TE Lvwg Erkenntnis 2021/3/15 LVwG-S-531/001-2021

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Veröffentlicht am 15.03.2021
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Entscheidungsdatum

15.03.2021

Norm

EO §382e Abs1 Z2
SPGNov 2013 §1 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Warum als Einzelrichter über die Beschwerde des Herrn A, in ***, ***, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt *** vom 25.1.2021, Zl. ***, betreffend Bestrafung nach dem Bundesgesetz, mit dem Verstöße gegen bestimmte einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre zu Verwaltungsübertretungen erklärt werden, zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird gem. § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) Folge gegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gem. § 45 Abs. 1 Z 1 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) eingestellt.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist gem. Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

1.   Verfahrensgang und entscheidungswesentliche Feststellungen:

1.1. Mit Beschluss vom 31.8.2020, z. Zl. ***, gab das Bezirksgericht *** dem Antrag von Frau B, geb. am ***, dahingehend statt, dass es gegen deren Ehegatten Herrn A, geb. am *** (im Folgenden: Beschwerdeführer), eine einstweilige Verfügung erließ, in der dem Beschwerdeführer unter anderem aufgetragen wurde wie folgt:

„[…]

3. Dem Antragsgegner wird gemäß § 382 e EO verboten sich der Antragstellerin im Umkreis von 100 Metern anzunähern.

4. Dem Antragsgegner wird gemäß § 382 e EO aufgetragen, das Zusammentreffen und die Kontaktaufnahme mit der Antragstellerin – insbesondere durch Telefon, Brief, SMS, sämtliche Social Media Kanäle – mit Ausnahme einer Kontaktrechtsregelung der gemeinsamen Kinder – zu vermeiden.

5. Das Verbot des Annäherns und der Kontaktaufnahme gemäß § 382 e EO (Punkt. 3. und 4. Dieses Spruchs) wird für die Dauer von zwölf Monaten erlassen.

[…]“

1.2. Der Beschwerdeführer versandte jeweils am 24.9.2020, am 25.9.2020 und am 26.9.2020 ein E-Mail an seine Ehegattin, welche in weiterer Folge zur Anzeige der PI *** vom 26.9.2020 an den Bürgermeister der Stadt *** führten. Dem E-Mail vom 24.9.2020 ist zu entnehmen wie folgt:

„Hy,

Es fehlt noch sehr viel von meinem zeug

Ich Weiss nicht ob ich alles jetzt auswendig weiss…

[Anm. des Gerichts: Aufzählung von näher bezeichneten Gegenständen]

Ehrlich gesagt muss ich selber schauen was alles mir gehört… Weil du findest ja nicht alles… Lg“

Die zwei anderen E-Mails enthalten ähnliche Inhalte.

1.3. Mit dem nun angefochtenen Straferkenntnis vom 25.1.2021, z. Zl. ***, legte der Bürgermeister der Stadt *** (im Folgenden: belangte Behörde) – nach gleichlautender Strafverfügung vom 15.10.2020 und Einspruch des Beschwerdeführers vom 29.10.2020 – dem Beschwerdeführer nachstehende Verwaltungsübertretungen zur Last:

„Sie haben folgende Verwaltungsübertretungen begangen:

Ort: ***, ***

Tatbeschreibung:

1. Am 31.08.2020 wurde vom Bezirksgericht ***, Zahl ***, eine einstweilige Verfügung gemäß § 382 b und e EO erlassen, wonach Ihnen folgende Verhaltensweisen untersagt wurden: Rückkehr und Aufenthalt im Haus ***, *** und dessen unmittelbarer Umgebung (gesamte Liegenschaft mit eingezäuntem Garten) für die Dauer von sechs Monaten, Annäherung an die Antragstellerin im Umkreis von 100 Metern für die Dauer von zwölf Monaten, Zusammentreffen und Kontaktaufnahme mit der Antragstellerin durch Telefon, Brief, SMS und sämtliche Social Media Kontakte für die Dauer von zwölf Monaten. Sie haben am 24.09.2020 um 23:01 Uhr entgegen der getroffenen Anordnung per e-mail Kontakt mit der Antragstellerin aufgenommen.

