TE Vwgh Erkenntnis 1997/5/15 95/15/0093

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Veröffentlicht am 15.05.1997
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §184 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Mizner, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde der S GesmbH i.L. in P, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat IX) vom 28. April 1995, Zl. 6-94/5044/03, betreffend u.a. Wiederaufnahme der Verfahren (Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer 1988 und 1989), Umsatz- und Körperschaftsteuer 1988 bis 1991, Gewerbesteuer 1988, 1989 und 1991, Einheitswert des Betriebsvermögens zum 1. Jänner 1989 sowie Vermögensteuer ab dem 1. Jänner 1989, zu Recht erkannt:

Spruch

Soweit der angefochtene Bescheid die Wiederaufnahme der Verfahren betrifft, wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Soweit der angefochtene Bescheid Umsatz- und Körperschaftsteuer 1988 bis 1991, Gewerbesteuer 1988, 1989 und 1991, Einheitswert des Betriebsvermögens zum 1. Jänner 1989 sowie Vermögensteuer ab dem 1. Jänner 1989 betrifft, wird er wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 12.770,-- S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine GmbH, deren Gesellschafter TK und Mag. H sind, betrieb das Schwarzdeckereigewerbe. TK war zunächst als Prokurist, ab Mai 1991 als Geschäftsführer für die Beschwerdeführerin tätig. Das Landesgericht für Strafsachen Wien beauftragte in einer Strafsache gegen TK wegen Betruges und Untreue den Wirtschaftstreuhänder Dr. G mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens. Im Gutachten wird u.a. ausgeführt (Seiten 147 ff), nach Gründung der Beschwerdeführerin sei eine Umleitung von Firmengeldern auf Privatkonten erfolgt. Als Beispiele werde auf die Bezahlung von Rechnungen durch die Kunden MS, KD, KG und CN verwiesen. Den von der Wirtschaftspolizei übermittelten Kontenverdichtungen und Belegen betreffend die Privatkonten (der Gesellschafter) seien in Summe ca. 4,6 Mio. S an Gutschriften, Überweisungen und Schecks zu entnehmen gewesen, die nachweislich auf Ausgangsrechnungen der Beschwerdeführerin zurückzuführen seien. Neben diesen belegmäßig als Gelder der Beschwerdeführerin identifizierten Beträgen seien Konteneingänge in Höhe von 1,3 Mio. S festgestellt worden, deren Rechtsgrund nicht unmittelbar nachweisbar sei, mit hoher Wahrscheinlichkeit aber in der Unternehmenstätigkeit der Beschwerdeführerin liege. Es handle sich dabei um Eingänge in Höhe von 916.431,24 S auf dem Konto der C-Bank, um Gutschriften von 306.630,54 S auf dem Konto der R-Bank sowie einen mit dem Betrag von 109.880,-- S auf dem Konto der V-Bank gutgeschriebenen Scheck, insgesamt sohin 1,332.941,78 S. Der von TK außerbücherlich geführten Belegsammlung sei andererseits die Bezahlung von Rechnungen, welche auf die Beschwerdeführerin lauteten, in Höhe von 964.274,55 S zu entnehmen. Eine private Verwendung von Wirtschaftsgütern, die der Gesellschaft verrechnet worden seien, habe nicht erhoben werden können. Eine Teilzahlung der Firma MS über 165.000,-- S sei nachträglich verbucht worden. TK habe die Umleitung der Gelder der Beschwerdeführerin auf Privatkonten damit begründet, daß er Mittel zur Bezahlung von Schwarzarbeitern benötigt habe. In der von Juni 1988 bis September 1991 dauernden Zeitspanne von 40 Monaten seien bei einer durchschnittlichen Anzahl von 22 Arbeitstagen pro Monat insgesamt 880 Arbeitstage angefallen. Unter Annahme einer täglichen Arbeitszeit von acht Stunden und eines Stundensatzes von 60,-- S betrügen die Aufwendungen für zwei Schwarzarbeiter 844.800,-- S. Der Gutachter bringt diesen Betrag in Abzug und ermittelt sohin einen Betrag von ca. 4,1 Mio. S, der der Beschwerdeführerin entzogen worden sei. Der Gutachter führt aber auch aus, TK habe im Gegensatz zu Mag. H angegeben, daß nicht bloß zwei, sondern bis zu zehn Schwarzarbeiter illegal beschäftigt worden seien. Um die finanziellen Auswirkungen dieser nicht weiter belegten Behauptung darzustellen, führte der Gutachter auch eine Berechnung unter der Annahme einer durchschnittlichen Beschäftigung von sieben Schwarzarbeitern durch, verwies aber darauf, daß die Annahme dieser Anzahl von Arbeitskräften im Widerspruch zu den vorgelegten Bautagebüchern stehe. Nach diesen Aufzeichnungen wären beispielsweise in den Wintermonaten einschließlich der offiziell beschäftigten Dienstnehmer zumeist weniger als sieben Arbeiter auf der Baustelle gewesen. Der Gutachter führt jedoch aus, daß bei Annahme einer während des gesamten Jahres gegebenen durchschnittlichen Beschäftigung von sieben Schwarzarbeitern der für die Bezahlung dieser Arbeitskräfte anzusetzende Betrag von 844.800,-- S auf 2,956.800,-- S zu erhöhen wäre, sodaß der der Beschwerdeführerin entzogene Betrag auf 2 Mio. S absinken würde.

