TE Vwgh Erkenntnis 1997/4/18 95/19/1268

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Veröffentlicht am 18.04.1997
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
20/02 Familienrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
AVG §38;
EheG §23;
EheG §27;
EheG §28;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. Juli 1995, Zl. 105.150/2-III/11/94, betreffend Aussetzung eines Verfahrens in Angelegenheit einer Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die belangte Behörde setzte aufgrund der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 11. Juli 1994 das Berufungsverfahren gemäß § 38 AVG "bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die derzeit bei der Staatsanwaltschaft Wien anhängige Klage wegen Ehenichtigkeit aus".

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe am 18. Februar 1994 einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt, welchen die Behörde erster Instanz mit dem Bescheid vom 11. Juli 1994 abgewiesen habe. Im gegenständlichen Fall würden bei der Staatsanwaltschaft Erhebungen betreffend eine Klage wegen Ehenichtigkeit durchgeführt. Diese Tatsache sei im Rahmen des § 5 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufG) iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 Fremdengesetz (FrG) relevant, da eine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz nur dann erteilt werden dürfe, wenn kein Sichtvermerksversagungsgrund, hier im besonderen keine "Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit", vorliege und eine rechtskräftige Entscheidung gegen den Berufungswerber wegen falscher Angaben über das Bestehen einer Ehegemeinschaft im Rahmen des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG zu würdigen wäre.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde, der mit Beschluß vom 11. Oktober 1995, B 2913/95-3, deren Behandlung ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat, nach deren Ergänzung in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

Gemäß § 38 AVG ist die Behörde berechtigt, soferne die Gesetze nicht anderes bestimmen, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen VERWALTUNGSBEHÖRDEN ODER VON DEN GERICHTEN zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrundezulegen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur RECHTSKRÄFTIGEN ENTSCHEIDUNG DER VORFRAGE aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines ANHÄNGIGEN VERFAHRENS BEI DER ZUSTÄNDIGEN BEHÖRDE bildet oder ein solches Verfahren GLEICHZEITIG ANHÄNGIG GEMACHT wird.

Der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde verkenne, daß Erhebungen der Staatsanwaltschaft betreffend eine möglicherweise einzubringende Klage wegen Ehenichtigkeit kein bei der zuständigen Behörde anhängiges Verfahren darstelle. Die Staatsanwaltschaft sei im zivilprozessualen Verfahren nach Einbringung der Klage auf Ehenichtigkeit Partei und die zuständige Behörde zur Behandlung der Klage auf Ehenichtigkeit sei das Zivilgericht. Ein Verfahren bei der Staatsanwaltschaft zur Erhebung der Klage auf Ehenichtigkeit sei nicht eingerichtet und es könne bei Erhebungen nicht von einem Verfahren im normativ-technischen Sinn gesprochen werden.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Recht. Aus dem unmißverständlichen Wortlaut des § 38 AVG (insbesondere den hier durch Unterstreichungen hervorgehobenen Stellen) zeigt sich, daß das Ermessen, zur Klärung einer Vorfrage das Verfahren mit einem im Instanzenzug anfechtbaren verfahrensrechtlichen Bescheid auszusetzen, nur dann zulässig ausgeübt wird, wenn die Vorfrage bereits den Gegenstand eines anhängigen oder zugleich anhängig zu machenden Verfahrens bei der zur Entscheidung der Vorfrage zuständigen Behörde bzw. bei einem solchen Gericht bildet. Die Staatsanwaltschaft Wien ist zur Entscheidung (als Hauptfrage) über die von der belangten Behörde als Vorfrage angesehene "Ehenichtigkeit" nicht berufen, sondern das zuständige Zivilgericht. Daß aber bereits ein Verfahren beim zuständigen Zivilgericht anhängig wäre oder zugleich anhängig gemacht worden wäre, kommt aus dem angefochtenen Bescheid nicht hervor.

Schon aus diesem Grund erweist sich der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Umfang des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Ermessen VwRallg8

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995191268.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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