TE Vwgh Erkenntnis 2018/9/5 Ra 2018/03/0056

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Veröffentlicht am 05.09.2018
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Index

E000 EU- Recht allgemein
E1E
E3L E06202080
E6B
E6J
E6O
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verfassungsgerichtshof
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
59/04 EU - EWR
91/02 Post

Norm

B-VG Art133 Abs6
B-VG Art135 Abs1
BVwGG 2014 §6
BVwGG 2014 §9 Abs1
EURallg
PostmarktG 2009 §44a
PostmarktG 2009 §44a Abs1
PostmarktG 2009 §44a Abs2
VwGG §14 Abs2
VwGG §30
VwGG §30 Abs2
VwGG §42 Abs2 Z2
VwGVG 2014 §13
VwRallg
12010E278 AEUV Art278
12010E279 AEUV Art279
12010E288 AEUV Art288
31997L0067 Postdienste-RL Art22 Abs3
61988CJ0143 Zuckerfabrik Süderdithmarschen Soest VORAB
61990CO0313 CIRFS ua / Kommission
62010CJ0416 Krizan VORAB
62014CO007801 Kommission / ANKO
62015TO0235 Pari Pharma / EMA
62017CO0441 Kommission / Polen

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Ö AG in W, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Gauermanngasse 2, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. April 2018, Zl. W271 2190213-1/2E, betreffend Versagung der aufschiebenden Wirkung einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde in einer Angelegenheit nach dem Postmarktgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Post-Control-Kommission), zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtene Entscheidung wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        I. Gegenstand

2        A. Die vor dem Bundesverwaltungsgericht (VwG) belangte Post-Control-Kommission (PCK) forderte die revisionswerbende Partei mit Bescheid vom 19. Februar 2018 dazu auf, hinsichtlich näher beschriebener Produktgruppen einige Produkte inklusive deren (Entgelt-)Bestandteile in den jeweiligen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) inklusive Produkt- und Preisverzeichnisse eindeutig als Universaldienstleistungen zu kennzeichnen, sofern diese Produkte Postsendungen bis maximal 10 kg beträfen, sowie die diesbezüglichen AGB inklusive Produkt- und Preisverzeichnisse der PCK gemäß § 20 Abs. 1 des Postmarktgesetzes (PMG) bis spätestens 20. März 2018 anzuzeigen. Angesprochen waren dabei folgende Produkte:

i)   Paketmarke aus dem Frankierautomaten,

ii)  Online Paketmarke Österreich (Standard),

iii) Online Paketmarke Deutschland,

iv)  Online Paketmarke EU-Länder,

für i) bis iv) jeweils für PM 45, PM 70 und PM 120, und v) Zusatzleistung Online (Österreich): Persönliche Zustellung.

3        B. Ihre dagegen gerichtete Beschwerde verband die revisionswerbende Partei mit einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 44a PMG.

4        Zur Begründung dieses Antrages wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die revisionswerbende Partei im Jahr 2017 387.297 Stück Paketmarken verkauft habe. Auf die Paketmarken, bei denen nach dem in Beschwerde gezogenen Bescheid die Kennzeichnung als Universaldienstleistung aufgetragen werde, würden 381.068 Stück entfallen. Dazu würden alle Paketmarken ohne die Express-Paketmarken und die ausgelaufenen gedruckten Paketmarken gehören. Für diese 381.068 Stück hätte die revisionswerbende Partei netto € 2,058.922,-- erlöst und € 411.784,40 an Umsatzsteuer ausgewiesen und abgeführt. Laut Schätzung der revisionswerbenden Partei würden etwa 75 % der durch die Paketmarke freigemachten Pakete ein Gewicht bis 10 kg aufweisen. Der in Beschwerde gezogene verwaltungsbehördliche Bescheid bewirke, dass der revisionswerbenden Partei ein Schaden durch die Kosten wegen der erforderlichen IT-Umstellung erwachsen würde. Diese Kosten würden sich auf insgesamt € 150.000,-- belaufen. Für den Fall der Aufhebung des vor dem VwG in Beschwerde gezogenen Bescheids wäre noch einmal zumindest die Hälfte dieses Betrags für die Wiederherstellung des bisherigen Zustandes der IT-Programme erforderlich. Insgesamt würden durch die Anpassung sohin Kosten von € 225.000,-- entstehen. Bei diesen Kosten handle es sich um einen nicht wieder gut zu machenden Schaden, der schon auf Grund der Höhe ein schwerer Schaden iSd § 44a PMG sei. Schäden würden auch auf Grund steuerrechtlicher Konsequenzen entstehen. Die revisionswerbende Partei würde nach erfolgter IT-Umstellung für die durch die Paketmarke freigemachten Postsendungen bis zu 10 kg keine Umsatzsteuer ausweisen. Würde das Verfahren ergeben, dass diese Leistungen keine Universaldienstleistungen wären, wäre die revisionswerbende Partei mit einer Nachzahlung der zu Unrecht nicht eingehobenen Umsatzsteuer bedroht. Pro Monat wären dies etwa € 25.736,53. Zudem würde der revisionswerbenden Partei nach § 135 Abs. 1 BAO ein Verspätungszuschlag von bis zu 10 % des selbst berechneten Umsatzsteuerbetrages drohen, womit der monatliche Schaden sich auf etwa € 28.310,-- erhöhen würde. Darüber hinaus hätte die revisionswerbende Partei Säumniszuschläge wegen verspäteter Entrichtung der Umsatzsteuer zu bezahlen (§ 217 Abs. 1 BAO). Auch dieser Schaden sei nicht wieder gut zu machen. Die revisionswerbende Partei sei faktisch nicht in der Lage, den Kunden nachträglich Umsatzsteuer in Rechnung zu stellen, ferner wäre ein diesbezüglicher Verwaltungsaufwand immens. Die Verspätungs- und Säumniszuschläge seien jedenfalls nicht rückerstattbar. Auch dieser Schaden sei schwer. Die revisionswerbende Partei verweise auch auf eine mögliche Alternative zu den dargestellten Schäden, die sich aus dem weiteren Anbieten der Paketmarke ergeben würden. So könnte die revisionswerbende Partei diese Dienstleistungen bis zur endgültigen Klärung der Rechtmäßigkeit des in Beschwerde gezogenen Bescheides einstellen. Dies würde jedoch zu erheblichen Umsatzeinbußen führen, wobei die revisionswerbende Partei schätze, dass 50 % der Kunden, die derzeit den Dienst Paketmarke der revisionswerbenden Partei nützten, auf Produkte der Konkurrenz zurückgreifen würden. Ausgehend von den Umsatzzahlen des Jahres 2017 betrage der Umsatzrückgang sohin etwa € 1 Million pro Jahr. Auch darin liege ein nicht wieder gut zu machender Schaden, der als schwer zu qualifizieren sei.