Im Jahr 1993 wurde bei der Beschwerdeführerin für den Zeitraum 1988 bis 1991 eine abgabenbehördliche Prüfung durchgeführt. Dabei gelangte der Prüfer zum Ergebnis, die erklärten umsatzsteuerpflichtigen Entgelte seien in Anbetracht der Ausführungen im Gutachten des Dr. G im Schätzungswege zu erhöhen. Sowohl der Betrag, der nach den Ausführungen des Gutachters eindeutig der Beschwerdeführerin entzogen worden sei (4,614.373,89 S) als auch der Betrag, bei welchem dies nicht eindeutig nachvollziehbar sei (1,332.941,78 S) seien - verteilt auf die Jahre 1988 bis 1991 - den Umsätzen und Betriebseinnahmen hinzuzurechnen (Tz. 18 und 25 des BP-Berichtes). Die abziehbare Vorsteuer sei mittels Verprobung von Aufwandskonten zu schätzen, was zu Vorsteuerbeträgen von 490.590,-- S zuzüglich Einfuhrumsatzsteuer von 145.410,-- S im Jahr 1988, 1,091.442,-- S zuzüglich Einfuhrumsatzsteuer von 197.972,-- S im Jahr 1989, 1,341.000,-- S im Jahr 1990 und 1,355.000,-- S im Jahr 1991 führe.

Das Finanzamt nahm die Verfahren betreffend Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer 1988 bis 1991 wieder auf und erließ den Prüfungsfeststellungen entsprechende Sachbescheide.

Die Beschwerdeführerin berief gegen die genannten Bescheide. Sie führte im wesentlichen aus, in den von ihr vorgelegten Bilanzen seien Einnahmen, die nach dem Gutachten als beiseite geschafft bezeichnet worden seien, teilweise bereits erfaßt. Das Finanzamt habe die abziehbaren Vorsteuern geschätzt, obwohl die beschlagnahmten Belege in der Kanzlei des steuerlichen Vertreters der Beschwerdeführerin zur Einsichtnahme bereitgelegen wären und der Prüfer darüber informiert worden sei; gemäß § 183 Abs. 3 BAO sei das Prüfungsorgan zur Einsichtnahme in diese Belege zwecks Beweisaufnahme verpflichtet. Die Nichterfüllung dieser Pflicht stelle eine Verletzung von Verfahrensvorschriften dar. Nach Tz. 25 des BP-Berichtes seien die Gewinne geschätzt worden, die im Gutachten des Sachverständigen Dr. G angeführten Aufwendungen für Schwarzarbeiter und Schwarzeinkäufe seien aber außer Ansatz gelassen worden.

