TE Vwgh Beschluss 2021/5/19 Ra 2020/15/0074

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Veröffentlicht am 19.05.2021
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

BAO §184
BAO §274 Abs1 Z1
EStG 1988 §26 Z4
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn sowie die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der M GmbH in M, vertreten durch die Quintax gerlich-fischer-kopp steuerberatungsgmbh in 5020 Salzburg, Rainbergstraße 3a, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 31. März 2020, Zl. RV/2100237/2013, betreffend die Haftung für Lohnsteuer, die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag samt Säumniszuschlägen für die Jahre 2010 und 2011 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Österreich, Dienststelle Judenburg Liezen, 8750 Judenburg, Herrengasse 30), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Die revisionswerbende GmbH führte - nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) - in den strittigen Jahren Transporte aller Art mit Lkw durch und zahlte an ihre nichtselbständig beschäftigten Fahrer sowohl für die Fahrten in Österreich als auch in das Ausland (Deutschland) Tages- und Nächtigungsgelder unversteuert nach § 26 Z 4 EStG 1988 aus.

2        Im Zuge einer Lohnabgabenprüfung führte der Prüfer laut Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung Nachverrechnungen von Tages- und Nächtigungsgeldern durch, welche auf Grund der tatsächlichen Fahrtrouten nicht die Voraussetzungen des § 26 Z 4 EStG 1988 erfüllten. Nach der Niederschrift über die Schlussbesprechung habe der Inhalt der vom Dienstgeber vorgelegten Diätenaufzeichnungen in vielen Fällen nicht mit den tatsächlich von den Fahrern zurückgelegten Fahrtrouten übereingestimmt. In mehreren Fällen seien pauschale Nächtigungsgelder ausbezahlt worden, obwohl keine Nächtigung vorgelegen habe, sondern die Dienstnehmer täglich nach Hause gefahren seien. Nach Konfrontation mit dem Sachverhalt sei vereinbart worden, dass vom Prüfer mehrere Dienstnehmer namhaft gemacht würden, für die vom Dienstgeber die entsprechenden Frachtpapiere und Diätenaufzeichnungen als Nachweis vorzulegen seien. Von der revisionswerbenden GmbH seien jedoch nur für zwei (statt für sechs ausgewählte) Dienstnehmer die geforderten Unterlagen vorgelegt worden. Darüber hinaus habe die Revisionswerberin für weitere von ihr selbst ausgewählte elf Dienstnehmer Unterlagen vorgelegt. Im Zuge der Überprüfung der vorgelegten Unterlagen habe der Prüfer in Abgleich mit den bereits vorhandenen Aufzeichnungen laut Lohnabrechnung festgestellt, dass die Tages- und Nächtigungsgelder nicht in voller Höhe abgabenfrei zu behandeln seien und die neu vorgelegten Diätenaufzeichnungen auch hinsichtlich der Fahrtrouten der Fahrer im Vergleich zu den ursprünglichen Unterlagen massiv verändert vorgelegt worden seien. Aus den Unterlagen für die 13 Dienstnehmer habe der Prüfer einen Durchschnittswert der Abweichungen errechnet und anteilig mit diesem Prozentsatz die an alle im Betrieb beschäftigten Fahrer ausgezahlten Tages- und Nächtigungsgelder der Abgabenpflicht (SV, Lohnsteuer, DB, DZ und Kommunalsteuer) unterstellt.

3        Das Finanzamt folgte den Feststellungen des Prüfers und erließ entsprechende Abgabenfestsetzungen samt Säumniszuschlägen.