5        C. Mit dem in Revision gezogenen Beschluss gab das VwG diesem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der in Rede stehenden Beschwerde der revisionswerbenden Partei gegen den Bescheid der PCK vom 19. Februar 2018 nicht statt (Spruchpunkt A). Eine Revision dagegen wurde nicht zugelassen (Spruchpunkt B).

6        Begründend stellte das VwG im Wesentlichen fest, dass die revisionswerbende Partei seit dem Jahr 2010 die Dienstleistung Postmarke zu den auf ihrer Webseite seit damals veröffentlichten AGB anbiete. Im Kern handle es sich dabei um die Beförderung und Zustellung von Postpaketen, die bestimmte in den AGB näher angegebene Maße nicht überschreiten dürften, wobei das Entgelt gewichtsunabhängig sei. Im Jahr 2017 habe die revisionswerbende Partei die von ihr angegebene Stückzahl Paketmarken verkauft und die von ihr bezifferte Umsatzsteuer abgeführt, ferner würden etwa 75 % der durch die Paketmarke freigemachten Pakete ein Gewicht bis 10 kg aufweisen. Mit dem Bescheid der PCK würden der revisionswerbenden Partei zwei Verpflichtungen im Hinblick auf die besagten Paketmarken auferlegt: 1. die Kennzeichnung bestimmter in den AGB Paketmarke geregelter Produkte als Universaldienstleistungen (soweit Postsendungen bis maximal 10 kg betroffen seien), und 2. die Anzeige der diesbezüglichen AGB inklusive Produkt- und Preisverzeichnisse. Anlässlich des in Beschwerde gezogenen Bescheides müsse die revisionswerbende Partei ihre AGB ändern, ihre IT umprogrammieren und dürfe für Universaldienstleistungen keine Umsatzsteuer einheben. Wie viel es kosten würde, die IT-Programme der revisionswerbenden Partei umzuprogrammieren, habe nicht festgestellt werden können. Die revisionswerbende Partei befürchte, dass eine Aufhebung des in Beschwerde gezogenen Bescheides durch das VwG zur Nachzahlung der für die Paketmarke als Universaldienstleistung wegen des bekämpften Bescheides nicht eingehobenen Umsatzsteuer samt Verspätungs- und Säumniszuschlag führen würde. Es habe vom VwG nicht festgestellt werden können, welche Kosten in diesem Zusammenhang anfallen würden. Die revisionswerbende Partei würde durch die Einstellung des Dienstes Paketmarke Umsatzeinbußen erleiden; die Höhe der Umsatzeinbußen habe vom VwG nicht festgestellt werden können. Auch Feststellungen zu den gesamten wirtschaftlichen Verhältnissen der revisionswerbenden Partei hätten vom VwG nicht getroffen werden können.

7        Die Schätzungen der revisionswerbenden Partei betreffend die Kosten der erforderlichen Anpassung der IT-Programme (samt Wiederherstellung) stützen sich auf die eidesstattliche Erklärung des namentlich genannten Leiters des „Team Öffentliches Recht und Regulierungsmanagement der Abteilung Recht“ der revisionswerbenden Partei. Dieser habe - nach Rücksprache „mit den Fachbereichen“ - eine Schätzung über die bereits genannten Kosten abgegeben. Das VwG verkenne nicht, dass für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung das Beweismaß der Glaubhaftmachung hinlange. Welche Fachbereiche der genannte Teamleiter befasst habe, ergebe sich aber aus seiner eidesstattlichen Erklärung nicht. Zudem lasse sich daraus auch nicht erkennen, inwieweit der Leiter im Bereich Recht über IT-Fachwissen verfüge, um eine belastbare Schätzung zu den für eine Umprogrammierung anfallenden Kosten abzugeben. Die (schätzungsweise) angegebenen Daten reichten somit nicht für eine entsprechende Feststellung aus.

8        Da bezüglich der 2017 verkauften Paketmarken und für die Angaben zur Umsatzsteuer, die sich auf die eidesstattlichen Schätzungen des schon genannten Leiters der Abteilung Recht sowie ferner einer namentlich genannten Person aus der „Leitung Produktmanagement national Paketlogistik Österreich“ stützten, konkrete Zahlen vorgetragen würden, bestünden nach Auffassung des VwG insoweit keine Glaubwürdigkeitsbedenken. Es sei aber nicht angegeben worden, zu welchen Preisen die Paketmarke für die vom in Beschwerde gezogenen Bescheid betroffenen Pakete nunmehr verkauft werden solle. Dies, obwohl der Universaldienstbetreiber der Entgeltregulierung gemäß § 21 PMG unterliege, und obwohl die Paketmarke sich in der Art der Entgeltberechnung bislang von anderen Produkten der revisionswerbenden Partei unterschieden habe. Von einer konkreten Angabe der in Aussicht genommenen Tarife wäre aber auch die Berechnung einer allenfalls zu bezahlenden Umsatzsteuer abhängig. Mangels entsprechender Angaben hätten auch diesbezüglich keine Feststellungen getroffen werden können. Die auf die eidesstattliche Erklärung der genannten Person aus der „Leitung Produktmanagement national Paketlogistik Österreich“ gestützten Angaben der revisionswerbenden Partei zu der von ihr erwogenen Alternative ließen offen, auf welcher fachlichen (beispielsweise betriebswirtschaftlichen oder logistischen) Grundlage diese Schätzung erfolgt sei, weshalb schließlich auch diesbezüglich keine entsprechenden Feststellungen hätten getroffen werden können. Mangels Angaben der revisionswerbenden Partei hätten auch zu ihrer gesamtwirtschaftlichen Situation keine Feststellungen getroffen werden können.

