TE Bvwg Beschluss 2021/1/14 I403 2201097-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.01.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

14.01.2021

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
AVG §68 Abs1
BFA-VG §22
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch


I403 2201097-3/5E

BESCHLUSS

In dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.01.2021, Zl. XXXX erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX (alias XXXX alias XXXX ) geb. XXXX (alias XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX ), StA. Marokko (alias Libyen), hat das Bundesverwaltungsgericht durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin den Beschluss gefasst:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 iVm § 22 Abs. 10 AsylG 2005 sowie § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Der Fremde reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet und stellte erstmalig am 23.08.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er wie folgt begründete:

„In unserem Land kann man nicht arbeiten, wenn man den Behörden kein Schutzgeld bezahlt. Ich mag die marokkanische Regierung und die Gesetze nicht. Die Behörden behandeln normale Menschen wie Tiere.“

In seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) führte er aus, regelmäßigen Kontakt zu seinen Eltern und Geschwistern zu haben, Kinder habe er keine. Marokko habe er verlassen, da es keine Möglichkeiten zur Weiterbildung gegeben habe und man auch keine Arbeit finde. Auf die Frage, was er im Falle der Rückkehr in seine Heimat zu befürchten habe, gab er zur Antwort: „Ich habe keine Angst und ich habe auch keine Probleme in Marokko.“

Mit Bescheid des BFA vom 04.10.2016 wurde der erste Antrag des Fremden auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Marokko gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen. Ein "Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen" wurde ihm gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG unter einem festgestellt, dass seine Abschiebung nach Marokko gemäß § 46 FPG zulässig ist. Gleichzeitig wurde einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Der Fremde war zum Zeitpunkt der Erlassung dieses Bescheides bereits in die Anonymität abgetaucht und an der angegebenen Zustelladresse nicht mehr aufhältig. Der Bescheid erwuchs durch Hinterlegung im Akt mit 19.10.2016 in Rechtskraft I. Instanz.

2. Am 12.10.2016 traten die deutschen Behörden an Österreich heran, mit der Information, dass der Fremde sich zurzeit in Deutschland befinden würde. Mit Antwortschreiben vom 14.10.2016 wurde einer Überstellung des Fremden von Deutschland nach Österreich zugestimmt.

Am 13.04.2017 traten die niederländischen Behörden an Österreich heran, mit der Information, dass der Fremde sich zurzeit in den Niederlanden befinden würde. Mit Antwortschreiben vom 20.04.2017 wurde einer Überstellung des Fremden von den Niederlanden nach Österreich zugestimmt.

Am 21.06.2017 traten die luxemburgischen Behörden an Österreich heran, mit der Information, dass der Fremde sich zurzeit in Luxemburg befinden würde. Mit Antwortschreiben vom 26.06.2017 wurde einer Überstellung des Fremden von Luxemburg nach Österreich zugestimmt.

All die betreffenden Überstellungen des Fremden mussten von den jeweiligen Mitgliedstaaten storniert bzw. ausgesetzt werden, mit der Begründung, dass er sich einer Außerlandesbringung entzogen habe, indem er in die Anonymität abgetaucht sei.

3. Am 27.03.2018 traten die französischen Behörden an Österreich heran, mit der Information, dass sich der Fremde zurzeit in Frankreich befinden würde. Mit Antwortschreiben vom 29.03.2018 wurde einer Überstellung seiner Person von Frankreich nach Österreich zugestimmt. Eine für den 18.04.2018 anberaumte Überstellung musste storniert werden. Am 03.05.2018 konnte der Fremde schließlich erfolgreich von Frankreich nach Österreich überstellt werden.