4        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das BFG die dagegen erhobene Beschwerde ab und erklärte eine Revision für unzulässig. Begründend führte das BFG aus, es bestehe kein Zweifel, dass die unversteuerte Auszahlung der Tages- und Nächtigungsgelder auf Grund von unrichtigen Aufzeichnungen erfolgt sei, die keinen einwandfreien Nachweis für die Rechtmäßigkeit der nicht steuerbaren Auszahlung der Tages- und Nächtigungsgelder böten. Die aus den vorgelegten Ausdrucken der digitalen Fahrerkarten der Fahrer zu ersehenden Beginn- und Ende-Zeiten sowie die gefahrenen Kilometer pro Tag seien als den tatsächlichen Verhältnissen entsprechende Größen anzusehen. Nachdem die Diätenaufzeichnungen der revisionswerbenden GmbH auf Grund dieser Vorgangsweise als sachlich unrichtig zu beurteilen seien, führe dies, da sie die Grundlage für die steuerfreie Anerkennung der Tages- und Nächtigungsgelder darstellten, zu einer rechtswidrigen Anwendung des § 26 Z 4 EStG 1988. Die Berechnung der tatsächlich steuerfreien Tages- und Nächtigungsgelder habe nicht zuletzt wegen der fehlenden Grenzübertrittszeiten nicht mehr exakt nachvollzogen werden können. Für die Berechnung von Tagesdiäten bei Auslandsreisen komme es nämlich wesentlich darauf an, wann die Grenzübertritte stattgefunden hätten. Es sei der Revisionswerberin selbst zuzurechnen, dass durch die Vereitelung bzw. das völlige Fehlen von Grenzübertrittszeiten und der Manipulationen der Abfahrts- und Ankunftsorte die genaue Errechnung der höheren Tages- und Nächtigungsgelder nicht möglich sei. Für die von ihr begehrte Anwendung von Mischsätzen aus Inlands- und Auslandssatz auf alle Fahrten (inklusive bloßer Inlandsfahrten) bei der Schätzung bestehe keine Grundlage. Lägen keine leicht nachvollziehbare Aufzeichnungen vor, könne § 26 Z 4 EStG 1988 nicht zur Anwendung kommen und stellten die Arbeitgeberzahlungen dem Grunde nach (steuerpflichtigen) Arbeitslohn dar. Dessen ungeachtet habe das Finanzamt Berechnungen angestellt, mit welchen es auf Grundlage der aus den im Zuge des Prüfungsverfahrens gewonnenen Erkenntnisse die Höhe der nicht steuerbaren Tages- und Nächtigungsgelder in annähernd richtiger Höhe zu ermitteln versucht und die errechneten Beträge als nicht steuerbare Bezugsteile anerkannt habe. Eine Beschwer könne das BFG in diesen Berechnungen nicht erkennen.

5        Zur nachträglich beantragten mündlichen Verhandlung führte das BFG aus, die revisionswerbende GmbH habe im Wege ihrer bevollmächtigten steuerlichen Vertretung mit ergänzendem Schreiben vom 19. April 2013 den Antrag auf eine mündliche Verhandlung gestellt, „falls dies zur weiteren Klärung des Sachverhaltes und zur Entscheidung notwendig bzw. sachdienlich erscheint“. Nach § 274 Abs. 1 Z 1 lit. a und b BAO habe über die Beschwerde eine mündliche Verhandlung stattzufinden, wenn es in der Beschwerde oder im Vorlageantrag (§ 264) beantragt werde. Der Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung sei in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu stellen. Anträge auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung, die erst in einem die Beschwerde ergänzenden Schriftsatz gestellt würden, begründeten keinen Anspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Im Revisionsfall sei in der Beschwerde vom 19. Februar 2013 kein Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung gestellt worden. Vielmehr sei dieser Antrag erst in einem ergänzenden Schreiben vom 19. April 2013 eingebracht worden. Demnach bestehe kein Rechtsanspruch auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 274 BAO. Abgesehen davon sei weder aus dem Vorbringen der revisionswerbenden GmbH in der Beschwerdeschrift noch aus den voranstehenden Ausführungen erkennbar, dass der Sachverhalt strittig wäre. Es sei daher von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung abzusehen gewesen.

6        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit Folgendes vorbringt:

„Die vom BFG vorgenommene rechtliche Beurteilung weicht im Schätzungsverfahren von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Dem VwGH in seiner Entscheidung 2016/15/0058 folgend, wonach die zum Schätzungsergebnis führenden Gedankengänge schlüssig und folgerichtig sein und das Ergebnis, das in der Feststellung der Besteuerungsgrundlage besteht, mit der Lebenserfahrung im Einklang stehen muss, kann nicht von einem im Sinne der herrschenden Lehre und geltenden Rechtsprechung korrekt durchgeführten Schätzungsverfahren ausgegangen werden. So lässt die Vorgehensweise, wie sie in der Entscheidung des BFG festgehalten wird, in keiner Form eine schlüssige und stimmige Feststellung von Besteuerungsgrundlagen zu. Vielmehr führte sie zu Ungenauigkeiten und lieferte Ergebnisse, welche mit der laut VwGH erforderlichen Lebenserfahrung gerade nicht im Einklang stehen.