2. Am 31.08.2020 wurde vom Bezirksgericht ***, GZ ***, eine einstweilige Verfügung gemäß § 382 b und e EO erlassen, wonach Ihnen folgende Verhaltensweisen untersagt wurden: Rückkehr und Aufenthalt im Haus ***, *** und dessen unmittelbarer Umgebung (gesamte Liegenschaft mit eingezäuntem Garten) für die Dauer von sechs Monaten, Annäherung an die Antragstellerin im Umkreis von 100 Metern für die Dauer von zwölf Monaten, Zusammentreffen und Kontaktaufnahme mit der Antragstellerin durch Telefon, Brief, SMS und sämtliche Social Media Kontakte für die Dauer von zwölf Monaten. Sie haben am 25.09.2020 um 10:46 Uhr entgegen der getroffenen Anordnung per e-mail Kontakt mit der Antragstellerin aufgenommen.

3. Am 31.08.2020 wurde vom Bezirksgericht ***, Zahl *** eine einstweilige Verfügung gemäß § 382 b und e EO erlassen, wonach Ihnen folgende Verhaltensweisen untersagt wurden: Rückkehr und Aufenthalt im Haus ***, *** und dessen unmittelbarer Umgebung (gesamte Liegenschaft mit eingezäuntem Garten) für die Dauer von sechs Monaten, Annäherung an die Antragstellerin im Umkreis von 100 Metern für die Dauer von zwölf Monaten, Zusammentreffen und Kontaktaufnahme mit der Antragstellerin durch Telefon, Brief, SMS und sämtliche Social Media Kontakte für die Dauer von zwölf Monaten. Sie haben am 26.09.2020 um 12:34 Uhr entgegen der getroffenen Anordnung per e-mail Kontakt mit der Antragstellerin aufgenommen.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

zu 1. Artikel 2 § 1 Abs. 1 SPG-Novelle 2013 idF BGBl. I Nr. 152/2013 i.V.m. Einstweiliger Verfügung des Bezirksgerichtes *** vom 31.08.2020, GZ ***, Ziffer 4

zu 2. Artikel 2 § 1 Abs. 1 SPG-Novelle 2013 idF BGBl. I Nr. 152/2013 i.V.m. Einstweiliger Verfügung des Bezirksgerichtes *** vom 31.08.2020, GZ ***, Ziffer 4

zu 3. Artikel 2 § 1 Abs. 1 SPG-Novelle 2013 idF BGBl. I Nr. 152/2013 i.V.m.

Einstweiliger Verfügung des Bezirksgerichtes *** vom 31.08.2020, GZ ***, Ziffer 4“

Die belangte Behörde verhängte über den Beschwerdeführer eine Strafe von jeweils € 100,- und 66 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, sohin eine Geldstrafe von insgesamt € 300,-. Gleichzeitig verpflichtete sie den Beschwerdeführer zum Tragen der Verfahrenskosten gem. § 64 Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz in Höhe von € 30,-.

In der Begründung des Straferkenntnisses wurde zusammengefasst ausgeführt, dass die Verwaltungsübertretungen erwiesen seien. Im Hinblick auf das Verschulden werde auf § 5 Abs. 1 VStG verwiesen, Fahrlässigkeit sei anzunehmen und der Entlastungsbeweis des Beschwerdeführers nicht gelungen.