Der Beschwerdeführerin wurde eine Stellungnahme des Betriebsprüfers zur Berufung übermittelt. In dieser Stellungnahme ist u.a. festgehalten, die nicht eindeutig belegmäßig nachvollziehbaren Aufwendungen für "nicht gemeldete Arbeitskräfte" sowie "Schwarzeinkäufe" seien entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen für Betriebsausgaben nicht anerkannt worden; es sei der Betriebsprüfung bewußt, daß solche Aufwendungen getätigt worden seien.

Die Beschwerdeführerin reichte eine Stellungnahme ein, in welcher sie im wesentlichen darauf verwies, daß das Finanzamt auch jene Beträge den Umsätzen und Betriebseinnahmen hinzugeschätzt habe, die nach dem Gutachten des Dr. G lediglich als möglicherweise beiseite geschaffte Gelder bezeichnet würden. Da sich das Finanzamt streng an das genannte Sachverständigengutachten halte, fehle der Beschwerdeführerin das Verständnis dafür, daß die Aufwendungen für die Entlohnung von Schwarzarbeitern und für Einkäufe nicht anerkannt würden. Diese Möglichkeit werde im Sachverständigengutachten auf Seite 153 erläutert und ziffernmäßig auf Seite 154 festgehalten.

Die Umsatz- und Gewinnzuschätzung des Finanzamtes zeitigte Auswirkungen auf den Einheitswert des Betriebsvermögens zum 1. Jänner 1989. Die Beschwerdeführerin berief daher auch gegen die Bescheide betreffend Einheitswert des Betriebsvermögens und Vermögenssteuer ab dem 1. Jänner 1989.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Die Aufzeichnungen der Beschwerdeführerin wiesen keine formelle und materielle Ordnungsmäßigkeit auf, zumal die Geschäftsfälle nicht vollständig und chronologisch richtig verbucht worden seien. Die Aufzeichnungen enthielten Mängel, die geeignet seien, die sachliche Richtigkeit in Zweifel zu ziehen. Es sei daher gemäß § 184 Abs. 3 BAO eine Schätzung vorzunehmen gewesen. Im Rahmen des Schätzungsverfahrens sei auf das in der Strafsache gegen TK erstellte Gutachten eingegangen worden. In diesem Gutachten des Sachverständigen Dr. G sei die Umleitung von Geldern der Beschwerdeführerin auf Privatkonten ihrer Gesellschafter zum Ausdruck gebracht worden. Als Beispiele für derartige Umleitungen seien Zahlungen der Kunden MS, KD, KG und CN angeführt worden. Drei der betreffenden Privatkonten hätten auf den Gesellschafter KT, eines auf den Gesellschafter Mag. H gelautet. Aus den von der Wirtschaftspolizei ermittelten Kontenverdichtungen und Belegen der drei privaten Bankverbindungen (des KT) hätten sich insgesamt Gutschriften im Betrag von 4,6 Mio. S ergeben, die nachweislich auf Leistungen der Beschwerdeführerin zurückzuführen seien. Zusätzlich hätte der Gutachter auf diesen Privatkonten Eingänge in Höhe von 1,3 Mio. S festgestellt, deren Rechtsgrund mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Unternehmenstätigkeit der Beschwerdeführerin liege. Es handle sich dabei um Gutschriften in Höhe von 439.040,91 S, Scheckeinlösungen in Höhe von 190.767,86 S sowie sonstige Eingänge in Höhe von 286.622,47 S auf dem Konto der C-Bank, Verrechnungsscheckeinlösungen in Höhe von 293.454,-- S und weitere Gutschriften in Höhe von 13.176,54 S auf dem Konto der R-Bank sowie einen auf dem Konto der V-Bank gutgeschriebenen Scheck in Höhe von 109.880,-- S. Der Gutachter habe bei der Aufstellung der nicht eindeutig als Gelder der Beschwerdeführerin zu identifizierenden Zahlungen den Betrag von 231.556,51 S außer Ansatz gelassen, weil aufgrund des Umstandes, daß der Gesellschafter Mag. H vor Gründung der Beschwerdeführerin als Einzelunternehmer tätig gewesen sei, nicht ausgeschlossen gewesen sei, daß diese unaufgeklärte Zahlung auf die Einzelunternehmertätigkeit zurückzuführen sei. Der Gutachter sei sohin zu dem Ergebnis gelangt, daß der Beschwerdeführerin Gelder im Ausmaß von 5,947.315,76 S vorenthalten worden seien. In Anbetracht des Umstandes, daß eine exakte zeitliche Zuordnung dieser beiseite geschafften Gelder zu Leistungen der Beschwerdeführerin nicht möglich erscheine, habe das Finanzamt eine gleichmäßige Verteilung auf den Zeitraum Jänner 1988 bis Juli 1991 vorgenommen. Da sich aus dem Gutachten nur Erträge bis Juli 1991 ergäben, habe das Finanzamt für das Jahr 1991 die Summe der Erträge mit jenem Betrag