TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/13 W171 2237075-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.04.2021
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Entscheidungsdatum

13.04.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §80

Spruch


W171 2237075-3/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , volljährig, genaues Geburtsdatum unbekannt, (laut belangter Behörde „fiktives“ Geburtsdatum: XXXX , weitere Alias-Daten laut Akt), Staatsangehörigkeit: Islamische Republik Pakistan, im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl XXXX zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen, und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in Folge als BFA oder belangte Behörde – bB - bezeichnet) vom 11.11.2020, Zl. XXXX , wurde über den Beschwerdeführer (in Folge auch als beschwerdeführende Partei – bP - oder BF bezeichnet) gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Der gegenständliche Schubhaftbescheid wurde dem Beschwerdeführer (noch während der Anhaltung in Strafhaft) rechtswirksam zugestellt.

Gegen diesen Bescheid und die daraus erfolgte Anhaltung erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.11.2020, schriftlich ausgefertigt am 18.12.2020, wurde die Beschwerde abgewiesen und festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Die Entscheidung wurde wie folgt begründet:

„II.3.3. Zur Frage der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und der Anhaltung in Schubhaft seit 11.11.2020:

II.3.3.1. Bestehen einer durchsetzbaren und durchführbaren Rückkehrentscheidung

Zum Zeitpunkt der Verhängung der Schubhaft stellte sich die von der bB mit Bescheid vom 1.10.2020 erlassene Rückkehrentscheidung als durchsetzbar und Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung dar, zumal der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde (§ 16 Abs. 4 BFA-VG).

Durch das ho. Erkenntnis vom 17.11.2020, mit dem der Bescheid der bB vom 1.10.2020, mit dem die in Bezug auf die bP erlassene Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Aufenthaltsverbot behoben wurde, trat die Anwendbarkeit anlässlich der ersten Antragstellung auf internationalen Schutz gemeinsam mit der Abweisung des Antrages wieder ein, zumal dem ho. behebenden Erkenntnis vom 17.11.2020 die Wirkung ex tunc zukommt. Bei einer Aufhebung gem. § 28 Abs. 1 (iVm Abs. 5) VwGVG handelt es sich um eine materielle Erledigung der Rechtssache durch (ersatzlose) Behebung des angefochtenen Bescheids in Form eines Erkenntnisses. Die Regelung entspricht im Wesentlichen dem bisherigen § 66 Abs. 4 AVG (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, 2. Aufl, Rz 17ff zu § 28; Hengstschläger/Leeb, AVG, Manz Kommentar, Rz 97 zu § 66 [Abs. 4]). Durch die ersatzlose Behebung des Bescheides der bB vom 1.10.2020 trat die Rechtssache somit in jenen Stand zurück, in dem sie sich vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides befand. Es ist somit davon auszugehen, dass mit der Erlassung des ho. Erkenntnisses vom 17.11.2020 die mit dem ho. Erkenntnis vom 5.12.2018 rechtskräftig bestätigte Rückkehrentscheidung wieder in Kraft trat. Dies ist zwar durchsetzbar, aber aufgrund des mit dem zweiten Antrag auf internationalen Schutz einhergehenden Abschiebeschutz–zumindest vorübergehend- nicht durchführbar.

Wenn die Parteien davon ausgehen, dass jene Rückkehrentscheidung, welche durch den bereits wiederholt zitierten ho. Erkenntnis behoben wurde, die vorausgegangene Rückkehrentscheidung ersetzt und daher nunmehr keine Rückkehrentscheidung mehr vorliegt, verkennen sie die ex-tunk Wirkung des genannten Beschlusses und gehen sichtlich rechtsirrtümlich von einer ex-nunc Wirkung aus, aber selbst bei der fälschlichen Annahme dieses Umstandes sei darauf hingewiesen, dass die Verhängung und Aufrechterhaltung der Schubhaft auch in der Sicherung der Erlassung einer Rückkehrentscheidung ihre Geltung fände.

II.3.3.2. Letztlich wird auch festgehalten, dass ein Antrag gem. § 46a FPG, wie er von der bP eingebracht wurde, weder ein Bleiberecht noch Abschiebeschutz begründet.