1.4. Das Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer am 29.1.2021 zugestellt.

1.5. Der Beschwerdeführer erhob mit E-Mail vom 29.1.2021 an die belangte Behörde und somit rechtzeitig Beschwerde. Darin führte er zusammengefasst aus, dass er in seinen drei E-Mails lediglich seine persönlichen Sachen aufgelistet habe. Dies hätte er mit seiner Ehegattin so ausgemacht. Seine Ehegattin hätte ihm ebenfalls nicht schreiben dürfen, was sie jedoch immer wieder gemacht hätte. Sie hätte ihn etwa auf den Internetplattformen Instagram und TikTok kontaktiert. Es sei mit seiner Ehegattin ausgemacht gewesen, dass der Beschwerdeführer seine persönlichen Sachen auflisten solle, daher verstehe er nicht, dass er von ihr angezeigt werde. Er hätte nie gegen das Gesetz verstoßen. Er ersuche daher, die Strafe fallen zu lassen.

1.6. Mit Schreiben vom 9.3.2021 legte die belangte Behörde den Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht NÖ zur Entscheidung vor und gab bekannt, auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu verzichten.

2.   Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem verfahrensgegenständlichen Verwaltungsakt der belangten Behörde, z. Zl. ***, darin inliegend insbesondere der Beschluss des Bezirksgerichtes *** vom 31.8.2020, die verfahrensgegenständlichen E-Mails des Beschwerdeführers an seine Ehegattin, die Anzeige der PI *** vom 26.9.2020 sowie die Beschwerde vom 29.1.2021.

Der Akteninhalt stößt auf keine Bedenken und konnte deshalb ohne weiteres der Entscheidung des erkennenden Gerichts zugrunde gelegt werden. Insbesondere werden die verfahrensgegenständlichen E-Mails vom Beschwerdeführer auch nicht bestritten.

3.   Rechtslage:

3.1. § 382e Exekutionsordnung, idF. BGBl. I 2019/105, (EO), lautet auszugsweise:

„Allgemeiner Schutz vor Gewalt

§ 382e. (1) Das Gericht hat einer Person, die einer anderen Person durch einen körperlichen Angriff, eine Drohung mit einem solchen oder ein die psychische Gesundheit erheblich beeinträchtigendes Verhalten das weitere Zusammentreffen unzumutbar macht, auf deren Antrag

      1. den Aufenthalt an bestimmt zu bezeichnenden Orten zu verbieten,

      2. aufzutragen, das Zusammentreffen sowie die Kontaktaufnahme mit dem Antragsteller zu vermeiden und

      3. zu verbieten, sich dem Antragsteller oder bestimmt zu bezeichnenden Orten in einem bestimmten Umkreis anzunähern,

soweit dem nicht schwerwiegende Interessen des Antragsgegners zuwiderlaufen.

(2) Eine einstweilige Verfügung nach Abs. 1 kann längstens für ein Jahr angeordnet werden;

[…]“

3.2. Das Bundesgesetz, mit dem Verstöße gegen bestimmte einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre zu Verwaltungsübertretungen erklärt werden, BGBl. I 2013/152 idF BGBl. I 2019/105, (SPG-Novelle 2013), lautet auszugsweise wie folgt:

„Strafbestimmung bei Zuwiderhandeln gegen einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und Eingriffen in die Privatsphäre sowie gegen Schutzmaßnahmen

§ 1. (1) Wer einer in einer einstweiligen Verfügung nach §§ 382b, 382e Abs. 1 Z 1 und Z 2 erster Fall und § 382g Abs. 1 Z 1, 3 und 8 des Gesetzes vom 27. Mai 1896 über das Exekutions- und Sicherungsverfahren (Exekutionsordnung – EO), RGBl. Nr. 79/1896, oder in einer nach § 420 EO angeordneten Vollstreckung einer ausländischen Schutzmaßnahme getroffenen Anordnung zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 2 500 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe bis zu 5 000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen, zu bestrafen.

(2) Von der Verhängung einer Strafe ist abzusehen, wenn auf Grund des Verstoßes gegen eine Anordnung im Sinne des Abs. 1 vom Exekutionsgericht anlässlich der Bewilligung einer Exekution gemäß § 355 EO bereits eine Strafe verhängt wurde.

Vollziehung

§ 2. […]

Inkrafttreten

§ 3. (1) Die §§ 1 und 2 treten mit 1. September 2013 in Kraft.