4. Am 03.05.2018, unmittelbar nach seiner Überstellung aus Frankreich und während seiner Anhaltung in Schubhaft, stellte der Fremde einen Folgeantrag auf internationalen Schutz, den er wie folgt begründete:

„Ich habe keine neuen Gründe. Ich habe in Marokko Probleme. Ich war beim Militär, und bin dann aber davongelaufen.“

Mit Bescheid vom 09.07.2018 wies das BFA den Folgeantrag des Fremden auf internationalen Schutz vom 03.05.2018 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück. Dem Fremden wurde überdies ein "Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen" gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG unter einem festgestellt, dass seine Abschiebung nach Marokko gemäß § 46 FPG zulässig ist. Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde festgestellt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht. Einer Beschwerde wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Überdies wurde gegen den Fremden gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein au die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

Eine gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.07.2018, Zl. I415 2201097-1/5E rechtskräftig als unbegründet abgewiesen.

5. Am 11.09.2018 traten die Schweizer Behörden an Österreich heran, mit der Information, dass sich der Fremde zurzeit in der Schweiz befinden würde. Mit Antwortschreiben vom 12.09.2018 wurde einer Überstellung seiner Person von der Schweiz nach Österreich zugestimmt. Am 24.10.2018 wurde der Fremde auf dem Luftweg von der Schweiz nach Österreich überstellt, entzog sich jedoch erfolgreich den österreichischen Behörden, indem er bereits unmittelbar am Flughafen die Flucht ergriff.

6. Am 25.10.2018 wurde der Fremde, welcher zum betreffenden Zeitpunkt in Österreich bereits fünfmal polizeilich aufgrund diverser Strafrechtsdelikte (mehrere Diebstähle, Raufhandel, Sachbeschädigung) zur Anzeige gebracht worden war, von der Staatsanwaltschaft XXXX zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben.

7. Am 28.10.2018 stellte der Fremde unter einer Alias-Identität und einem Alias-Geburtsdatum seinen dritten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Zu seinem Fluchtgrund befragt, gab er Folgendes an:

"Sie können mich überall hin in Europa abschieben, aber bloß nicht nach Marokko, da ich dort in das Gefängnis muss."

Am 08.11.2018 wurde der Fremde vor dem BFA einvernommen. Hierbei gab er an, er sei nicht in ärztlicher Behandlung, nehme jedoch Schmerzmittel nach einer Operation an der rechten Hand. Befund habe er keinen. Die Fluchtgründe aus seinem Erstverfahren bestünden auf Nachfrage noch immer, neue Fluchtgründe habe er keine. Auf den Vorhalt, dass er zuletzt am 03.05.2018 in Österreich einen Folgeantrag gestellt habe und dieser gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen sowie die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen worden sei, erwiderte er, dass sein Leben hier zerstört und er zwangsweise von Frankreich nach Österreich abgeschoben worden sei. Bei der Überstellung habe er eine Verletzung an der Innenfläche der rechten Hand erlitten. Auf Nachfrage führte er aus, in keiner Lebensgemeinschaft zu leben und keinen Deutschkurs besucht bzw. absolviert zu haben. Er wäre in der Grundversorgung und sei kein Mitglied in Vereinen oder Organisationen in Österreich. Auf den Vorhalt, dass beabsichtigt werde, seinen Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben, sowie dass er eine Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 und Z 6 AsylG 2005 und § 52a Abs. 2 BFA-VG erhalten habe, gab er an, dass er jetzt, obwohl seine Hand bei der Überstellung verletzt worden wäre, keine Versicherung habe. Als er in der Grundversorgung gewesen wäre, hätte er eine Versicherung gehabt. Dem Fremden wurde Gelegenheit gegeben, in aktuelle Länderfeststellungen zu Marokko Einsicht zu nehmen. Davon machte er keinen Gebrauch.

In der Folge wurde mit mündlich verkündetem Bescheid des BFA vom 08.11.2018 der faktische Abschiebeschutz des Fremden gemäß § 12a Abs. 2 iVm § 22 Abs. 10 AsylG 2005 und § 62 Abs. 2 AVG aufgehoben.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.11.2018, Zl. I415 2201097-2/3E wurde die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes für rechtmäßig erklärt.

8. Am 06.03.2019 wurde der Fremde aus der Schubhaft entlassen. Grund hierfür war, dass zum betreffenden Zeitpunkt kein marokkanisches Heimreisezertifikat vorgelegen bzw. die Erteilung eines solchen zeitlich nicht absehbar gewesen sei.

