TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/18 W208 2240426-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.03.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

18.03.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs2
WG 2001 §20
WG 2001 §24

Spruch


W208 2240426-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER über die Beschwerde von Dr. XXXX , geboren XXXX , vertreten durch Dr. XXXX , gegen den Einberufungsbefehl des Militärkommando TIROL vom 02.02.2021, nach Beschwerdevorentscheidung vom 08.03.2021, GZ P1674074/2-MilKdo T/Kdo/ErgAbt/2021, zu Recht erkannt:

A)       Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm §§ 20 und 24 Wehrgesetz 2001 stattgegeben und der Bescheid aufgehoben.

B)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) wurde mit rechtskräftigem Beschluss der Stellungskommission vom 17.12.2004 für „tauglich“ zum Wehrdienst befunden.

2. Am 27.05.2005 (Postaufgabe) brachte der BF eine Zivildiensterklärung beim Militärkommando TIROL (im Folgenden: MilKdo) ein. Er vermerkte auf der Erklärung, dass er den Aufschub bis zum Abschluss seiner Ausbildung (Gymnasium und Medizinstudium) beantrage.

3. Mit Bescheid vom 10.06.2005 wurde von der Zivildienstserviceagentur (im Folgenden: ZISA) der Eintritt der Zivildienstpflicht mit 27.05.2005 festgestellt.

4. Am 23.06.2005 übermittelte der BF einen Wunsch auf Zuweisung zum Rettungswesen XXXX im Herbst 2010/2011 an die ZISA und schloss einen Antrag auf Aufschub an, den er mit seinem beabsichtigten Studium der Humanmedizin, dem nach einer Entscheidung des EUGH zu erwartenden Ansturm deutscher Medizinstudenten sowie einem Rundschreiben des Wissenschaftsministeriums begründete, wonach Medizinstudenten vom Bundesministerium für Landesverteidigung grundsätzlich Aufschub bewilligt werde. Das müsse auch für den Zivildienst gelten.

5. Nach einem Ermittlungsverfahren, indem der BF diverse Bestätigungen für den Beginn seines Studiums vorlegte, wurde ihm mit Bescheid der ZISA vom 23.11.2005 ein Aufschub des ordentlichen Zivildienstes bis längstens zum 30.06.2011 gewährt.

In der Folge legte der BF Studienbestätigungen 2007, 2009 und 2013 vor. Die Beendigung seines Medizinstudiums 2015 meldete er der ZISA nicht und beantragte auch keinen weiteren Aufschub für seine Facharztausbildung.

6. Mit Bescheid der ZISA vom 04.11.2020, Zl. 289231/19/ZD/1120 (zugestellt am 09.11.2020 und in der Folge als „Zuweisungsbescheid“ bezeichnet) wurde der zu diesem Zeitpunkt kurz vor seinem 34. Geburtstag stehende BF - ohne weitere Erhebungen oder Parteiengehör - für den Zeitraum 04.01.2021 bis 30.09.2021 dem Roten Kreuz TIROL zur Dienstleistung (Hilfsdienste und Fahrdienste) zugewiesen.

7. Gegen diesen Bescheid richtete der BF eine mit 19.11.2020 datierte Beschwerde, die der ZISA am 20.11.2020 (Postaufgabedatum) übermittelt wurde. Begründet wurde die Beschwerde zusammengefasst damit, dass er seit 2015 Arzt in einem öffentlichen Krankenhaus in TIROL sei und im ersten Halbjahr 2021 seine Facharztausbildung abschließen werde. Angesichts der Pandemie werde er dort gebraucht und stünden öffentliche Interessen der Zuweisung entgegen. Weiters habe er auch berücksichtigungswürdige Interessen und einen erheblichen Nachteil, wenn er seine Facharztausbildung abbrechen müsse (im Februar 2021 sei die Abschlussprüfung) und als ausgebildeter Arzt für Hilfsdienste eingesetzt werde. Er würde im Falle eines Nichtbestehens der Facharztprüfung nach neun Monaten, ohne jegliche berufliche Vorbereitungstätigkeit, wieder antreten müssen und würde auch ein hoher wirtschaftlicher Schaden eintreten. Wenn ihm die Behörde vor Erlassung des Zuweisungsbescheides Gehör gewährt hätte, hätte er die Befreiungsgründe vorbringen können und wäre der Bescheid so nicht ergangen.