II.3.3.3. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann immer nur dann verhältnismäßig sein, wenn mit dem der Möglichkeit einer Abschiebung auch tatsächlich zu rechnen ist. Ergibt sich, dass diese fremdenpolizeiliche Maßnahme innerhalb der Schubhafthöchstdauer nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden bzw. ist - wenn sich das erst später herausstellt - umgehend zu beenden (VwGH 28.08.2012, 2010/21/0517; vgl. VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

II.3.3.4. Die „Fluchtgefahr" ist innerstaatlich im § 76 Abs. 3 FPG (oben unter Punkt II.2. wiedergegeben) gesetzlich definiert.

In Bezug auf die bP besteht eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme.

Die belangte Behörde begründete die erhebliche Fluchtgefahr im Wesentlichen mit der mangelnden sozialen Verankerung des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, der mangelnden Mitwirkung, der Verschleierung der wahren Identität, sowie mit der mangelnden Vertrauenswürdigkeit der bP. Dies ist aus den Feststellungen des angefochtenen Bescheides in Verbindung mit der rechtlichen Beurteilung in hinreichender Schlüssigkeit ersichtlich. Dem Vorliegen dieser Kriterien konnte auch in der Beschwerde nicht substanziell entgegengetreten werden und erschöpfte sich die Beschwerde im Wesentlichen in nicht bescheinigten Behauptungen.

II.3.3.5. Die bP verweigerte in der beschriebenen Art und Weise bereits wiederholt die Mitwirkung an anhängigen Verfahren. Dies geschah offensichtlich um einer Rückführung in sein Heimatland zu umgehen.

II.3.3.6. Die belangte Behörde kam darüber hinaus zutreffend zu der Auffassung, dass der Beschwerdeführer über keine rechtlich relevanten Bindungen in Österreich verfügt, auf Grund welcher anzunehmen sein könnte, dass er sich bis zur Überstellung den Behörden nicht entziehen werde.

II.3.3.7. Ebenso ging die bB davon aus, dass sich die bP aufgrund ihres bisherigen Verhaltens im Bundesgebiet als nicht vertrauenswürdig erwies und daher nicht davon ausgegangen werden kann, dass sich die bP künftig an die Rechtsordnung, insbesondere an die fremdenrechtlichen Bestimmungen halten wird.

II.3.3.8. Es kann daher der belangten Behörde unter Berücksichtigung des bisherigen Gesamtverhaltens der bP nicht vorgeworfen werden, wenn sie bei ihrer Entscheidung zur Anordnung der Schubhaft und dem dafür erforderlichen Sicherungsbedarf davon ausging, dass sich die bP durch Untertauchen der beabsichtigten Abschiebung entziehen könnte. Auf Grund dieser Erwägungen ging das Bundesamt zutreffend davon aus, dass im Falle des Beschwerdeführers insgesamt Fluchtgefahr in einem erheblichen Ausmaß bestand und konnte das auch für den konkreten Einzelfall schlüssig und nachvollziehbar begründen. Dieser Einschätzung konnte auch in der Beschwerde bzw. der mündlichen Verhandlung nicht hinreichend entgegengetreten werden, sondern wurde die Einschätzung der bB durch den vom erkennenden Richter gewonnenen persönlichen Eindruck bestätigt.

II.3.3.9. Die Behörde ging zu Recht davon aus, dass die zweite Antragstellung auf internationalen Schutz rechtsmissbräuchlich im Sinne der Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme erfolgte und ging diese rechtskonform im Sinne des § 76 Abs. 6 FPG vor, indem sie diese Voraussetzungen in einem Aktenvermerk festhielt und diesen der bP zur Kenntnis brachte. Wenn die Vertretung der bP vorbringt, dieser Aktenvermerk sei nicht im ausreichendem Maße einzelfallspezifisch formuliert, kann das ho. Gericht dem nicht beitreten, zumal dieser den Schutzzweck der Norm, nämlich die Kenntnisnahme der Fortsetzung der Schubhaft und den Grund hierfür im ausreichenden Maße nachkommt.

