TE Vwgh Erkenntnis 2021/4/27 Ra 2019/11/0009

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Veröffentlicht am 27.04.2021
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
82/03 Ärzte Sonstiges Sanitätspersonal

Norm

ÄrzteG 1984 §19
ÄrzteG 1984 §20
ÄrzteG 1984 §20a
ÄrzteG 1984 §40 Abs1
ÄrzteG 1984 §40 Abs3 Z1
ÄrzteG 1984 §75 Abs1
ÄrzteG 1984 §75 Abs1 idF 1994/100
ÄrzteG 1998 §109 Abs1
ÄrzteG 1998 §45
ÄrzteG 1998 §46
ÄrzteG 1998 §47
ÄrzteG 1998 §68 Abs1
ÄrzteG 1998 §68 Abs4 Z1
VwRallg

Beachte


Serie (erledigt im gleichen Sinn):
Ro 2019/11/0005 E 27.04.2021

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick sowie den Hofrat Dr. Grünstäudl, die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Hainz-Sator und den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des Dr. M T in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Wiedner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Freyung 7, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 13. Februar 2018, Zl. VGW-162/017/10973/2017-10, betreffend Beiträge für die Todesfallbeihilfe und die Krankenunterstützung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Verwaltungsausschuss des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien, vertreten durch Graf & Pitkowitz Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Stadiongasse 2), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Ärztekammer für Wien hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        1.1. Mit hg. Erkenntnis vom 23. November 2010, 2007/11/0076, hob der Verwaltungsgerichtshof einen Bescheid des Beschwerdeausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vom 14. März 2007, mit welchem Beiträge des Revisionswerbers für die Todesfallbeihilfe und für die Krankenunterstützung für den Zeitraum vom 1. Februar 1994 bis zum 31. Dezember 2004 festgesetzt wurden, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof aus, es sei für die Beitragspflicht des Revisionswerbers zum Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien entscheidend, ob dieser die im Bereich der Ärztekammer für Niederösterreich früher unstrittig ausgeübte ärztliche Tätigkeit auch weiterhin (ohne eine Unterbrechung von sechs Monaten oder mehr) ausübe. Der Revisionswerber habe vorgebracht, er sei im fraglichen Zeitraum laufend als Urlaubsvertretung in Arztpraxen in Niederösterreich tätig gewesen. Die belangte Behörde habe sich hingegen für die Feststellung, der Revisionswerber habe im fraglichen Zeitraum seine ärztliche Tätigkeit ausschließlich im Bereich der Ärztekammer für Wien ausgeübt, lediglich auf ein Schreiben der Ärztekammer für Niederösterreich gestützt, ohne dem Revisionswerber dazu Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

2        1.2. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 13. September 2016 wurden die Rückstande des Revisionswerbers zum Beitrag für die Todesfallbeihilfe gemäß Abschnitt II der Beitragsordnung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien in der Höhe von € 5.363,10 und zum Beitrag für die Krankenunterstützung gemäß Abschnitt IV Abs. 1 dieser Beitragsordnung in der Höhe von € 402,72, jeweils für den Zeitraum vom 1. Februar 1994 bis einschließlich 31. Dezember 2004, festgesetzt.

3        1.3. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Das Verwaltungsgericht stellte fest, der Revisionswerber habe seine ärztliche Tätigkeit am 1. Juni 1979 im Bereich der Ärztekammer für Niederösterreich aufgenommen und am 15. Februar 1987 beendet. Vom 6. Februar 1987 bis zum 29. Februar 1988 sei er in zwei Einrichtungen in Wien tätig und vom 1. Februar 1987 bis zum 29. Februar 1988 ordentliches Fondsmitglied des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien gewesen. Vom 1. März 1988 bis zum 31. Jänner 1994 sei er wieder im Bereich der Ärztekammer für Niederösterreich tätig gewesen. Seit 1. Februar 1994 habe der Revisionswerber den ärztlichen Beruf als Angestellter der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten für Wien ausgeübt. Seit diesem Zeitpunkt schienen in der Ärzteliste keine weiteren Berufssitze und keine weiteren Anstellungen oder selbständigen Tätigkeiten als Arzt auf. Im Zeitraum vom 1. Februar 1994 bis zum 31. Dezember 2004 habe der Revisionswerber gelegentlich Urlaubsvertretungen für in Niederösterreich niedergelassene Ärzte übernommen. Bei der Ärztekammer für Niederösterreich sei der Revisionswerber ab 1. März 1988 als außerordentliches Mitglied und seit 1. Februar 1994 als „ausgeschieden“ geführt.

