TE Vwgh Erkenntnis 2001/9/20 2001/11/0219

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Veröffentlicht am 20.09.2001
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
82/03 Ärzte Sonstiges Sanitätspersonal;

Norm

ÄrzteG 1984 §75 Abs1 idF 1994/100;
ÄrzteGNov 1994;
B-VG Art140;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des Dr. B in W, vertreten durch Dr. Friedrich H. Knöbl, Rechtsanwalt in 1120 Wien, Meidlinger Hauptstraße 28, gegen den Bescheid des Beschwerdeausschusses der Ärztekammer für Tirol vom 20. Februar 2001, Zl. BA 1/2000, betreffend Mitgliedschaft im Wohlfahrtsfonds, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Zahnarzt und betreibt eine Ordination in Wien. Mit Schreiben vom 19. Jänner 1994 teilte er dem Verwaltungsausschuss der Ärztekammer für Tirol mit, dass er am 1. Februar 1994 eine fachärztliche Praxis in V. (in Tirol) eröffne - nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers im weiteren Verfahren und nach der Aktenlage handelt es sich dabei um eine weitere Ordination - und ab diesem Zeitpunkt ordentliches Mitglied der Ärztekammer für Tirol sei. Er ersuche daher um Aufnahme als Mitglied in den Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Tirol. Die Überweisung seiner bisher geleisteten Beiträge zum Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien (ca. S 2,8 Mio.) werde er nach erfolgter Aufnahme in den Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Tirol veranlassen.

Mit Schreiben vom 23. März 1994 teilte die Ärztekammer für Tirol dem Beschwerdeführer mit, dass sich der Verwaltungsausschuss mit dem Antrag des Beschwerdeführers befasst habe. Im Hinblick auf § 75 Abs. 1 Ärztegesetz 1984 bleibe der Beschwerdeführer Mitglied des Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer, in deren Bereich er sich zuerst niedergelassen habe. Seinem Antrag könne daher nicht stattgegeben werden.

Der Verwaltungsausschuss des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien teilte der Ärztekammer für Tirol mit Schreiben vom 24. April 1995 mit, dass der Beschwerdeführer Mitglied der Ärztekammer für Wien gewesen sei und "anschließend" in den Kammerbereich der Ärztekammer für Tirol verzogen sei. Gemäß § 81 Ärztegesetz 1984 würden Fondsbeitragsteile für die Zeit vom 1. Oktober 1975 bis 31. Jänner 1994 in der Höhe von S 2,811.693,97 an die Ärztekammer für Tirol überwiesen.

Der Verwaltungsausschuss der Ärztekammer für Tirol erließ daraufhin den Bescheid vom 11. Mai 1995, mit dem der Aufnahmeantrag des Beschwerdeführers abgewiesen wurde. In der Begründung dieses Bescheides wurde auf § 75 Abs. 1 Ärztegesetz 1984 verwiesen. Nur bei gleichzeitiger Aufnahme der Tätigkeit in den Bereichen mehrerer Ärztekammern bestehe ein Wahlrecht des Mitgliedes. Auf Grund der eindeutigen Rechtslage habe der Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Tirol den vom Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien überwiesenen Betrag nicht angenommen.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 28. November 1995 abgewiesen. Dieser Bescheid wurde mit hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1996, Zl. 96/11/0071, wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde (infolge unrichtiger Besetzung) aufgehoben. Der Ersatzbescheid vom 5. November 1997 wurde mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 4. Oktober 2000, B 2820/97, aufgehoben, weil die belangte Behörde eine gesetzwidrige Verordnungsbestimmung (nämlich den mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 4. Oktober 2000, V 20/00, als gesetzwidrig aufgehobenen § 6 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Beschwerdeausschusses der Ärztekammer für Tirol) angewendet hatte.