II.3.3.10. Auf Grund der erheblichen Fluchtgefahr konnte auch nicht mit der Anwendung gelinderer Mittel das Auslangen gefunden werden:

Dem Bundesamt ist darin beizupflichten, dass sich im Falle der bP weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen: Der Beschwerdeführer hat keine rechtlich relevanten sozialen Anknüpfungspunkte und ein veritables Interesse nicht abgeschoben zu werden. Es muss angenommen werden, dass sich die bP im Falle der Anordnung eines gelinderen Mittels die sich hieraus ergebende Gelegenheit nützt, um sich einer Abschiebung zu entziehen, um ihr Leben weiterhin außerhalb von Pakistan –allenfalls vorzugsweise in einem mit den Lebensverhältnissen in Österreich vergleichbaren westeuropäischen Land- führen zu können. Auf Grund der erheblichen Fluchtgefahr, die sich im bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers manifestiert, überwogen daher – wie im angefochtenen Bescheid richtig dargelegt - die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung die Interessen des Beschwerdeführers an der Abstandnahme von der Verhängung der Schubhaft und ist diese als Ultima-ratio-Maßnahme notwendig. Die in der Beschwerde nur rudimentär begründete Behauptung einer nicht erfolgten einzelfallbezogenen Abwägung lässt sich nicht schlüssig nachvollziehen.

II.3.3.11. Aus den dargelegten Gründen ist die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid und die Anhaltung in Schubhaft ab 24.11.2020 abzuweisen.

II.3.4. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ist festzustellen, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen:

II.3.4.1. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Der VwGH sprach zum Fortsetzungsausspruch gemäß § 83 Abs. 4 erster Satz FPG in der bis 31.12.2013 geltenden Fassung aus, dass der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) im Rahmen seines Ausspruchs gemäß § 83 Abs. 4 FPG aF nicht an die im Schubhaftbescheid herangezogenen Rechtsgrundlagen gebunden ist, sondern die Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft nach allen Richtungen zu prüfen hat; er ist auch nicht nur „ermächtigt", einen „weiteren bzw. neuen Anhaltegrund für die Fortsetzung der Schubhaft zu schaffen", sondern bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens zu einem positiven und (nur) bei deren Fehlen zu einem negativen Fortsetzungsausspruch verpflichtet. Verneint der UVS daher das Vorliegen der Voraussetzungen für die weitere Anhaltung in Schubhaft, so bedeutet dieser Ausspruch von Gesetzes wegen die Unzulässigkeit der (Fortsetzung der) Schubhaft auf Grund jeglichen zum Bescheiderlassungszeitpunkt geltenden Schubhafttatbestandes, unabhängig davon, ob der UVS dessen Voraussetzungen (erkennbar) geprüft und dies seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (VwGH 15.12.2011, Zl. 2010/21/0292; 28.08.2012, Zl. 2010/21/0388 mwN). Diese Rechtsprechung des VwGH ist unverändert auf den Fortsetzungsausspruch des Bundesverwaltungsgerichtes nach der inhaltlich gleichlautenden Bestimmung des § 22a Abs. 3 BFA-VG übertragbar.

II.3.4.2. Für die Durchsetzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme (Abschiebung) ist die Anwesenheit des Beschwerdeführers erforderlich. Da der Beschwerdeführer - wie schon dargelegt - über keine ausreichenden beruflichen und auch keine substanziellen sozialen Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet verfügt, die ihn maßgeblich wahrscheinlich vom Untertauchen abhalten, ist nicht ersichtlich, was ihn im Falle einer Entlassung aus der Schubhaft von einem erneuten Untertauchen zur Vereitelung aufenthaltsbeendender Maßnahmen abhalten sollte. Gegenteilige Ausführungen in der Beschwerde sind angesichts des bisherigen Verhaltens des Beschwerdeführers nicht glaubhaft.

An den übrigen Gründen, die zur Anordnung der Schubhaft am 24.11.2020 geführt haben, hat sich - abgesehen von der behaupteten Existenz einer behauptetermaßen unterstützungsfähigen und -stützungswillilgen Person (es wurde jedoch bereits dargelegt, dass diese Behauptung an der anzunehmenden Fluchtgefahr nichts ändert)- zudem nichts geändert. Hinweise für einen substanziellen Grad der sozialen Verankerung im Sinne des § 76 Abs. 3 Z 9 FPG sind wie dargelegt im Verfahren nicht hervorgekommen (und wurden auch in der Beschwerde nicht schlüssig dargelegt). Hinsichtlich der Z 9 leg. cit. ist überdies festzuhalten, dass schon nach dem Wortlaut der Bestimmung (einzelne) „soziale Anknüpfungspunkte" für sich alleine nicht ausreichen, der Verhängung einer Schubhaft entgegenzustehen.