9. Am 30.07.2019 stellte der Fremde einen Antrag auf internationalen Schutz in Frankreich. Dieser Umstand wurde den österreichischen Behörden zur Kenntnis gebracht und mit Antwortschreiben vom 06.08.2019 einer Überstellung seiner Person von Frankreich nach Österreich zugestimmt. Eine Dublin-Überstellung des Fremden aus Frankreich erfolgte nicht.

10. Mit Bescheid vom 06.08.2019 wies das BFA den dritten Antrag des Fremden auf internationalen Schutz vom 28.10.2018 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück. Überdies wurde ihm ein "Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen" gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt.

Nachdem der Fremde unbekannten Aufenthaltes war, erwuchs dieser Bescheid durch Hinterlegung im Akt mit 27.08.2019 in Rechtskraft I. Instanz.

11. Am 04.11.2019 wurde der Fremde in Belgien festgenommen und traten die belgischen Behörden in weiterer Folge an Österreich heran. Mit Antwortschreiben vom 15.11.2019 wurde einer Überstellung seiner Person von Belgien nach Österreich zugestimmt. Eine für den 12.12.2019 anberaumte Dublin-Überstellung fand nicht statt. Am 17.01.2020 konnte der Fremde schließlich erfolgreich von Belgien nach Österreich überstellt werden.

12. Am 17.01.2020, unmittelbar nach seiner Überstellung aus Belgien und nachdem er auf dem Flughafen Wien-Schwechat von Exekutivbeamten übernommen und festgenommen worden war, stellte der Fremde einen vierten Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Mandatsbescheid des BFA vom 18.01.2020 wurde über ihn die Schubhaft verhängt.

Am 29.01.2020 wurde er niederschriftlich vor dem BFA einvernommen. Hierbei zeigte er sich unkooperativ, machte keinerlei Fluchtgründe geltend und gab lediglich an:

„Ich gebe an, dass ich nicht die Wahrheit erzählen werde. Ich möchte die Einvernahme nicht machen. Ich werde mit Ihnen nicht sprechen.“

Auf die Frage des Einvernahmeleiters, ob ihm denn bewusst sei, dass er einen negativen Bescheid erhalten werde, entgegnete er: „Ja, das weiß ich“.

Mit Bescheid vom 30.01.2020 wies das BFA den vierten Antrag des Fremden auf internationalen Schutz vom 17.01.2020 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück. Dem Fremden wurde ein "Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen" gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG unter einem festgestellt, dass seine Abschiebung nach Marokko gemäß § 46 FPG zulässig ist. Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde ausgesprochen, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht. Überdies wurde gegen den Fremden gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

Dieser Bescheid erwuchs mit 15.02.2020 in Rechtskraft I. Instanz.

13. Mit Verbalnote vom 21.10.2020 wurde dem BFA zur Kenntnis gebracht, dass der Fremde seitens den Behörden seines Herkunftsstaates als marokkanischer Staatsangehöriger identifiziert worden sei.

14. Nachdem die BFA-Direktion mit 09.11.2020 bekannt gab, dass es aufgrund der "Covid-19"-Pandemie voraussichtlich bis März 2021 keine geeignete Flugverbindung für eine Abschiebung nach Marokko geben werde, wurde mit Mandatsbescheid des BFA vom 10.11.2020 gemäß § 77 Abs. 1 und 3 iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG über den Fremden ein gelinderes Mittel as die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung seiner Abschiebung angeordnet und ihm aufgetragen, beginnend mit 10.11.2020, im Zeitraum von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr, in einer näher bezeichneten Bundesbetreuungseinrichtung Unterkunft zu nehmen. Überdies habe er sich täglich, beginnend mit 10.11.2020, in einer näher bezeichneten Polizeiinspektion zu melden.

Am 12.11.2020 langte beim BFA eine Mitteilung der LPD XXXX ein, wonach der Fremde seiner Meldeverpflichtung innerhalb der letzten 48 Stunden nicht nachgekommen und niemals in der im Bescheid bezeichneten Polizeiinspektion vorstellig geworden sei. Hingegen sei bereits am 11.11.2020 bekannt geworden, dass er versucht habe, von Italien aus nach Tirol einzureisen und hierbei auf Grundlage des Epidemiegesetzes an der Grenze zurückgewiesen worden sei.