Er beantrage die Aufhebung der Zuweisung und Befreiung nach § 13 Abs 1 Z 1 und/oder Z 2 bis September 2021. Für den Fall, dass seinem Antrag auf späteren Antritt des Zivildienstes nicht nachgekommen werden könne oder er sich als unzulässig erweisen würde, gebe er „vorsorglich einen Widerruf und eine Erklärung nach § 6“ ab, um die 14-Tage-Frist des § 6 zu wahren.

Er beantrage weiters der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

8. In der Folge nahm eine Mitarbeiterin der ZISA telefonisch mit dem BF Kontakt auf und informierte ihn, dass er nur dann die Sicherheit habe den Zivildienst im Jänner 2021 nicht antreten zu müssen, wenn sein Schreiben als Widerrufserklärung gewertet werden solle. Die Mitarbeiterin legte am 15.12.2020 um 12:06 Uhr einen Aktenvermerk mit folgendem Text an: „zieht Beschwerde zurück, Schreiben vom 19.11.20 ist einzig als WDR zu werten“.

Der BF übermittelte am 15.12.2020 um 16:00 Uhr eine Mail, indem er die Ergebnisse des Gesprächs mit der Mitarbeiterin der ZISA wie folgt zusammenfasste (Hervorhebungen durch BVwG):

„[…] ich nehme Bezug auf ihren heutigen überraschenden Telefonanruf und die Fristsetzung bis heute Abend. Ich halte nochmals fest, dass ich ein juristischer Laie bin. Wenn Sie mir als zuständige Fachbehörde erklären – so wie sie es mir mitgeteilt haben -, dass meine Anträge unzulässig seien, kein Grund für eine Freistellung bestehe, auch keine Aufschiebung der Beschwerde erteilt würde, so haben ich schon in meinem Schreiben festgehalten, dass ich den Widerruf der Zivildiensterklärung unbedingt erkläre. Demnach stelle ich nochmals klar, dass ich den Widerruf der Zivildiensterklärung abgegeben habe in dem Schreiben vom 19.11.2020.[…]“

Die ZISA wies den BF am 16.12.2020 darauf hin, dass er für einen Widerruf die Erklärung abgeben müsse, dass er es aus Gewissensgründen (§ 1 Abs 1 ZDG) nicht mehr verweigere den Wehrdienst zu erfüllen. Sie übermittelte dem BF ein Formular, dass er ausgefüllt und unterschrieben zurücksenden solle. Der BF erklärte, dass sein Drucker nicht funktioniere und er die Erklärung nächste Woche übermitteln werde.

Am 22.12.2020 langte bei der ZISA das vom BF unterschriebene Formular „WIDERRUF DER ZIVILDIENSTERKLÄRUNG“ ein. Im Formular wird ua darauf hingewiesen, dass das Recht zur Abgabe einer Widerrufserklärung ab dem 15. Tag nach Zustellung eines Zuweisungsbescheides ruht, bei fristgerechter Einbringung ein Zuweisungsbescheid sofort außer Kraft tritt, die Zivildienstpflicht erlischt und der Betroffene wieder der Wehrpflicht unterliegt. Der BF wies anlässlich der Übermittlung nochmals daraufhin, dass er nicht verstehe, dass trotz der größten Gesundheitskrise seit hundert Jahren, keine befristete Befreiung von der Zuweisung möglich gewesen sei. Eine Bedingung merkte er am Formular nicht an.

9. Mit Bescheid der ZISA vom 22.12.2020, Zl. 289231/2-ZD/21 (zugestellt am 29.12.2020 und in der Folge als „Feststellungsbescheid“ bezeichnet), stellte die ZISA das Erlöschen der Zivildienstpflicht mit 19.11.2020, aufgrund der Erklärung des BF vom 19.11.2020, fest.