Des Weiteren wurde durch das BFG gegen die Verpflichtung zur Durchführung einer beantragten mündlichen Verhandlung verstoßen. Es liegt demnach ein Verfahrensfehler vor, der im Zuge einer Revision vom Verwaltungsgerichtshof gem. § 42 Abs 2 Z 3 litc VwGG aufzugreifen ist. Von Wesentlichkeit kann ausgegangen werden. Bei ausführlicher Erforschung des offen gebliebenen Sachverhaltes und Erörterung der Rechtsfragen im Zuge einer mündlichen Verhandlung wäre das BFG zu einem anderen Erkenntnis gekommen.“

7        Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

8        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

10       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gilt für alle in § 26 EStG 1988 angeführten nicht steuerbaren Arbeitgeberleistungen der Grundsatz, dass darüber einzeln abgerechnet werden muss. In diesem Sinn hat der Gerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass für die Anwendbarkeit von § 26 Z 4 EStG 1988 jedenfalls der Nachweis jeder einzelnen Dienstreise dem Grunde nach durch entsprechende Belege gegenüber dem Arbeitgeber zu erbringen ist. Ein Nachweis dem Grunde nach erfordert, dass im Einzelnen eine Dienstreise nach der Definition des § 26 Z 4 EStG 1988 vorliegt und die für diese Reise vom Arbeitgeber gewährten pauschalen Tagesgelder die gemäß § 26 Z 4 EStG 1988 je nach Dauer der Dienstreise bemessenen Tagesgelder nicht überschreiten. Die betreffende Leistung des Arbeitgebers gilt als Ersatz konkreter Aufwendungen für eine bestimmte Dienstreise. Eine solche Konkretisierung hat bereits der Leistung des Arbeitgebers für jede einzelne Dienstreise zugrunde zu liegen. Gewährte Tagesgelder fallen also nur dann unter die Regelung des § 26 Z 4 EStG 1988, wenn der Nachweis jeder einzelnen Dienstreise dem Grunde nach durch entsprechende Belege gegenüber dem Arbeitgeber erbracht ist. Die Richtigkeit des vom Arbeitgeber vorgenommenen Lohnsteuerabzuges muss jederzeit für das Finanzamt leicht nachprüfbar sein (vgl. zu alledem VwGH 11.1.2021, Ra 2019/15/0163, mwN).

12       Die vorliegende Revision wendet sich allein gegen die im Abgabenverfahren vorgenommene Schätzung.

13       Dass eine Schätzung mit Ungewissheiten und Ungenauigkeiten behaftet ist, bewirkt - worauf das BFG bereits hingewiesen hat - noch keine Unzulässigkeit der Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen durch Schätzung, sondern es muss derjenige, der zur Schätzung Anlass gibt, die mit ihr verbundene Ungewissheit - soweit das Schätzungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden ist - grundsätzlich hinnehmen (vgl. etwa VwGH 2.10.2014, 2012/15/0123, mwN).

14       Zum konkret vorgenommenen Schätzungsverfahren rügt die Revision im Zulässigkeitsvorbringen, die Vorgehensweise des BFG lasse „in keiner Form eine schlüssige und stimmige Feststellung von Besteuerungsgrundlagen zu“, sondern habe „zu Ungenauigkeiten [geführt] und ... Ergebnisse [geliefert], welche mit der laut VwGH erforderlichen Lebenserfahrung gerade nicht im Einklang stehen“.

15       Werden wie hier Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, muss schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für die revisionswerbende Partei günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentlichste zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 4.12.2019, Ra 2019/16/0190, mwN).

16       Eine im Rahmen der gesonderten Darstellung der Gründe für die Zulässigkeit der Revision nicht weiter substantiierte Behauptung von Verfahrensmängeln reicht demnach nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, um eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen (vgl. VwGH 22.3.2018, Ra 2016/15/0033, mwN).

17       Ein konkreter (relevanter) Verfahrensfehler wird von der Revision mit ihrem Zulässigkeitsvorbringen nicht aufgezeigt.

18       Im Übrigen ist - angesichts der Formulierung der diesbezüglichen Antragstellung der revisionswerbenden GmbH betreffend die Verhandlung („falls dies zur weiteren Klärung des Sachverhaltes und zur Entscheidung notwendig bzw. sachdienlich erscheint“) - darauf hinzuweisen, dass die BAO keine bedingten Verhandlungsanträge vorsieht und diese daher grundsätzlich unwirksam sind (vgl. VwGH 29.8.2013, 2011/16/0245; 10.3.2016, Ra 2015/15/0041).

19       In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 19. Mai 2021

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Rechtsgrundsätze Auflagen und Bedingungen VwRallg6/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020150074.L00

Im RIS seit

17.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.07.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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