angenommen, der sich aus der beim Finanzamt eingereichten (vorläufigen) Bilanz ergibt. Nicht zutreffend sei daher das Berufungsvorbringen, es sei zu einer Doppelversteuerung gekommen, weil Beträge, die der Gutachter als "beiseite geschafft betitelt" habe, auch in den Bilanzen erfaßt gewesen seien. Auch habe die Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren nicht aufgezeigt, welche Entgelte doppelt erfaßt worden seien. Die Beschwerdeführerin habe lediglich darauf verwiesen, daß in der Bilanz zum 31. Dezember 1990 eine Teilrechnung des Kunden S-Center in Höhe von 900.000,-- S aufscheine, der Kunde CN ein solches S-Center führe und der Gutachter die Einlösung eines Schecks des Kunden CN auf einem Privatkonto des TK als Eingang von Geldern der Beschwerdeführerin gewertet habe. Die belangte Behörde gehe jedoch nicht von einer Doppelerfassung aus. Im Gutachten werde ausgeführt, daß mit Wirksamkeit vom 27. November 1990 am Privatkonto bei der R-Bank ein Scheck in Höhe von 878.921,22 S gutgeschrieben worden sei, dessen Aussteller unleserlich sei, nach den Ausführungen des Gesellschafters Mag. H aber der Kunde CN gewesen sein solle. Insbesondere im Hinblick auf die Unleserlichkeit des Namens des Ausstellers halte die belangte Behörde die Behauptung der Doppelerfassung für nicht erwiesen. Mit Ausnahme der Rechnung an MS über 600.000,-- S, die nur mit einem Teilbetrag "privat kassiert" worden sei, schienen sämtliche über private Bankkonten vereinnahmten Beträge nicht in der Buchhaltung der Beschwerdeführerin auf, wobei zur Verschleierung dieses Umstandes die Nummerierung der betreffenden Ausgangsrechnungen doppelt erfolgt sei. Wenn die Beschwerdeführerin die Berücksichtigung von Ausgaben für "Schwarzeinkäufe" und "nicht gemeldete Arbeitskräfte" begehre, so werde seitens der Behörde festgestellt, daß der Berufung kein konkreter Hinweis zu entnehmen sei, welcher die Mangelhaftigkeit des Betriebsprüfungsergebnisses zu diesem Punkt belegen könnte; eine bei der Beschwerdeführerin durchgeführte Lohnsteuerprüfung habe eine steuerliche Erfassung der nicht gemeldeten Arbeitskräfte nicht zugelassen, es sei daher den nicht eindeutig belegmäßig nachvollziehbaren Aufwendungen für nicht gemeldete Arbeitskräfte entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen betreffend Betriebsausgaben eine Anerkennung als solche genauso zu versagen wie den nicht eindeutig belegmäßig nachvollziehbaren Aufwendungen für "Schwarzeinkäufe". Soweit sich die Beschwerdeführerin dagegen wendet, daß die abziehbaren Vorsteuern geschätzt worden seien, obwohl die beschlagnahmten Belege in der Kanzlei ihres steuerlichen Vertreters für den Betriebsprüfer zur Einsichtnahme aufgelegen seien, zeige sie damit keine Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Die von der Sicherheitsdirektion für Niederösterreich beschlagnahmten Unterlagen für die Jahre 1988 bis 1991 hätten sich im Landesgericht für Strafsachen Wien befunden; im Strafverfahren gegen den Gesellschafter TK sei das Sachverständigengutachten des Dr. G eingeholt worden. Ein anderes Sachverständigengutachten sei nicht vorgelegt worden, obwohl die Erstellung eines solchen bei Beginn der Betriebsprüfung bei der Beschwerdeführerin von TK zugesichert worden sei. Zur Berufung gegen die Wiederaufnahmebescheide führt die belangte Behörde aus, es sei aktenmäßig erkennbar, daß dem Finanzamt erst nachträglich Tatumstände bekanntgeworden seien, weshalb die Verfügung der Wiederaufnahme zu Recht erfolgt sei. Da sich aufgrund der Berufungsentscheidung keine Änderung der Abgabenschulden ergebe, sei auch die Berufung betreffend Einheitswert des Betriebsvermögens und Vermögensteuer abzuweisen.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin meint zunächst, die belangte Behörde sei irrtümlich davon ausgegangen, daß die Erstellung eines Sachverständigengutachtens im Strafverfahren als Beweisaufnahme im Wege der Amtshilfe durch andere Abgabenbehörden im Sinne des § 183 Abs. 2 BAO zu qualifizieren sei. Hiezu genügt der Hinweis, daß der angefochtene Bescheid in keiner Weise erkennen läßt, die belangte Behörde wäre von einer Beweisaufnahme im Sinne der genannten Gesetzesbestimmung ausgegangen.

Weiters bringt die Beschwerdeführerin vor, das im Auftrag des Strafgerichtes erstellte Gutachten sei nicht zur "vollständigen Verwertung im Abgabenverfahren" geeignet.

Das auszugsweise im Verwaltungsakt befindliche Sachverständigengutachten läßt erkennen, daß es neben den mit der Beschwerdeführerin im Zusammenhang stehenden Bewegungen auf Privatkonten der Gesellschafter eine Reihe anderer - für das gegenständliche Verfahren nicht relevanter - Umstände betrifft. Solcherart führt die Beschwerde zutreffend aus, daß das Gutachten für eine "vollständige Verwertung" nicht geeignet war. Der angefochtene Bescheid stellt allerdings keinesfalls eine solche "vollständige Verwertung" des Gutachtens dar.

Der Gutachter hat im gegenständlichen Fall im Auftrag des Strafgerichtes u.a. die Unterlagen zu Konten der Gesellschafter der Beschwerdeführerin eingesehen und ausgeführt, nach diesen Unterlagen würden Gutschriften im Betrag von insgesamt ca. 4,6 Mio. S auf wirtschaftliche Tätigkeiten der Beschwerdeführerin zurückzuführen seien. Hinsichtlich weiterer Gutschriften von ca. 1,3 Mio. S ergebe sich kein Zusammenhang mit privaten Vorgängen der Gesellschafter, weshalb auch diesbezüglich ein Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten der Beschwerdeführerin möglich sei. Aufgrund dieser Feststellungen betreffend die Vorgänge auf den Privatkonten der Gesellschafter sind das Finanzamt und die belangte Behörde davon ausgegangen, die Beschwerdeführerin habe ihre Umsätze von Betriebseinnahmen unvollständig erklärt, in Höhe der erwähnten Beträge (4,6 Mio. S und 1,3 Mio. S) seien Zuschätzungen vorzunehmen.

Weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde tritt die Beschwerdeführerin der Feststellung entgegen, daß ihre Aufzeichnungen formell und materiell nicht ordnungsgemäß, insbesondere unvollständig seien. Solcherart kann die Annahme der Schätzungsbefugnis im Grunde des § 184 Abs. 3 BAO nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Die Beschwerde wendet sich auch dagegen, daß eine Schätzung der Vorsteuern vorgenommen worden ist. Das Prüfungsorgan wäre verpflichtet gewesen, in die in der Kanzlei ihres Steuerberaters aufliegenden Unterlagen einzusehen. Wie sich aus dem entsprechenden Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren ergibt, handelt es sich bei den angesprochenen Unterlagen um das Belegwesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 6. Februar 1992, 88/14/0080, erkannt, eine Pflicht der Abgabenbehörde zur (Re-)Konstruktion von nicht oder nur unzureichend vorgelegten Aufzeichnungen, die der Abgabepflichtige zu führen und vorzulegen verpflichtet war, sei im Gesetz nicht verankert. Wenn die Beschwerdeführerin sohin bloß auf die in der Kanzlei ihres Steuerberaters aufliegenden Belege, nicht aber auf Aufschreibungen im Sinn des § 18 UStG 1972 verweist, zeigt sie nicht auf, daß die belangte Behörde zu Unrecht auch hinsichtlich der Vorsteuern die Schätzungsbefugnis angenommen habe.