15. Am 23.11.2020 traten die Schweizer Behörden an Österreich heran, mit der Information, dass sich der Fremde zurzeit in der Schweiz befinden würde und hier abermals einen Antrag auf internationalen Schutz eingebracht habe. Nach Zustimmung seitens der österreichischen Behörden wurde der Fremde am 18.12.2020 auf dem Luftweg nach Österreich überstellt.

16. Am 18.12.2020, unmittelbar nach seiner Überstellung aus der Schweiz, stellte der Fremde bei der Grenzpolizei am Flughafen Wien-Schwechat seinen fünften Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, den er im Rahmen seiner Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag wie folgt begründete:

„Ich habe meine Fluchtgründe bereits genannt. Ich habe hohe Schulden in Marokko und kann daher nicht zurück.“

Im Anschluss wurde er auf Anordnung des BFA-Journaldienstes gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 BFA-VG wegen des Vorliegens der Voraussetzungen für Sicherungsmaßnahmen festgenommen und in ein Polizeianhaltezentrum verbracht.

Mit Mandatsbescheid des BFA vom 19.12.2020 wurde über den Fremden gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Schubhaft angeordnet.

Am 05.01.2021 wurde ihm eine schriftliche Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 und Z 6 AsylG 2005 ausgefolgt, mit welcher ihm die Absicht des BFA zur Kenntnis gebracht wurde, seinen Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sacher zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben.

17. Am 11.01.2021 wurde der Fremde niederschriftlich von dem BFA einvernommen. Hierbei gab er an, „ein angstlösendes Medikament und ein Schlafmittel“ einzunehmen, seit er in Haft sei. Auch habe er nach wie vor Schmerzen an der Innenseite seiner rechten Hand, an welcher er „vor ca. zwei Jahren“ operiert worden sei. Die Fluchtgründe aus dem Vorverfahren bestünden auf Nachfrage immer noch, neue Fluchtgründe habe er keine. In Marokko würden sich noch ein Bruder und eine Halbschwester von ihm aufhalten, in Österreich verfüge er über keine Angehörigen und lebe er in keiner Lebensgemeinschaft. Auch gehe er in Österreich keiner Erwerbstätigkeit nach oder sei Mitglied in einem Verein oder einer Organisation.

Auf den Vorhalt, dass beabsichtigt werde, seinen Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben, sowie dass er eine Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 und Z 6 AsylG 2005 und § 52a Abs. 2 BFA-VG erhalten habe, entgegnete der Fremde: „Kein Kommentar“.

Dem Fremden wurde bereits im Vorfeld dieser Einvernahme Gelegenheit gegeben, in die aktuellen Länderfeststellungen zu seinem Herkunftsstaat Einsicht zu nehmen. Auf die Frage, ob er diesbezüglich eine Stellungnahme abgeben wolle, entgegnete er: „In Marokko habe ich nichts, ich werde nicht unterstützt. Ich bin nicht arbeitsfähig wegen meiner Finger, diese schwellen bei Kälte und Wärme an, ich kann nicht einmal ein Glas halten“.

