TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/7 W137 2236559-2

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Veröffentlicht am 07.12.2020
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Entscheidungsdatum

07.12.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §80

Spruch


W137 2236559-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Peter HAMMER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl 469746203 - 200582398 zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge auch als BF bezeichnet) gelangte unter Umgehung der Grenzkontrolle in das österreichische Bundesgebiet und stellte am 16.11.2008 erstmalig einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde bereits am 17.11.2009 rechtskräftig abgewiesen.

2. Der BF stellte am 12.06.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz, der am 08.08.2014 rechtskräftig wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde.

3. Am 24.10.2017 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG. Gegen die erstinstanzliche Abweisung dieses Antrags brachte er fristgerecht eine Beschwerde ein.

4. Am 09.07.2020 wurde der Beschwerdeführer bei einer Kontrolle in einem Wettbüro aufgegriffen. Nach seiner niederschriftlichen Einvernahme am folgenden Tag wurde über ihn die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG angeordnet. Am 16.07.2020 wurde der Beschwerdeführer zur Erlangung eines Heimreisezertifikats (HRZ) zur indischen Botschaft ausgeführt.

5. Im Rahmen der ersten amtswegigen Verhältnismäßigkeitsprüfung gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG durch das Bundesverwaltungsgericht (W278 2236559-1/6Z) wurde mit mündlich verkündetem Erkenntnis vom 09.11.2020 ausgeführt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

6. Mit am 01.12.2020 mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (W222 1409056-2/23Z) wurde die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels (Punkt 3.) abgewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Zum Verfahrensgang (I.1. – I.6.)

Der unter Punkt I.1. – I.6. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

2. Zur Person des BF und zu den Voraussetzungen der Schubhaft:

2.1. Der Beschwerdeführer ist volljährig, nicht österreichischer Staatsbürger und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter. Der Beschwerdeführer verfügt über keine Dokumente, die seine Identität belegen. Der beantragte Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG wurde ihm rechtskräftig nicht erteilt.

2.2. Der Beschwerdeführer ist grundsätzlich gesund und haftfähig.

2.3. Der Beschwerdeführer wird seit 10.07.2020 in Schubhaft angehalten. Das Bundesamt führte am 03.08., 31.08., 22.09. und 28.10.2020 die gesetzlich vorgesehenen Verhältnismäßigkeitsprüfungen nach § 80 Abs. 6 FPG durch. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Vorliegen der Voraussetzungen für die weitere Anhaltung in Schubhaft zuletzt am 09.11.2020 festgestellt.

2.4. Der Beschwerdeführer wurde am 16.07.2020 der indischen Botschaft vorgeführt. Urgenzen bei der Botschaft erfolgten insgesamt achtmal, zuletzt am 05.11.2020.

2.5. Mit einer Abschiebung des Beschwerdeführers ist innerhalb kurzer Zeit nach der Ausstellung des Heimreisezertifikats zu rechnen. Die Zusammenarbeit mit den Indischen Vertretungsbehörden und dem Bundesamt funktioniert grundsätzlich problemlos. Es ist daher mit einer Abschiebung des Beschwerdeführers binnen weniger Monate zu rechnen.

3. Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit:

3.1. Der Beschwerdeführer ist illegal nach Österreich eingereist. Er hat am 16.11.2008 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich gestellt. Am 03.12.2008 wurde der BF aufgrund unbekannten Aufenthalts aus der Grundversorgung entlassen und am 09.12.2008 wiederaufgenommen. Das erste Asylverfahren wurde am 17.11. 2020 rechtskräftig negativ abgeschlossen, der BF kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach, sondern verblieb teilweise ohne aufrechter Meldung im Bundesgebiet. Der BF stellte am 12.06.2014 einen Asylfolgeantrag, der mit Bescheid des Bundesamtes vom 28.07.2014 zurückgewiesen wurde und gleichzeitig eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde. Der Bescheid wurde nach einer erfolgten Wohnsitzerhebung durch die Polizei durch Hinterlegung im Akt rechtswirksam zugestellt. Der BF wurde aufgrund seines Untertauchens mit 10.09.2014 amtlich abgemeldet.