Ist eine Schätzung grundsätzlich zulässig, so steht die Wahl der anzuwendenden Schätzungsmethode der Abgabenbehörde im allgemeinen frei, doch muß das Schätzungsverfahren einwandfrei abgeführt, die zum Schätzungsergebnis führenden Gedankengänge müssen schlüssig und folgerichtig sein und das Ergebnis, das in der Feststellung von Besteuerungsgrundlagen besteht, muß mit der Lebenserfahrung im Einklang stehen. Eine Schätzung muß stets auf das Ziel gerichtet sein, diejenigen Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln, die die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben. Hiebei muß die Behörde im Rahmen des Schätzungsverfahrens auf alle vom Abgabepflichtigen substantiiert vorgetragenen, für die Schätzung relevanten Behauptungen eingehen, auch wenn ihre Richtigkeit erst durch weitere Erhebungen geklärt werden muß (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis 88/14/0080).

Die Beschwerdeführerin ist im Verwaltungsverfahren den Feststellungen des Sachverständigengutachtens betreffend die Kontenbewegungen dahingehend entgegengetreten, daß sie vorgebracht hat, einige der vom Gutachter aufgezeigten Gutschriften auf den Privatkonten der Gesellschafter stünden nicht mit der Beschwerdeführerin, sondern mit einer anderen GmbH, an welcher TK beteiligt sei, in Zusammenhang. Soweit das Finanzamt aufgrund der Kontenbewegungen auf nicht erklärte Einnahmen der Beschwerdeführerin geschlossen hat, wurde im Verwaltungsverfahren eingewendet, die Beträge seien teilweise bereits in den Bilanzen der Beschwerdeführerin erfaßt, sodaß teilweise eine Doppelerfassung vorliege und die gleichmäßige Verteilung der festgestellten Kontenschriften auf den Zeitraum Jänner 1988 bis Juli 1991 unzulässig sei. Alle diese Einwendungen werden in der Beschwerde nicht mehr aufrecht erhalten. Grundsätzlich ist daher davon auszugehen, daß es im gegenständlichen Fall schlüssiger Gedankenführung entspricht, aufgrund der Eingänge auf den Privatkonten der Gesellschafter eine Hinzuschätzung bei den Umsätzen und Gewinnen der Beschwerdeführerin vorzunehmen.

Soweit in der Beschwerde vorgebracht wird, der Beschwerdeführerin sei im Verwaltungsverfahren keine Gelegenheit zur "abgabenspezifischen Stellungnahme" zum Sachverständigengutachten eingeräumt worden, übersieht sie, daß sie in ihrer Berufung insbesondere mit dem Einwand der teilweisen Doppelerfassung eine solche Stellungnahme abgegeben hat und es ihr unbenommen gewesen ist, etwa in der Anwort auf die Stellungnahme der Betriebsprüfung zu ihrer Berufung weitere Einwendungen zu erheben. Dieses Beschwerdevorbringen zeigt daher keine Verletzung von Verfahrensvorschriften auf.