18. In der Folge wurde gegenüber dem Fremden mit mündlich verkündetem Bescheid des BFA vom 11.01.2021 der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 iVm § 22 Abs. 10 AsylG 2005 und § 62 Abs. 2 AVG aufgehoben. Dies wurde damit begründet, dass er in seinem ersten Asylantrag rein wirtschaftliche Erwägungen zum Verlassen seines Herkunftsstaates ins Treffen geführt habe und auch in der nunmehrigen Einvernahme am 11.01.2021 vorbrachte, dass seine Fluchtgründe aus dem Vorverfahren nach wie vor aufrecht seien und er keine neuen Fluchtgründe habe. Es habe sich somit kein asylrelevanter Sachverhalt ergeben, welcher seit rechtskräftiger Abweisung seines ersten Antrags auf internationalen Schutz mit 19.10.2016 neu entstanden sei. Sein nunmehr fünfter Antrag auf internationalen Schutz sei voraussichtlich zurückzuweisen, da der Fremde vorgebracht habe, keine neuen Fluchtgründe zu haben und sich im Hinblick auf seine Person bis zur Bescheiderlassung auch weder eine schwere körperliche oder ansteckende Krankheit noch eine psychische Störung ergeben habe, welche im Falle seiner Abschiebung nach Marokko eine unzumutbare Verschlechterung seines Gesundheitszustandes bewirken würde. Er sei im arbeitsfähigen Alter und sei die elementare Grundversorgung in seinem Herkunftsstaat gewährleistet. Der Fremde verfüge über keine nicht auf das Asylgesetz gestützte Aufenthaltsberechtigung in Österreich. Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände könne nicht festgestellt werden, dass die Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Fremden nach Marokko eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für den Fremden als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Der Fremde verfüge über keine maßgebliche Integration in Österreich. Auch habe sich die allgemeine Lage in seinem Herkunftsstaat nicht entscheidungswesentlich geändert.

19. Der mündlich verkündete Bescheid über die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes wurde der zuständigen Gerichtsabteilung I403 des Bundesverwaltungsgerichts am 13.01.2021 samt dem Verwaltungsakt vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Das BFA hat dem Bundesverwaltungsgericht im Falle einer Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes die Verwaltungsakten unverzüglich zur Überprüfung zu übermitteln. Die Vorlage des Aktes durch das Bundesamt gilt gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 bereits als Beschwerde. Die Pflicht zur Überprüfung des verwaltungsbehördlichen Bescheides wird mit dem Einlangen der Verwaltungsakten, die das BFA zu übermitteln hat, ausgelöst (vgl. die VfSlg 19215/2010 zugrundeliegende Gesetzessystematik).

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt.

Der volljährige Fremde ist marokkanischer Staatsangehöriger. Seine Identität steht fest.

Der erste Antrag des Fremden auf internationalen Schutz vom 23.08.2016 wurde mit Bescheid des BFA vom 04.10.2016 abgewiesen und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen; diese Entscheidung erwuchs mit 19.10.2016 in Rechtskraft. Drei weitere Anträge des Fremden auf internationalen Schutz wurden zwischenzeitlich rechtskräftig wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Zuletzt wurde gegen ihn mit Bescheid vom 30.01.2020, rechtskräftig mit 15.02.2020, eine Rückkehrentscheidung (in Verbindung mit einem auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot) erlassen.

In seinem gegenständlichen fünften Asylverfahren machte der Fremde keine neuen Fluchtgründe geltend.

Er leidet an keiner lebensbedrohlichen oder dauerhaft behandlungsbedürftigen Gesundheitsbeeinträchtigung, die einer Rückführung in seinen Herkunftsstaat entgegensteht.

Weder im Hinblick auf seine Person noch auf die allgemeine Lage in Marokko oder im Hinblick auf die anzuwendenden rechtlichen Bestimmungen ist seit Rechtskraft der Entscheidung über seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz eine maßgebliche Änderung eingetreten.

Der Fremde hält sich seit August 2016 – nicht durchgehend - in Österreich auf; eine nachhaltige Aufenthaltsverfestigung liegt nicht vor. Auch führt er kein Familienleben in Österreich.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Feststellung zur Staatsbürgerschaft und Identität des Fremden ergibt sich aufgrund seiner Identifizierung durch die Behörden seines Herkunftsstaates Marokko, welche dem BFA mit Verbalnote vom 21.10.2020 zur Kenntnis gebracht wurde.

Die Angaben zu den bereits abgeschlossenen Asylverfahren des Fremden ergeben sich aus den vorliegenden Akten. Der Fremde hatte in seinem ersten Asylverfahren rein wirtschaftliche Erwägungen geltend gemacht und erklärte auch im gegenständlichen (nunmehr fünften) Verfahren ausdrücklich, dass seine Fluchtgründe aus dem Vorverfahren nach wie vor aufrecht seien und er keine neuen Fluchtgründe habe. Somit begründete er den gegenständlichen (vierten) Folgeantrag mit jenen Gründen, die bereits Gegenstand seines rechtskräftig abweisend entschiedenen Erstverfahrens waren.

