TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/9 G306 2235476-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.12.2020
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Entscheidungsdatum

09.12.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs5
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs4

Spruch


G306 2235476-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dietmar MAURER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Bosnien und Herzegowina, vertreten durch RA Mag. Dr. Helmut BLUM, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.09.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet a b g e w i e s e n .

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit, dem Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) durch Hinterlegung am 20.11.2019 zugestelltem – eine Rechtmittelbelehrung in der bosnischen Sprache aufweisenden – Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Zl. XXXX , vom 07.11.2019, wurde gegen den BF gemäß 52 Abs. 5 FPG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Bosnien und Herzegowina (im Folgenden: BuH) gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.), gegen den BF gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von 6 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.), gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist zur freiwilligen Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV.), sowie gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

2. Mit per Post am 07.09.2020 beim BFA eingebrachtem Schriftsatz stellte der BF durch seinen Rechtsvertreter (im Folgenden: RV) einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und erhob unter einem Beschwerde gegen den unter Punkt I.1. genannten Bescheid des BFA beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG).

Darin wurde die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Hinblick auf die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den besagten Bescheid des BFA vom 07.11.2019 beantragt.

Ferner wurde unter einem neben der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung und Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, die Behebung des unter Punkt I.1. genannten Bescheides, in eventu die Herabsetzung der Befristung des Einreiseverbotes, in eventu die Zurückweisung der Rechtsache zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde beantragt.

3. Mit oben im Spruch genannten Bescheid des BFA, vom 23.09.2020, wurde der Antrag des BF auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.)

4. Mit per Post am 15.10.2020 beim BFA eingebrachtem Schriftsatz erhob der BF durch seinen RV Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid beim BVwG.

Darin wurde neben der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung und Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, die Stattgabe des Wiedereinsetzungsantrages, in eventu die Zurückverweisung der Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde beantragt.

5. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem BVwG vom BFA vorgelegt und langten am 28.09.2020 ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der – eine Rechtsmittelbelehrung in deutscher und bosnischer Sprache aufweisende – unter Punkt I. 1. Genannte Bescheid des BFA vom 07.11.2019, Zl. XXXX , wurde nach erfolgtem Zustellversuch durch ein Postorgan am 20.11.2019 an der Meldeadresse des BF, XXXX , bei einer Postfiliale bis 09.12.2019 hinterlegt und zur Abholung ab 20.11.2019 bereitgehalten. Der BF wurde durch eine in die Abgabeneinrichtung abgelegte Benachrichtigung über die Zustellung/Hinterlegung in Kenntnis gesetzt, hat jedoch den Bescheid nicht behoben.

Der BF war weder zum Zeitpunkt der Zustellung noch während des gesamten Zeitraumes der Hinterlegung von der Abgabestelle abwesend.

Der BF war zum Zeitpunkt der Zustellung nicht vertreten und bereits seit 30.09.2019 von einem gegen ihn geführten fremdenrechtlichen Verfahren in Kenntnis.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unbestritten gebliebenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

2.2. Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht aufgrund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

2.2.1. Einem im Akt einliegenden Rückschein (vgl. VwGH 23.11.2016, 2013/05/0175: hinsichtlich einem solchen zukommendem Beweiswert einer Urkunde) kann der erfolgte Zustellversuch am 20.11.2019 an der Meldeadresse des BF, die Hinterlegung und Bereithaltung des angefochtenen Bescheides zur Abholung ab dem 20.11.2019 sowie die erfolgte Einlegung einer Verständigung des BF darüber in dessen Abgabeeinrichtung, entnommen werden (siehe G306 2235476-1 (im Folgenden: Akt 1) AS 379). Ferner findet sich im Akt eine Mitteilung der Post über die Bereithaltung des besagten Bescheides bis zum 09.12.2019 sowie über die nicht erfolgte Behebung desselben. (siehe Akt 1 AS 381)

Die Meldeadresse des BF im Zeitpunkt der Zustellung beruht auf einer Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister. Demzufolge ist der BF an besagter Adresse seit 29.10.2018 gemeldet. Ferner gab der BF im Wiedereisetzungsantrag sowie der in der gegenständlichen Beschwerde an, durchgehend in Österreich gemeldet gewesen zu sein und täglich seinen Briefkasten kontrolliert zu haben, was dafür spricht, dass der BF durchgehend an seiner Meldeadresse gewohnt hat.