Mit dem Einwand, die Behörde habe die für die Erzielung der (hinzugeschätzten) Einnahmen aufgewendeten Ausgaben nicht berücksichtigt, zeigt die Beschwerdeführerin allerdings einen relevanten Verfahrensmangel auf. Sowohl in der Berufung als auch in ihrer Antwort auf die Stellungnahme der Betriebsprüfung zur Berufung, hat die Beschwerdeführerin auf die aus ihren Mitteln auf den Privatkonten der Gesellschafter getätigten Aufwendungen für Schwarzarbeitskräfte und Schwarzeinkäufe hingewiesen. Aus dem Sachverständigengutachten ergibt sich, daß die Beschäftigung von zumindest zwei Schwarzarbeitskräften nicht unwahrscheinlich sei und TK die Abzweigung von Geld der Beschwerdeführerin damit erklärt habe, daß er mit diesen Geldern illegal beschäftigte Arbeitnehmer bezahle (Seite 151 des Gutachtens). Im Gutachten ist auch auf ein Bautagebuch hingewiesen (Seite 153 des Gutachtens), aus welchem sich Schlüsse auf die Zahl der tatsächlich für Bauarbeiten eingesetzten Arbeitnehmer ergeben könnten. Bei dieser Sachlage wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, sich eingehend mit dem Vorbringen betreffend die genannten Aufwendungen auseinanderzusetzen und mit einer nachvollziehbaren Begründung darzulegen, aus welchen Gründen sie die geltend gemachten Aufwendungen nicht berücksichtigt. Mit dem bloßen Hinweis auf - nicht im einzelnen genannte - gesetzliche Bestimmungen und auf eine Lohnsteuerprüfung ist dieser Begründungspflicht der belangten Behörde in keiner Weise Genüge getan worden, wobei zur Lohnsteuerprüfung noch erwähnt sei, daß im Arbeitsbogen des Betriebsprüfers lediglich der hinsichtlich Schwarzarbeiter nicht ungewöhnliche Umstand festgehalten ist, sie seien "lt. LSt-Prüfung" lohnsteuerlich nicht erfaßt und hätten auch in den Bilanzen der Beschwerdeführerin keinen Niederschlag gefunden.

Die genannte Verletzung der Begründungspflicht betrifft nicht nur die Körperschaft- und Gewerbesteuer, sondern auch die Umsatzsteuer, weil die im Verwaltungsverfahren geltend gemachten "Materialeinkäufe" offenkundig jene Beträge betreffen, für die im Sachverständigengutachten ausgeführt ist, daß Rechnungen vorlägen, die auf die Beschwerdeführerin lauteten (Seite 151 des Gutachtens), sodaß auch ein Vorsteuerabzug in Betracht kommt. Überdies wurde bei der Schätzung der Vorsteuern im Wege der "Verprobung" von Aufwandskonten wesentlich auf den Wareneinsatz (und sohin auch auf den Wareneinkauf) abgestellt. Aufgrund der Auswirkungen auf den Einheitswert des Betriebsvermögens erfaßt die Verletzung der Begründungspflicht auch den diesbezüglichen Abspruch des angefochtenen Bescheides sowie den Abspruch betreffend Vermögensteuer.

Aus Gründen der Prozeßökonomie wird für das fortgesetzte Verfahren darauf hingewiesen, daß die belangte Behörde im Rahmen der Schätzung die Beträge von ca. 4,6 Mio S und ca. 1,3 Mio. S (Hinzuschätzung) nicht durch Ausscheiden der Umsatzsteuer in Nettobeträge umgerechnet hat, ohne hiefür eine Begründung anzugeben.

Da selbst bei Anerkennung der im Verwaltungsverfahren geltend gemachten Aufwendungen für "Schwarzarbeit" und "Schwarzeinkäufe" die im Zuge der Betriebsprüfung hervorgekommenen Umstände zu einer bedeutsamen Erhöhung der Umsätze und Gewinne führen, zeigt die Beschwerde eine Rechtswidrigkeit der mit dem angefochtenen Bescheid im Instanzenzug ausgesprochenen Wiederaufnahme der Verfahren nicht auf.

Die Beschwerde war sohin, soweit sie die Wiederaufnahme der Verfahren betrifft, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Im übrigen führt sie - mit Ausnahme des nicht angefochtenen Spruchteiles betreffend die Zurückweisung der Berufung betreffend das Erbschaftssteueräquivalent - zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des gestellten Antrages auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995150093.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

19.03.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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