10. Auch gegen den Feststellungsbescheid brachte der BF mit Schriftsatz vom 24.01.2021 (Postaufgabe am 25.01.2021) eine umfänglich begründete Beschwerde ein, monierte darüber hinaus aber auch, dass über seine Beschwerde vom 19.11.2020 gegen den Bescheid vom 04.11.2020, die er nicht zurückgezogen habe, nicht entschieden worden sei. Er warf dabei im Wesentlichen die Rechtsfrage auf, ob ihn der Gesetzgeber zwinge, trotz noch nicht erledigter Beschwerde gegen den Zuweisungsbescheid, eine Zuweisung nur durch Abgabe einer Widerrufserklärung verhindern zu können. Es müsse eine Möglichkeit bestehen, einen Zuweisungsbescheid überprüfen zu können ohne das Risiko des Verlustes des Rechts auf Abgabe einer Widerrufserklärung in Kauf zu nehmen. Die Widerrufserklärung führe dazu, dass auch ein rechtswidriger Zuweisungsbescheid nicht mehr überprüft werden könne, das stehe mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht im Einklang. Wäre seiner Beschwerde gegen den Zuweisungsbescheid Folge gegeben worden, dann wäre sein Widerruf vorerst hinfällig geworden, weil er ihm bei Erlassung eines späteren Zuweisungsbescheides neuerlich zugestanden wäre.

11. Am 27.01.2021 wurde der Feststellungsbescheid – trotz der eingelangten Beschwerde – mit dem Vermerk „ergeht nach Rechtskraft an MilKdo Tirol am: 27.01.2021 RK: 27.01.2021+Karteimittel an das MilKdo übermittelt.

12. Die ZISA leitete beide Beschwerden und den Verwaltungsakt – trotz des Antrages auf aufschiebende Wirkung in der Beschwerde vom 19.11.2020 und dem Zuweisungstermin 04.01.2021 – erst mit Schreiben vom 02.02.2021 an das BVwG weiter, wo sie am 03.02.2021 einlangten.

13. Aufgrund des mit dem Rechtskraftvermerk versehenen Feststellungsbescheides, erließ das MilKdo (im Folgenden auch als belangte Behörde bezeichnet) am 02.02.2021 (zugestellt am 05.02.2021) einen Einberufungsbefehl, indem dem BF aufgetragen wurde am 06.04.2021 bei einer näher genannten militärischen Einheit, seinen Wehrdienst anzutreten.

14. Gegen diesen Einberufungsbefehl (der einen Bescheid darstellt) brachte der BF mit Schriftsatz vom 15.02.2021 eine Beschwerde ein und beantragte die ersatzlose Aufhebung. Im Wesentlichen führte er an, dass der Feststellungsbescheid vom 22.12.2020 aufgrund seiner Beschwerdeerhebung nicht rechtskräftig sei und er nach wie vor den Status eines Zivildieners habe. Er beantrage weiters die aufschiebende Wirkung.

15. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 08.03.2021 wies das MilKdo die Beschwerde ab und bestätigte den Einberufungsbefehl. Die Entscheidung wurde im Kern damit begründet, dass das MilKdo von der ZISA über die Widerrufserklärung und Aufhebung der Zivildienstpflicht in Kenntnis gesetzt worden sei. Durch das Nichtvorliegen einer gültigen Zivildiensterklärung liege kein rechtliches Einberufungshindernis vor.

16. Mit Vorlageantrag vom 09.03.2021, ergänzt am 13.03.2021, begehrte der nunmehr durch seinen Vater im Verfahren vor dem MilKdo vertretene BF (Vollmacht vom 09.03.2021) die Vorlage der Beschwerde beim BVwG.

17. Am 15.03.2021 langten beim BVwG die Beschwerde und die Akten des Verfahrens ein (OZ 1).

18. Am 16.03.2021 langte beim BVwG ein Schriftsatz des Vertreters des BF ein, den dieser gleichzeitig auch im unter der GZ W208 2239253 protokollierten Beschwerdeverfahren gegen die oa Bescheide der ZISA einbrachte (OZ 2 und OZ 3).

In diesem informierte er, dass der BF am 02.02.2021 einen Einberufungsbefehl vom MilKdo erhalten habe. Dagegen habe er am 15.02.2021 Beschwerde eingebracht und einen Antrag auf aufschiebende Wirkung gestellt. In Ergänzung dazu führe er nunmehr an, dass seine Widerrufserklärung vom 19.11.2020 von weiteren Eventualanträge abhängig gemacht worden sei. Das Formular mit der vorformulierten Widerrufserklärung habe er erst am 22.12.2020 und damit nach Ablauf der 14-Tage-Frist unterschrieben und der ZISA mit Mail übermittelt. Der Feststellungsbescheid stütze sich nur auf die Erklärung vom 19.11.2020 und nicht auf jene vom 22.12.2020. Gegen den Feststellungsbescheid habe er eine Beschwerde eingebracht und dieser komme aufschiebende Wirkung zu, welche von der Behörde nicht ausgeschlossen worden sei. Vor einer Entscheidung des BVwG könne daher keine Beendigung der Zivildienstpflicht vorliegen und kein Einberufungsbefehl ergehen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der im Verfahrensgang angeführte Sachverhalt steht fest.

