TE Vwgh Erkenntnis 1997/4/30 95/01/0239

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Veröffentlicht am 30.04.1997
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Bachler, Dr. Rigler und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des H in A, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. A in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. Februar 1995, Zl. 4.345.838/1-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein bosnischer Staatsangehöriger, reiste am 23. April 1992 aus Slowenien nach Österreich ein und stellte am 18. Jänner 1995 einen Asylantrag. Anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am 2. Februar 1995 gab der Beschwerdeführer an, er habe von 1988 bis 1991 in Pula (Kroatien) gearbeitet, sei aber während der Urlaubszeit immer in seine Heimat Gorni Vakuv (Bosnien) zurückgekehrt. Von Oktober 1991 bis Februar 1992 habe er sich erstmals in Österreich aufgehalten. Nach einer kurzen Rückkehr nach Pula bis zum 23. April 1992 sei er erneut über Slowenien nach Österreich eingereist und sei seitdem nicht mehr in die Nachfolgestaaten Jugoslawiens zurückgekehrt. Zur Frage nach seinen Asylgründen gab der Beschwerdeführer an, im Zuge der Bürgerkriegswirrnisse sei sein Haus zerstört worden, seine Familie sei derzeit sehr arm, sie halte sich in einem Flüchtlingslager auf. Er selbst könne nicht mehr nach Bosnien zurück. Zur Frage, ob er in Kroatien einer Verfolgung ausgesetzt sei, gab der Beschwerdeführer an, er werde dort als Bosnier nicht akzeptiert, seit Kroatien ein eigener Staat sei. Kroatien habe er freiwillig verlassen, weil sein Lebensunterhalt nicht gesichert gewesen sei.

Mit Bescheid vom 2. Februar 1995 wurde dieser Antrag vom Bundesasylamt abgewiesen. Begründend führte das Bundesasylamt aus, der Beschwerdeführer habe keinen tauglichen Asylgrund im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention darlegen können. Die Bürgerkriegssituation im Heimatstaat des Beschwerdeführers und deren Auswirkungen würden nach der ständigen Judikatur der österreichischen Behörden und Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts, aber auch nach der Auslegung, die die Genfer Flüchtlingskonvention in anderen Staaten und auf internationaler Ebene gefunden habe, für sich allein nicht die Flüchtlingseigenschaft indizieren. Das Asylrecht habe jedoch nicht zur Aufgabe, vor den allgemeinen Unglücksfolgen zu bewahren, die aus Krieg, Bürgerkrieg, Revolution und sonstigen Unruhen hervorgehen. Wesentlich für den Flüchtlingsbegriff sei die Furcht vor einer gegen den Asylwerber selbst konkret gerichteten Verfolgungshandlung, nicht die Tatsache, daß es Kämpfe zwischen der Gruppe, welcher der Asylwerber angehöre, und anderen Gruppen im Heimatstaat gebe. Auch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen oder religiösen Minderheit gebe als solche noch keinen Grund für die Gewährung von Asyl. Auf Grund der vom Beschwerdeführer dargelegten Sachverhalte komme die Gewährung von Asyl nicht in Frage. Darüber hinaus liege im Falle des Beschwerdeführers der Ausschließungsgrund gemäß § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 vor, weil er über Kroatien und Slowenien, also Drittstaaten, in das österreichische Bundesgebiet eingereist sei. Der Beschwerdeführer behaupte keinerlei Vefolgung durch den kroatischen Staat oder dessen Behörden, weil er selbst ausgeführt habe, das Land freiwillig und unaufgefordert verlassen zu haben. Daß er keinerlei Verfolgung in Kroatien ausgesetzt gewesen sei, sei alleine schon dem Umstand zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer am 12. Februar 1992 freiwillig nach Kroatien gereist sei. Slowenien sei zum Zeitpunkt der neuerlichen Einreise des Beschwerdeführers am 23. April 1992 bereits international anerkannt worden, weshalb der Beschwerdeführer auch in diesem Staat keinerlei Verfolgung zu befürchten gehabt habe.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 22. Februar 1995 gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, die vom Beschwerdeführer bei der niederschriftlichen Vernehmung getätigten Aussagen seien im erstinstanzlichen Bescheid richtig und vollständig wiedergegeben worden, sodaß der diesbezügliche Teil des erstinstanzlichen Bescheides zum Inhalt des Berufungsbescheides erhoben werde. Die Berufungsbehörde schließe sich den Ausführungen des Bundesasylamtes auch im übrigen vollinhaltlich an und erhebe diese zum Inhalt des Berufungsbescheides. Ergänzend fügte die belangte Behörde hinzu, daß nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Asylverfahren das Vorbringen des Asylwerbers die zentrale Entscheidungsgrundlage darstelle, wobei es dem Asylwerber obliege, alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen. Gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 habe der Bundesminister für Inneres über eine zulässige Berufung in jedem Fall in der Sache selbst zu entscheiden und seiner Entscheidung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrundezulegen. Im Fall des Beschwerdeführers treffe keine der Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 zu, bei deren Vorliegen der Bundesminister für Inneres eine Ergänzung bzw. Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen hätte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer bringt im wesentlichen vor, er habe bereits im erstinstanzlichen Verfahren deutlich gemacht, daß die Zerstörung seines Wohnhauses und der Bürgerkrieg Ursache seiner Flucht bzw. seines Asylantrages seien, daß aber weder von den "Vorinstanzen" (gemeint wohl: vom Bundesasylamt) noch von der belangten Behörde Erhebungen bzw. Ermittlungen durchgeführt worden seien, um die tatsächliche und konkrete Gefährdung bzw. Verfolgungsgefahr zu überprüfen. Da die belangte Behörde "lapidar" erkläre, sich den Ausführungen des Bundesasylamtes vollinhaltlich anzuschließen und diese zum Inhalt des angefochtenen Bescheides zu machen, liege ein grober Verfahrensmangel durch Verstoß gegen den Untersuchungsgrundsatz auf Grund der Behauptungen des Beschwerdeführers vor. In diesem Zusammenhang werde auf Kämpfe zwischen Moslems und Kroaten in Bosnien und die Gefahr einer möglichen Rekrutierung des Beschwerdeführers hingewiesen. Unter der Überschrift "inhaltliche Rechtswidrigkeit" rügt der Beschwerdeführer weiters die mangelnde Begründung des angefochtenen Bescheides, der nur auf den erstinstanzlichen Bescheid verweise. Eine nachvollziehbare Begründung fehle.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Soweit der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde habe sich sowohl hinsichtlich der getroffenen Feststellungen als auch der Bescheidbegründung den Ausführungen der Erstbehörde angeschlossen und diese zum Inhalt des angefochtenen Bescheides erhoben, ist ihm die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegenzuhalten, derzufolge diese Vorgangsweise zulässig ist (vgl. u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Oktober 1995, Zl. 95/01/0045). Es kann daher keine Rede davon sein, daß die belangte Behörde eine nachvollziehbare Begründung ihres Bescheides unterlassen habe.