9        Nach § 44a Abs. 1 PMG hätten Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Regulierungsbehörde abweichend von § 13 VwGVG keine aufschiebende Wirkung. Das VwG (Art. 131 Abs. 1 B-VG) könne die aufschiebende Wirkung im betreffenden Verfahren auf Antrag zuerkennen, wenn nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug des Bescheides oder mit der Ausübung der mit dem Bescheid eingeräumten Berechtigung für die rechtsmittelwerbende Partei ein schwerer und nicht wieder gut zu machender Schaden verbunden wäre. Die Gesetzesmaterialien zu dieser Bestimmung (RV 2194 BlgNR 24. GP) führten aus, dass sich die Notwendigkeit einer Abweichung vom Grundsatz der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde unmittelbar aus den unionsrechtlichen Vorgaben des Art. 22 Abs. 3 der Richtlinie 97/67/EG idF der Richtlinie 2008/6/EG (Postdienste-Richtlinie) ergeben würde.

10       Nach Art. 22 Abs. 3 der Postdienste-Richtlinie (PD-RL) bleibe bis zum Abschluss eines Beschwerdeverfahrens die Entscheidung der nationalen Regulierungsbehörde in Kraft, sofern nicht die Beschwerdeinstanz anders entscheide. Nach Erwägungsgrund 49 der PD-RL sei es notwendig, bis zum Abschluss eines Rechtsmittelverfahrens gegen eine Entscheidung der Regulierungsbehörde die einstweilige Geltung der Entscheidung der nationalen Regulierungsbehörde sicherzustellen, um Rechts- und Marktsicherheit zu gewährleisten. Da § 44a PMG von einem schweren und nicht wieder gut zu machenden Schaden spreche, seien im Verhältnis zu § 30 Abs. 2 VwGG strengere Voraussetzungen anzunehmen. Diesbezüglich liege eine Orientierung an der unionsrechtlichen Rechtsprechung nahe, wo der Begriff des „schweren und nicht wieder gut zu machenden“ Schadens regelmäßig Verwendung finde. Dies sei z.B. bei der Prüfung der Zulässigkeit einstweiliger Anordnungen nach Art. 279 AEUV der Fall (Hinweis auf EuGH 14.1.2016, C-517/15 P-R). Nach der Rechtsprechung liege ein solcher Schaden beispielsweise dann vor, wenn der Antragsteller Gefahr laufe, in eine existenzbedrohliche Lage zu geraten (Hinweis auf EuGH 8.4.2014, C-78/14 P-R). Es komme dabei nicht auf die gesamte Schadenshöhe, sondern auf das Verhältnis zum Gesamtumsatz an (unter Hinweis auf EuGH 7.3.2013, C-551/12). Ein finanzieller Schaden könnte zudem nur unter außergewöhnlichen Umständen als nicht wieder gutmachbar angesehen werden, weil er mit Geld ausgeglichen werden könnte (Hinweis auf EuGH 23.4.2015, C-35/15 P [R]). Art und Umfang eines drohenden Schadens müssten auch so weit wie möglich bereits in einem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz dargelegt werden (Hinweis auf EuGH 7.3.2013, C-551/12). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes habe eine rechtsmittelwerbende Partei jedenfalls im Aufschiebungsantrag zu konkretisieren, worin für sie der unverhältnismäßige Nachteil iSd § 30 Abs. 2 VwGG gelegen sei, es wäre denn, dass sich nach Lage des Falles die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ohne weiteres erkennen lassen würden. In diesem Sinn erfordere die Dartuung eines unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Nachteils die nachvollziehbare Darlegung der konkreten wirtschaftlichen Folgen der behaupteten Einbußen auf dem Boden der gleichfalls konkret anzugebenden gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse der rechtsmittelwerbenden Partei. Erst die ausreichende Konkretisierung ermögliche die vom Gesetz gebotene Interessenabwägung.

11       Auf dem Boden dieser Rechtslage lasse der Antrag der revisionswerbenden Partei auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung an ihre Beschwerde ein zentrales und unbedingt notwendiges Begründungselement vermissen, nämlich die konkrete Darlegung ihrer gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse. Dazu enthalte ihr Antrag keine Angaben. Schon deshalb könne ihrem Antrag nicht stattgegeben werden. Denn erst bei Kenntnis der gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse der revisionswerbenden Partei könnte das VwG diese in Relation zu den im Antrag monierten Umsetzungskosten des angefochtenen Bescheides setzen, wobei derzeit auch die Angaben zu den möglichen Folgekosten nur auf nicht belastbaren Schätzungen beruhten, um sodann beurteilen zu können, ob mit dem Vollzug des in Beschwerde gezogenen Bescheides für die revisionswerbende Partei ein schwerer und nicht wieder gut zu machender Schaden verbunden wäre.

12       Vor diesem Hintergrund sei dem VwG eine Beurteilung, ob die angeführten Nachteile als schwer und nicht wieder gut zu machen anzusehen seien, nicht möglich. Die Lage des Falles lasse es auch nicht zu, ohne weiteres die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung anzunehmen.

13       Da im vorliegenden Fall die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig sei, sei die Revision gegen diese Entscheidung nicht zuzulassen gewesen.

14       C. In der dagegen gerichteten Revision wird insbesondere die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen Unzuständigkeit des VwG begehrt.

15       In der Revisionsbeantwortung verweist die PCK - abgesehen von gestellten Anträgen - auf ihren eigenen Bescheid, sowie die Begründung der angefochtenen Entscheidung, zur Frage der Zuständigkeit des VwG sah sie von einer Stellungnahme ab.

16       II. Rechtslage

17       A. § 44a PMG, BGBl. I Nr. 123/2009 idF BGBl. I Nr. 96/2013, lautet:

Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht

§ 44a. (1) Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Regulierungsbehörden haben abweichend von § 13 VwGVG, BGBl. I. Nr. 33/2013, keine aufschiebende Wirkung. Das Bundesverwaltungsgericht (Art. 131 Abs. 1 B-VG) kann die aufschiebende Wirkung im betreffenden Verfahren auf Antrag zuerkennen, wenn nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug des Bescheides oder mit der Ausübung der mit dem Bescheid eingeräumten Berechtigung für den Berufungswerber ein schwerer und nicht wieder gutzumachender Schaden verbunden wäre.

(2) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über Beschwerden in jenen Fällen, in denen die Post-Control-Kommission belangte Behörde ist (§ 6 Abs. 2 VwGVG), durch Senate.

(3) Hat die Regulierungsbehörde in einem Verfahren das Ermittlungsverfahren nach § 39 Abs. 3 AVG für geschlossen erklärt, gilt die durch § 44 Abs. 2 bewirkte Rechtsfolge auch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht.“

18       B. § 13 VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 24/2017, lautet:

Aufschiebende Wirkung

§ 13. (1) Eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat aufschiebende Wirkung.

(2) Die Behörde kann die aufschiebende Wirkung mit Bescheid ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Ein solcher Ausspruch ist tunlichst schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufzunehmen.

(3) Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 4 B-VG haben keine aufschiebende Wirkung. Die Behörde hat jedoch auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Bescheid zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit der sofortigen Verbindlichkeit der Weisung oder mit dem Andauern des Verhaltens der Behörde für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

(4) Die Behörde kann Bescheide gemäß Abs. 2 und 3 von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei aufheben oder abändern, wenn sich der maßgebliche Sachverhalt so geändert hat, dass seine neuerliche Beurteilung einen im Hauptinhalt des Spruchs anderslautenden Bescheid zur Folge hätte.

(5) Die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs. 2 oder 3 hat keine aufschiebende Wirkung. Sofern die Beschwerde nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Das Verwaltungsgericht hat über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden und der Behörde, wenn diese nicht von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht, die Akten des Verfahrens zurückzustellen.“

19       C. Die Richtlinie 2008/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Februar 2008 zur Änderung der Richtlinie 97/67/EG im Hinblick auf die Vollendung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft, ABl. L 52 vom 27.2.3008, S. 3, lautet (auszugsweise):

„DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION

...

in Erwägung nachstehender Gründe:

...

(49) Jede Partei, die einer Entscheidung einer nationalen Regulierungsbehörde unterliegt, sollte das Recht haben, einen Rechtsbehelf bei einer von dieser Behörde unabhängigen Stelle einzulegen. Diese Stelle kann ein Gericht sein. Die Kompetenzverteilung in den nationalen Rechtssystemen und die Rechte juristischer oder natürlicher Personen nach nationalem Recht bleiben von diesem Rechtsbehelfsverfahren unberührt. Es ist notwendig, bis zum Abschluss dieser Verfahren die einstweilige Geltung der Entscheidungen der nationalen Regulierungsbehörden sicherzustellen, um Rechts- und Marktsicherheit zu gewährleisten.

...

HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Artikel 1

Die Richtlinie 97/67/EG wird wie folgt geändert:

...

20. Artikel 22 erhält folgende Fassung:

Artikel 22

(1) Jeder Mitgliedstaat bestimmt eine oder mehrere nationale Regulierungsbehörden für den Postsektor, die von den Postbetreibern rechtlich getrennt und betrieblich unabhängig sind. Mitgliedstaaten, die weiterhin an Postdiensteanbietern beteiligt sind oder diese kontrollieren, müssen eine wirksame strukturelle Trennung der Regulierungsfunktionen von den Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Eigentum oder der Kontrolle sicherstellen.

Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission mit, welche nationalen Regulierungsbehörden sie für die sich aus dieser Richtlinie ergebenden Aufgaben benannt haben. Sie veröffentlichen die von den nationalen Regulierungsbehörden wahrzunehmenden Aufgaben in leicht zugänglicher Form, insbesondere wenn diese Aufgaben mehr als einer Stelle übertragen werden. Die Mitgliedstaaten gewährleisten gegebenenfalls die Konsultation und Zusammenarbeit zwischen diesen Behörden und den für die Anwendung des Wettbewerbs- und des Verbraucherschutzrechts zuständigen nationalen Behörden in Fragen von gemeinsamem Interesse.

(2) Aufgabe der nationalen Regulierungsbehörden ist insbesondere die Gewährleistung der Einhaltung der sich aus dieser Richtlinie ergebenden Verpflichtungen, vor allem durch die Einrichtung von Überwachungs- und Regulierungsverfahren zur Sicherstellung der Erbringung des Universaldienstes. Sie können auch beauftragt werden, die Einhaltung der Wettbewerbsvorschriften im Postsektor zu überwachen.

Die nationalen Regulierungsbehörden arbeiten innerhalb der geeigneten Stellen eng zusammen und leisten sich Amtshilfe, um die Anwendung dieser Richtlinie zu erleichtern.

(3) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass es auf nationaler Ebene wirksame Verfahren gibt, nach denen jeder Nutzer oder Postdiensteanbieter, der von einer Entscheidung einer nationalen Regulierungsbehörde betroffen ist, bei einer von den beteiligten Parteien unabhängigen Beschwerdestelle Rechtsbehelf gegen diese Entscheidung einlegen kann. Bis zum Abschluss eines Beschwerdeverfahrens bleibt die Entscheidung der nationalen Regulierungsbehörde in Kraft, sofern nicht die Beschwerdeinstanz anders entscheidet.“

20       D.a. § 9 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes, BGBl. I Nr. 10/2013 (BVwGG), lautet:

Aufgaben des Vorsitzenden und der Beisitzer eines Senates

§ 9. (1) Der Vorsitzende leitet die Geschäfte des Senates und führt das Verfahren bis zur Verhandlung. Die dabei erforderlichen Beschlüsse bedürfen keines Senatsbeschlusses. Er entscheidet, ob eine mündliche Verhandlung anberaumt wird, eröffnet, leitet und schließt diese. Er verkündet die Beschlüsse des Senates, unterfertigt die schriftlichen Ausfertigungen, arbeitet den Erledigungsentwurf aus und stellt im Senat den Beschlussantrag.