Hervorzuheben ist dabei insbesondere, dass die ZISA den Feststellungsbescheid vom 22.12.2020 trotz der dagegen eingebrachten Beschwerde vor dem BVwG, der aufschiebende Wirkung zukam, dem MilKdo übermittelt hat.

Das BVwG hat darüber hinaus mit Erkenntnis vom heutigen Tag, GZ W208 2239253-1/3E den Feststellungsbescheid der ZISA vom 22.12.2020 aufgehoben, weil beim BF aufgrund einer irreführenden bzw unvollständigen Rechtsbelehrung falsche Vorstellungen über die Möglichkeiten seiner Rechtsmittel beim BVwG erweckt wurden, und damit ein rechtserheblicher Willensmangel bei der Abgabe seines Widerrufs der Zivildiensterklärung vorlag (vgl dazu VwGH 08.11.2016, 2016/09/0098 zum Rechtsmittelverzicht.)

Das BVwG hat vor diesem Hintergrund festgestellt, dass der BF (nach wie vor) zivildienstpflichtig ist.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen konnten aufgrund der Aktenlage und den Angaben des BF in seinen schriftlichen Eingaben getroffen werden.

Das MilKdo als belangte Behörde konnte aufgrund des Rechtskraftvermerkes (RK: 27.01.2021) auf dem Feststellungsbescheid zum Zeitpunkt der Erlassung des Einberufungsbefehls davon ausgehen, dass die Zivildienstpflicht des BF tatsächlich durch Einbringung einer mängelfreien Widerrufserklärung gemäß § 6 Abs 2 ZDG eingetreten ist, sodass ihr diesbezüglich kein Vorwurf zu machen ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zulässigkeit und Verfahren

3.1.1. Gemäß § 7 Abs 4 VwGVG (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz) beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde beim BVwG vier Wochen. Die Beschwerden wurden fristgerecht eingebracht.

3.1.2. Gemäß § 14 VwGVG kann die belangte Behörde innerhalb von 2 Monaten eine Beschwerdevorentscheidung erlassen, indem sie den Bescheid aufhebt, abändert oder die Beschwerde zurück- oder abweist. Im vorliegenden Fall, hat die Behörde von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.

3.1.3. Das BVwG, hat seine Entscheidung an Hand der im Zeitpunkt seiner Entscheidung gegebenen Sach- und Rechtslage zu treffen (vgl etwa VwGH 29.04.2019, Ro 2018/20/0013; 30.03.2017, Ro 2015/03/0036; 16.12.2015, Ro 2014/03/0083).

3.1.4. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs 4 VwGVG Abstand genommen werden, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint und eine mündliche Erörterung die weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.

3.2. Zur Stattgabe der Beschwerde gegen den Einberufungsbefehl

3.2.1. Der BF führte in seiner Beschwerde vom 15.02.2021 an, die belangte Behörde habe sich im Wesentlichen darauf bezogen, dass der Feststellungsbescheid vom 22.12.2020 hinsichtlich des Erlöschens der Zivildienstpflicht rechtskräftig sei. Das sei aber aufgrund seiner anhängigen Beschwerde dagegen nicht der Fall und er sei nach wie vor zivildienstpflichtig.

3.2.2. § 6 ZDG lautet:

㤠6.
(1) Der Zivildienstpflichtige kann die Zivildiensterklärung widerrufen. Hiezu muss er erklären, dass er die Erfüllung der Wehrpflicht nicht mehr aus den in § 1 Abs. 1 genannten Gründen verweigere. Die Widerrufserklärung ist schriftlich oder mündlich bei der Zivildienstserviceagentur oder beim Militärkommando einzubringen. Das Recht, die Widerrufserklärung abzugeben ruht ab dem 15. Tag nach Zustellung eines Zuweisungsbescheides zum Zivildienst bis zu dessen vorzeitiger Beendigung und ist nach vollständiger Ableistung des ordentlichen Zivildienstes ausgeschlossen.

(2) Mit Einbringung einer Widerrufserklärung gemäß Abs. 1 erlischt die Zivildienstpflicht. Die Zivildienstserviceagentur hat mit Bescheid festzustellen, ob die Zivildienstpflicht erloschen ist.