5        Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht, der Revisionswerber habe seine ärztliche Tätigkeit gemäß § 109 Abs. 1 erster Satz ÄrzteG 1998 im Bereich der Ärztekammer für Niederösterreich aufgenommen und sei dadurch beitragspflichtiges Mitglied im Wohlfahrtfonds dieser Kammer geworden. Durch die Aufnahme der ärztlichen Tätigkeit bei der Pensionsversicherungsanstalt in Wien sei der Dienstort nach Wien verlegt worden. Der Revisionswerber behaupte, er gehöre weiterhin der Ärztekammer für Niederösterreich an, da er in deren Bereich erstmals seine Tätigkeit ausgeübt habe und ununterbrochen ausübe. Folge man dieser Argumentation, bliebe ein Wechsel des Dienstortes „bei einer Konstellation wie der vorliegenden“ völlig unbeachtlich. Aus § 68 Abs. 4 ÄrzteG 1998 ergebe sich, dass primärer Anknüpfungspunkt für die Zugehörigkeit zu einer Ärztekammer der Dienstort bzw. Wohnsitz sei, welcher sich beim Revisionswerber seit 31. Jänner 1994 in Wien befinde. Dass der Revisionswerber Vertretungstätigkeiten in Niederösterreich ausgeübt habe, sei für die Frage der Kammerzugehörigkeit irrelevant. Eine wohnsitzärztliche Tätigkeit gemäß § 47 Abs. 1 ÄrzteG 1998 sei nur möglich, wenn der Arzt diese Tätigkeit ausschließlich ohne anderen Berufssitz ausübe. Auch aus einer Mitteilung der Ärztekammer für Niederösterreich ergebe sich, dass der Revisionswerber bereits im Jahr 1994 gänzlich aus dieser Kammer ausgeschieden und daher seit dem Jahr 1994 nicht mehr Mitglied ihres Wohlfahrtsfonds gewesen sei.

6        Mit Beschluss vom 27. November 2018, E 1098/2018-12, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Beschwerde ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

7        1.4. Gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision, die das Verwaltungsgericht unter Anschluss der Verfahrensakten vorgelegt hat. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.

8        Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9        2. Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Verweis auf VwGH 23.11.2010, 2007/11/0076; 15.7.2011, 2007/11/0041) abgewichen, weil es für die Mitgliedschaft des Revisionswerbers im Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien ausschließlich auf die ordentliche Kammerangehörigkeit in dieser Ärztekammer abgestellt habe und die ärztliche Vertretungstätigkeit des Revisionswerbers in Niederösterreich, wo er seine ärztliche Tätigkeit begonnen und nie maßgeblich unterbrochen habe, als nicht relevant beurteilt und daher entsprechende Feststellungen dazu unterlassen habe.

10       Die Revision ist im Sinn dieses Vorbringens zulässig.

11       3. Die Revision ist auch begründet.

12       3.1.1. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind die Kammerangehörigkeit und die Beitragspflicht zum Wohlfahrtsfonds nach den im fraglichen Zeitraum geltenden Rechtsvorschriften zu beurteilen (vgl. VwGH 27.9.2007, 2005/11/0174), das ist im Revisionsfall der Zeitraum von 1. Februar 1994 bis zum 31. Dezember 2004.

13       3.1.2. Nach den im hier fraglichen Zeitraum für die Kammerangehörigkeit anwendbaren Bestimmungen des § 40 Abs. 1 Ärztegesetz 1984 ab der Fassung BGBl. Nr. 100/1994 bzw. § 68 Abs. 1 Ärztegesetz 1998 - ÄrzteG 1998, BGBl. I Nr. 169, gehört einer Ärztekammer als ordentlicher Kammerangehöriger jeder Arzt an, der u.a. in die von der Österreichischen Ärztekammer geführte Ärzteliste eingetragen worden ist (Z 1) und seinen Beruf im Bereich dieser Ärztekammer ausübt (Z 2). Maßgeblich für diese örtliche Anknüpfung ist beim niedergelassenen Arzt der Berufssitz (§ 19 Ärztegesetz 1984; § 45 ÄrzteG 1998), beim angestellten Arzt der Dienstort (§ 20 Ärztegesetz 1984; § 46 ÄrzteG 1998) und beim Wohnsitzarzt der Wohnsitz (§ 20a Ärztegesetz 1984; § 47 ÄrzteG 1998). Hat der Arzt Berufssitze oder Dienstorte in mehreren Bundesländern, gehört er in allen diesen Bundesländern der jeweiligen Ärztekammer als ordentlicher Kammerangehöriger an (vgl. Wallner in GmundKomm §§ 68, 69 ÄrzteG 1998 Rn 2).