3.2. Es besteht gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme. Der Beschwerdeführer wurde mehrfach bei der Ausübung von unerlaubten Beschäftigungen betreten. Der Beschwerdeführer verfügt nicht über eine durchgängige amtliche Wohnsitzmeldung, sondern hielt sich über lange Zeiträume im Bundesgebiet unter Missachtung der melderechtlichen Bestimmungen, für Behörden und Gerichte nicht erreichbar, im Verborgenen auf. Der Beschwerdeführer missachtete eine mit Bescheid angeordnete Unterkunftnahme vom 21.02.2019. Er wurde am 13.11.2019 unter der Az.: 7 St 148/19k.2 von der StA Wien wegen Verdacht nach § 288 Abs. 1, und § 15 iVm. § 299/1 StGB zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben.

3.3. Der Beschwerdeführer verfügt über keine Familienangehörigen in Österreich. Der Beschwerdeführer hat in Österreich auch keine ausreichend sozialen Kontakte, die ihm vom Untertauchen abhalten würden. Mit dem BF ist eine einfache Unterhaltung auf Deutsch möglich. Der Beschwerdeführer geht in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und hat kein legales Einkommen. Der Beschwerdeführer verfügt über kein zur Sicherung seiner Existenz ausreichendes Vermögen. Der Beschwerdeführer verfügt über Freunde im Bundesgebiet, einer dieser Freunde ist bereit ihn mit bis zu 150 Euro pro Monat finanziell zu unterstützen. Einen gesicherten Wohnsitz kann ihm der Freund nicht zur Verfügung stellen. Es besteht die Gefahr, dass der BF seinen Lebensunterhalt durch illegale Beschäftigung im Bundesgebiet finanzieren würde.

3.4. Eine (relevante) Änderung der Umstände für die Anordnung der Schubhaft und des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes bzw. der Umstände für die Aufrechterhaltung der Schubhaft hat sich seit der letzten gerichtlichen Überprüfung nicht ergeben. Der Beschwerdeführer ist (weiterhin) nicht vertrauenswürdig.

4. Zum staatlich garantierten Rechtsschutz und dem bevollmächtigten Vertreter

4.1. Dem Beschwerdeführer wurde mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes nach Anordnung der Schubhaft ein Rechtsberater amtswegig beigegeben. Diese Beigabe bezieht sich auf den gesamten Anhaltezeitraum in Schubhaft und inkludiert auch jenen Zeitraum, in dem das Gesetz eine regelmäßige engmaschige Verhältnismäßigkeitsprüfung der weiteren Anhaltung vorsieht. Zu den Aufgaben des Rechtsberaters gehört auch die Information über das gesetzlich vorgesehene Rechtsschutzsystem im Zusammenhang mit der Anhaltung in Schubhaft – insbesondere auch über das System der amtswegigen „Haftprüfung“ durch das Bundesamt und das Bundesverwaltungsgericht.

Der Beschwerdeführer erhielt vom „VMÖ“ am 10.07.2020 und am 12.11.2020 jeweils eine „Rechtsberatung FPG“; ebenfalls eine „Rechtsberatung FPG“ erhielt er am 12.11.2020 von der „ARGE Rechtsberatung“. Dazwischen erfolgte regelmäßig „Schubhaftbetreuung“. Er war jedenfalls ab 12.11.2020 vom Regime der gesetzlich vorgesehenen gerichtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfungen (§22a Abs. 4 BFA-VG) und der möglichen Anhaltedauer in Schubhaft (§ 80 FPG) in Kenntnis.

4.2. Beiden in der Rechtsberatung tätigen Organisationen war zudem bereits am 12.11.2020 bewusst, dass die nächste amtswegige Verhältnismäßigkeitsprüfung des Bundesverwaltungsgerichts bereits mit (spätestens) 07.12.2020 abgeschlossen werden muss - und die Aktenvorlage daher spätestens am 30.11.2020 erfolgen muss.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt, in die Akte des Bundesverwaltungsgerichtes das bisherige Schubhaftverfahren des BF betreffend, in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

1. Zum Verfahrensgang:

Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes, dem vorliegenden Gerichtsakt sowie den Akten des Bundesamtes und des Bundesverwaltungsgerichtes die asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren sowie das Schubhaftverfahren des BF betreffend.