(2) § 1 Abs. 1 in der Fassung des Gewaltschutzgesetzes 2019, BGBl. I Nr. 105/2019, tritt mit 01.01.2020 in Kraft. Die Bestimmung ist in dieser Fassung auf strafbare Handlungen anzuwenden, die nach diesem Zeitpunkt begangen werden.“

3.3. Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG) lauten auszugsweise wie folgt:

„§ 44a. Der Spruch hat, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

      1. die als erwiesen angenommene Tat;

[…]

§ 45. (1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn

      1. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;

[…]“

4.   Erwägungen:

4.1. Mit der einstweiligen Verfügung vom 31.8.2020 trug das Bezirksgericht *** dem Beschwerdeführer in Punkt 4. „gemäß § 382 e EO [auf], das Zusammentreffen und die Kontaktaufnahme mit der Antragstellerin – insbesondere durch Telefon, Brief, SMS, sämtliche Social Media Kanäle – mit Ausnahme einer Kontaktrechtsregelung der gemeinsamen Kinder – zu vermeiden.“ In Punkt 5. des Beschlusses vom 31.8.2020 wird ausgesprochen, dass das „Verbot des Annäherns und der Kontaktaufnahme gemäß § 382 e EO (Punkt 3. und 4. [des] Spruchs) […] für die Dauer von zwölf Monaten erlassen [wird].“

Punkt 4. des Beschlusses vom 31.8.2020 ist somit unter § 382e Abs. 1 Z 2 EO zu subsummieren. Diese Bestimmung sieht vor, dass das (ordentliche) Gericht einer Person, die einer anderen Person durch einen körperlichen Angriff, eine Drohung mit einem solchen oder ein die psychische Gesundheit erheblich beeinträchtigendes Verhalten das weitere Zusammentreffen unzumutbar macht, aufzutragen hat, das Zusammentreffen (Z 2 erster Fall) sowie die Kontaktaufnahme (Z 2 zweiter Fall) mit dem Antragsteller zu vermeiden.

4.2. Mit BGBl. I 2013/152 wurde das Bundesgesetz, mit dem Verstöße gegen bestimmte einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre zu Verwaltungsübertretungen erklärt werden, erlassen. § 1 Abs. 1 dieses Gesetzes sieht unter anderem vor, dass eine Verwaltungsübertretung begeht, wer einer in einer einstweiligen Verfügung nach § 382e Abs. 1 Z 1 und Z 2 erster Fall getroffenen Anordnung zuwiderhandelt.

Als erster Fall im Sinne des § 382e Abs. 1 Z 2 EO ist das Zusammentreffen anzusehen, während die Kontaktaufnahme als dessen zweiter Fall einzustufen ist. Erklärter Wille des Gesetzgebers war es, lediglich den ersten Fall des § 382e Abs. 1 Z 2 EO, nämlich den Verstoß gegen ein zu vermeidendes Zusammentreffen mit der bedrohten Person, unter Strafe zu stellen, nicht jedoch den zweiten Fall der Kontaktaufnahme (vgl. LVwG Stmk. 17.11.2015, LVwG 30.9-2608/2015). Daran hat auch die Novelle BGBl. I 2019/105 nichts geändert.

4.3. Mit dem verfahrensgegenständlichen Straferkenntnis wird dem Beschwerdeführer vorgeworfen, dadurch gegen die gerichtliche Anordnung verstoßen zu haben, dass er zu drei näher bezeichneten Zeitpunkten „per e-mail Kontakt mit der Antragstellerin“ aufgenommen habe. Eine reine Kontaktaufnahme per E-Mail fällt allerdings unter den zweiten Fall des § 382e Abs. 1 Z 2 EO und ist somit vom Straftatbestand des § 1 Abs. 1 SPG-Novelle 2013 nicht erfasst.