14       Zur selbständigen Berufsausübung berechtigte Ärzte, die ausschließlich solche wiederkehrenden ärztliche Tätigkeiten ausüben, die weder eine Ordinationsstätte erfordern noch in einem Anstellungsverhältnis ausgeübt werden, üben den ärztlichen Beruf als sog. Wohnsitzärzte aus (§ 20a Ärztegesetz 1984; § 47 ÄrzteG 1998). Zu diesen „wohnsitzärztlichen Tätigkeiten“ zählen u.a. Vertretungen in Ordinationsstätten (ausdrücklich § 47 Abs. 1 ÄrzteG 1998). Wird diese Tätigkeit allerdings von einem niedergelassenen oder angestellten Arzt ausgeübt, ist dieser als niedergelassener oder angestellter Arzt und nicht als Wohnsitzarzt in die Ärzteliste einzutragen (§ 20a Ärztegesetz 1984; § 47 ÄrzteG 1998). Ein solcher Arzt wird durch die Ausübung einer solchen Tätigkeit also nicht zu einem Wohnsitzarzt (vgl. Wallner in GmundKomm §§ 45-47 ÄrzteG 1998 Rn 13).

15       Die Angehörigkeit zu der sich aus diesen Bestimmungen ergebenden Ärztekammer erlischt, wenn der Arzt seinen Berufssitz, seinen Dienstort oder seinen Wohnsitz in den Bereich einer anderen Ärztekammer verlegt hat (§ 40 Abs. 3 Z 1 Ärztegesetz 1984; § 68 Abs. 4 Z 1 ÄrzteG 1998).

16       3.1.3. Für die Beiträge zum Wohlfahrtsfonds im hier fraglichen Zeitraum war zunächst § 75 Abs. 1 Ärztegesetz 1984, BGBl. Nr. 373 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 100/1994, maßgeblich, welcher lautete:

„Beiträge zum Wohlfahrtsfonds

§ 75. (1) Die Kammerangehörigen sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verpflichtet, Beiträge zum Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer zu leisten, in deren Bereich sie ihren Beruf ausüben (§§ 2 Abs. 3, 19 Abs. 2 und 3, 20) oder ihren Wohnsitz haben (§ 20a). Übt ein Arzt seinen Beruf im Bereich mehrerer Ärztekammern aus, so bleibt er Mitglied im Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer, in deren Bereich er sich zuerst niedergelassen hat. Nimmt er seine ärztliche Tätigkeit gleichzeitig im Bereich mehrerer Ärztekammern auf, so obliegt ihm die Wahl, zu welchem Wohlfahrtsfonds er seine Beiträge leistet.“

17       Mit Inkrafttreten des ÄrzteG 1998 wurde diese Bestimmung - im Wesentlichen unverändert (vgl. RV 1386 BlgNR 20. GP, 107) - durch § 109 Abs. 1 ersetzt, welcher lautete:

„Beiträge zum Wohlfahrtsfonds

§ 109. (1) Die Kammerangehörigen sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verpflichtet, Beiträge zum Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer zu leisten, in deren Bereich sie den ärztlichen Beruf freiberuflich oder im Rahmen eines Dienstverhältnisses (§§ 3 Abs. 2, 45 Abs. 2 und 3, 46) oder als wohnsitzärztliche Tätigkeit (§ 47) ausüben. Übt ein Arzt seinen Beruf im Bereich mehrerer Ärztekammern aus, so bleibt er Mitglied im Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer, in deren Bereich er sich zuerst niedergelassen hat. Nimmt er seine ärztliche Tätigkeit gleichzeitig im Bereich mehrerer Ärztekammern auf, so obliegt ihm die Wahl, zu welchem Wohlfahrtsfonds er seine Beiträge leistet.“

18       Durch die 2. Ärztegesetz-Novelle, BGBl. I Nr. 110/2001, erhielt § 109 Abs. 1 ÄrzteG 1998 folgende Fassung (die im Wesentlichen bis zum Gesundheitsreformgesetz 2005, BGBl. I Nr. 179/2004, unverändert blieb):

