TE Vwgh Erkenntnis 1997/4/25 95/19/1444

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Veröffentlicht am 25.04.1997
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Index

19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
AVG §60;
AVG §67;
FrG 1993 §10 Abs1 Z6;
MRK Art8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Zens, Dr. Bayjones und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde der B in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. September 1995, Zl. 303.053/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin bezeichnet sich in den im Akt enthaltenen Anträgen auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz vom 24. November 1993, 19. August 1994 und dem verfahrensgegenständlichen Antrag vom 27. März 1995 als jugoslawische Staatsangehörige. Andererseits gibt sie im Meldezettel vom 28. April 1993, wie auch in der Beschwerde, ihre Staatsbürgerschaft mit "Bosnien" an. Sie verfügte über einen Wiedereinreise-Sichtvermerk vom 14. Juni 1993, gültig bis 30. November 1993 sowie eine daran anschließende Aufenthaltsbewilligung vom 1. Dezember 1993 bis 3. September 1994. Im Akt erliegt des weiteren eine für sie erteilte Beschäftigungsbewilligung vom 3. Juni 1994 bis 2. Juni 1995. Sie beantragte am 19. August 1994 die Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung. Dieser Antrag wurde aufgrund der damals geltenden Rechtslage gemäß § 6 Abs. 3 AufG mit dem Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 21. September 1994 mangels rechtzeitiger Antragstellung zurückgewiesen. Dieser Beschweid wurde nach einem Zustellversuch am 20. September 1994 beim Postamt 1100 Wien mit Beginn der Abholfrist 3. Oktober 1994 hinterlegt und erwuchs in Rechtskraft. Nach persönlicher Übernahme einer Kopie dieses Bescheides am 27. Februar 1995 stellte die Beschwerdeführerin den gegenständlichen Antrag bei der österreichischen Botschaft in Budapest.

Der Landeshauptmann von Wien wies den Antrag gemäß § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 6 Fremdengesetz ab. Die Antragstellerin sei seit 28. April 1993 an einer Wiener Adresse aufrecht gemeldet und laut einer vorgelegten Firmenbestätigung seit 3. Juni 1994 beschäftigt. Sie verfüge über keine die Anwendung der angeführten Bestimmungen ausschließende Aufenthaltsberechtigung (z.B. gewöhnlicher Sichtvermerk). Aufgrund der dagegen erhobenen Berufung erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid. Sie wies den Antrag der Beschwerdeführerin vom 22. März 1995 ebenfalls gestützt auf § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG ab. Die Begründung des angefochtenen Bescheides lautet:

"Sie haben am 22. März 1995 im Wege der Österreichischen Botschaft Budapest an die oben genannte Behörde einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt.

Die genannte Behörde hat diesen Antrag mit der Begründung abgewiesen, daß die Vorschrift des § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes einer Aufenthaltsbewilligung entgegensteht.

Gegen diese Beurteilung haben Sie, vertreten durch Ihren Rechtsanwalt, im wesentlichen eingewendet, daß Sie seit 28.04.1993 an Ihrer Adresse polizeilich aufrecht gemeldet sind und seit 03.06.1994 in Ihrer Firma beschäftigt sind. Ihr letztgültiges Verlängerungsansuchen vom 19.08.1994 wurde gemäß § 6 Abs. 3 AufG, BGBl. Nr. 466/92 i.d.F. BGBl. Nr. 314/1994 mit Bescheid vom 21.09.1994 abgewiesen (Rechtskraft: 14.10.1994: persönlich von Ihnen am 27.02.1995 übernommen). Sie haben daher gemäß § 6 Abs. 2 AufG einen Erstantrag vom Ausland aus gestellt.

Sie sind aufgrund der Aktenlage sichtvermerksfrei eingereist und wollten Ihren Aufenthalt in Österreich mit dem vorliegenden Antrag auf Aufenthaltsbewilligung wieder verlängern. Sie haben sich vor bzw. bei der Antragstellung nach der vorliegenden Aktenlage in Österreich aufgehalten und waren laut Ihren eigenen Angaben vor, während und nach der Antragstellung in Österreich polizeilich gemeldet bzw. aufhältig.

Unbeschadet Ihres Vorbringens ist bei der Beurteilung Ihres Antrages allein maßgeblich, daß § 5 Abs. 1 AufG zwingend die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausschließt, wenn ein Sichtvermerksversagungsgrund im Sinne des Fremdengesetzes vorliegt. Nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG liegt ein solcher vor, wenn der Sichtvermerk zeitlich nach sichtsvermerksfreier Einreise erteilt werden soll.

In Hinblick auf die Erkenntnisse des VfGH vom 1.7.1993, B 338/93 und B 445/93, erübrigt sich das Eingehen auf eventuelle private und familiäre Interessen, da das Vorligen des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG einen zulässigen Eingriff in das durch Art. 8 MRK geschützte Grundrecht darstellt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Nach dem gemäß § 67 AVG auch von der Berufungsbehörde anzuwendenden § 60 leg. cit. sind in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergenisse des Ermittlungsverfahrens die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muß in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öfentlichen Rechtes zugänglichen Weise dargetan werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zu der Ansicht gelangte, daß gerade dieser Sachverhalt vorliege und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 30. Mai 1985, Zl. 84/08/0047, vom 28. Juni 1988, Zl. 87/11/0066, und vom 26. Juli 1995, Zl. 94/20/0722). Diesen Erfordernissen wird der angefochtene Bescheid insoweit nicht gerecht, als diesem nicht klar entnommen werden kann, was die belangte Behörde unter sichtvermerksfreier Einreise versteht und auf welche Einreise sie sich überhaupt bezieht. Denn einerseits geht die belangte Behörde davon aus, die Beschwerdeführerin habe einen Erstantrag "vom Ausland aus gestellt", andererseits habe sich die Beschwerdeführerin vor bzw. "bei der Antragstellung" in Österreich aufgehalten.

Da die Behörde erster Instanz davon ausging, daß die Beschwerdeführerin eine jugoslawische Staatsbürgerin sei und die belangte Behörde in ihrem Bescheid keine entgegenstehenden Ausführungen trifft, käme eine sichtvermerksfreie Einreise (nach Ablauf ihrer letztgültigen Aufenthaltsbewilligung) im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG - das ist eine rechtmäßig erfolgte Einreise ohne Sichtvermerk aufgrund einer Ausnahme von der Sichtvermerkspflicht, hingegen nicht eine illegale Einreise - nicht in Betracht. Denn Staatsangehörige der "Bundesrepublik Jugoslawien" benötigen infolge der Aussetzung der pragmatischen Weiteranwendung des Abkommens zwischen der Bundesregierung der Republik Österreich und der Regierung der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 365/1965, im Verhältnis zur "Bundesrepublik Jugoslawien" durch die Kundmachung

BGBl. Nr. 386a/1992, zur Wiedereinreise einen Sichtvermerk.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Stempelgebührenersatz war nur in Höhe von S 270,-- (Beschwerde zweifach, angefochtener Bescheid einfach; die beigelegten Bescheide der 1. Instanz sind im Verwaltungsakt enthalten) zuzusprechen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995191444.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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