Die Anwesenheit des BF zum Zeitpunkt der Zustellung sowie während des gesamten Zeitraumes der Hinterlegung bzw. Bereithaltung zur Abholung an der Abgabenstelle, beruht auf dem Nichtvorbringen einer Abwesenheit seitens des BF. Ferner hat der BF eine allfällige Abwesenheit und damit in Verbindung zu bringende Zustellmängel nicht thematisiert.

Das Bestehen einer Vertretungsvollmacht zum Zeitpunkt der Zustellung wurde vom BF ebenfalls nicht behauptet und liegen auch keine, das Bestehen einer Vollmacht im besagten Zeitpunkt nahelegenden Unterlagen vor.

Der BF wurde am 20.09.2019 vor dem BFA niederschriftlich einvernommen und darüber in Kenntnis gesetzt, dass ein Verfahren zur Prüfung aufenthaltsbeendender Maßnahme eingeleitet worden sei. Demzufolge war der BF jedenfalls ab 20.09.2019 über ein gegen ihn geführtes fremdenrechtliches Verfahren in Kenntnis.

2.2.2. Insofern der BF vorbringt, dass er keine Benachrichtigung über die Zustellung bzw. die Hinterlegung erhalten habe bzw. eine solche vom Zustellorgan nicht hinterlegt worden sei, ist dieser darauf zu verweisen, dass der Beweis, dass eine Zustellung vorschriftsmäßig – mit Benachrichtigung – erfolgt ist, durch den eine öffentliche Urkunde darstellenden Zustellnachweis (Rückschein) erbracht wurde. Zwar ist ein Gegenbeweis zulässig, jedoch ist die bloße Behauptung des BF, er habe von der Post keine Verständigung erhalten, selbst unter Betonung den Briefkasten täglich kontrolliert zu haben, nicht geeignet diese gesetzliche Vermutung substantiiert zu widerlegen. So könnte – selbst bei Wahrunterstellung – letztlich bei einer täglichen Kontrolle des Briefkastens ein Übersehen und eine versehentliche Entsorgung der besagten Benachrichtigung seitens des BF nicht nachvollziehbar ausgeschlossen werden. Die bloße – behauptete – Nichtwahrnehmung einer Benachrichtigung allein, genügt vor dem Hintergrund der urkundlich dokumentierten korrekten Hinterlegung einer solchen im Ergebnis sohin nicht, eine Unterlassung im Sinne des Vorbringens des BF zu beweisen oder auch nur glaubhaft zu machen.

Ferner ist es für die Wirksamkeit der Zustellung auch ohne Belang, ob ihm die Verständigung von der Hinterlegung in der Folge tatsächlich zugekommen ist oder nicht (vgl. § 17 Abs. 4 ZustG sowie das E vom 27. Mai 1999, 98/11/0178). (siehe dazu VwGH 23.11.2016, 2013/05/0175)

In Ermangelung der Vorlage bzw. des Anbietens von Beweismitteln gelingt es dem BF – im Lichte der zuvor erwähnten Judikatur – mit bloßen Behauptungen sohin nicht, eine Unterlassung der Benachrichtigung über die Zustellung bzw. Hinterlegung des besagten Bescheides des BFA am 20.11.2019 glaubhaft darzulegen. Insofern ist der BF den diesbezüglichen Feststellungen im angefochtenen Bescheid des BFA vom 07.11.2019, Zl. XXXX , letztlich auch nicht substantiiert entgegengetreten.

Demzufolge waren obige Feststellungen zu treffen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Rechtliches:

3.1.1. Gemäß § 33 Abs. 3 VwGVG ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen.

Gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG hat über den Antrag bis zur Vorlage der Beschwerde die Behörde mit Bescheid zu entscheiden.