Mit neuerlichem Ersatzbescheid vom 20. Februar 2001 wies die belangte Behörde die Beschwerde gegen den Bescheid des Verwaltungsausschusses der Ärztekammer für Tirol vom 11. Mai 1995 ab und führte begründend aus, durch das am 10. Februar 1994 kundgemachte Bundesgesetz, BGBl. Nr. 100/1994, sei das Ärztegesetz 1984 rückwirkend ab 1. Jänner 1994 an mehreren Stellen geändert worden. Nach § 19 Abs. 3 Ärztegesetz 1984 in der genannten Fassung dürfe ein Arzt für Allgemeinmedizin oder ein Facharzt nur zwei Berufssitze im Bundesgebiet haben. Übe ein Arzt seinen Beruf im Bereich mehrerer Ärztekammern aus, so bleibe er gemäß § 75 Abs. 1 leg. cit. Mitglied im Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer, in deren Bereich er sich zuerst niedergelassen habe. Der Beschwerdeführer habe mit Schreiben an die Ärztekammer für Wien vom 13. Februar 1994 beantragt, seine Mitgliedschaft im Wohlfahrtsfonds dieser Ärztekammer zu beenden und die entrichteten Fondsbeiträge an die Ärztekammer für Tirol zu überweisen, da er in diesem Kammerbereich seit 1. Februar 1994 einen zweiten Berufssitz begründet habe. Der Verwaltungsausschuss des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien habe diesen Antrag mit Beschluss vom 25. Februar 1994 unter Hinweis auf § 75 Abs. 1 Ärztegesetz 1984 in der seit 1. Jänner 1994 geltenden Fassung abgewiesen. Der Beschwerdeausschuss des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien habe mit Bescheid vom 20. Dezember 1994 dem Antrag des Beschwerdeführers vom 13. Februar 1994 stattgegeben und ihn ab 1. Februar 1994 von der Mitgliedschaft zum Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien "befreit".

Dieser Bescheid, der der Ärztekammer für Tirol nicht zugestellt worden sei, binde die belangte Behörde nicht. Im Übrigen sei der Inhalt des Schreibens des Verwaltungsausschusses der Ärztekammer für Wien vom 24. April 1995 an die Ärztekammer für Tirol insofern unrichtig, als der Beschwerdeführer nicht "anschließend" in den Bereich der Ärztekammer für Tirol verzogen sei. Eine dauernde Verlegung des Berufssitzes im Sinne des § 81 Ärztegesetz 1984 sei nämlich nicht erfolgt.

Bei diesem Ergebnis erübrige sich eine Befassung mit der sich nach der Aktenlage aufdrängenden Frage, ob der Beschwerdeführer seinen Beruf am Sitz der Zweitordination nach den am 1. Februar 1994 gegebenen Möglichkeiten (Ordinationseinrichtung, sonstige Belange) überhaupt habe ausüben können.

Das am 11. November 1998 in Kraft getretene Ärztegesetz 1998 enthalte in seinem § 109 Abs. 1 eine dem § 75 Abs. 1 Ärztegesetz 1984 in der genannten Fassung entsprechende Regelung, sodass auch aus dem Ärztegesetz 1998 für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen sei, da sich der Beschwerdeführer unbestrittenermaßen zuerst im Bereich der Ärztekammer für Wien niedergelassen habe.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der er u.a. die Auffassung vertrat, § 75 Abs. 1 Ärztegesetz 1984 in der Fassung BGBl. Nr. 100/1994 könne nicht dahin ausgelegt werden, dass damit in eine bestehende Pflichtversicherung eingegriffen werde. Eine Exklusivität des Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer, in deren Bereich sich der Kammerangehörige zuerst niedergelassen habe, werde damit nicht begründet.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 22. Juni 2001, B 594/01-5, die Behandlung der an ihn gerichteten Beschwerde ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der Begründung wurde u.a. ausgeführt, soweit der Beschwerdeführer die Verfassungswidrigkeit von näher bezeichneten Gesetzesbestimmungen behaupte, habe die Beschwerde schon deshalb keine hinreichenden Erfolgsaussichten, weil die Bedenken auf der unzutreffenden Prämisse beruhten, dass das Gesetz vor 1994 "die Pflicht bzw. das Recht auf eine doppelte Fondszugehörigkeit" vorgesehen hätte.