(2) Stimmt zumindest die Hälfte der Beisitzer dem Erledigungsentwurf des Vorsitzenden zu, hat der Vorsitzende die Entscheidung auszuarbeiten. Anderenfalls hat ein dem Erledigungsentwurf nicht zustimmender Beisitzer binnen zwei Wochen einen Erledigungsentwurf auszuarbeiten und dem Vorsitzenden vorzulegen. Stimmt zumindest die Hälfte der sonstigen Senatsmitglieder diesem Entwurf zu, hat der Beisitzer die Entscheidung auszuarbeiten. Ist dies nicht der Fall oder hat der Beisitzer den Erledigungsentwurf nicht binnen zwei Wochen vorgelegt, hat der Vorsitzende einen anderen Beisitzer mit der Ausarbeitung eines Erledigungsentwurfs zu betrauen oder diesen selbst auszuarbeiten.

(3) Wirken im Senat fachkundige Laienrichter mit, arbeitet in jedem Fall der Vorsitzende den Erledigungsentwurf aus.“

21       D.b. Die EBRV BlgNR 2008 XXIV. GP, S. 3 f, zu dieser Bestimmung lauten:

Zu § 9:

Diese Bestimmung regelt die Aufgabenverteilung und Verfahrensführung im Senat. Vorbildbestimmungen sind der bisherige § 11 Abs. 1bis 3 des AsylGHG und die §§ 305 und 306 des Bundesvergabegesetzes 2006 - BVergG 2006, BGBl. I Nr. 17/2006.

Gemäß Abs. 1 zweiter Satz bedürfen insbesondere die Entscheidungen über den Antrag auf aufschiebende Wirkung, gegebenenfalls über den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung und über die Gewährung eines Verfahrenshilfeverteidigers keines Senatsbeschlusses.

Die unterschiedliche Gestaltung der Abs. 2 und 3 differenziert je nachdem, ob es sich um einen ausschließlich aus Berufsrichtern bestehenden Senat oder einen mit mitwirkenden Laienrichtern handelt.“

22       III. Erwägungen

23       A. Auf dem Boden der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist nach Art. 133 Abs. 4 iVm Abs. 9 B-VG die Revision gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts zuzulassen, wenn (wie vorliegend) der Verwaltungsgerichthof dem VwG Leitlinien für die Handhabung der für die Entscheidung des Falles maßgeblichen Rechtsvorschriften - hier des § 44a PMG - noch nicht in ausreichendem Maße vorgegeben hat (vgl. idZ etwa VwGH 20.3.2018, Ra 2018/03/0001; VwGH 29.5.2018, Ra 2018/03/0018; VwGH 19.6.2018, Ra 2017/03/0104). Die Revision erweist sich daher entgegen dem VwG als zulässig.

24       B. Nach den vom VwG zutreffend herangezogenen Gesetzesmaterialien setzt § 44a PMG die einschlägigen Bestimmungen der unionsrechtlichen PD-RL um.

25       Ohne den Mitgliedstaaten diesbezüglich einen Spielraum zu lassen, verlangt die Umsetzung des letzten Satzes des Art. 22 Abs. 3 PD-RL, dass bis zum Abschluss eines Beschwerdeverfahrens, wie es vor dem VwG iSd ersten Satzes des Art. 22 Abs. 3 leg. cit. stattfindet, die Entscheidung der nationalen Regulierungsbehörde - hier: der PCK - in Kraft bleibt, sofern das VwG als Beschwerdeinstanz nichts anderes entscheidet. Einer Beschwerde kommt daher grundsätzlich kein Suspensiveffekt zu.

26       Art. 22 Abs. 3 PD-RL normiert damit zwingend ein „Zuerkennungssystem“ für die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde, das sich vom „Aberkennungssystem“ des § 13 VwGVG, wonach grundsätzlich eine ex lege bestehende aufschiebende Wirkung unter den dort genannten Voraussetzungen aberkannt werden kann, unterscheidet. Der Vorgabe des letzten Satzes des Art. 22 Abs. 3 PD-RL iSd Art. 288 Abs. 3 AEUV kann entgegen der Revision vom für die Umsetzung der Richtlinie zuständigen Bundesgesetzgeber auch mit Blick auf das verfassungsrechtliche Erfordernis iSd Art. 133 Abs. 6 letzter Satz B-VG nur gefolgt werden. Dieses Ergebnis wird durch den Erwägungsgrund 49 der PD-RL gestützt. Dort wird die in ihrem Art. 22 Abs. 3 letzter Satz getroffene Regelung für „notwendig“ erachtet, um bis zum Abschluss der Rechtsmittelverfahren im Sinn des Erwägungsgrundes bzw. des Art. 22 Abs. 3 erster Satz leg. cit. die einstweilige Geltung der Entscheidung der nationalen Regulierungsbehörde sicherzustellen, um „Rechtssicherheit“ und „Marktsicherheit“ zu gewährleisten. Aus diesen Vorgaben ergibt sich insgesamt, dass die Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung an eine Beschwerde danach nur ausnahmsweise erfolgen darf, und daher die dafür maßgeblichen Entscheidungsspielräume in den gesetzlichen Umsetzungsbestimmungen grundsätzlich eng gefasst sein müssen und diese wiederum grundsätzlich restriktiv auszulegen sind und derart einen strengen Beurteilungsmaßstab repräsentieren (vgl. idZ VwGH 17.11.2015, Ra 2015/03/0058, VwSlg. 19.248 A, mwH u.a. auf Rechtsprechung des EuGH). Dies auch vor dem Hintergrund, dass zwecks Umsetzung einer Richtlinie im Rahmen der nationalen Rechtsordnung eines Mitgliedstaates der Europäischen Union alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen sind, um die vollständige Wirksamkeit der Richtlinie entsprechend ihren Zielsetzungen zu gewährleisten, wobei die Mitgliedstaaten innerhalb der ihnen überlassenen Entscheidungsfreiheit die Formen und Mittel zu wählen haben, die sich zur Gewährleistung der praktischen Wirksamkeit (effet utile) der Richtlinie unter Berücksichtigung des mit ihnen verfolgten Zwecks am besten eignen (vgl. VwGH 31.1.2017, Ra 2016/03/0063, und VwGH 19.6.2018, Ra 2017/03/0104, mwH u.a. auf die Rechtsprechung des EuGH).

27       Ausgehend davon hat der Bundesgesetzgeber bei der Erlassung des § 44a PMG zutreffend auf die für unionsrechtlich vergleichbare Situationen nach den Art. 278 und 279 AEUV getroffenen näheren unionsrechtlichen Normierungen zurückgegriffen, deren inhaltliche Vorgaben in der vorliegenden Konstellation im Übrigen auch bei einer nicht eng an deren Text orientierten Umsetzungsregelung maßgeblich wären.

28       Dieser dem letzten Satz des Art. 22 Abs. 3 PD-RL zugrunde zu legende Maßstab entspricht im Übrigen dem nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH bestehenden unionsrechtlichen Grundsatz, wonach ein mit einem nach Unionsrecht zu beurteilenden Rechtsstreit befasstes nationales Gericht in der Lage sein muss, vorläufige Maßnahmen zu erlassen, um die volle Wirksamkeit der späteren Gerichtsentscheidung über das Bestehen der aus dem Unionsrecht hergeleiteten Rechte sicherzustellen (vgl. EuGH [Große Kammer] 15.1.2013, C-416/10, Rs Jozef Križan, Rz 107; EuGH 21.2.1991, C-143/88 u.a., Rs Zuckerfabrik Süderdithmarschen AG, Rz 19 ff; siehe ferner etwa VwGH 20.12.2016, Fr 2016/21/0020, VwSlg. 19.510 A).

29       C. Für das Verständnis des § 44a PMG, insbesondere für die in seinem zweiten Satz normierte, am Inhalt der Art. 278 f AEUV orientierten Entscheidungsgrundlage betreffend die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung von Rechtsmitteln gegen Entscheidungen der Regulierungsbehörde, ergibt sich vor diesem Hintergrund Folgendes:

30       Der EuGH hält in seiner im Anwendungsbereich des Unionsrechtes - wie hier - relevanten Rechtsprechung (aufbauend auf Art. 160 seiner Verfahrensordnung [„Anträge auf Aussetzung oder einstweilige Anordnungen“]) fest, dass Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz den Streitgegenstand bezeichnen und die Umstände, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt, sowie den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung dem ersten Anschein nach rechtfertigenden Sach- und Rechtsgründe anführen müssen (vgl. dazu und zum Folgenden EuGH [Große Kammer] 20.11.2017, C-441/147 R, Europäische Kommission gegen Republik Polen, Rz 28 ff, mwH). Der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes - dazu zählt, wie vorliegend relevant, die Aussetzung der Vollziehung der zu überprüfenden Entscheidung sowie weiters die Erlassung einer einstweiligen Anordnung - zuständige Richter darf diesen nur dann gewähren, wenn die Notwendigkeit der Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft gemacht (fumus boni iuris) und ferner dargetan ist, dass sie dringlich in dem Sinne ist, dass sie zur Verhinderung eines schweren und nicht wieder gut zu machenden Schadens für die Interessen des Antragstellers bereits vor der Entscheidung der Hauptsache erlassen werden und ihre Wirkungen entfalten muss. Der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter nimmt gegebenenfalls auch eine Abwägung der widerstreitenden Interessen vor. Diese Voraussetzungen bestehen kumulativ, sodass der Antrag auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht erfolgreich sein kann, wenn eine von ihnen fehlt.

31       Diesen Vorgaben folgt § 44a Abs. 1 zweiter Satz PMG, wenn die aufschiebende Wirkung von Rechtsmitteln gegen rechtskräftige Entscheidungen der Regulierungsbehörden nur dann zuerkannt werden kann, wenn nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug des Bescheides oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung für die rechtsmittelwerbende Partei ein schwerer und nicht wieder gut zu machender Schaden verbunden wäre.

32       Da die Voraussetzung des fumus boni iuris nach der Rechtsprechung des EuGH jedenfalls dann erfüllt ist, wenn im Stadium des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes eine bedeutsame rechtliche oder tatsächliche Kontroverse besteht, deren Entscheidung (im Sinn einer summarischen Prüfung) sich nicht sofort aufdrängt, sodass das Rechtsmittel dem ersten Anschein nach nicht einer ernsthaften Grundlage entbehrt (vgl. EuGH [Große Kammer] 20.11.2017, C-441/17 R, Europäische Kommission gegen die Republik Polen, Rz 31, mwH), läuft diese Voraussetzung in einer Konstellation wie der vorliegenden prinzipiell auf den auch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu § 30 VwGG gegebenen Standard hinaus, wonach im Provisorialverfahren zur Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes die Rechtmäßigkeit der bekämpften Entscheidung und damit die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels nicht weiter maßgebend sind (vgl. dazu VwGH 25.8.2017, Ra 2017/03/0069; VwGH 11.10.2005, AW 2005/13/0040), es sei denn, die angefochtene Entscheidung wäre offenkundig rechtswidrig (vgl. etwa VwGH 10.7.2017, Ra 2017/08/0058).

33       Aus dem genannten Maßstab folgt bezüglich des drohenden schweren und nicht wieder gut zu machenden Schadens ein Gebot zur ausreichenden Konkretisierung und Glaubhaftmachung, wie es sich grundsätzlich auch aus § 30 Abs. 2 VwGG ergibt. Damit ist schon in einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darzulegen, aus welchen tatsächlichen Umständen sich der behauptete schwere und nicht wieder gut zu machende Schaden ergibt, es sei denn, dass sich nach Lage des Falles die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ohne weiteres erkennen lassen (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH [verstärkter Senat] 25.2.1981, 2680/80, VwSlg. 10.381 A; VwGH 23.6.2017, Ra 2017/03/0063). Auch nach der Rechtsprechung des EuGH hat nämlich eine Partei, die einen solchen Schaden geltend macht, diesen nachzuweisen; auch wenn insoweit keine absolute Gewissheit des Schadenseintritts erforderlich ist, sondern eine hinreichende Wahrscheinlichkeit genügt, ist eine antragstellende Partei gleichwohl verpflichtet, die Umstände nachzuweisen, die einen solchen Schaden erwarten lassen (EuGH [Große Kammer] 20.11.2017, C-441/17 R, Europäische Kommission gegen die Republik Polen, Rz 44). Die antragstellende Partei muss konkrete Angaben machen, die es dem entscheidenden Gericht erlauben, die genauen Auswirkungen abzuschätzen, die in Ermangelung der beantragten Maßnahme wahrscheinlich eintreten würden (vgl. Borchart in Lenz/Borchart, EU-Verträge Kommentar6, 2012, Art. 278,279 AEUV, Rz 17 uH auf unionsrechtliche Rechtsprechung).