„Maßgeblich für die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist, ob dieser vor Vorlage der Beschwerde gestellt wurde oder erst danach. Für einen vor Vorlage der Beschwerde gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bleibt die belangte Behörde auch nach Vorlage der Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht weiterhin zuständig, zumal es andernfalls vom bloßen Willen der belangten Behörde abhängen würde, sich der sie gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG treffenden Entscheidungspflicht zu entledigen und dem Antragsteller mit dieser Vorgehensweise zugleich eine Rechtsmittelinstanz zu entziehen. Eine andere Auslegung würde bedeuten, dass es unabhängig von einer diesbezüglichen Antragstellung durch den Wiedereinsetzungswerber einzig und allein im Belieben der vor Vorlage der Beschwerde unzweifelhaft zuständigen Behörde stünde, durch Vorlage der Beschwerde einen Übergang der Zuständigkeit für die Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag auf das Landesverwaltungsgericht herbeizuführen und damit nach Wahl der Behörde, ohne weitere gesetzliche Vorgaben und unabhängig von einem entsprechenden Parteienantrag einen Wechsel der Zuständigkeit von der Verwaltungsbehörde zum Verwaltungsgericht verbunden mit dem Verlust einer Instanz herbeizuführen. Eine derartige Absicht ist dem Gesetzgeber nicht zu unterstellen.“ (vgl. VwGH 26.09.2018, Ra 2017/17/0015)

Aufgrund der gleichzeitigen Einbringung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der bezughabenden – nachzuholenden – Beschwerde gegen den unter Punkt I. 1. Genannten Bescheid des BFA, hat die belangte Behörde über den Wiedereinsetzungsantrag zu entscheiden gehabt.

3.2. Zur Abweisung der Beschwerde:

3.2.1. Bei Versäumen der für das verwaltungsgerichtliche Beschwerdeverfahren vorgesehenen Beschwerdefrist ist § 33 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die maßgebliche Bestimmung (§ 17 VwGVG) und nicht §§ 71, 72 AVG, insbesondere nicht § 71 Abs. 4 AVG, weil es sich um ein Verfahren über eine im VwGVG geregelte Beschwerde handelt (VwGH 28.09.2016, Ro 2016/16/0013). Die insbesondere zu den §§ 71 und 72 AVG ergangene Rechtsprechung des VwGH lässt sich aber auch auf die durch das VwGVG neu geschaffene Rechtslage übertragen, zumal sich die für die Erwägungen der Judikatur maßgeblichen Vorschriften im § 33 VwGVG wiederfinden (VwGH 21.10.2014, Ra 2014/03/0037; 24.09.2015, Ra 2015/07/0113).

Gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn diese Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Gemäß § 33 Abs. 3 VwGVG ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen

1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Stellung eines Antrags auf Vorlage Kenntnis erlangt hat,

bei der Behörde zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

Gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG hat die Behörde bis zur Vorlage der Beschwerde über den Antrag mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

Ein Ereignis ist dann "unabwendbar", wenn der Eintritt dieses Ereignisses objektiv von einem Durchschnittsmenschen nicht verhindert werden konnte. Ein Ereignis ist als "unvorhergesehen" zu werten, wenn die Partei es tatsächlich nicht mit einberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten werden konnte. Anders als das Tatbestandsmerkmal des "unabwendbaren" erfasst jenes des "unvorhergesehenen" Ereignisses die subjektiven Verhältnisse der Partei, sodass nicht der objektive Durchschnittsablauf, sondern der konkrete Ablauf der Ereignisse maßgebend ist (VwGH 17.02.1994, Zl. 93/16/0020). Das im Begriff der "Unvorhergesehenheit" gelegene Zumutbarkeitsmoment (VwGH 25.03.1976, Zl. 0265/75, VwSlg. 9024 A/1976) ist dahingehend zu verstehen, dass die erforderliche zumutbare Aufmerksamkeit dann noch gewahrt ist, wenn der Partei (ihrem Vertreter) in Ansehung der Wahrung der Frist nur ein "minderer Grad des Versehens" unterläuft (VwGH 26.06.1985, Zl. 83/03/0134; VfGH 27.02.1985, Zl. G 53/83-13 u.a.). Ein solcher "minderer Grad" des Versehens (im Sinne des § 1332 ABGB) liegt nur dann vor, wenn es sich um leichte Fahrlässigkeit handelt, also dann, wenn ein Fehler begangen wird, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch macht (VwGH 22.11.1996, Zl. 95/17/0112; 23.05.2001, Zl. 99/06/0039; 01.06.2006, Zl. 2005/07/0044). Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht in besonders nachlässiger Weise außer Acht gelassen haben (VwGH 08.10.1990, Zl. 90/15/0134; 14.07.1993, Zl. 93/03/0136; 24.05.2005, Zl. 2004/01/0558). Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige oder bisher noch nie an behördlichen oder gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen. Bei der Beurteilung, ob eine auffallende Sorglosigkeit vorliegt, ist also ein unterschiedlicher Maßstab anzulegen, wobei es insbesondere auf die Rechtskundigkeit und die Erfahrung im Umgang mit Behörden ankommt (VwGH 18.04.2002, Zl. 2001/01/0559; 29.01.2004, Zl. 2001/20/0425; 17.07.2008, Zl. 2007/21/0227; 23.06.2008, Zl. 2008/05/0122).