(3) […]

(4) Mit Einbringung einer Widerrufserklärung (Abs. 2) und mit Aufhebung der Zivildienstpflicht (Abs. 3) unterliegt der Betreffende der Wehrpflicht im Sinne des Wehrgesetzes. Die Zivildienstserviceagentur hat das Militärkommando davon unverzüglich in Kenntnis zu setzen und ihm gleichzeitig die in § 5 Abs. 3 angeführten Unterlagen zurück zu übermitteln.

(5) Zeiten des abgeleisteten ordentlichen Zivildienstes sind in den Grundwehrdienst einzurechnen. Vom Wehrpflichtigen gemäß Abs. 4 ist jedoch mindestens ein Grundwehrdienst in der Dauer von vier Monaten zu leisten.

(6) (Verfassungsbestimmung) Das Recht, eine Zivildiensterklärung abzugeben, ruht für die Dauer eines Jahres nach Einbringung einer Widerrufserklärung (Abs. 2) oder nach Aufhebung der Zivildienstpflicht (Abs. 3).

Die Bestimmung des § 6 Abs 2 zweiter Satz ZDG ist nach Ansicht des BVwG dahingehend auszulegen, dass die ZISA nach Einlagen einer Widerrufserklärung zu prüfen hat, ob diese Erklärung frei von rechtserheblichen Willensmängeln erfolgt ist und sodann rückwirkend mit dem Tag der Einbringung festzustellen hat, dass die Zivildienstpflicht erloschen ist. Sollte eine mängelfreie Willenserklärung über den Wideruf auch nach Erteilung eines Verbesserungsauftrages nach § 13 Abs 3 AVG nicht vorliegen, wird die ZISA die Feststellung zu treffen haben, dass die Zivildienstpflicht nicht erloschen ist. Wie immer auch die Entscheidung der ZISA ausfällt, kann dagegen – mit aufschiebender Wirkung (die von der ZISA aberkannt werden kann, vgl § 13 VwGVG) – eine Beschwerde beim BVwG eingebracht werden. Der Feststellungsbescheid hat daher nicht bloß deklarativen Charakter (arg: „ob“) und ist die Information über die mängelfreie Einbringung einer Widerrufserklärung erst nach Rechtskraft dem Militärkommando gemäß § 6 Abs 4 ZDG „unverzüglich“ zu übermitteln. Nur dann macht die Möglichkeit der Einbringung einer Beschwerde an das BVwG gegen den Feststellungsbescheid Sinn und kann dem Gesetzgeber nicht zugesonnen werden, sinnlose Bestimmungen zu schaffen.

Durch die voreilige Übermittlung des noch nicht rechtskräftigen Feststellungsbescheides, ist das MilKdo von der falschen Voraussetzung ausgegangen, dass der BF wieder der Wehrpflicht unterliege.

3.3.3. Im konkreten Fall war die Widerrufserklärung darüber hinaus mit einem rechtserheblichen Willensmangels behaftet, der von der ZISA nicht erkannt wurde (beim BF wurden durch eine irreführende und unvollständige Rechtsbelehrung falsche Vorstellungen über die Folgen und Möglichkeiten seiner Rechtsmittel erweckt [vgl dazu VwGH 08.11.2016, 2016/09/0098]). Der Feststellungsbescheid vom vom 22.12.2020 wurde daher mit Erkenntnis des BVwG vom heutigen Tag GZ W208 2239253-1/6E behoben, sodass auch aus diesem Grund, keine rechtsgültige Widerrufserklärung vorlag und der BF nach wie vor der Zivildienstpflicht und nicht der Wehrpflicht unterliegt.

3.3.4. Da gemäß § 20 iVm § 24 Wehrgesetz 2001 nur Wehrpflichtige zur Leistung des Grundwehrdienstes verpflichtet sind, erweist sich der Einberufungsbefehl vom 02.02.2021 als unzulässig und ist dieser ebenso wie die ihn bestätigende Beschwerdevorentscheidung vom 08.03.2021, gemäß § 28 Abs 2 VwGVG spruchgemäß zu beheben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidungen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Gesetz selbst trifft in den §§ 20 und 24 Wehrgesetz 2001 klare und eindeutige Regelungen.

Schlagworte

Aufschub des Antritts Einberufungsbefehl Feststellungsbescheid Pandemie Wehrpflicht Widerruf Willensmangel Zivildiensterklärung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W208.2240426.1.00

Im RIS seit

21.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.05.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten