TE Lvwg Erkenntnis 2021/3/15 LVwG-S-474/001-2021

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Veröffentlicht am 15.03.2021
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Entscheidungsdatum

15.03.2021

Norm

KFG 1967 §103 Abs1
KFG 1967 §103 Abs9 litc

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Mag. Dr. Goldstein als Einzelrichter über die Beschwerde der Frau A gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 01.02.2021, Zl. ***, betreffend Übertretung nach dem Kraftfahrgesetz 1967, zu Recht erkannt:

1.   Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§ 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG

§ 45 Abs. 1 Z 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG

§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG

Entscheidungsgründe:

1.   Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Beschwerdeführerin zur Last gelegt, sie habe als Masseverwalterin der Firma B GmbH, welche Zulassungsbesitzerin des LKW mit dem behördlichen Kennzeichen *** sei, nicht dafür Sorge getragen, dass der Zustand dieses Kraftfahrzeuges am 13. Juli 2020 um 15:40 Uhr im Ortsgebiet von ***, *** den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes 1967 (KFG 1967) entspricht. Es sei festgestellt worden, dass die Reifen links und rechts

der 1. Achse innen stark abgefahren (Unterschicht sichtbar) waren (Spruchpunkt 1), dass starker Motorölverlust - Tropfenbildung bestand (Spruchpunkt 2), dass die Gültigkeit der Begutachtungsplakette *** mit der Lochung 06/20 abgelaufen war (Spruchpunkt 3) und dass die Plakette an der rechten Außenseite mit Aufschriften betreffend das Eigengewicht, das höchstzulässigen Gesamtgewicht und der höchsten zulässigen Achslasten fehlte (Spruchpunkt 4).

Dadurch habe sie zu Spruchpunkt 1 § 103 Abs. 9 lit. c iVm § 7 Abs. 1 KFG 1967 iVm § 4 Abs. 4 Kraftfahrgesetz-Durchführungsverordnung 1967, zu Spruchpunkt 2 § 103 Abs. 9 lit. c iVm § 4 Abs. 2 KFG 1967, zu Spruchpunkt 3 § 103 Abs. 9 lit. c iVm § 36 lit. e und § 57a Abs. 5 KFG 1967 und zu Spruchpunkt 4 § 103 Abs. 9 lit. c iVm § 27 Abs. 2 KFG 1967 verletzt.

Zu den jeweiligen Spruchpunkten wurden gemäß § 134 Abs. 1 KFG 1967 Geldstrafen in der Höhe von 75,00 € (Ersatzfreiheitsstrafe 16 Stunden), 75,00 € (Ersatzfreiheitsstrafe 16 Stunden), 70,00 € (Ersatzfreiheitsstrafe 14 Stunden) und 40,00 € (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Stunden) verhängt.

Weiters wurde der Beschwerdeführerin ein Kostenbeitrag gemäß § 64 Abs. 2

Verwaltungsstrafgesetz 1991 in der Höhe von 40,00 € vorgeschrieben.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Verstöße gegen das KFG 1967 im Rahmen einer technischen Überprüfung durch die Polizeiinspektion *** unter Zuhilfenahme eines Technikers der NÖ Landesregierung festgestellt worden seien und diese von der Masseverwalterin der Zulassungsbesitzerin zu verantworten seien.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde.

Mit Schreiben vom 3. März 2021 legte die belangte Behörde den Verwaltungsstrafakt mit dem Ersuchen um Entscheidung dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich vor.

2.   Zum Beschwerdevorbringen:

Die Beschwerdeführerin brachte im Wesentlichen vor, dass der LKW offenbar ohne ihr Wissen gelenkt wurde, während ihr mitgeteilt worden sei, dass dieser auf einem Parkplatz in ***, *** sicher abgestellt sei. Sie habe die Schuldnerin mehrfach mündlich und schriftlich darüber belehrt, dass das Fahrzeug nicht ohne ihr Wissen und Einverständnis von seinem Standort entfernt werden dürfte.

Als Beweis hierfür legte die Beschwerdeführerin eine E-Mail Korrespondenz vom 30. Juni 2020 vor, in welcher sie jedwege Inbetriebnahme des Fahrzeuges untersagt, weil die Zulassung bereits am 12. Juni 2020 aufgehoben worden sei und kein Versicherungsschutz mehr bestehe.

Sie habe ihr Amt pflichtbewusst ausgeübt, sodass sie kein Verschulden treffe und auch kein rechtmäßiges Alternativverhalten bestanden habe.

3.   Feststellungen und Beweiswürdigung.

Mit Beschluss des Handelsgerichtes *** vom 10. Juni 2020 wurde das Konkursverfahren betreffend der B GmbH als Schuldnerin mit Beginn der Wirkung ab 11. Juni 2020 eröffnet. Gleichzeitig wurde die Beschwerdeführerin als Masseverwalterin bestellt. Mit Beschluss des Handelsgerichtes *** vom 16. Juni 2020 wurde die Schließung des Unternehmens angeordnet.

Die Zulassung des verfahrensgegenständlichen Lastkraftwagens der Marke Ford Connect Kasten mit dem behördlichen Kennzeichen *** wurde am 12. Juni 2020 aufgehoben.

Am 13. Juli 2020 um 15:40 Uhr wurden die oben angeführte Verstöße gegen das KFG 1967 im Rahmen einer technischen Überprüfung durch die Polizeiinspektion *** unter Zuhilfenahme eines Technikers der NÖ Landesregierung aufgenommen. Das Fahrzeug wurde hierbei von Herrn C gelenkt.