„Es kann nicht mehr von einem bloß minderen Grad des Versehens im Sinne des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG gesprochen werden, wenn die Kenntnisnahme der Partei von der Hinterlegungsanzeige deshalb unterblieb, weil diese von ihr oder ihren Mitbewohnern versehentlich mit der Werbepost entsorgt worden sei (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 26. April 2000, Zl. 2000/05/0054, und vom 28. März 2006, Zl. 2005/06/0308).“ (vgl. VwGH 15.12.2006, 2006/04/0236)

Wie der VwGH in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat, ist die Zulässigkeit der Wiedereinsetzung in das Verfahren nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers gesteckt ist. Der behauptete Wiedereinsetzungsgrund muss daher bereits im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand glaubhaft gemacht bzw. müssen bereits im Antrag taugliche Bescheinigungsmittel beigebracht werden (VwGH 07.08.1992, Zl. 92/14/0033; 11.07.2000, Zl. 2000/16/0311). Trotz des im Verwaltungsverfahren herrschenden Grundsatzes der amtswegigen Ermittlung der materiellen Wahrheit die Pflicht sind somit im Wiedereinsetzungsantrag neben den Angaben zur Rechtzeitigkeit die Gründe anzuführen, auf die er sich stützt, und ist ihr Vorliegen glaubhaft zu machen (VwGH 19.06.1990, Zl. 90/04/0101). Die Behörde ist auf Grund der Antragsbedürftigkeit des Verfahrens ausschließlich an die vom Wiedereinsetzungswerber (rechtzeitig) vorgebrachten tatsächlichen Gründe gebunden. Es ist ihr verwehrt, von sich aus weitere Gesichtspunkte in die Prüfung mit einzubeziehen (VwGH 14.12.1995, Zl. 95/19/0622; siehe auch Hengstschläger/Leeb, AVG § 71 Rz 115).

Die Anwendung dieser Rechtslage auf den hier vorliegenden Sachverhalt ergibt Folgendes:

3.2.2. Der mit „Hinterlegung“ betitelte § 17 ZustG lautet:

„§ 17. (1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde.“

Der mit „Zustellnachweis“ betitelte § 22 ZustG lautet:

„§ 22. (1) Die Zustellung ist vom Zusteller auf dem Zustellnachweis (Zustellschein, Rückschein) zu beurkunden.

(2) Der Übernehmer des Dokuments hat die Übernahme auf dem Zustellnachweis durch seine Unterschrift unter Beifügung des Datums und, wenn er nicht der Empfänger ist, seines Naheverhältnisses zu diesem zu bestätigen. Verweigert er die Bestätigung, so hat der Zusteller die Tatsache der Verweigerung, das Datum und gegebenenfalls das Naheverhältnis des Übernehmers zum Empfänger auf dem Zustellnachweis zu vermerken. Der Zustellnachweis ist dem Absender unverzüglich zu übersenden.

(3) An die Stelle der Übersendung des Zustellnachweises kann die elektronische Übermittlung einer Kopie des Zustellnachweises oder der sich daraus ergebenden Daten treten, wenn die Behörde dies nicht durch einen entsprechenden Vermerk auf dem Zustellnachweis ausgeschlossen hat. Das Original des Zustellnachweises ist mindestens fünf Jahre nach Übermittlung aufzubewahren und der Behörde auf deren Verlangen unverzüglich zu übersenden.