II.3.4.3. In Zusammenschau mit den obigen Ausführungen besteht damit aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts kein Zweifel, dass im gegenständlichen Fall nach wie vor eine erhebliche Fluchtgefahr seitens des Beschwerdeführers sowie ein besonders hohes staatliches Interesse an der Sicherstellung der Anordnung einer Außerlandesbringung und anschließender Abschiebung - somit ein erheblicher Sicherungsbedarf - zu bejahen ist. Aus öffentlichen Interessen ist es erforderlich, dass die Umsetzung durchsetzbarer und durchführbarer aufenthaltsbeendender Maßnahmen –insbesondere auch in Bezug auf Straftäter, welche im Suchtmittelbereich erhebliche kriminelle Energie entwickelten- auch konsequent vollzogen werden, ein Aufenthalt auch nicht „ertrotzt" werden kann und erscheinen entsprechende fremdenpolizeiliche Maßnahmen auch aus dem europarechtlichen Grundsatz des effet utile dringend geboten. Es besteht damit ein ganz massives öffentliches -nicht bloß nationales, sondern im Lichte der Rückführungsrichtlinie auch europäisches- Interesse, Personen wie den Beschwerdeführer in seinen Herkunftsstaat abzuschieben.

Aus den oben dargelegten Erwägungen ergibt sich auch, dass im gegenständlichen Fall die Anwendung des gelinderen Mittels nicht ausreichend ist, um den Sicherungsbedarf zu erfüllen. Damit liegt die geforderte „Ultima-ratio-Situation" für die Verhängung der Schubhaft vor und erweist sich diese auch als verhältnismäßig.

II.3.4.4. Da zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus den oben dargelegten Gründen weiterhin eine realistische Möglichkeit besteht, die Abschiebung des Beschwerdeführers rechtskonform und faktisch sowie auch zeitnah innerhalb der von § 80 FPG vorgegebenen Fristen durchzusetzen, ist die derzeit absehbare Anhaltedauer in Schubhaft auch nicht unverhältnismäßig.

II.3.4.5. Es war daher gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

II.3.5. Letztlich sei auch darauf hingewiesen, dass die bB realistischer Weise zum ehesten ihr zumutbaren und zweckmäßig erscheinenden Zeitpunkt das Verfahren zur Erlassung des angefochtenen Bescheides und Maßnahmen zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments einleitete.

Die bP setzte die bB nicht von der allenfalls bevorstehenden Haftentlassung in Kenntnis und erlangte sie erst durch die Verständigung des Gerichts hiervon und vom genauen Entlassungstermin Kenntnis. Nachdem die bP von der Entlassung Kenntnis erlangte nahm sie ihre Tätigkeit ohne unnötigen Aufschub auf.

Entgegen der Ansicht der Vertretung der bP kann die Existenz einer Rechtsvorschrift, welche unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit einer vorzeitigen Haftentlassung vorsieht, in ihrer Allgemeinheit noch nicht als Anlass herangezogen werden, dass die bB Konsultationen zwecks Erlangung eines Ersatzreisedokuments mit dem Herkunftsstaat und ein Verfahren zur Durchsetzung aufenthaltsbeendender Maßnahmen führt, wenn ein entsprechender Haftentlassungstermin noch nicht zumindest aufgrund der konkreten Umstände wahrscheinlich ist und setzt sie auch die Kenntnis dieser Umstände durch die Behörde voraus. Da diese im gegenständlichen Fall nicht vorlagen, konnte die bB bloß aufgrund der rechtlichen Möglichkeiten des § 46 StGB nicht davon ausgehen, dass und zu welchem Zeitpunkt er im gegenständlichen Fall auch tatsächlich zur Anwendung kommt. Das Gericht sieht es auch als notorisch bekannt an, dass sich die Bereitschaft von Herkunftsstaaten, Ersatzreisedokumente für die Abschiebung wiederholt auszustellen, falls deren Gültigkeitsdauer mangels erfolgter Abschiebung abläuft in engen Grenzen hält und kann eine vorzeitige Einleitung von Konsultationen so letztlich zur Vereitelung oder zumindest erheblicher Erschwerung und Verzögerung der Durchführung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen führen. Auch dieser Umstand ist in das Kalkül, wann die Behörde zweckmäßiger Weise entsprechende Maßnahmen einleitet um deren Verhältnismäßigkeit und somit auch deren Zulässigkeit feststellen zu können, miteinzubeziehen.