„(1) Die Kammerangehörigen sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verpflichtet, Beiträge zum Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer zu leisten, in deren Bereich sie zuerst den ärztlichen Beruf aufgenommen haben, solange diese Tätigkeit aufrecht ist. Übt ein Kammerangehöriger seinen Beruf im Bereich mehrerer Ärztekammern aus, so bleibt er Mitglied im Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer, in deren Bereich er zuerst die Berufstätigkeit aufgenommen hat, solange diese Tätigkeit in dem betreffenden Bundesland aufrecht ist. Eine Unterbrechung dieser Tätigkeit für weniger als sechs Monate gilt diesbezüglich als ununterbrochene Berufsausübung. Nimmt er seine ärztliche Tätigkeit gleichzeitig im Bereich mehrerer Ärztekammern auf, so obliegt ihm die Wahl, zu welchem Wohlfahrtsfonds er seine Beiträge leistet.“

19       In den Gesetzesmaterialien wird dazu ausgeführt (RV 629 BlgNR 21. GP, 62):

„Bei gleichzeitiger Ausübung des ärztlichen Berufes im Bereich mehrerer Ärztekammern knüpft das Gesetz bei der Bestimmung der Wohlfahrtsfondsmitgliedschaft derzeit am Ort der ersten Niederlassung an. Diese Regelung hat sich in der Praxis als ungeeignet und mit großen Vollzugsschwierigkeiten behaftet erwiesen. Die daraus entstehende Rechtsunsicherheit soll dadurch beseitigt werden, dass an den Ort der erstmaligen Aufnahme der ärztlichen Berufstätigkeit angeknüpft wird. Die Bestimmung, dass eine Unterbrechung der ärztlichen Tätigkeit für weniger als sechs Monate einer ununterbrochenen Berufsausübung gleichzuhalten ist, soll missbräuchlichen Gestaltungsmöglichkeiten vorbeugen. Durch § 109 Abs. 1 soll die Abwanderung bzw. der Wechsel zwischen den Bundesländern neu geregelt werden.“

20       3.1.4. Gemäß § 75 Abs. 1 ÄrzteG 1984 in der Fassung BGBl. Nr. 100/1994 bzw. § 109 Abs. 1 ÄrzteG 1998 in der Fassung vor dem Gesundheitsreformgesetz 2005 haben die Kammerangehörigen Beiträge zum Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer zu leisten, in deren Bereich sie den ärztlichen Beruf ausüben. Übt ein Arzt seinen Beruf demnach nur im Bereich einer einzigen Ärztekammer aus, entsteht bzw. erlischt mit dem Entstehen bzw. Erlöschen der Angehörigeneigenschaft zu einer Ärztekammer auch die Mitgliedschaft zu deren Wohlfahrtseinrichtungen (vgl. VwGH 29.9.1999, 98/11/0169, mwN). Übt ein Arzt seinen Beruf hingegen im Bereich mehrerer Ärztekammern aus, so bleibt er nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung Mitglied im Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer, in deren Bereich er zuerst die Berufstätigkeit aufgenommen hat (bzw. gemäß § 109 Abs. 1 ÄrzteG 1998 in der Stammfassung: in deren Bereich er sich zuerst niedergelassen hat, was im Revisionsfall keinen Unterschied macht). Diese Fortwirkung der Wohlfahrtsfondsmitgliedschaft setzt demnach voraus, dass die ärztliche Berufsausübung gleichzeitig in mehreren Bundesländern erfolgt, und gilt, wie sich aus der Klarstellung in § 109 Abs. 1 ÄrzteG 1998 durch die 2. Ärztegesetz-Novelle ergibt, nur solange, wie diese Tätigkeit in jenem Bundesland, in dem die Berufstätigkeit zuerst aufgenommen wurde, nicht unterbrochen wird; seit der 2. Ärztegesetz-Novelle gilt eine Unterbrechung dieser Tätigkeit für weniger als sechs Monate als ununterbrochene Berufsausübung. Ein Berufssitz oder Dienstort in mehreren Bundesländern ist entgegen der in der Revisionsbeantwortung geäußerten Auffassung der belangten Behörde hingegen keine Voraussetzung für die Fortwirkung der Wohlfahrtsfondsmitgliedschaft. Nur wenn ein Arzt seine ärztliche Tätigkeit gleichzeitig im Bereich mehrerer Ärztekammern aufnimmt, hat er die Wahl, zu welchem Wohlfahrtsfonds er seine Beiträge leistet.

21       Aus § 75 Abs. 1 Ärztegesetz 1984 bzw. § 109 Abs. 1 ÄrzteG 1998 ergibt sich somit, dass die Mitgliedschaft in mehreren Wohlfahrtsfonds nicht möglich ist (vgl. VwGH 20.9.2001, 2001/11/0219). Jeder Arzt kann nur Mitglied in einem Wohlfahrtsfonds sein, auch wenn er Angehöriger mehrerer Ärztekammern ist (vgl. Wallner in GmundKomm § 108-110 a ÄrzteG 1998 Rn 1).