Im Hinblick auf die seitens des Fremden im gegenständlichen Verfahren (abermals) geltend gemachten Schmerzen an seiner rechten Hand, an welcher er „vor ca. zwei Jahren“ operiert worden sei, ist festzuhalten, dass er auch diese Gesundheitsbeeinträchtigung bzw. Operation bereits in seinem dritten Asylverfahren im Jahr 2018 in Österreich geltend gemacht hatte und die seitens des BFA gegenständlich getroffene Feststellung, wonach er weder an einer schweren körperlichen oder ansteckenden Krankheit oder einer psychischen Störung leide, welche im Falle seiner Abschiebung nach Marokko eine unzumutbare Verschlechterung seines Gesundheitszustandes bewirken würde, nicht zu beanstanden ist. Sofern der Fremde nunmehr (ohne medizinische Befunde in Vorlage zu bringen) behauptet, dass seine Finger bei Hitze sowie bei Kälte anschwellen würden, ist darin kein in Bezug auf seine Gesundheitssituation maßgeblich geänderter Sachverhalt zu erkennen, welcher eine neuerliche, umfassende Refoulementprüfung notwendig erscheinen ließe.

Eine maßgebliche Änderung der Lage in Marokko seit Rechtskraft des Bescheides vom 04.10.2016 wurde ebenfalls nicht behauptet und würde eine solche auch nicht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes entsprechen. Es existieren keine Umstände, welche einer Abschiebung aus dem Bundesgebiet nach Marokko entgegenstünden. Nicht zuletzt gilt Marokko gemäß § 1 Z 9 der Herkunftsstaaten-Verordnung (BGBl. II Nr. 145/2019) als sicherer Herkunftsstaat.

Auch eine wie auch immer geartete soziale, berufliche oder integrative Verfestigung des Fremden in Österreich wurde weder behauptet noch formell nachgewiesen und erklärte er zuletzt am 11.01.2021 ausdrücklich vor dem BFA, in Österreich weder Verwandte zu haben noch in einer Lebensgemeinschaft zu leben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss.

Zu A) Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes:

Die in Rede stehende Norm des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 sieht vor, dass das BFA den faktischen Abschiebeschutz eines Fremden, der einen Folgeantrag gestellt hat und bei dem - wie im vorliegenden Fall - die Voraussetzungen des § 12a Abs. 1 AsylG 2005 nicht erfüllt sind, aberkennen kann, wenn drei Voraussetzungen gegeben sind: Erstens muss gegen den Fremden eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG bestehen; zweitens muss die Prognose zu treffen sein, dass der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und drittens darf die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen.

Zur Tatbestandsvoraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 ("Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG"):

Gemäß § 12a Abs. 6 AsylG 2005 bleiben Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG achtzehn Monate ab der Ausreise eines Fremden aufrecht.

In den Erläuterungen zum Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz (Bundesgesetzblatt I Nr. 87/2012) wurde zur Einführung des § 12a Abs. 6 AsylG 2005 erklärt: „§ 12a Abs. 6 entspricht dem geltenden § 10 Abs. 6 AsylG 2005. Im vorgeschlagenen Abs. 6 soll – wie bisher – klargestellt werden, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG und die Ausweisung gemäß § 66 FPG 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht bleiben. Für die Rückkehrentscheidung kann jedoch ein über die 18 Monate hinausgehender Zeitraum vorgesehen sein, wenn nämlich gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG ein längerer Zeitraum festgesetzt wird. Die aufrechte aufenthaltsbeendende Maßnahme ist Voraussetzung für den Entfall und die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes bei Folgeanträgen.“