Selbst unter der – hier nicht vertretenen – Annahme, dass das Bezirksgericht Punkt. 4. seiner einstweiligen Verfügung auf § 382g EO und nicht auf § 382e EO gestützt haben wollte, ändert dies am Ergebnis nichts: § 382g Abs. 1 EO normiert einen „Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre“. Die Bestimmung differenziert hier zwischen Formen persönlicher Kontaktaufnahme (z.B. Z 1 oder Z 8 leg. cit.) und Kontaktaufnahmen via Telefon, Briefen oder auch über das Internet (Z 2 leg. cit.). Auch hier hat der Gesetzgeber eine bewusste Differenzierung zwischen den einzelnen Formen der Kontaktaufnahme getroffen, indem er zwar Verstöße gegen Anordnungen auf Basis des § 382g Abs. 1 Z 1, 3 und 8 EO unter Strafe stellt, Verstöße gegen Verbote gem. Z 2 leg. cit. jedoch nicht vom Verwaltungsstraftatbestand umfasst sind.

4.4. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44a VStG hat die Tatumschreibung so präzise zu sein, dass der Beschuldigte seine Verteidigungsrechte wahren kann und er nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist (vgl. VwGH 2.9.2015, Ra 2015/02/0143; 24.10.2016, Ra 2016/02/0189). Zwar ist das Verwaltungsgericht grundsätzlich verpflichtet, einen allenfalls fehlerhaften Abspruch der ersten Instanz richtig zu stellen oder zu ergänzen (vgl. VwGH 20.5.2015, Ra 2014/09/0033). Eine Auswechslung der vorgeworfenen Tat ist jedoch unzulässig (vgl. VwGH 10.12.2008, 2004/17/0228). Ein unzulässiges Austauschen des Tatvorwurfs stellt eine im Beschwerdeverfahren durch das Verwaltungsgericht vorgenommene Erweiterung des Tatvorwurfs bzw. die Heranziehung eines anderen als des ursprünglich der Bestrafung zu Grunde gelegten Sachverhalts dar (vgl. VwGH 30.1.2018, Ra 2017/01/0409).

An die Verfolgungshandlung gemäß § 32 Abs. 2 VStG sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dieselben Anforderungen zu stellen, wie an die Tatumschreibung im Spruch des Straferkenntnisses nach § 44a Z 1 VStG (vgl. VwGH 18.10.2012, 2012/04/0020), wobei ein Straferkenntnis in seiner Gesamtheit als Verfolgungshandlung zu werten ist (vgl. VwGH 5.11.2013, 2013/09/0065).

Gegenständlich warf die belangte Behörde dem Beschwerdeführer sowohl in der Strafverfügung als auch im gleichlautenden Straferkenntnis eine Tat vor, die im Ergebnis keine Verwaltungsübertretung bildet. Da es dem erkennenden Gericht verwehrt ist, die vorgeworfene Tat auszuwechseln und gegenständlich auch keine Korrektur des Spruchs in Frage kommt, ist das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG einzustellen (vgl. VwGH 7.3.2017, Ra 2016/02/0271).

4.5. Der Vollständigkeit halber wird vom erkennenden Gericht darauf hingewiesen, dass dieses Erkenntnis nichts an der Gültigkeit der einstweiligen Verfügung des Bezirksgerichtes *** vom 31.8.2020 ändert.

5.   Zur Nichtdurchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung:

Da im vorliegenden Fall bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid zu beheben war, konnte gem. § 44 Abs. 2 VwGVG die mündliche Verhandlung entfallen.

6.   Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil hinsichtlich der zu lösen gewesenen Rechtsfrage ein eindeutiger Gesetzeswortlaut und somit eine eindeutige Rechtslage vorliegt (vgl. VwGH 27.02.2018, Ra 2018/05/0011).

Schlagworte

Ordnungsrecht; Sicherheitspolizei; Verwaltungsstrafe; Gewaltschutz; Kontaktaufnahme; einstweilige Verfügung; e-mail;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.S.531.001.2021

Zuletzt aktualisiert am

17.05.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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