TE Vwgh Erkenntnis 1997/4/18 96/19/0071

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Veröffentlicht am 18.04.1997
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
22/01 Jurisdiktionsnorm;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §4;
AVG §38;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
JN §49 Abs2 Z2b;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde der G in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. November 1995, Zl. 304.119/2-III/11/95, betreffend Aussetzung eines Verfahrens i. A. einer Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die belangte Behörde setzte aufgrund der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 2. Oktober 1995 das Berufungsverfahren gemäß § 38 AVG "bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das derzeit anhängige Verfahren bei der Staatsanwaltschaft Wien, Zl. 82 NSD 1695/95, aus".

Begründend führte die belangte Behörde aus, die erstinstanzliche Behörde habe den Antrag abgewiesen, weil der Verdacht einer Scheinehe und damit des Vorliegens des Sichtvermerksversagungsgrundes gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes (FrG) vorliege. Dagegen habe die Beschwerdeführerin berufen. Gemäß § 38 AVG könne die Berufungsbehörde ein Verfahren aussetzen, wenn eine für die Entscheidung relevante Vorfrage bei der dafür zuständigen Behörde anhängig sei. Da im Fall der Beschwerdeführerin bei der Staatsanwaltschaft Wien ein "Verfahren wegen des Verdachtes einer Scheinehe" anhängig sei und dies eine relevante Vorfrage "zur Beurteilung einer Aufenthaltsbewilligung" darstelle, werde das Verfahren bis zur Entscheidung der Staatsanwaltschaft Wien ausgesetzt.

Die Beschwerdeführerin bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 38 AVG ist die Behörde berechtigt, soferne die Gesetze nicht anderes bestimmen, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrundezulegen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.

Die Beschwerdeführerin rügt, die belangte Behörde verkenne, daß zur Entscheidung über die Frage einer Nichtigkeit der Ehe ausschließlich das Gericht, nicht aber die in diesem Verfahren Parteistellung genießende Staatsanwaltschaft zuständig sei.

Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin im Recht. Aus dem unmißverständlichen Wortlaut des § 38 AVG zeigt sich, daß das Ermessen, zur Klärung einer Vorfrage das Verfahren mit einem im Instanzenzug anfechtbaren verfahrensrechtlichen Bescheid auszusetzen, nur dann zulässig ausgeübt wird, wenn die Vorfrage bereits den Gegenstand eines anhängigen oder zugleich anhängig zu machenden Verfahrens bei der zur Entscheidung der Vorfrage zuständigen Behörde bzw. dem hiefür zuständigen Gericht bildet (vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 95/19/1268). Die Staatsanwaltschaft Wien ist zur Lösung der von der belangten Behörde als Vorfrage angesehenen "Ehenichtigkeit" nicht berufen, sondern das zuständige Zivilgericht. Daß ein Verfahren beim zuständigen Zivilgericht anhängig wäre oder zugleich anhängig gemacht worden wäre, kommt aus dem angefochtenen Bescheid nicht hervor. Der eindeutige Wortlaut des Bescheidspruches, aber auch der Hinweis in der Begründung auf eine "Entscheidung der Staatsanwaltschaft Wien" verböte es auch, den Bescheid dahingehend zu deuten, daß die Aussetzung bis zur rechtskräftigen Beendigung eines diesbezüglichen Zivilprozesses angeordnet werden sollte.

Aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Schlagworte

Organisationsrecht Justiz - Verwaltung Verweisung auf den Zivilrechtsweg VwRallg5/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996190071.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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