Zur Vorgängerregelung des § 10 Abs. 6 AsylG 2005 wurde wiederum in den Erläuterungen zum Fremdenrechtspaket 2005 (BGBl. I Nr. 100/2005) festgehalten: „Mit dem neu geschaffenen Abs. 6 soll künftig ein zeitliches Element für asylrechtliche Ausweisungen festgelegt werden. Durch die Ausreise des Fremden aus dem Bundesgebiet wird eine asylrechtliche Ausweisung nicht mehr sofort konsumiert. Damit wird der zielstaatsbezogenen Ausweisung gemäß § 10 mehr Nachdruck verliehen und eine aus systematischen Gründen sachlich gerechtfertigte Abgrenzung zur fremdenpolizeilichen Ausweisung vorgenommen, welche lediglich den Auftrag enthält, das Bundesgebiet zu verlassen und sich auf keinen bestimmten Staat bezieht. Die Ausweisung soll demnach 18 Monate ab Ausreise aufrecht bleiben und erst dann als konsumiert gelten. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Ausreise freiwillig oder im Rahmen einer Abschiebung erfolgt ist. Weiters ist unbeachtlich, ob der Fremde nur einmal oder mehrmals ausgereist und wieder nach Österreich zurückgekehrt ist. Auch ein zwischenzeitlicher Aufenthalt im Herkunftsstaat schadet nicht. Selbstverständlich bleiben Ausweisungen weiterhin ohne Befristung gültig, wenn der Fremde seit Erlassung der Ausweisungsentscheidung das Bundesgebiet nicht verlassen hat. Entsprechend der bisher geltenden Praxis ist unter den Voraussetzungen des § 10 auch in den Fällen des Abs. 6 jede neue Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz mit einer Ausweisungsentscheidung zu verbinden, unabhängig davon, ob die Ausweisung zwischenzeitlich konsumiert ist. Die Frist des Abs. 6 beginnt nach jeder Ausweisungsentscheidung neu zu laufen. Die neue Regelung des Abs. 6 gilt naturgemäß auch für Ausweisungen, die zum Zeitpunkt des InKraft-Tretens dieser Bestimmung schon erlassen waren, auch wenn der Fremde zwischenzeitlich ausgereist ist. Vergleiche in diesem Zusammenhang auch die Änderungen in § 11 Abs. 1 Z 3 NAG und § 73 Abs. 1 FPG.“

Gegenständlich wurde gegen den Fremden zuletzt mit Bescheid des BFA vom 30.01.2020, rechtskräftig mit 15.02.2020, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (in Verbindung mit einem auf die Dauer von fünf Jahren befristeten Einreiseverbot) erlassen und befand er sich in weiterer Folge noch bis zum 10.11.2020 in Österreich in Schubhaft.

Zwar hatte er im Anschluss – entgegen der ihm behördlich auferlegten Anordnung zur Unterkunftnahme in einer Bundesbetreuungseinrichtung und Meldeverpflichtung bei einer Polizeiinspektion – das Bundesgebiet noch einmal unrechtmäßig verlassen, nachdem die Schweizer Behörden am 23.11.2020 mit der Information, dass er in der Schweiz abermals einen Antrag auf internationalen Schutz eingebracht habe, an Österreich herangetreten waren und er am 18.12.2020 aus der Schweiz nach Österreich rücküberstellt worden war. Angesichts seiner Ausreise im November 2020 ist die in § 12a Abs. 6 AsylG 2005 normierte Dauer von 18 Monate zum Entscheidungszeitpunkt gegenständlich jedoch noch nicht abgelaufen, sodass gegen ihn eine nach wie vor durchsetzbare Rückkehrentscheidung vorliegt. Dies wurde im Verfahren auch nicht bestritten.

Zur Tatbestandsvoraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 ("wenn der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist"):