Aufgrund der oa. Ausführungen ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung davon auszugehen, dass die bB Maßnahmen zur Durchsetzung aufenthaltsbeendender Maßnahmen so rechtzeitig setzte, dass diese erfolgversprechend und verhältnismäßig waren.“

Am 05.03.2021 erfolgte seitens des BFA eine erste Aktenvorlage gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG. Nach Durchführung eines gerichtlichen Schubhaftprüfungsverfahren sprach das BVwG mit Erkenntnis vom 16.03.2021 aus, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen, und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig war.

In einer Anfragebeantwortung vom 10.03.2021 teilte die für die Erlangung von Heimreisezertifikaten zuständige Abteilung des BFA wie folgt mit:

„Der Genannte, Herr XXXX (geb. am XXXX StA PAK) wurde vergangenen Freitag, dem 5. März der afghanischen Delegation vorgeführt und interviewt. Laut Auskunft der Botschaft handle es sich bei der Person um einen pakistanischen Staatsbürger.

Hinsichtlich des HRZ – Verfahrens mit Pakistan kann mitgeteilt werden, dass es keine Vorführtermine bei der Botschaft gibt. Die uns aufliegenden Dokumente und Formulare werden an die pakistanische Botschaft übermittelt, welche diese zur Überprüfung nach Islamabad weiterleiten. In der Regel erfolgt nach 3 bis 4 Monaten eine Rückmeldung. Covid-19 bedingt kann sich dies etwas verzögern.

Im konkreten Fall wurde der HRZ-Antrag am 13.10.2020 der Botschaft übermittelt, am 04.02.2021 und am 25.02.2021 erfolgte jeweils eine schriftliche Urgenz.

Zumal die Zusammenarbeit mit der hiesigen Botschaft als gut bezeichnet werden kann und unter Berücksichtigung, dass die Botschaft trotz dzt. Pandemie regelmäßig HRZ ausstellt (zuletzt 29 Stück Anfang Februar) ist davon auszugehen, dass bei Bestätigung der Staatsangehörigkeit mit einer raschen HRZ-Ausstellung zu rechnen ist.

Derzeit sind Einzelrückführungen nach Pakistan möglich bzw. Mitte April findet der nächste Charter statt.“

Am 01.04.2021 erfolgte seitens des BFA die zweite verfahrensgegenständliche Aktenvorlage gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG. Im Rahmen dieser Aktenvorlage erstattete das BFA eine Stellungnahme. Darin führte das BFA im Wesentlichen aus:

„Oa. Fremde befindet sich seit 16.11.2020 in Schubhaft.

Übersicht zum Verfahren:

? Am 11.09.2017 wurde die VP nach einer illegalen Einreise aufgegriffen und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz. Die VP gab an den Namen XXXX zu führen, am XXXX geboren und pakistanischer Staatsangehöriger zu sein.

? In einem Altersfeststellungsgutachten vom 30.10.2017 wurde die Volljährigkeit festgestellt und ein fiktives Geburtsdatum mit XXXX bestimmt.

? Mit 31.10.2017 wurde er zum Asylverfahren zugelassen.

? Am 01.03.2018 (rk 06.03.2018) wurde die VP vom Landesgericht XXXX unter der Aktenzahl XXXX wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 3 Wochen, bedingt nachgesehen unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren, verurteilt.

? Mit Bescheid des BFA vom 05.04.2018 wurde der Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen und es wurde eine Rückkehrentscheidung gegen die VP erlassen. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde wurde aberkannt. Eine Beschwerde brachte die VP gegen diesen Bescheid ein.

? Mit Beschluss des BVwG vom 25.05.2018 wurde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

? Im Zuge des Beschwerdeverfahrens beim BVwG wurde ein neurologisch-psychiatrisches Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben, da die VP behauptete sich an vieles nicht erinnern zu können. Es stellte sich heraus, dass er seit seinem 6. Lebensjahr stottere, ansonsten jedoch keine neurologisch-psychiatrischen Erkrankungen vorliegen.

? Am 16.11.2018 um 14:45 Uhr wurden er wegen des Verdachts der Suchtgiftdelikte festgenommen und in weiterer Folge in eine Justizanstalt eingeliefert.

? Mit Erkenntnis des BVwG vom XXXX , Zl. XXXX , wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Es wurde ihm eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise gewährt. Die Entscheidung erwuchs mit 05.12.2018 in Rechtskraft.