22       3.2.1. Im Revisionsfall legte das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zu Grunde, dass der Revisionswerber unmittelbar vor dem fraglichen Zeitraum auf Grund der Ausübung des ärztlichen Berufes in Niederösterreich der Ärztekammer dieses Bundeslandes angehörte. Unstrittig ist ebenfalls, dass der Revisionswerber im fraglichen Zeitraum den ärztlichen Beruf als Angestellter der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten für Wien ausgeübte. Sein Dienstort iSd. § 20 Ärztegesetz 1984 bzw. § 46 ÄrzteG 1998 war somit in diesem Zeitraum Wien. Nach den - auch von der Revision nicht bestrittenen - Feststellungen übte der Revisionswerber in diesem Zeitraum im Bundesland Niederösterreich seinen ärztlichen Beruf nur in Form von Vertretungstätigkeiten aus, weswegen das Verwaltungsgericht im Hinblick auf § 20a Abs. 2 Ärztegesetz 1984 (§ 47 Abs. 2 ÄrzteG 1998) zutreffend davon ausging, dass die Zugehörigkeit des Revisionswerbers zur Ärztekammer für Niederösterreich mit 1. Februar 1994 auf Grund der Verlegung seines Dienstortes in das Bundesland Wien gemäß § 40 Abs. 3 Z 1 Ärztegesetz 1984 erloschen ist und dass durch die bloße Vertretungstätigkeit in Niederösterreich weder ein (weiterer) Dienstort oder Berufssitz begründet wurde noch der Revisionswerber als Wohnsitzarzt tätig war. Der Revisionswerber gehörte somit im fraglichen Zeitraum nur der Ärztekammer für Wien, und zwar als ordentlicher Kammerangehöriger, an.

23       3.2.2. Das Verwaltungsgericht ist jedoch zu Unrecht davon ausgegangen, der Revisionswerber sei infolge seiner Angehörigkeit zur Ärztekammer für Wien jedenfalls auch Mitglied in deren Wohlfahrtsfonds gewesen. Dies wäre nur dann zutreffend, wenn der Revisionswerber im fraglichen Zeitraum seinen ärztlichen Beruf nicht im Sinn des § 75 Abs. 1 zweiter Satz Ärztegesetz 1984 bzw. § 109 Abs. 1 zweiter Satz ÄrzteG 1998 im Bereich mehrerer Bundesländer ausgeübt hat (vgl. bereits das hg. Erkenntnis vom 23. November 2010, 2007/11/0076, und das ebenfalls zur Beitragspflicht des Revisionswerbers zum Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien ergangene hg. Erkenntnis vom 15. Juli 2011, 2007/11/0041). Das Verwaltungsgericht stellte aber fest, der Revisionswerber habe im fraglichen Zeitraum neben seiner Anstellung bei der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten für Wien „gelegentlich Urlaubsvertretungen“ für in Niederösterreich niedergelassene Ärzte übernommen. Eine solche „Urlaubsvertretung“ für einen niedergelassenen Arzt (vgl. § 47 Abs. 1 ÄrzteG 1998: „Vertretungen in Ordinationsstätten“) zählt grundsätzlich zur Ausübung des ärztlichen Berufes im Sinn des § 2 Abs. 2 Ärztegesetz 1984 bzw. § 2 Abs. 2 ÄrzteG 1998.

24       Ausgehend von seiner unzutreffenden Rechtsansicht, es komme für die Mitgliedschaft im Wohlfahrtsfonds nur auf die Kammerangehörigkeit an, hat es das Verwaltungsgericht auch unterlassen, nähere Feststellungen zum zeitlichen Ausmaß der Vertretungstätigkeiten des Revisionswerbers für in Niederösterreich niedergelassene Ärzte zu treffen. Der Revisionswerber war nämlich gemäß § 75 Abs. 1 zweiter Satz Ärztegesetz 1984 bzw. § 109 Abs. 1 zweiter Satz ÄrzteG 1998 nur dann und solange Mitglied des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich, als er seine ärztliche Tätigkeit im Bereich dieser Kammer neben seiner Tätigkeit bei der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten für Wien auch tatsächlich und ohne maßgebliche Unterbrechung ausgeübt hat, wobei seit der 2. Ärztegesetz-Novelle eine Unterbrechung dieser Tätigkeit für weniger als sechs Monate als ununterbrochene Berufsausübung gilt.

25       3.3. Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

26       Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 27. April 2021

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019110009.L00

Im RIS seit

14.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.06.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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