Im Hinblick auf die Bestimmung des § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 führen die Gesetzesmaterialien (RV 220 BlgNR 24. GP 13) aus, dass "eine Grobprüfung in Form einer Prognose über die Zulässigkeit des Antrags" zu treffen sei. Zieht man das vom Gesetz angestrebte Ziel in Betracht, den faktischen Abschiebeschutz nur für "klar missbräuchliche Anträge" beseitigen zu wollen, kann damit nur gemeint sein, dass schon bei einer Grobprüfung die (spätere) Zurückweisung des Folgeantrags auf der Hand liegt, weil sich der maßgebliche Sachverhalt nicht entscheidungswesentlich geändert hat. Nicht jeder Folgeantrag, bei dem eine (spätere) Zurückweisung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG in Betracht kommen könnte, berechtigt daher zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes nach § 12a Abs. 2 AsylG 2005. Es muss sich vielmehr um einen Fall handeln, in dem sich dieser Verfahrensausgang von vornherein deutlich abzeichnet. Nur dann kann auch angenommen werden, dass die Antragstellung in Wirklichkeit den Zweck verfolgt, die Durchsetzung einer vorangegangenen und mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbundenen (rechtskräftigen) Vorentscheidung zu verhindern (vgl. VwGH 12.12.2018, Ra 2018/19/0010).

Auf einen solchen missbräuchlichen Zweck deutet - unter Bedachtnahme auf Art. 41 Abs. 1 lit. b der Verfahrensrichtlinie - etwa auch eine mehrfache Folgeantragstellung hin, wenn dieser keine substanziell neuen und eine andere Beurteilung rechtfertigenden Sachverhaltselemente zugrunde liegen (vgl. zuletzt VwGH 26.03.2020, Ra 2019/14/0079 mwH).

Der nunmehr fünfte Antrag des Fremden auf internationalen Schutz vom 18.12.2020 wird voraussichtlich zurückzuweisen zu sein, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist. Der Fremde hat im gegenständlich Verfahren ausdrücklich erklärt, die bereits im Vorverfahren vorgebrachten Fluchtgründe aufrechterhalten zu wollen und keine neuen Fluchtgründe geltend zu machen. Auch im Hinblick auf seinen Gesundheitszustand oder seine persönlichen Verhältnisse wurden keine Umstände dargetan, welche eine neuerliche, umfassende Refoulementprüfung notwendig erscheinen ließen. Auch die Situation in Marokko hat sich seit dem Vorverfahren nicht entscheidungswesentlich geändert. Es liegt somit kein gegenüber dem Vorfahren maßgeblich geänderter Sachverhalt vor.

Es ist daher davon auszugehen, dass auch der nunmehr fünfte Antrag des Fremden auf internationalen Schutz voraussichtlich (wie bereits seine drei vorangegangenen Anträge) wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein wird.

Zur Tatbestandsvoraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 ("EMRK-Verletzung"):

In seinem ersten Asylverfahren hatte das BFA bereits ausgesprochen, dass der Fremde bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen würde (§ 50 FPG).

Auch in seinem gegenständlichen fünften Asylverfahren vor dem BFA sind keine Risiken für den Fremden im Sinne des § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 hervorgekommen oder substantiiert behauptet worden.

Es sind auch keine wesentlichen in der Person des Fremden liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden, die eine umfassende Refoulementprüfung für notwendig erscheinen lassen würden. Eine lebensbedrohliche Situation ergibt sich durch eine Abschiebung nicht. Nicht zuletzt gilt Marokko gemäß § 1 Z 9 der Herkunftsstaaten-Verordnung (BGBl. II Nr. 145/2019) als sicherer Herkunftsstaat.

Ebenso gibt es keine Hinweise darauf, dass sich sein Privat- oder Familienleben in Österreich entscheidungswesentlich geändert hätte. Er hat keine Verwandten in Österreich und lebt auch in keiner Lebensgemeinschaft. Zudem ist er weder am Arbeitsmarkt integriert, noch verfügt er über einen ordentlichen Wohnsitz.

Im Lichte des § 22 BFA-VG und des eindeutigen Sachverhaltes hatte keine mündliche Verhandlung stattzufinden.

Da insgesamt die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes vorgelegen sind, ist der dazu mündlich verkündete Bescheid des BFA vom 11.01.2021 rechtmäßig erfolgt, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an eine Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Da die in der vorliegenden Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen klar sind und keiner Auslegung bedürfen, geht das Bundesverwaltungsgericht nicht vom Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG aus.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung faktischer Abschiebeschutz faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig Folgeantrag Identität der Sache Privat- und Familienleben real risk reale Gefahr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I403.2201097.3.00

Im RIS seit

10.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

10.03.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten