TE Vwgh Erkenntnis 1997/5/14 97/03/0018

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Veröffentlicht am 14.05.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KFG 1967 §102 Abs10a;
KFG 1967 §134 Abs1;
VStG §44a Z1;
VStG §44a Z2;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 97/03/0056 E 18. Juni 1997 97/03/0069 E 18. Juni 1997 97/03/0072 E 18. Juni 1997 97/03/0086 E 4. Juli 1997 97/03/0092 E 18. Juni 1997 97/03/0108 E 24. September 1997 97/03/0132 E 24. September 1997 97/03/0137 E 24. September 1997 97/03/0161 E 5. November 1997 97/03/0197 E 26. November 1997 97/03/0219 E 10. Dezember 1997 97/03/0237 E 26. November 1997

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde des J in G, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. M in W, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 27. November 1996, Zl. 15/263-1/1996, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 27. November 1996 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 27. August 1996 um 12.25 Uhr auf der A 12 bei Kilometer 72,0 als Lenker eines nach dem Kennzeichen bestimmten Sattelzugfahrzeuges nicht dafür gesorgt, daß an der Rückseite des Kraftfahrzeuges eine gelbe Warntafel mit rotem Rand angebracht gewesen sei und habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 102 Abs. 10a KFG 1967 begangen, weshalb über ihn gemäß § 134 Abs. 1 KFG 1967 eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,-- (und eine Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend macht und dessen kostenpflichtige Aufhebung beantragt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde ging im wesentlichen davon aus, daß der Beschwerdeführer entgegen der Vorschrift des § 102 Abs. 10a KFG 1967 nicht dafür gesorgt habe, daß an der Rückseite seines Fahrzeuges eine von hinten sichtbare gelbe, reflektierende Warntafel mit rotem, fluoreszierenden Rand angebracht gewesen sei. Er habe auch nicht dargetan, daß an der Rückseite seines Fahrzeuges eine gelbrote Warneinrichtung, die der ECE-Regelung Nr. 70 entsprechen würde, oder gelbrote Folien, die hinsichtlich des Signalbildes und Rückstrahlwirkung den Vorgaben der ECE-Regelung Nr. 70 gleichweitig seien, angebracht gewesen seien. Zweck der genannten Vorschrift - bei der es sich um eine Verhaltensvorschrift für den Lenker auch ausländischer Kraftfahrzeuge handle - sei es, die Auffälligkeit bestimmter Schwerfahrzeuge durch die Anbringung einer zusätzlichen gelbroten reflektierenden Warntafel zu erhöhen. Gegen diese den Beschwerdeführer als Lenker des Fahrzeuges treffende Verpflichtung habe er verstoßen.

Der Beschwerdeführer wendet demgegenüber im wesentlichen ein, daß die Bestimmung des § 102 Abs. 10a KFG 1967 eine Frage der Ausstattung des Fahrzeuges und eine solche der Verkehrssicherheit regle. Diese Bereiche seien durch das Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr, BGBl. Nr. 289/1982, abschließend geregelt. Die Ausstattung des gegenständlichen Fahrzeuges sei nach den deutschen Zulassungsvorschriften ordnungsgemäß, weshalb für den Bereich Deutschlands die Verkehrs- und Betriebssicherheit des Fahrzeuges jedenfalls gegeben sei. Eine Verschärfung der Ausstattungsbedingungen eines Fahrzeuges würde dem Inhalt und dem Zweck des Wiener Übereinkommens zuwiderlaufen. Durch die Bestimmungen des Wiener Übereinkommens sei aber die Anwendbarkeit österreichischer Vorschriften, die die Verkehrssicherheit oder Ausstattung betreffen, auf ausländische Fahrzeuge nicht mehr gegeben. Das Verhalten des Beschwerdeführers sei somit nicht strafbar gewesen. Zumindest sei der Beschwerdeführer einem Rechtsirrtum unterlegen. Darüberhinaus entspreche der Spruch des Straferkenntnisses nicht den Erfordernissen des § 102 Abs. 10a KFG 1967.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 102 Abs. 10a KFG 1967 in der Fassung BGBl. Nr. 162/1995 (18. Kraftfahrgesetz-Novelle) hat (ab 1. Jänner 1996) der Lenker eines (unter anderem) Sattelzugfahrzeuges mit einem höchstens zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3500 kg dafür zu sorgen, daß an der Rückseite des Fahrzeuges eine von hinten sichtbare gelbe reflektierende Warntafel mit rotem, fluoreszierenden Rand annähernd lotrecht und senkrecht zur Längsmittelebene angebracht ist. Werden mit dem genannten Fahrzeug Anhänger gezogen, so hat der Lenker diese Warntafel an der Rückseite des Anhängers anzubringen. In § 102 Abs. 10b leg. cit. werden einige - hier nicht zutreffende - Ausnahmen aufgezählt. Gemäß § 102 Abs. 10c leg. cit. ist die Anbringung der reflektierenden Warntafel gemäß Abs. 10a nicht erforderlich, wenn an der Rückseite des Fahrzeuges 1. die gelb-rote Warneinrichtung, die der ECE-Regelung Nr. 70 zu entsprechen hat, oder 2. gelb-rote Folien, die hinsichtlich des Signalbildes und der Rückstrahlwirkung den Vorgaben der ECE-Regelung Nr. 70 gleichwertig sind, angebracht sind.

Nach den Materialien zur 18. Kraftfahrgesetz-Novelle (93 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates XIX GP.) wurde bei den Bestimmungen dieser Novelle (unter anderem) darauf Bedacht genommen, daß durch die Übernahme der in der Europäischen Union geltenden höchsten zulässigen Gesamtgewichte für Kraftfahrzeuge und Anhänger sich für die Verkehrswirtschaft enorme logistische Probleme bei der Zusammenstellung von Kraftwagenzügen und Sattelkraftfahrzeugen ergäben. Die Auffälligkeit bestimmter Schwerfahrzeuge solle durch die Anbringung einer zusätzlichen gelbroten reflektierenden Warntafel erhöht werden. Die Verpflichtung zur Anbringung dieser Tafel treffe den Lenker und gelte somit als Verhaltensvorschrift auch für Lenker ausländischer Fahrzeuge. Die Anbringung einer gelbroten reflektierenden Warntafel durch den Lenker sei aber nicht mehr erforderlich, wenn am Fahrzeug bereits eine Warneinrichtung im Sinne der ECE-Regelung Nr. 70 (reflektierende Warntafeln zur hinteren Kennzeichnung von langen oder schweren Fahrzeugen) angebracht sei. Bei einer solchen Warneinrichtung handle es sich um einen genehmigungspflichtigen Teil. Anstelle der Warntafel nach der ECE-Regelung Nr. 70 könne das Fahrzeug aber auch mit reflektierenden Folien, die hinsichtlich des Signalbildes (Größe, Ausgestaltung) und der Rückstrahlwirkung der ECE-Regelung Nr. 70 gleichwertig seien, ausgestattet sein. Die Verpflichtung, diese Tafel für den Lenker bereitzustellen, sofern das Fahrzeug nicht mit Warntafeln nach der ECE-Regelung oder den gleichwertigen reflektierenden Folien besonders gekennzeichnet sei, treffe den Zulassungsbesitzer.

Ausgehend hievon kann somit der Interpretation der hier in Rede stehenden gesetzlichen Bestimmungen durch den Beschwerdeführer, es handle sich hier um eine Ausstattungsvorschrift für das Kraftfahrzeug, nicht nähergetreten werden. § 102 KFG 1967 regelt die "Pflichten des Kraftfahrzeuglenkers". Nach dem Einleitungssatz in Abs. 1 dieser Bestimmung darf der Kraftfahrzeuglenker ein Kraftfahrzeug erst in Betrieb nehmen, wenn er sich, soweit dies zumutbar ist, davon überzeugt hat, daß das von ihm zu lenkende Kraftfahrzeug (und ein mit diesem zu ziehender Anhänger) sowie deren Beladung den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften entsprechen. Auch die im Rahmen der 18. Kraftfahrgesetz-Novelle aufgenommene Bestimmung des § 102 Abs. 10a leg. cit. richtet sich an den Lenker eines Kraftfahrzeuges, der dafür zu sorgen hat, daß die in der Bestimmung genannte reflektierende Warntafel zur Erhöhung des Auffälligkeitswertes des von ihm zu lenkenden Fahrzeuges angebracht ist. Lediglich die Verpflichtung zur Bereitstellung der Tafel trifft den Zulassungsbesitzer im Rahmen der Ausstattung des Kraftfahrzeuges und nicht den Lenker. Mit Recht hat die belangte Behörde den Beschwerdeführer aber nicht bestraft, weil er unterlassen hätte, die Tafel bereitzustellen, sondern weil er eine Verhaltensnorm verletzt hat, nämlich nicht dafür Sorge zu tragen, daß die Tafel angebracht ist. Damit ist aber auch aus dem Hinweis des Beschwerdeführers auf das Wiener Übereinkommen für seinen Standpunkt nichts zu gewinnen. Daß an seinem Fahrzeug eine Vorrichtung im Sinne des § 102 Abs. 10c KFG 1967 angebracht gewesen wäre, hat der Beschwerdeführer nicht vorgebracht. Sein Einwand, er sei allenfalls einem Rechtsirrtum unterlegen, ist gleichfalls nicht zielführend, da es auch jedem Lenker mit ausländischer Staatsangehörigkeit, so er im österreichischen Bundesgebiet Kraftfahrzeuge lenkt, zumutbar ist, die österreichischen kraftfahrrechtlichen und straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften zu kennen.

Soweit der Beschwerdeführer anregt, "den EuGH um Vorabentscheidung zu ersuchen", ist nicht ersichtlich, daß es sich im Beschwerdefall um eine vorlagefähige Frage des Gemeinschaftsrechts handelt.

Mit Recht wendet der Beschwerdeführer jedoch ein, daß der Spruch des gegen ihn gefällten Straferkenntnisses mangelhaft sei. Nach dem Inhalt der Bestimmung des § 102 Abs. 10a KFG 1967 ist nicht das Lenken jedes (unter anderem) Sattelzugfahrzeuges ohne die besagte Warntafel strafbar, sondern nur dann, wenn das Kraftfahrzeug ein höchstens zulässiges Gesamtgewicht von mehr als 3500 kg hat. Dieses Tatbestandselement hat die belangte Behörde in den Spruch des Straferkenntnisses nicht aufgenommen und diesbezüglich auch keinerlei Feststellungen getroffen, daß es sich um ein derartiges Sattelzugfahrzeug gehandelt hätte (im übrigen ist auch aus dem Inhalt des Verwaltungsstrafaktes derartiges nicht ersichtlich).

Die belangte Behörde hat daher den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens bezieht sich auf überhöht verzeichneten Stempelgebührenaufwand.

Schlagworte

Mängel im Spruch Fehlen von wesentlichen Tatbestandsmerkmalen Verwaltungsvorschrift Mängel im Spruch

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997030018.X00

Im RIS seit

09.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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