(4) Liegen die technischen Voraussetzungen dafür vor, so kann die Beurkundung der Zustellung auch elektronisch erfolgen. In diesem Fall hat der Übernehmer auf einer technischen Vorrichtung zu unterschreiben; an die Stelle der Unterschriftsleistung kann auch die Identifikation und Authentifizierung mit der Bürgerkarte (§ 2 Z 10 des E-Government-Gesetzes – E-GovG, BGBl. I Nr. 10/2004) treten. Die die Beurkundung der Zustellung betreffenden Daten sind dem Absender unverzüglich zu übermitteln.“

Gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (Bescheidbeschwerde) vier Wochen, und beginnt diese gemäß Abs. 4 Z 1 leg. cit, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung.

3.2.3. Am 20.11.2019 wurde ein Zustellversuch des unter Punkt I. 1. genannten Bescheides des BFA durch ein Postorgan an die Meldeadresse des BF vorgenommen und der besagte Bescheid letztlich beim Postamt zur Abholung beginnend mit 20.11.2019 hinterlegt. Eine diesbezügliche Verständigung wurde an der Abgabestelle hinterlassen.

In Ermangelung einer Abwesenheit des BF von der Abgabestelle wurde der besagte Bescheid dem BF sohin mängelfrei gemäß § 17 Abs. 3 ZustG am 20.11.2019 zugestellt

Ausgehend davon, dass der angefochtene Bescheid auch eine korrekte Rechtsmittelbelehrung enthält, hat sohin nach Maßgabe der §§ 32 und 33 AVG iVm. § 17 VwGVG der Lauf der vierwöchigen Beschwerdefrist am Mittwoch den 20.11.2019 begonnen und mit Ablauf des Mittwoch den 18.12.2019 geendet. Die vom nunmehr bevollmächtigten Rechtsvertreter an das BFA übermittelte Beschwerde gegen den besagten Bescheid wurde allerdings erst am 07.09.2020 per Post beim BFA eingebracht und somit nach Ablauf der gesetzlichen Beschwerdefrist erhoben.

Mit dem bloßen Vorbringen, über die Hinterlegung nicht informiert worden zu sein, gelingt es dem BF – wie oben ausgeführt – vor dem Hintergrund der auf dem Rückschein dokumentierten Hinterlassung einer Benachrichtigung – nicht, eine tatsächliche Unterlassung einer Benachrichtigung des BF glaubhaft darzulegen. Insofern der BF seine Säumnis in Bezug auf die rechtzeitige Einbringung eines Rechtsmittels einzig auf die besagte unterlassene Information über die Zustellung bzw. Hinterlegung stützt, vermag er somit keinen Wiedereinsetzungsgrund aufzuzeigen. So hat der BF letztlich nicht dargetan inwiefern er, trotz erfolgter Benachrichtigung über die Hinterlegung, an der Einbringung eines Rechtsmittels während aufrechter Beschwerdefrist gehindert gewesen wäre.

Selbst eine allfällige versehentliche Entsorgung der Hinterlegungsbenachrichtigung durch den BF oder einer seiner Mitbewohner, würde kein unvorhersehbares bzw. unabwendbares Ereignis oder ein Versehen minderen Grades, welches eine Wiedereinsetzung zuließe, darstellen. (siehe VwGH 15.12.2006, 2006/04/0236)

Im Ergebnis vermochte der BF sohin keinen Wiedereinsetzungsgrund iSd. § 33 Abs. 1 VwGVG darzulegen und hat die belangte Behörde zu Recht den Antrag des BF auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen.

Da – vor dem Hintergrund des zuvor Ausgeführten – zudem keine Gründe für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ersichtlich sind, war die gegenständliche Beschwerde daher gänzlich als unbegründet abzuweisen.

3.4. Entfall der mündlichen Verhandlung:

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde/dem Wiedereinsetzungsantrag geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Hinterlegung minderer Grad eines Versehens Wiedereinsetzungsantrag Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G306.2235476.2.00

Im RIS seit

21.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.05.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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