? Am 12.06.2019 (rk 18.06.2019) wurde die VP vom Landesgericht XXXX unter der Aktenzahl XXXX wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 5. Fall und Abs 2 Z 3 SMG, des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 SMG, der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 1. und 2. Fall, Abs 2 SMG und der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 3 Jahren verurteilt.

? Am 23.09.2020 langte beim BFA ein Beschluss des LG XXXX vom XXXX , Zl. XXXX wonach er am 16.11.2020 bedingt entlassen werden.

? Mit Bescheid des BFA vom 01.10.2020 wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot befristet auf 10 Jahre erlassen. Es wurde ihm keine Frist zur freiwilligen Ausreise gewährt und die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde wurde aberkannt. Die VP brachte Beschwerde gegen diesen Bescheid ein, bislang wurde die aufschiebende Wirkung vom BVwG jedoch nicht zuerkannt.

? Mit Schreiben des BFA vom 07.10.2020 wurden er darüber informiert, dass die Verhängung einer Schubhaft zur Sicherstellung Ihrer Abschiebung beabsichtigt ist. Er wurden aufgefordert dazu Stellung zu nehmen. Die VP habe dieses Schreiben nachweislich am 07.10.2020 übernommen. In der schriftlichen Stellungnahme vom 21.10.2020 gab er im Wesentlichen Folgendes an:

Sie hätten im Verfahren bzgl. Rückkehrberatung den Verein Volkshilfe als Vertretung, die Vollmacht würden Sie beilegen.

Sie hätten keine Familie in Österreich.

Bezüglich einer Wohnadresse nach Ihrer Entlassung würden Sie in Kontakt mit Verein Neustart stehen, die Sie für die betreuten Startwohnungen angemeldet hätten. Da Sie auch Bewährungshilfe als Weisung bekommen hätten, wären Sie in regelmäßiger Betreuung. Sie hätten derzeit kein Bargeld. Sie würden bei Ihrer Entlassung etwas von der Rücklage bekommen. Da Sie während Ihrer Haft immer gearbeitet hätten, hätten Sie genügend Arbeitslosenversicherungszeiten erworben. Sie wären in logopädischer Behandlung wegen Ihrem Stottern. Sie hätten sich nie dem Verfahren entzogen, Sie hätten das erste Mal einen Fehler gemacht. Sie würden über Verein Neustart eine Wohnung finden wollen und wären mit allen Auflagen einverstanden.

Sie würden nicht freiwillig nach Pakistan zurückgehen.

? Am 16.11.2020 wurde die VP bedingt aus der Strafhaft entlassen. Gegen ihn liegt eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung mit Einreiseverbot vor. Er ist zur Ausreise verpflichtet und eine Abschiebung wird ehestmöglich stattfinden.

? Nach Entlassung aus der Strafhaft wurde mit Bescheid vom 11.11.2020, persönlich übernommen am 16.11.2020 um 08:00 Uhr die Schubhaft verhängt.

? Gegen diesen Bescheid wurde mit 18.11.2020 Beschwerde erhoben.

? Mit Erkenntnis vom XXXX des BVwG Zahl XXXX wurde die Beschwerde abgewiesen und festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgebliche Voraussetzungen vorliegen.

? Aufgrund einer Information im Akt, dass die VP angeblich bei Gericht eine Geburtsurkunde abgegeben hätte, wurden Ermittlung angestrengt, den Verbleib der Geburtsurkunde zu eruieren. Laut einer Mitteilung des Landesgerichtes XXXX vom XXXX habe die VP seiner Bekannten XXXX die Geburtsurkunde zwecks Verwahrung übergeben. Ermittlungen der Polizei bei Genannter ergaben, dass XXXX diese Urkunde an einen Freund des XXXX welcher angeblich in XXXX wohne, übergeben hätte. Den Namen des Freundes konnte sie nicht benennen. Weitere Erhebungen durch die PI XXXX brachten zu Tage, dass der erwähnte Freund angeblich (lt. einem Facebook Eintrag der XXXX (näheres nicht bekannt) heiße, und dieser sich in Linz aufhalten solle. Abfragen in den zur Verfügung stehenden Speichersystemen mit diesem Namen verliefen negativ. Auch wurde von der XXXX laut Ermittlungen der Polizei die Person nicht erkannt. Aus diesem Grund konnte die angeblich existierende Geburtsurkunde nicht gefunden werden.