34       Auf dieser Grundlage sind bezüglich eines geltend gemachten wirtschaftlichen Schadens auch die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse einer antragstellenden Partei konkret anzugeben (vgl. etwa VwGH 20.4.2015, Ra 2015/03/0020, mwH), zumal nur dann beurteilt werden kann, dass ohne die Gewährung eines einstweiligen Rechtsschutzes die antragstellende Partei vor dem Ergehen der abschließenden Entscheidung im Verfahren zur Hauptsache andernfalls in eine Lage geriete, die ihre finanzielle Lebensfähigkeit bzw. ihre wirtschaftliche Existenz bedrohen könnte, oder dass ihre Marktanteile ernsthaft irreparabel beeinträchtigt werden könnten (vgl. dazu den Beschluss des Vizepräsidenten des EuGH 8.4.2014, C-78/14 P-R, Anko, Rz 26 ff; vgl. auch den Beschluss des Präsidenten des Gerichts, 1.9.2015, T-235/15 R, RSEMA, Rz 102), so wie dies der Maßstab des schweren und nicht wieder gut zu machenden Schadens erfordert (vgl. dazu etwa Pache in Vedder/Heintschel von Heinegg (Hrsg), Europäisches Unionsrecht2, 2018, Art. 278 AEUV, Rz 23; Wegener in Calliess/Ruffert (Hrsg), EUV/AEUV5, 2016, Art. 278, 279 AEUV, Rz 23; Gaitanides in von der Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg), Europäisches Unionsrecht7, 2015, Art. 279 AEUV, Rz 33; Stoll/Rigod in Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg), Das Recht der Europäischen Union, Band III, Art. 279 AEUV, Rz 22 (2013); Lengauer/Richter in Mayer/Stöger (Hrsg), Kommentar EUV, AEUV, Art 278, 279 AEUV, Rz 40 (2012); Borchart, aaO, Rz 24).

35       D. Ausgehend von dieser Rechtslage erweist sich das gegen die Abwägungsentscheidung des VwG gerichtete Vorbringen der Revision als nicht zielführend. Zwar kann bezüglich der Hauptsache nicht gesagt werden, dass die Rechtsauffassung der revisionswerbenden Partei von vornherein keine Aussicht auf Erfolg haben könnte, weshalb beim derzeitigen Verfahrensstand ein fumus boni iuris im dargestellten Sinn angenommen werden kann. Den vom VwG festgestellten und in der Revision im Wesentlichen wieder vorgebrachten Angaben der revisionswerbenden Partei zum befürchteten schweren und nicht wieder gut zu machenden Schaden kann allerdings nicht entnommen werden, inwiefern dadurch ihre wirtschaftliche Existenz gefährdet werden könnte oder ihre Marktanteile ernsthaft und irreparabel beeinträchtigt werden würden, wenn die beantragte Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung unterbliebe. Derart hat es die revisionswerbende Partei unterlassen, vor dem VwG die Dringlichkeit der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung an ihre Beschwerde konkret glaubhaft zu machen. Auf dieser Grundlage vermag die Revision auch der Hinweis, es sei keine Abwägung der widerstreitenden Interessen vorgenommen worden, nicht zum Erfolg zu führen (vgl. idZ auch EuGH [Große Kammer] 20.11.2017, C-441/17 R, Europäische Kommission gegen Republik Polen, Rz 29, Rz 62 ff).

36       E.a. Dennoch zeigt die Revision eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung auf. Sie rügt zu Recht, dass der erste Satz des § 9 Abs. 1 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) keine Zuständigkeit des Vorsitzenden entgegen dem § 44a Abs. 2 PMG begründen kann, in jenen Fällen, in denen die PCK vor dem VwG belangte Behörde ist, an Stelle des Senates des Verwaltungsgerichtes zu entscheiden.

37       E.b. Auf dem Boden des Art. 135 Abs. 1 erster Satz B-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich durch den Einzelrichter. Diese Verfassungsbestimmung wird einfachgesetzlich in § 6 BVwGG nachvollzogen.

38       Nach dem zweiten Satz des Art. 135 Abs. 1 B-VG kann allerdings u.a. in Bundesgesetzen vorgesehen werden, dass die Verwaltungsgerichte durch Senate entscheiden. Eine derartige Regelung enthält § 44a Abs. 2 PMG. Diese Bestimmung erfasst typisierend alle jene Fälle, in denen die PCK - wie im vorliegenden Fall - die vor dem VwG belangte Behörde, somit jene Behörde darstellt, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat (vgl. § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG; der Verweis auf „§ 6 Abs. 2 VwGVG“ in § 44a Abs. 2 PMG beinhaltet offensichtlich ein Fehlzitat). Nach den in der Entscheidung des VwG angesprochenen Gesetzesmaterialien soll damit dem bewährten Gedanken Rechnung getragen werden, dass schon bislang ein kollegiales Entscheidungsgremium zur Kontrolle der ebenfalls verfassungsrechtlich unabhängig gestellten Telekom-Control-Kommission berufen gewesen sei (vgl. EBRV 2194 BlgNR XXIV. GP, S. 11).

39       Im vorliegenden Fall wurde vor dem VwG der eingangs genannte Bescheid der PCK in Beschwerde gezogen. Auf dem Boden des § 44a Abs. 2 PMG fungiert in der Folge die PCK auch betreffend die Entscheidung des VwG über den einstweiligen Rechtsschutz dazu als vor dem VwG belangte Behörde.