2. Zur Person des BF und zu den Voraussetzungen der Schubhaft:

2.1. Die Feststellungen zur Identität des BF beruhen auf dem Inhalt des Verwaltungsaktes. Unstrittig ist, dass der Beschwerdeführer über keine Personal- und Reisedokumente verfügt. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, sind im Verfahren nicht hervorgekommen, ebenso wenig besteht ein Zweifel an der Volljährigkeit des BF. Unstrittig ist, dass er weder asylberechtigt noch subsidiär schutzberechtigt ist. Aus der Aktenlage ergibt sich die rechtskräftige Abweisung des Antrags auf einen Aufenthaltstitel.

2.2. Die grundsätzliche Gesundheit uns Haftfähigkeit des Beschwerdeführers ist aus der Aktenlage ersichtlich. Eine Haftunfähigkeit wurde auch im letzten gerichtlichen Prüfungsverfahren nicht behauptet.

2.3. Dass der BF seit 10.07.2020 in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und den damit übereinstimmenden Angaben in der Anhaltedatei und dem Zentralen Melderegister. Aus der Aktenlage ergeben sich die Termine der amtswegigen Haftprüfungen.

2.4. Die Feststellungen zum HRZ-Verfahren ergeben sich aus der Aktenlage.

2.5. Vor dem Hintergrund der bisher problemlosen Zusammenarbeit mit Indien und der aktuellen Pandemiesituation ist von einer Abschiebung in (spätestens) wenigen Monaten auszugehen. Hierbei sind längere Vorlaufzeiten und die Ausdünnung beziehungsweise zweitweise Einschränkung des zivilen Luftverkehrs zu berücksichtigen.

3. Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit:

3.1. Das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers ist aus der Aktenlage ersichtlich und im Übrigen – unter Einbeziehung der Verhandlung vom 09.11.2020 – auch nicht strittig. Aus diesem ergeben sich auch die Prognoseausführungen, die auf eine Fortsetzung des bisher gezeigten Verhaltens hinauslaufen.

3.2. Die Feststellungen zur rechtskräftigen Rückkehrentscheidung ergeben sich aus der Aktenlage; auch dies wird im Verfahren vom Beschwerdeführer nicht bestritten.

3.3. Die Feststellungen, wonach der BF über keine familiären, beruflichen oder sonstigen sozialen Kontakte in Österreich verfügt und in keiner Weise selbsterhaltungsfähig ist, ergeben sich aus der Aktenlage, insbesondere auch aus dem Protokoll der am 09.11.2020 durchgeführten Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht – eine schriftliche Ausfertigung der damaligen Fortsetzungsentscheidung zur Einbringung einer Revision wurde nicht beantragt. Dass der BF nicht vertrauenswürdig ist, ergibt sich aus dem festgestellten und aktenkundigen bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers.

4. Zum staatlich garantierten Rechtsschutz und dem bevollmächtigten Vertreter

4.1. Die Beigabe eines Rechtsberaters ist im Verwaltungsakt belegt. Aus der einschlägigen gesetzlichen Bestimmung (§ 52 Abs. 2 BFA-VG) „Rechtsberater unterstützen und beraten Fremde oder Asylwerber jedenfalls beim Einbringen einer Beschwerde und im Beschwerdeverfahren gemäß Abs. 1 vor dem Bundesverwaltungsgericht, sowie bei der Beischaffung eines Dolmetschers. Rechtsberater haben den Beratenen die Erfolgsaussicht ihrer Beschwerde darzulegen. Auf deren Ersuchen haben sie die betreffenden Fremden oder Asylwerber auch im Verfahren, einschließlich einer mündlichen Verhandlung, zu vertreten.“ ergibt sich zweifelsfrei, dass die Beigabe nicht während einer Anhaltung hinfällig wird oder erlischt. Dies umso mehr, als der Beschwerdeführer eine Schubhaftbeschwerde auch Monate nach der Inschubhaftnahme oder sogar noch nach Entlassung aus der Schubhaft einbringen kann – und für eben diese Beschwerde der Rechtsberater bei Anordnung der Schubhaft beigegeben worden ist. Dass der Rechtsberater auch das staatliche Rechtsschutzsystem zu erläutern hat, ergibt sich vor diesem Hintergrund zwingend.