Betreffend der Bemühung zur Erlangung eines Heimreisezertifikates kann Folgendes angeführt werden:

Da die Identität der VP wie auch die Nationalität bis dato nicht geklärt ist wurden Heimreisezertifikate sowohl bei der pakistanischen als auch bei der afghanischen Botschaft beantragt.

Laut Auskunft der BFA Direktion wurde mitgeteilt, dass im Verfahren betreffend Pakistan keine Vorführung erfolgen muss. Die bei uns aufliegenden Dokumente und Formulare werden üblicher Weise an die pakistanische Botschaft versendet, welche diese nach Pakistan zur Überprüfung übermitteln. Grundsätzlich erfolgt nach 3 – 4 Monaten eine Rückmeldung, es kann sich COVID bedingt etwas verzögern. Der Fall wurde am 04.02.2021 und auch am 25.02.2021 bei der pakistanischen Botschaft urgiert.

[…]

Der Fall wurde am 04.02.2021, 25.02.2021 sowie am 19.03.2021 bei der pakistanischen

Botschaft urgiert.

Eine neuerliche Urgenz wurde von ho. am 01.04.2021 angeregt. Durch die BFA Direktion wurde noch am

selben Tag mitgeteilt, dass geplant sei in der folgenden Woche das HRZ zu der VP mittels Liste erneut zu

urgieren.

Aufgrund der langen Anhaltedauer erlaubte sich das BFA mit 05.03.2021 die Vorlage gem. §22a Abs 4

BFA-VG. Mit Erkenntnis vom BVwG XXXX vom XXXX wurde festgestellt, dass zum

Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen

vorlagen.

Hinweis gem. §80 Abs 4 Z 1 FPG:

Gem. §80 Abs 4 Z 1 FPG kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil die Feststellung

seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines

Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist, kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhaltes

abweichend von Abs. 2 z 2 und Abs 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

Da die Schubhaft der VP mit 16.05.2021 die Dauer von 6 Monate bereits erreichen wird, und aufgrund

des derzeitigen Standes zur Erlangung eines Heimreisezertifikates nicht mit Sicherheit davon

ausgegangen werden kann, dass bis zu diesem Zeitpunkt die HRZ- Beschaffung abgeschlossen ist, wird

ersucht, auch den Umstand einer Verlängerung gem. § 80 Abs 4 Z 1 FPG zu prüfen.

Aus ho. Sicht würde dieser Verlängerungsumstand vorliegen.

Aufgrund vorangeführter Übersicht zum Verfahren erlaubt sich das BFA Folgendes auszuführen:
Wäre die VP ihrer Verpflichtung zur freiwilligen Rückkehr in den Herkunftsstaat nachgekommen,

und hätte sich die VP selbst um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bemüht, so hätte

innerhalb kürzester Zeit ein Heimreisezertifikat mit Unterstützung der Behörde bzw. einem Verein

der Rückkehrhilfe organisiert werden können und einer Rückkehr auf Basis der Freiwilligkeit wäre

nichts entgegengestanden.

Die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit insbesondere zum Zweck zur Erlangung

eines Ersatzreisedokumentes sind derzeit noch nicht abgeschlossen. Würde die VP aktiv an der

Feststellung seiner Identität bzw. Staatsangehörigkeit mitarbeiten, wäre die Beschaffung vermutlich

bereits abgeschlossen da bereits erstmalig 2018 Anträge auf Erteilung eines Heimreisezertifikates

bei den entsprechenden Botschaften gestellt wurden.

Würde die VP aktiv an der Beschaffung von Dokumenten mitarbeiten und sich um eine Rückkehr in

den Herkunftsstaat bemühen, würde einer freiwilligen Rückkehr nichts entgegenstehen.