40       E.c. Eine Bestimmung über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes für die Dauer eines Rechtsmittelverfahrens ist ein die Funktionsfähigkeit des Rechtsschutzsystems stützendes Element und damit als ein der Entscheidung in der Sache dienender akzessorischer Akt anzusehen, weil damit eine Sicherung des mit der Endentscheidung angestrebten Zweckes bewirkt wird, um zu vermeiden, dass einem Rechtsmittel der mögliche Erfolg und dem Rechtsschutzsystem die Effizienz genommen wird (vgl. dazu etwa VwGH [verstärkter Senat] 25.2.1981, 2680/80, VwSlg. 10.381 A; VfGH 15.6.1990, G 87/89, VfSlg. 12.381; Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes 17.5.1991, C-313/90 R, CIRFS u.a./Kommission, Rz 24; Beschluss des Präsidenten des Gerichts 1.9.2015, T 235/15 R, Pari Pharma GmbH, Rz 106; vgl. idZ auch Alber in Stern/Sachs (Hrsg), Europäische Grundrechte-Charta, 2016, Art. 47 GRC, Rz 82). Derart muss nach der relevanten unionsrechtlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Richters des vorläufigen Rechtsschutzes vorläufiger Natur sein und darf die Entscheidung zur Hauptsache weder vorweg nehmen noch ihr die praktische Wirksamkeit nehmen und sie dadurch sinnlos machen. Die Entscheidung betreffend den vorläufigen Rechtsschutz begleitet die Entscheidung in der Hauptsache und soll diese sichern, sie ist nur für die Dauer des Verfahrens wirksam (vgl. VfSlg. 12.381/1990). Von daher stellt eine Entscheidung über die Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes eine eigene Entscheidung dar, die zwar in einem akzessorischen Zusammenhang mit der zu treffenden Hauptentscheidung und dem diesbezüglichen Verfahren steht (vgl. dazu VwGH 20.4.2017, Ra 2017/19/0113), aber von der Entscheidung in der Hauptsache und dem zu ihrer Vorbereitung geführten Verfahren zu unterscheiden ist (VfSlg. 12.381/1990).

41       E.d. Ausgehend davon wäre auf dem Boden des § 44a Abs. 2 PMG auch über den in Rede stehenden Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der revisionswerbenden Partei nicht durch den Vorsitzenden des Senates iSd § 9 Abs. 1 BVwGG, sondern vom VwG in der Form des Senates zu entscheiden gewesen.

42       Die in § 9 Abs. 1 BVwGG dem Vorsitzenden zugewiesene Aufgabe, das Verfahren bis zur Verhandlung zu führen, wobei die dabei erforderlichen Beschlüsse keines Senatsbeschlusses bedürfen, betrifft nämlich nach der Rechtsprechung nur die der Entscheidung in der Hauptsache vorangehenden Beschlüsse und damit lediglich die in der Hauptsache zu treffende Entscheidung (VwGH 7.9.2017, Ra 2017/08/0065, VwGH 7.9.2017, Ra 2017/08/0081). Dies erfasst vorliegend jene Angelegenheit, worüber die PCK als die vor dem VwG belangte Behörde zuvor ihre Entscheidung gefällt hat, nicht aber die hier im Rahmen eines „Zuerkennungssystems“ dazu tretende besondere Frage der dem VwG vorbehaltenen Entscheidung über den einstweiligen Rechtsschutz (vgl. idZ VwGH 7.9.2017, Ra 2017/08/0065).

43       Damit kommt vorliegend die dem Senat nach § 44a Abs. 2 PMG zugewiesene Zuständigkeit auch bezüglich einer Entscheidung über die akzessorische Frage der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes iSd § 44a Abs. 1 PMG zum Tragen.

44       Da das VwG entgegen dem § 44a Abs. 2 PMG über die vorliegende Beschwerde der revisionswerbenden Partei nicht durch einen Senat, sondern durch eine Einzelrichterin und damit nicht in der gesetzmäßigen Besetzung entschieden hat, erweist sich der angefochtene Beschluss infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes als rechtswidrig (vgl. wiederum VwGH 7.9.2017, Ra 2017/08/0065).

45       E.e. Gestützt wird dieses Ergebnis durch einen Vergleich mit § 14 Abs. 2 VwGG, in dem ausdrücklich vorgesehen ist, dass das als Berichter fungierende Mitglied des Verwaltungsgerichtshofes neben verfahrensleitenden Anordnungen im Vorverfahren und verfahrensleitenden Anordnungen, die nur zur Vorbereitung der Entscheidung dienen, auch verfahrensleitende Anordnungen und Entscheidungen betreffend die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und die Verfahrenshilfe, somit über die Führung des Verfahrens zur Vorbereitung der Entscheidung in der Hauptsache selbst hinaus, ohne Senatsbeschluss fasst (vgl. dazu auch VwGH 19.5.2015, Ko 2014/03/0001, VwSlg. 19.921 A). Diese eigenständige Zuständigkeit des Berichters zur akzessorischen Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes wurde im VwGG mit der Novelle BGBl. Nr. 298/1984 begründet, wobei sich den Gesetzesmaterialien entnehmen lässt, dass diese besondere gesetzliche Zuständigkeit des Einzelrichters dem Gesichtspunkt der Verfahrensvereinfachung folgt (vgl. AB 347 BlgNR XVI. GP, S. 1). Demgegenüber ist in § 9 Abs. 1 BVwGG eine Zuständigkeit des Vorsitzenden zur Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht ausdrücklich vorgesehen. Eine gesetzliche Zuständigkeitsfestlegung muss prinzipiell klar und unmissverständlich sein (vgl. VwGH 7.9.2017, Ra 2017/08/0065, mwH), weshalb die oben wiedergegebenen Gesetzesmaterialen zu § 9 leg. cit. eine solche ausdrückliche gesetzliche Regelung nicht zu substituieren vermögen.

46       IV. Ergebnis

47       A. Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Unzuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes aufzuheben.

48       B. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 5. September 2018

Gerichtsentscheidung

EuGH 61988CJ0143 Zuckerfabrik Süderdithmarschen Soest VORAB
EuGH 62010CJ0416 Krizan VORAB

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Gemeinschaftsrecht Auslegung Allgemein EURallg3 Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4 Gemeinschaftsrecht Richtlinie Umsetzungspflicht EURallg4/2 Gemeinschaftsrecht vorläufige Aussetzung der Vollziehung provisorischer Rechtsschutz EURallg6

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018030056.L00

Im RIS seit

28.09.2021

Zuletzt aktualisiert am

28.09.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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