Die Feststellungen zum Konkursverfahren ergeben sich aus einem im Verwaltungsakt der belangten Behörde enthaltenen Auszug aus der Ediktsdatei vom 23. Dezember 2020. Der Umstand, dass die Zulassung des Fahrzeuges zum Tatzeitpunkt bereits aufgehoben war, ergibt sich aus der Anzeige der Polizeiinspektion *** vom 16. Juni 2020 sowie den übereinstimmenden Angaben der Beschwerdeführerin in der Beschwerde. Die Feststellung zum Lenker des Fahrzeuges ergibt sich ebenfalls aus der Anzeige der Polizeiinspektion *** vom 16. Juni 2020. Sämtliche Feststellungen sind als unstrittig anzusehen.

4.   Rechtslage:

§ 103 Abs. 1 Z 1 und Abs. 9 KFG 1967 lauten wie folgt:

„(1) Der Zulassungsbesitzer

1.   hat dafür zu sorgen, daß das Fahrzeug (der Kraftwagen mit Anhänger) und seine Beladung – unbeschadet allfälliger Ausnahmegenehmigungen oder -bewilligungen – den Vorschriften dieses Bundesgesetzes und der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen entspricht;

2.   […]

(9) Die in diesem Bundesgesetz und in den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen dem Zulassungsbesitzer auferlegten Pflichten haben zu erfüllen, wenn

 

a)   der Zulassungsbesitzer geschäftsunfähig oder beschränkt geschäftsfähig ist, sein gesetzlicher Vertreter; dies gilt jedoch nicht hinsichtlich von Fahrzeugen, zu deren Lenken der Zulassungsbesitzer das vorgeschriebene Mindestalter erreicht hat, sofern seine Geschäftsfähigkeit nicht auch aus anderen Gründen beschränkt ist;

b)   der Zulassungsbesitzer gestorben ist, der zur Vertretung des Nachlasses Berufene;

c)   der Zulassungsbesitzer eine juristische Person, eine Personengesellschaft des Handelsrechtes oder eine Genossenschaft ist, die aufgelöst oder beendigt worden ist, die Abwickler.“

 

5.   Erwägungen:

 

Gemäß § 103 Abs. 1 Z 1 KFG 1967 hat der Zulassungsbesitzer dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug den Vorschriften des KFG 1967 und der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen entspricht. Wenn der Zulassungsbesitzer eine juristische Person ist, die aufgelöst oder beendigt worden ist, hat diese Pflicht gemäß § 103 Abs. 9 KFG 1967 der Abwickler zu erfüllen.

Im Rahmen der Zulassung wird dem Antragsteller das Recht verliehen, das Fahrzeug im Rahmen der bestehenden Vorschriften auf Straßen mit öffentlichem Verkehr zu verwenden oder anderen Personen zur Verwendung zu überlassen. Der Rechtsbesitzer dieses Rechtes wird daher als "Zulassungsbesitzer" bezeichnet (RV 186 BlgNR 11. GP 88). Der Zulassungsbesitzer ist dementsprechend nur solange für die Einhaltung der ihm gemäß § 103 Abs. 1 KFG 1967 auferlegten Pflichten verantwortlich, solange er das Fahrzeug nicht abgemeldet hat oder die Zulassung von der Behörde nicht aufgehoben wurde (vgl. VwGH 04.06.1980, 3217/78). Liegt keine aufrechte Zulassung vor, gibt es bereits Begrifflich keinen Zulassungsbesitzer.

Zumal die Zulassung des gegenständlichen Kraftfahrzeuges bereits am 12. Juni 2020 aufgehoben worden ist, hat es zum Tatzeitpunkt keinen Zulassungsbesitzer mehr gegeben, der für die Einhaltung der ihm gemäß § 103 Abs. 1 KFG 1967 auferlegten Pflichten verantwortlich war. Im gegenständlichen Fall kommt daher für allfällige Verstöße gegen das KFG 1967 nur eine Verfolgung des Lenkers in Betracht (etwa gemäß § 102 Abs. 1 KFG 1967).

Da somit keine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung des Zulassungsbesitzers in Betracht kommt, verbleibt auch kein Anwendungsbereich für die subsidiäre besondere Verantwortlichkeit der Masseverwalterin. Auch die Masseverwalterin ist hinsichtlich eines zur Konkursmasse gehörigen, für den Gemeinschuldner zugelassenen Fahrzeuges nur solange gemäß § 103 Abs. 9 lit. c KFG 1967 verantwortlich, solange keine Aufhebung der Zulassung erfolgt ist (vgl. VwGH 25.10.1996, 95/17/0618).

Das Straferkenntnis war daher zur Gänze zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, weil die der Beschuldigten zur Last gelegte Tat keine Verwaltungsübertretung bildet.

Nachdem der Beschwerde Folge gegeben wurde, sind gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Beschwerdeführer nicht aufzuerlegen.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG unterbleiben, da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist. Überdies wurde eine Verhandlung auch von keiner Partei beantragt.

6.   Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Lösung der gegenständlichen Rechtsfrage ergibt sich vielmehr aus dem Wortlaut des § 103 KFG 1967 sowie der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Verkehrsrecht; Kraftfahrrecht; Verwaltungsstrafe; Insolvenzverfahren; Zulassung; Zulassungsbesitzer;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.S.474.001.2021

Zuletzt aktualisiert am

17.05.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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