Die Termine, an denen der BF während der Anhaltung in Schubhaft Rechtsberatung erhalten hat ergeben sich aus der Anhaltedatei. Es ist auszuschließen, dass dem Beschwerdeführer jedenfalls bei den Terminen am 12.11.2020 nicht die angeführten Normen erläutert worden sind, zumal das Bundesverwaltungsgericht am 09.11.2020 auf deren Basis seine Entscheidung getroffen hat.

4.2. Da die angeführte Entscheidung dem Beschwerdeführer nachweislich zugestellt worden ist, steht außer Zweifel, dass die Rechtsberater spätestens am 12.11.2020 Kenntnis von ihrem Inhalt hatten. Ebenso konnte der Rechtsberater zu diesem Zeitpunkt die im Zusammenhang mit dem Prüfungsverfahren gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG relevanten Fristen problemlos berechnen. Die diesbezügliche Judikatur ist ihm als Rechtsberater zweifelsfrei bekannt. Im Übrigen ist aber auch der Beschwerdeführer selbst zweifelsfrei in der Lage, eine so simple kalendarische Berechnung anzustellen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Spruchteil A)

3.1. Rechtliche Grundlagen

Entsprechend dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 – FrÄG 2015 vom 18.06.2015, BGBl. I Nr. 70/2015, lautet §22a Abs. 4 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) wie folgt:

„§ 22a. (4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.“

§22a Abs. 4 bildet im gegenständlichen Fall die formelle Grundlage, da der Beschwerdeführer seit 10.07.2020 in Schubhaft angehalten wird.

Die in diesem Zusammenhang maßgeblichen (innerstaatlichen) verfassungsrechtlichen Bestimmungen des Art 5 Abs. lit. f EMRK und des Art 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrBVG sowie einfachgesetzlichen Normen des mit 20. Juli 2015 im Rahmen des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2015 – FrÄG 2015 in Kraft getretenen Fremdenpolizeigesetzes 2005 lauten:

Art 5 Abs. 1 lit. F EMRK

(1) Jedermann hat ein Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf einem Menschen nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:
f)         wenn er rechtmäßig festgenommen worden ist oder in Haft gehalten wird, um ihn daran zu hindern, unberechtigt in das Staatsgebiet einzudringen oder weil er von einem gegen ihn schwebenden Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren betroffen ist.

Art 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrBVG

(1) Die persönliche Freiheit darf einem Menschen in folgenden Fällen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:

7. wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern.

§ 76 FPG (in der geltenden Fassung)

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

§ 80 FPG:

§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2.

sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2.

eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3.

der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4.

die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.

3.3. Zulässige Anhaltedauer

Im gegenständlichen Fall besteht kein Zweifel, dass die Feststellung der Identität des Beschwerdeführers (tatsächlich auch „insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokuments“) bisher nicht möglich war.

Zudem bezieht sich das Eintreten eines Abschiebehindernisses aber weder nach dem Wortlaut der unmittelbar anwendbaren Gesetzesbestimmung noch nach der Systematik auf einen Zeitpunkt während der Anhaltung eines Fremden in Schubhaft. Zunächst ist eine solche Einschränkung dem § 80 Abs. 4 FPG – in Hinblick auf sämtliche Varianten - nicht zu entnehmen. Zudem würde die hier relevante Ziffer 1 schlicht ad absurdum geführt, sollte der hier entscheidende Umstand erst während einer Anhaltung in Schubhaft eintreten dürfen, um die verlängerte Anhaltedauer auslösen zu können. Auch Ziffer 3 wäre diesfalls geradezu eine Einladung zur bewussten Obstruktion behördlichen Handelns – demnach würde die verlängerte Anhaltedauer erst dann greifen, wenn sich der Beschwerdeführer einer Abschiebung während einer Schubhaft (gewaltsam) widersetzt, nicht jedoch, wenn vor einem einschlägig – allenfalls auch gewaltsam - vereitelten Abschiebeversuch keine Schubhaft angeordnet worden ist.

Gemäß § 80 Abs. 2 Z 2 FPG darf die Schubhaft „sechs Monate nicht überschreiten“, sofern „kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt“. Damit handelt es sich bei Abs. 4 systematisch um eine nähere Ausgestaltung des § 80 Abs. 2 Z 2 FPG auf gleichem Niveau – effektiv einen Sonderfall - und nicht um eine nachrangige Bestimmung. Dementsprechend können die Voraussetzungen des Abs. 4 FPG auch schon bei Anordnung der Schubhaft vorliegen und beträgt die maximale Anhaltedauer in derartigen Fällen schon von Anfang an 18 Monate. Wobei dies im Übrigen nichts an den Verpflichtungen des § 80 Abs. 1 FPG ändert.

Auch dies wird durch den Gesetzeswortlaut verdeutlicht: dieser sieht eben nicht die Möglichkeit einer Verlängerung um (weitere) 12 Monate – nach Erschöpfen der sechsmonatigen Anhaltung – vor, sondern klar eine „abweichende“ Anhaltedauer von (insgesamt) 18 Monate. Damit steht zweifelsfrei fest, dass der Gesetzgeber bereits die ersten sechs Monate der Anhaltung ebenfalls von § 80 Abs. 4 FPG umfasst sieht – woraus sich zwingend ergibt, dass dessen Voraussetzungen auch schon vor Anordnung der Schubhaft vorgelegen sein können.

Nach Art. 15 Abs. 6 der Rückführungs-RL ermöglicht „mangelnde Kooperationsbereitschaft seitens der betroffenen Drittstaatsangehörigen“ die Verlängerung des Anhaltezeitraum. Das Nicht-Beibringen eines Identitätsnachweises ist als eine solche zu werten. Zudem spricht die Richtlinie ausdrücklich davon, dass eine Abschiebemaßnahme „wahrscheinlich länger dauern wird“ - womit offenkundig eine schlüssige Wahrscheinlichkeitsprognose zur Verlängerung des Anhaltezeitraumes bereits hinreichend ist.

Das Bundesverwaltungsgericht geht daher in der gegenständlichen Entscheidung von einem unzweifelhaften Bestehen der Voraussetzungen des § 80 Abs. 4 Z 1 FPG und (weiterhin) von einer zulässigen maximalen Anhaltedauer von 18 Monaten aus.

3.4. Fortsetzungsausspruch

Gemessen also an § 76 Abs. 3, konkret an dessen ersten Satz „liegt eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 2 - immer noch - vor, da „bestimmte Tatsachen“, nämlich jene bereits im Rahmen der angeführten Beweiswürdigung relevierten, indizieren, dass sich der Beschwerdeführer einer drohenden Abschiebung in den Herkunftsstaat entziehen wird.

Die Gründe, aus denen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Schubhaft anordnete sowie das Bundesverwaltungsgericht diese fortsetzte (Ziffern 1, 3, 8 und 9 des § 76 Abs. 3 FPG), haben sich seither nicht geändert und sind – hinsichtlich der Ziffern 1 (Entziehung aus dem Verfahren, Aufenthalt im Verborgenen) und 3 (rechtskräftige Rückkehrentscheidung, Verfahrensentziehung) sowie 8 (Nichtbefolgen einer mit Bescheid angeordneten Unterkunftnahme) - auch zweifelsfrei belegt.

Für entscheidungsrelevante Änderungen im Zusammenhang mit der Ziffer 9 gibt es keine Anhaltspunkte. Insbesondere wurden solche schon im Rahmen der mündlichen Verhandlung im letzten gerichtlichen Prüfungsverfahren nicht behauptet. Für eine Änderung in den letzten vier Wochen gibt es keinen Hinweis.

Mit der Anordnung gelinderer Mittel kann dementsprechend weiterhin nicht das Auslangen gefunden werden. Angesichts fehlender persönlicher Vertrauenswürdigkeit kommen diese schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in Betracht.

Der Beschwerdeführer war bei Anordnung der Schubhaft haftfähig und ist dies auch weiterhin. Verzögerungen im Zusammenhang mit der Abschiebung, die in der Sphäre des Bundesamtes liegen würden, sind nicht zu erkennen. Vielmehr hat sich das Bundesamt rasch um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates gekümmert.

Die (zum Entscheidungszeitpunkt) voraussichtliche Dauer der Anhaltung ergibt sich aus den oben angeführten Umständen. Festzuhalten ist dabei auch, dass der Beschwerdeführer gegenwärtig erst knapp fünf Monate in Schubhaft angehalten wird, womit noch nicht einmal ein Drittel der gesetzlich zulässigen Anhaltedauer ausgeschöpft worden ist. Eine (derzeit als realistisch anzusehende) Abschiebung in wenigen Monaten (also etwa bis inklusive März) würde eine Anhaltedauer von insgesamt rund acht Monaten bedingen. In diesem Fall wäre noch nicht einmal die Hälfte des zulässigen Anhaltezeitraumes ausgenutzt.

Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Beschwerdeführer durch entsprechend kooperatives Verhalten (allenfalls auch den Antrag auf freiwillige Ausreise) selbst zu einer deutlichen Reduktion der Anhaltedauer beitragen kann.

Aus der begründeten Stellungnahme der HRZ Abteilung der BFA Direktion (zum Verfahren 2236559-1) ergibt sich, dass die Identifizierung von Indischen Staatsangehörigen durch die indischen Behörden nach dem Interview in der Regel 8 bis 14 Wochen in Anspruch nimmt und sich dieser Zeitraum pandemiebedingt verlängern kann. Das Bundesamt hat nach dem Interview am 16.07.2020 insgesamt achtmal - zuletzt am 05.11.2020 - die HRZ Ausstellung urgiert.

Trotz der aktuellen COVID-19 Situation erfolgen auch aktuell Identifizierungen durch die indischen Vertretungsbehörden. Aufgrund der bestehenden guten Kooperation mit der indischen Botschaft, geht das BFA nachvollziehbar davon aus, dass auch in diesem Fall eine Beantwortung des Antrags erfolgt und im Fall einer positiven Identifizierung zeitnah ein HRZ ausgestellt wird.

Schließlich besteht an der Verhinderung von Schwarzarbeit ein großes öffentliches Interesse und es reicht schon das Betreten des Fremden bei der Verrichtung von Schwarzarbeit aus, um die Notwendigkeit der Schubhaft im Hinblick auf die Sicherung eines voraussichtlich zu verhängenden Aufenthaltsverbotes zu rechtfertigen (VwGH 27.04.2000, 2000/02/0088). Darüber hinaus ist der Beschwerdeführer durch sein Verhalten – der ohne Dokumente einreiste und über lange Zeiträume weder für die Fremdenbehörden noch das BVwG und in weiterer Folge auch für die Strafjustiz nicht erreichbar war – verantwortlich für das Erfordernis der Beschaffung eines Heimreisezertifikats. Dass dieses durch die aktuelle Pandemiesituation zusätzlich verzögert wird, ist jedenfalls dem Bundesamt nicht anzulasten.

3.5. Mündliche Verhandlung

Es konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der entscheidungsrelevante Sachverhalt sich als hinreichend geklärt erweist. Dass die gegenwärtige Pandemiesituation Planungen beeinträchtigt und kurzfristige Verschiebungen und Planungsänderungen bedingt, ist ohnehin unstrittig. Gleiches gilt für die Verlängerung der bisher üblichen Zeiten für Identitätsfeststellungen.

Für sonstige Änderungen des entscheidungsrelevanten Sachverhalts, die allfällig eine Verifizierung im Rahmen einer mündlichen Verhandlung erfordern würden, gab es im gegenständlichen Verfahren keine Hinweise.

Spruchteil B) Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
Im vorliegenden Akt findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Insbesondere gilt das für die Auslegung des § 80 Abs. 4 Z 1 FPG aufgrund des klaren Wortlauts und der Systematik der gesetzlichen Bestimmung.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Abschiebung Fluchtgefahr Folgeantrag Fortsetzung der Schubhaft Heimreisezertifikat illegale Beschäftigung Mittellosigkeit öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Schwarzarbeit Sicherungsbedarf Untertauchen Verhältnismäßigkeit Vertrauenswürdigkeit Wohnsitz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W137.2236559.2.00

Im RIS seit

09.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

09.03.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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