TE Lvwg Erkenntnis 2021/5/17 LVwG-2021/25/1274-1

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Veröffentlicht am 17.05.2021
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Entscheidungsdatum

17.05.2021

Index

50/01 Gewerbeordnung

Norm

GewO 1994 §81 Abs1
GewO 1994 §356e

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Hohenhorst über die Beschwerde der 1. AA, Adresse 1, **** Z und 2. BB, Adresse 2, **** Y, beide vertreten durch Rechtsanwalt CC, Adresse 3, **** Z, vom 03.05.2021, gegen den Bescheid des Bürgermeisters von Z vom 31.03.2021, ***, betreffend Erteilung einer Betriebsanlagenänderungsgenehmigung,

zu Recht:

1.       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit dem bekämpften Bescheid erteilte der Bürgermeister von Z der DD GmbH gemäß §§ 77, 81, 356e und 359 GewO 1994 iVm § 93 Abs 2 und 3 ASchG die Genehmigung zur Änderung der gewerbebehördlichen Generalgenehmigung am Standort Adresse 4, **** Z, nach Maßgabe der einen Bestandteil dieses Bescheides bildenden Pläne und Projektunterlagen unter einer Reihe von Auflagen.

Dagegen richtet sich die fristgerechte und zulässige Beschwerde der AA und BB, welche durch ihren Rechtsvertreter im Wesentlichen vorbringen, dass das an der Adresse 4 befindliche Gebäude bisher so ausgestaltet gewesen sei, dass von keinem Stockwerk aus Einsicht auf die Dachterrasse des Gebäudes Adresse 5 gegeben war. Bisher sei die Dachterrasse des Gebäudes Adresse 5 vom Objekt Adresse 4 aus vollkommen abgeschirmt gewesen, ebenso der dort befindliche Parkplatz. Die Behörde hätte der Antragstellerin Sichtschutzmaßnahmen vorzuschreiben betreffend sämtlicher Öffnungen und baulicher Maßnahmen an der Nordseite des Gebäudes Adresse 4, die geeignet sind, eine Sicht auf die Dachterrasse des Objektes Adresse 5 und des dort befindlichen Parkplatzes zu ermöglichen. Wie sich anlässlich der Eröffnung des Geschäftszentrums herausgestellt habe, bestehe sehr wohl von dem im nordwestlichen Bereich des obersten Stockwerkes des Gebäudes Adresse 4, in welchem die Sportabteilung betrieben wird, befindlichen Panoramafenster freie Sicht auf die Dachterrasse des Gebäudes Adresse 5 und den dortigen Parkplatz. Im Bereich des Panoramafensters befänden sich zudem noch Umkleidekabinen, sodass von einer erhöhten Kundenfrequenz in diesem Bereich auszugehen sei. Es werde deshalb beantragt, den Bescheid in der Weise abzuändern bzw zu ergänzen, dass den Antragstellern aufgetragen wird, entsprechende Schutzmaßnahmen an der Nordseite, an der Nordwest- und Nordostseite des Gebäudes Adresse 4 zu treffen bzw dort befindliche Fenster so abzudecken, dass keine Sicht auf die Dachterrasse des Gebäudes Adresse 5 und den dortigen Parkplatz gegeben ist.

Sachverhalt:

Die DD GmbH hat mit Eingabe vom 28.01.2021 um die Änderung der gewerbebehördlichen Generalgenehmigung am Standort Adresse 4, **** Z, angesucht. Die Generalgenehmigung wurde mit Bescheid des Bürgermeisters von Z vom 07.05.2012 gewerbebehördlich erstgenehmigt und mit Berufungsvorentscheidung vom 22.05.2012 berichtigt. Die Betriebsfläche beträgt mehr als 800 m².

Schräg gegenüber nördlich des Objektes Adresse 4 befindet sich das Objekt Adresse 5, in welchem die Beschwerdeführer einen Saunaclub, ein Bordell und ein Laufhaus betreiben. Im südlichen Bereich des Objektes Adresse 5 befindet sich eine ca 1.200 m² große Dachterrasse mit Liegen, Sonnenschirmen, zwei Relax-Pools und einer Bar. Dort halten sich die Gäste des Saunaclubs mit Sexdienstleisterinnen unbekleidet auf. Auf der Süd- und Ostseite dieses Gebäudes befindet sich ein Parkplatz.

Die gegenständliche Änderung der betriebsanlagenrechtlichen Generalgenehmigung umfasst keinerlei Änderungen der Außenfassade der in Rede stehenden Betriebsanlage, die eine Sichtverbindung zur Dachterrasse am Standort Adresse 5 ermöglichen würde. Die im Projekt erwähnten Balkone im ersten und zweiten Obergeschoß befinden sich im Inneren des Gebäudes, in einem Atrium, von welchem aus keine Sichtverbindung zur Dachterrasse der Beschwerdeführerinnen gegeben ist. Die Dachterrasse der Betriebsanlage der Antragstellerin befindet sich im südwestlichen Bereich ihrer Betriebsanlage; durch die antragsgegenständliche Vergrößerung dieser Dachterrasse ergibt sich keine Sichtverbindung zur Dachterrasse der Beschwerdeführerinnen. Die antragsgegenständlichen Änderungen der Betriebsanlage umfassen keine Änderungen derselben in Bezug auf eine allfällige Sichtverbindung zur Dachterrasse bzw zum Parkplatz des Objektes Adresse 5.

Beweiswürdigung:

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der Stadt Z.

II.      Rechtslage:

Im gegenständlichen Fall sind folgende Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 maßgeblich:

㤠74

Betriebsanlagen

(…)

(2)    Gewerbliche Betriebsanlagen dürfen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

1.  das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen oder des nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen eingetragenen Partners, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs. 1 Z 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte,

2.  die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,

3.  die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,

4.  die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder

5.  eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.

(…)

§ 81

(1)    Wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist, bedarf auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage so weit zu umfassen, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist.

(…)

§ 356e.

(1)    Betrifft ein Genehmigungsansuchen eine verschiedenen Gewerbebetrieben zu dienen bestimmte, dem § 356 Abs. 1 unterliegende Betriebsanlage (Gesamtanlage) und wird in diesem Genehmigungsansuchen ausdrücklich nur eine Generalgenehmigung beantragt, so ist die Genehmigung hinsichtlich der nicht nur einem einzelnen Gewerbebetrieb dienenden Anlagenteile (wie Rolltreppen, Aufzüge, Brandmeldeeinrichtungen, Sprinklereinrichtungen, Lüftungseinrichtungen) zu erteilen (Generalgenehmigung) und bedarf die Anlage eines Gewerbebetriebes in der Gesamtanlage, sofern sie geeignet ist, die Schutzinteressen des § 74 Abs. 2 zu berühren, einer gesonderten, den Bestand der Generalgenehmigung für die Gesamtanlage voraussetzenden Genehmigung (Spezialgenehmigung).

(…)“

III.     Erwägungen:

Nach herrschender Rechtsprechung liegt die rechtswirksame Erhebung einer Einwendung nur vor, wenn der Nachbar die Verletzung eines subjektiven Rechts geltend macht (VwGH 05.10.2016, Ra 2015/04/0020). Dabei muss dem betreffenden Vorbringen des Nachbarn jedenfalls entnommen werden können, dass überhaupt die Verletzung eines subjektiven Rechts behauptet wird und ferner, welcher Art dieses Recht ist (VwGH 19.03.2003, 99/04/0034). Es bedarf einer konkreten – und nicht bloß implizierten – Aussage, in welchem subjektiven Recht der Nachbar verletzt zu sein behauptet (VwGH 24.10.2018, Ra 2018/04/0165). Das Vorbringen muss auf einen oder mehrere der im § 74 Abs 2 Z 1 und 2, im Falle des § 74 Abs 2 Z 2 auf einen oder mehrere der dort vorgesehenen Alternativtatbestände (Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder eine „in anderer Weise“ auftretende Einwirkung) abgestellt sein (VwGH 22.03.2000, 99/04/0178). Ein lediglich allgemein gehaltenes, nicht auf die konkreten Verhältnisse des Beteiligten abgestelltes Vorbringen stellt begrifflich keine Behauptung der Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechts im Sinn des Rechtsbegriffes einer Einwendung dar (VwGH 02.02.2000, 99/04/0172).

Schon die bloße Möglichkeit einer Belästigung der Nachbarn begründet die Genehmigungspflicht einer Betriebsanlage.

Die Gewerbeordnung versucht mit einer demonstrativen Aufzählung von Geruch, Lärm, Rauch, Staub und Erschütterung die in Betracht kommenden Belästigungen deutlich zu machen, ohne durch eine erschöpfende Aufzählung die Behörde einzuengen. Jedenfalls können auch Gase, Dämpfe, Nebel, Lichteinwirkungen, sichtbare oder unsichtbare Strahlen, Wärme oder Schwingungen geeignet sein, die Nachbarn zu belästigen. Auch Beschattungswirkungen einer Betriebsanlage oder einzelner Teile gegenüber Nachbarn oder auch eine Abgasfahne können als Belästigung zu werten sein. Das gilt auch für den Wasserdampf, der zur Nebelbildung führen kann. Nicht darunter fallen hingegen „psychologische Belastungen“ sowie optische Belästigungen durch die Nichtrücksichtnahme auf ästhetische Ansprüche (VwGH 01.07.2010, 2004/04/0166).

Belästigung ist eine Einwirkung auf den menschlichen Organismus, die in ihrer Art und Nachhaltigkeit eine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit nicht erreicht. Belästigungen können grundsätzlich nur wahrnehmbare, also durch Sinnesorgan erfassbare, Umweltfaktoren sein.

Aus dieser Umschreibung einer Belästigung, die das nachbarliche Schutzinteresse im Sinn des § 74 Abs 2 Z 2 GewO wahrt, ergibt sich unzweifelhaft, dass nur auf den Nachbarn einwirkende Immissionen von diesem Schutzzweck umfasst sind. Blicke auf die Liegenschaft des Nachbarn stellen jedoch keine durch Sinnesorgane erfassbare Umweltfaktoren dar, ebenso wenig eine Einwirkung auf den menschlichen Organismus. Die von den Beschwerdeführern aufgezeigten für sie unangenehmen allenfalls vorhandenen Einblickmöglichkeiten auf ihre Dachterrasse bzw ihren Parkplatz stellen somit keine Immissionen im Sinn des § 74 Abs 2 Z 2 GewO dar und damit kein von dieser Gesetzesstelle geschütztes subjektiv öffentliches Nachbarrecht. Die in der Beschwerde und bereits im erstinstanzlichen Verfahren diesbezüglich erhobenen Einwände stellen somit keine betriebsanlagenrechtlich zulässige Nachbarschaftseinwendung dar.

Dem Betriebsinhaber dürfen nicht strengere (ihn stärker belastende) Maßnahmen vorgeschrieben werden, als dies zur Wahrung, der im § 77 Abs 1 angeführten Schutzzwecke notwendig ist (VwGH 01.02.2017, Ra 2016/04/0033). Da die von den Beschwerdeführern beantragten Sichtschutzmaßnahmen an der Nordseite, Nordwest- und Nordostseite des Gebäudes Adresse 4 kein aus § 74 Abs 2 Z 2 GewO erfließendes subjektiv öffentlich rechtliches Nachbarrecht darstellen, ist ein solcher Sichtschutz nicht für die Genehmigungsfähigkeit gegenständlicher Betriebsanlage erforderlich, weshalb keine Rechtsgrundlage für die Vorschreibung der beantragten Sichtschutzmaßnahmen gegeben ist und in weiterer Folge die Beschwerde als unbegründet abzuweisen war.

IV.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Hohenhorst

(Richter)

Schlagworte

Nachbar;
Immission

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.25.1274.1

Zuletzt aktualisiert am

15.06.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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