In der Beschwerdeergänzung an den Verwaltungsgerichtshof führt der Beschwerdeführer aus, er sei per 1. Februar 1994 Mitglied des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Tirol geworden. Die belangte Behörde vertrete zu Unrecht die Auffassung, dass die novellierte Fassung des § 75 Ärztegesetz 1984 die allgemeine Pflichtmitgliedschaftsregelung des § 41 und die Anspruchsberechtigung gemäß § 42 Abs. 3 und 4 leg. cit. aufhebe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Mit dem Bundesgesetz BGBl. Nr. 100/1994 wurden zahlreiche Bestimmungen des Ärztegesetzes 1984 geändert. Im § 19 Abs. 3 Ärztegesetz 1984 in der Fassung der genannten Novelle wurde angeordnet, dass der Arzt für Allgemeinmedizin, Facharzt oder approbierte Arzt nur zwei Berufssitze im Bundesgebiet haben darf. Diese Änderung hat ihren Grund in dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. Oktober 1992, G 338/91, mit dem die Regelung, wonach die Bewilligung eines zweiten Berufssitzes vom Ergebnis einer Bedarfsprüfung abhängig war, als verfassungswidrig aufgehoben wurde (siehe dazu die Erläuterungen zur RV 1361 der Beilagen XVIII. GP, 40).

§ 75 Abs. 1 Ärztegesetz 1984 erhielt durch die genannte

Novelle folgende Fassung:

"Beiträge zum Wohlfahrtsfonds

§ 75. (1) Die Kammerangehörigen sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verpflichtet, Beiträge zum Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer zu leisten, in deren Bereich sie ihren Beruf ausüben (§§ 2 Abs. 3, 19 Abs. 2 und 3, 20) oder ihren Wohnsitz haben (§ 20a). Übt ein Arzt seinen Beruf im Bereich mehrerer Ärztekammern aus, so bleibt er Mitglied im Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer, in deren Bereich er sich zuerst niedergelassen hat. Nimmt er seine ärztliche Tätigkeit gleichzeitig im Bereich mehrerer Ärztekammern auf, so obliegt ihm die Wahl, zu welchem Wohlfahrtsfonds er seine Beiträge leistet."

Durch diese Änderung sollte u.a. klargestellt werden, dass im Falle der Berufsausübung im Bereich mehrerer Ärztekammern der Ort der zeitlich ersten Niederlassung ausschlaggebend ist (siehe Erläuterungen zur RV, a.a.O. 42).

Die Auffassung des Beschwerdeführers, dass § 75 Abs. 1 zweiter Satz Ärztegesetz 1984 in der Fassung BGBl. Nr. 100/1994 nicht die ausschließliche Mitgliedschaft im Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer bestimmt, in deren Bereich sich der Betreffende zuerst niedergelassen habe, erweist sich insbesondere unter Berücksichtigung der Materialien als verfehlt. Auch der dritte Satz des § 75 Abs. 1 Ärztegesetz 1984 in der genannten Fassung, wonach im Falle der gleichzeitigen Aufnahme der ärztlichen Tätigkeit im Bereich mehrerer Ärztekammern dem Betreffenden die Wahl obliegt, zu welchem Wohlfahrtsfonds er seine Beiträge leistet, zeigt, dass die Mitgliedschaft bei mehreren Wohlfahrtsfonds nicht möglich ist.

Gegen die Bestimmung, dass das am 10. Februar 1994 kundgemachte Bundesgesetz BGBl. Nr. 100/1994 (in den hier maßgeblichen Bestimmungen) rückwirkend mit 1. Jänner 1994 in Kraft getreten ist, bestehen aus dem Blickwinkel des Beschwerdefalles keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die aus der langjährigen Mitgliedschaft im Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien erworbenen Anwartschaften des Beschwerdeführers wurden nämlich durch das zitierte Bundesgesetz nicht berührt. Die über Antrag des Beschwerdeführers erfolgte, offensichtlich gegen § 75 Abs. 1 Ärztegesetz 1984 in der Fassung BGBl. Nr. 100/1994 verstoßende "Befreiung" des Beschwerdeführers von der Mitgliedschaft im Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien durch den Bescheid des Beschwerdeausschusses des Wohlfahrtsfonds dieser Ärztekammer vom 20. Dezember 1994 bewirkt nach den anzuwendenden Bestimmungen nicht die Mitgliedschaft des Beschwerdeführers im Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Tirol.

Die belangte Behörde hat zutreffend ausgeführt, dass auch das am 11. November 1998 in Kraft getretene Ärztegesetz 1998, BGBl. I Nr. 169/1998, an diesem Ergebnis nichts geändert hat, weil dieses Gesetz in seinem § 109 Abs. 1 für den Fall der Ausübung des ärztlichen Berufes im Bereich mehrerer Ärztekammern eine dem § 75 Abs. 1 Ärztegesetz 1984 völlig gleichende Regelung enthält.

Da nach dem Gesagten bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 20. September 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2001110219.X00

Im RIS seit

27.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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