Das Gesamtverhalten vor und während der Schubhaft lässt für die Behörde keinen anderen

Rückschluss zu, als dass eine erhebliche Fluchtgefahr besteht.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 02.04.2021 wurde dem Beschwerdeführer unter Übermittlung der Vorlageschrift des BFA vom 01.04.2021 die Möglichkeit zur Stellungnahme zur beantragten Verlängerung der laufenden Schubhaft binnen Frist von vier Tagen eingeräumt. Der BF erstattete hiezu keine Stellungnahmen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der angeführte Verfahrensgang und die Entscheidungsgründe der Vorentscheidungen werden übernommen und zu Feststellungen in der gegenständlichen Entscheidung erhoben; ebenso die von der Verwaltungsbehörde in ihrer Stellungnahme anlässlich der Aktenvorlage getätigten Ausführungen zur Erlangung eines Heimreisezertifikates sowie die Mitteilung der für die Erlangung von Heimreisezertifikaten zuständigen Abteilung des BFA hinsichtlich der Vorführung des Beschwerdeführers vor die afghanische Botschaft am 05.03.3021 und des damit verbundenen Ergebnisses, dass es sich beim Beschwerdeführer um keinen afghanischen Staatsbürger handelt. Des Weiteren werden die Ausführungen hinsichtlich der Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer in Hinblick auf Pakistan zur Feststellung erhoben.

Auf der Tatsachenebene liegt keine Änderung - die Fluchtgefahr betreffend - vor.

Der BF ist haftfähig, es sind keine Umstände hervorgekommen, dass die weitere Inschubhaftnahme unverhältnismäßig wäre.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang, die getroffenen Feststellungen und die Haftfähigkeit des BF ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes, insbesondere der zitierten Vorentscheidung sowie aus der Anhaltedatei (Haftfähigkeit).

Die Feststellungen zur Erlangung des Heimreisezertifikates ergeben sich aus der ergänzenden Stellungnahme des BFA anlässlich der Aktenvorlage sowie der Stellungnahme der für die Erlangung von Heimreisezertifikaten zuständigen Abteilung des BFA vom 10.03.3021.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A. – Fortsetzung der Schubhaft

3.1. Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

3.2. Gemäß § 76 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn 1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder 2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder 3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit. n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird.

Hinsichtlich der Fluchtgefahrtatbestände des §76 Abs. 3 FPG hat sich in Hinblick auf das Vorerkenntnis zur gegenständlich zu überprüfenden Schubhaft keine Änderung ergeben, sodass aufgrund unveränderter Lage auf die dortigen Ausführungen verwiesen und diese auch zur gegenständlichen rechtlichen Beurteilung erhoben werden.

Die Schubhaft ist also weiterhin jedenfalls wegen erheblicher Fluchtgefahr aufrechtzuerhalten, weil aus dem vergangenen und aktuellen Verhalten des Beschwerdeführers – siehe Darstellung im Rahmen des Verfahrensganges und der Feststellungen – mit Sicherheit geschlossen werden kann, dass der Beschwerdeführer seine Abschiebung mit allen Mitteln zu verhindern oder jedenfalls zu behindern beabsichtigt.

3.3. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig. Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann. Die Verhängung der Schubhaft darf stets nur ultima ratio sein.

Zur Dauer der Schubhaft:

Gemäß § 80 Abs. 4 FPG kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden, wenn ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden kann, weil

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck

der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2.

eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht
vorliegt,

3.

der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13)

widersetzt, oder

4.

die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen
oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint.

Gegenständlich ist jedenfalls der Tatbestand der Z.1 verwirklicht. Somit erweist sich die bisherige Anhaltung am soeben angeführten Maßstab als verhältnismäßig, da sie sich immer noch im unteren Rahmen des gesetzlich Erlaubten bewegt.

Der Beschwerdeführer hatte keine berücksichtigungswürdigen Umstände dargetan, wonach die Schonung seiner Freiheit das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung überwiegen würde. Die Schubhaft ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände und vor dem Hintergrund, dass sich die Behörde zügig um ein Heimreisezertifikat bemüht hat, auch verhältnismäßig.

Das Verhalten des Beschwerdeführers in der Vergangenheit schließt auch weiterhin die Anordnung gelinderer Mittel aus. Es besteht ein grundsätzliches öffentliches Interesse am effizienten Vollzug des Fremdenrechts. In diesem Sinne hat die Behörde sichergestellt, dass das Abschiebeverfahren (immer noch) zeitnah und zweckmäßig durchgeführt wird.

3.4. Die getroffenen Feststellungen und ihre rechtliche Würdigung lassen im Hinblick auf ihre Aktualität und ihren Zukunftsbezug keine, die Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft ändernde Umstände erkennen.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

Zu Spruchpunkt B. - Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Da keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen sind, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen, war die Revision daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Einreiseverbot Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft Heimreisezertifikat Identität öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W171.2237075.3.00

Im RIS seit

09.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

09.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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