageantrag mittels Einschreiben an die belangte Behörde übermittelt habe, sei dieser fristgerecht.

1.8. Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden von der belangten Behörde dem Bundesverwaltungsgericht am 13.01.2021 zur Entscheidung vorgelegt.

1.9. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.02.2021 wurde die belangte Behörde ersucht, eine schriftliche Stellungnahme zum Zustellvorgang zu erstatten. Darin möge der Zeitpunkt der Abfertigung der Beschwerdevorentscheidung (Übergabe an das Zustellorgan) angegeben werden. Des Weiteren wurde um Stellungnahme zu Tatsache und Zeitpunkt der rechtswirksamen Zustellung der Beschwerdevorentscheidung an den Beschwerdeführer ersucht.

1.10. Mit Schreiben vom 05.02.2021 wurde seitens der belangten Behörde mitgeteilt, dass die Zustellung der Bescheide – somit auch des gegenständlichen Bescheides – zentral über das Bundesrechenzentrum erfolge. Das Versanddatum werde wie folgt berechnet: Bescheiddatum + 1 Tag. Es würden keine Bescheide mit Rückschein zugestellt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

1.1. Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens durch Einsicht in den behördlichen Verwaltungsakt steht folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt fest:

1.2. Die Beschwerdevorentscheidung wurde seitens der belangten Behörde ohne Rückschein zugestellt und hat der Beschwerdeführer diese am 10.11.2020 erhalten.

1.3. Der Vorlageantrag ist am 23.11.2020 bei der belangten Behörde eingelangt.

2.       Beweiswürdigung:

2.1.    Die Feststellungen beruhen betreffend die Zustellung der Beschwerdevorentscheidung auf der Angabe des Beschwerdeführers, der die belangte Behörde weder argumentativ noch mit der Vorlage von Beweisen entgegengetreten ist.

2.2.    Hinsichtlich des Zeitpunktes, zu dem der Vorlageantrag bei der belangten Behörde einlangte, beruhen die Feststellungen auf dem im Akt befindlichen Schreiben des Beschwerdeführers, welches laut Datumsangabe am 23.11.2020 bei der Behörde einlangt ist. Im Übrigen geht auch die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon aus, dass der Vorlageantrag am 23.11.2020 bei ihr einlangt ist.

3.       Rechtliche Beurteilung:

3.1.    Gemäß § 17 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2.    Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

3.3.    Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1.       der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2.       die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A) Stattgabe der Beschwerde:

3.4.    § 15 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG lautet:

"§ 15. (1) Jede Partei kann binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag). Wird der Vorlageantrag von einer anderen Partei als dem Beschwerdeführer gestellt, hat er die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (§ 9 Abs. 1 Z 3), und ein Begehren (§ 9 Abs. 1 Z 4) zu enthalten.

(2) Ein rechtzeitig eingebrachter und zulässiger Vorlageantrag hat aufschiebende Wirkung, wenn die Beschwerde von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung hatte und die Behörde diese nicht ausgeschlossen hat; von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung hatte, die Behörde diese jedoch zuerkannt hat. Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Vorlageantrag und die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorzulegen und den sonstigen Parteien die Vorlage des Antrags mitzuteilen.

(3) Verspätete und unzulässige Vorlageanträge sind von der Behörde mit Bescheid zurückzuweisen. Wird gegen einen solchen Bescheid Beschwerde erhoben, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht unverzüglich die Akten des Verfahrens vorzulegen."

3.5.    § 26 Zustellgesetz mit der Paragraphenüberschrift "Zustellung ohne Zustellnachweis" lautet:

"§ 26. (1) Wurde die Zustellung ohne Zustellnachweis angeordnet, wird das Dokument zugestellt, indem es in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (§ 17 Abs. 2) eingelegt oder an der Abgabestelle zurückgelassen wird.

(2) Die Zustellung gilt als am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan bewirkt. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen festzustellen. Die Zustellung wird nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam."

Daraus folgt:

3.6.    Wie festgestellt ist die Beschwerdevorentscheidung am 10.11.2020 beim Beschwerdeführer eingelangt und ist somit an diesem Tag zugestellt worden. Daher berechnet sich die zweiwöchige Frist zur Stellung des Vorlageantrages ab diesem Tag und endete daher mit dem 24.11.2020.

3.7.    Da der Vorlageantrag nachweislich am 19.11.2020 per Einschreiben an die belangte Behörde abgesendet wurde und am 23.11.2020 bei der belangten Behörde einlangte, ist dieser sohin fristgerecht und war demgemäß der angefochtene Bescheid zu beheben.

3.8.    Entsprechend dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 20.09.2006, 2004/08/0087, muss die Behörde bei Zustellungen ohne Zustellnachweis die Folgen dafür auf sich nehmen, dass der Behauptung der Partei, sie habe ein Schriftstück nicht empfangen, nicht wirksam entgegengetreten werden kann. Bei bestrittenen Zustellungen ohne Zustellnachweis hat die Behörde die Tatsache der Zustellung nachzuweisen. In diesem Fall muss – mangels Zustellnachweises – der Beweis der erfolgten Zustellung auf andere Weise von der Behörde erbracht werden. Gelingt dies nicht, muss die Behauptung der Partei über die nicht erfolgte Zustellung als richtig angenommen werden (vgl. hiezu die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2.Auflage 1998, Seite 2046, E 1-3 wiedergegebene Judikatur).

3.9.    Diese Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist nicht nur auf die Behauptung einer gar nicht erfolgten Zustellung, sondern auch auf die Behauptung des Zustellzeitpunktes anwendbar. Da im Gegenstand die belangte Behörde die Beschwerdevorentscheidung ohne Zustellnachweis zugestellt hat, hat sie, da der Beschwerdeführer die Zustellung an einem konkreten Tag behauptet und die Behörde dem auch nicht entgegengetreten ist, den Nachteil der von ihr gewählten Zustellart zu tragen und ist hinsichtlich des Zeitpunktes der Zustellung dem Beschwerdeführer zu folgen.

3.10.   Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1.       der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2.       die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Im Gegenstand handelt es sich um eine rein rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes, der sich eindeutig aus dem, von den Parteien nicht beeinspruchten Akteninhalt ergibt und war daher eine mündliche Verhandlung zur Klärung desselben nicht notwendig.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei seiner Entscheidung auf die oben wiedergegebene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs und die klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Verspätung Vorlageantrag Zurückweisung Zustellung Zustellung ohne Zustellnachweis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W216.2238559.1.00

Im RIS seit

18.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

19.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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