Aber auch das zentrale Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend die Zerstörung seines Wohnhauses und die Bürgerkriegswirren ist nicht geeignet, Verfahrensfehler zu erweisen, bei deren Vermeidung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat (vgl. u. a. die hg. Erkenntnisse vom 27. Mai 1993, Zl. 92/01/0982, und vom 26. März 1996, Zl. 95/19/0026), liegt in dem Umstand, daß im Heimatland eines Asylwerbers Bürgerkrieg herrscht, für sich allein noch keine Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (in Übereinstimmung mit Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention). Selbst wenn man einräumt, daß das Vorliegen einer Bürgerkriegssituation eine aus asylrechtlich relevanten Gründen drohende Verfolgung nicht generell ausschließt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. September 1996, Zl. 95/19/0098), ist im vorliegenden Fall für den Standpunkt des Beschwerdeführers damit nichts gewonnen, weil er es anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme unterlassen hat aufzuzeigen, inwieweit in der behaupteten Zerstörung seines Hauses eine konkret gegen ihn gerichtete Verfolgungshandlung zum Ausdruck komme. Die Beurteilung der Erstbehörde, der sich die belangte Behörde angeschlossen hat, daß die Zerstörung des Hauses in keinem Zusammenhang mit einer gegen den Beschwerdeführer gerichteten Verfolgungshandlung stehe, sondern auf die Bürgerkriegssituation zurückzuführen sei, kann daher nicht als unschlüssig angesehen werden.

Wenn der Beschwerdeführer weiters vorbringt, die belangte Behörde hätte ausgehend vom festgestellten Sachverhalt zur Beurteilung gelangen müssen, daß eine konkrete Bedrohung des Beschwerdeführers etwa durch die ihm drohende Gefahr derartigen Maßnahmen gegeben ist, so übersieht er, daß er im erstinstanzlichen Verfahren die ihm drohende Gefahr derartiger Maßnahmen in seinem Heimatstaat nicht erwähnt hat. Falls der Beschwerdeführer damit aber zum Ausdruck bringen sollte, die belangte Behörde hätte sich mit den Ausführungen in seiner Berufung auseinandersetzen müssen, in der er erstmals vorbrachte, wegen seiner Flucht aus Kroatien im Falle der Rückkehr nach Bosnien "entweder inhaftiert oder zum Kriegsdienst eingezogen" zu werden, so verkennt er auch in diesem Punkt aus folgenden Gründen die maßgebliche Rechtslage.

Gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 hat der Bundesminister für Inneres über eine zulässige Berufung in jedem Fall in der Sache selbst zu entscheiden und seiner Entscheidung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrunde zu legen. Da die Berufungsbehörde ihrer Entscheidung in der Sache selbst das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrunde zu legen hat, besteht grundsätzlich Neuerungsverbot (vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 270 Blg. NR. 18 GP). Durchbrochen wird dieses Neuerungsverbot nur in den Fällen des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991. Nach dieser Bestimmung in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. Nr. 610/1994 hat der Bundesminister für Inneres eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen, wenn es mangelhaft war, der Asylwerber Bescheinigungsmittel vorlegt, die ihm im Verfahren erster Instanz nicht zugänglich waren, oder wenn sich der Sachverhalt, der der Entscheidung erster Instanz zugrunde gelegt wurde, in der Zwischenzeit geändert hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1996, Zl. 95/01/0010).

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer bei seiner schriftlichen Einvernahme in erster Instanz auch nicht andeutungsweise erwähnt, daß er wegen seiner Flucht aus Kroatien bei Beginn der Kriegsereignisse in Bosnien mit Verhaftung oder Einberufung zum "Kriegsdienst" zu rechnen habe. Wenn die belangte Behörde dieses Vorbringen nicht zum Anlaß nahm, eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen, so geschah dies zu Recht, weil keiner der in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 genannten Fälle vorlag. Das Berufungsvorbringen durfte, da es vom Neuerungsverbot gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 erfaßt war, von der belangten Behörde ihrer Entscheidung nicht zugrunde gelegt werden.

Da sich bereits die Schlußfolgerung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei nicht Flüchtling im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991, als zutreffend erweist, braucht auf den von der belangten Behörde ergänzend herangezogenen Asylausschließungsgrund gemäß § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 nicht eingegangen zu werden.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995010239.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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