TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/23 L518 2145382-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.03.2020
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Entscheidungsdatum

23.03.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §18
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch


L518 2145382-1/34E

L518 2145379-1/18E

L518 2145377-1/19E

SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 08.01.2020 MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerden von XXXX , geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX , alle StA. Georgien, die minderjährigen Zweit- und Drittbeschwerdeführer gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter, alle vertreten durch Rechtsanwälte XXXX , gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom XXXX , Zl. XXXX , Zl. XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.01.2020, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

I.1. Die beschwerdeführenden Parteien (in weiterer Folge gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch kurz als „bP1“, „bP2“ und „bP3“ bezeichnet), sind Staatsangehörige der Republik Georgien und brachten nach illegaler Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich am 08.04.2014 bei der belangten Behörde (in weiterer Folge „bB“) Anträge auf internationalen Schutz ein.

Beim den bP2 und bP3 handelt es sich um die beiden minderjährigen Söhne der bP1.

I.2.1. Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte die bP1 im Wesentlichen Folgendes vor:

Sie hätten Georgien verlassen, weil sie Probleme mit ihrem Mann gehabt habe. Ihr Mann sei in Georgien ein sehr aktives Mitglied der Nationalen Bewegung. Die bP1 sei aufgrund von seinem Wunsch auch Parteimitglied geworden. Sie sei vor. Ca. 4 Jahren beigetreten. Sie sei für die Agitationsarbeiten der Bevölkerung zuständig gewesen und ihr Mann sei ihr Chef gewesen. Sie hatten immer Probleme gehabt und ihr Mann sei gewalttätig gewesen. Besonders schlimm sei es dann nach der Wahlniederlage seiner Partei geworden. Einmal habe er sie mit einem Gewehr bedroht und habe ihr das Gewehr an den Kopf gehalten. Er habe ihr vorgehalten, dass sie der Grund war, dass seine Partei verloren hat, weil sie nicht hart genug gearbeitet habe. Ihr Mann habe auch ein Alkoholproblem. Die bP1 sei auch bei der Polizei gewesen und habe ihn angezeigt, sie könne auch alle Unterlagen vorlegen. Ihr Mann sei jedoch Polizist und gegen ihn sei sie machtlos. Er habe sie dreimal brutal geschlagen, sodass sie auch einmal ins Krankenhaus wegen einer Gehirnerschütterung musste. Sie hat Angst vor ihm gehabt und sei sie dann auch zu ihren Eltern gezogen. Diese hätten jedoch kein Verständnis dafür gehabt und sie haben sie gezwungen wieder zu ihm zurückzukehren. Auch ihren älteren Sohn (bP2) habe ihr Mann geschlagen und zuletzt habe er sogar den kleinen Sohn geschlagen. Die bP1 habe davon auch Fotos gemacht. Er habe ihr dann das Handy weggenommen, sie habe aber noch ein paar Fotos auf einen USB-Stick und könne sie die Fotos auch vorlegen. Jetzt würden sich die Wahlen wieder nähern und deshalb habe sich die Situation so sehr angespannt, dass sie es nicht mehr aushalten konnte und mit ihren Kindern geflohen sei. 2012 habe sie auch daran gedacht sich umzubringen, jedoch habe sie dann an ihre Kinder gedacht. Weder ihre Eltern noch die Polizei konnten ihr helfen.

I.2.2. Vor der belangten Behörde brachte die bP1 zum Fluchtgrund zusammengefasst und sinngemäß vor:

Die bP1 habe nie ein gutes Verhältnis zu ihrem Ex-Mann gehabt, doch seit dem Jahr 2012 sei die Situation schlimmer geworden. Grund dafür sei gewesen, dass sie die Partei „Nationale Bewegung“ verlassen wollte. Sie habe in der Partei diverse Arbeiten verrichtet. Sie sei beispielweise zu den Menschen gegangen und habe Werbung für die Partei gemacht. Sie musste für die Partei die Stimmen der Menschen gewinnen und herausfinden ob die Menschen bereit waren ihrer Partei ihre Stimme zu geben. Diese Erhebungen seien dann auch im Parteioffice analysiert worden und Gegenwähler seien dann auch eingeschüchtert worden. Vor den Parlamentschaftswahlen im Jahr 2012 sei dann diese Arbeit unerträglich für sie geworden. Ihre Partei habe mit allen Mittel und falschen Versprechungen versucht, das Ziel des Wahlsieges zu erreichen. Sie habe deshalb nicht mehr mitmachen wollen, ihr Mann habe das aber nicht akzeptieren wollen. Er habe zuerst begonnen sie verbal anzugreifen und sie zu beschimpfen, später habe er dann auch begonnen sie zu schlagen. Er sei aggressiv geworden und habe auch ihren älteren Sohn geschlagen. Als es für die bP1 unerträglich geworden sei, sei sie immer wieder zu ihren Eltern geflohen. Ihre Mutter habe ihr jedoch nicht geholfen und sei sie deshalb immer wieder zurück zu ihrem Mann gegangen. Sie habe aus Angst vor ihrem Mann die Arbeiten in der Partei weitergeführt. Nach der Wahlniederlage der „Nationalen Bewegung“ im Jahr 2012 sei ihr Mann dann noch aggressiver geworden. Er habe sie dann mehrfach brutal geschlagen und habe sie davon zweimal eine Gehirnerschütterung davongetragen. Einmal war es eine sehr schwere Gehirnerschütterung. Einmal sei sogar die Rettung gekommen und die Kinder haben immer alles mitbekommen. Einmal habe er verlangt, dass sie ihm Dokumente ins Parteioffice bringen solle, sie habe dies aber verneint, weil es schon sehr spät gewesen sei und sie nicht mehr hinaus wollte. Er sei dann nach Hause gekommen und war sehr verärgert, er habe eine Tischlampe nach ihrem Sohn geworfen. Er sei dann ins Wohnzimmer gegangen wo er seine Pistole hatte und habe die bP1 bedroht, dass er sie umbringen werde, weil sie gegen ihren Willen handeln würde. Er habe sich von ihr erniedrigt gefühlt. Der Ex-Mann habe sich sodann übergeben, weshalb sie ihm die Pistole aus der Hand reißen konnte. Er meinte dann, dass er sie am nächsten Tag bestrafen würde und dann sei er eingeschlafen. Die bP1 habe dann ihren Bruder angerufen ob er sie und die Kinder holen könne und sie sei dann mit ihren Kindern wieder zu ihren Eltern geflüchtet. Ihre Mutter hätte Angst um ihren eigenen Ruf gehabt und hätte sie die bP1 lieber sterben sehen bevor sie sich von ihrem Mann scheiden lässt. Ihre Mutter habe auch bei ihren Kindern schlecht über sie geredet. Einmal sei dann auch ihr Mann bei der Wohnung ihrer Eltern aufgetaucht und habe von ihr Geld, welches sie gespart hatte, verlangt. Er sei dann wieder handgreiflich geworden und sei sie ohnmächtig geworden und als sie zu sich gekommen sei, seien die Polizei und auch die Rettung in der Wohnung gewesen, ihr Mann jedoch nicht mehr. Im Krankenhaus wurde ihr dann gesagt, dass sie eine Gehirnerschütterung habe. Ihre Tante und ihr Onkel seien bei ihr im Krankenhaus gewesen und seien sie direkt im Anschluss auch zur Polizei gegangen um den Vorfall anzuzeigen. Sie habe bei der Vernehmung ein gutes Gefühl gehabt und gehofft, dass sie die Polizei beschützen würde. Sie habe dort auch die Fotos von dem USB-Stick gezeigt und anschließend sei sie dann zu ihrer Tante gegangen. Dann sei ihr Ex-Mann auch zu ihrer Tante gekommen, er habe sich gerechtfertigt und behauptet, dass sie einen Geliebten habe. Das sei jedoch eine Lüge gewesen. Ihre eigenen Eltern haben ihm auch geglaubt; ihr Onkel und ihre Tante haben jedoch zu ihr geholfen. Sie war in ihrer Not ganz auf sich allein gestellt. Von der zuständigen Richterin die bP1 anschließend nochmals vernommen worden und sie habe die Hoffnung gehabt, dass ihr Ex-Mann für die Taten bestraft werde. Nach zwei Tagen bekam sie einen Anruf von der Richterin, dass nun jemand anderer für das Strafverfahren zuständig sei. Ihr Mann habe ihr auch gesagt, dass sie gegen ihn ohnehin keine Chance hätte. Als sie dann das Schreiben von der Staatsanwaltschaft bekommen habe, habe sie gewusst, dass sie auf sich alleine gestellt war. Ihr einziger Ausweg sei dann gewesen zu fliehen. Sie habe ihm dann vorgespielt ihm zu vergeben und sei in seine Wohnung zurückgekehrt. Sie habe dann ihre Dokumente genommen und sei aus Georgien mit ihren Kindern ausgereist. Auch habe sie ihren Eltern davon nichts gesagt.

I.2.3. Für die bP2 und bP3 wurden, sofern sie nicht in der Fluchtgeschichte genannt wurden, von der bP1 keine weiteren Fluchtgründe vorgebracht. Als gesetzliche Vertreterin gelten die Angaben der bP1 auch für ihre beiden minderjährigen Söhne.

Vorgelegt vor dem BFA wurde von den bP:

?        Original ID Karte bP1, Nr. XXXX

?        Original Geburtsurkunde bP1-3, Nr. XXXX (bP1), Nr. XXXX (bP2), Nr. XXXX (bP3)

?        Parteiausweis „Nationale Bewegung“, Personalausweis Nr. XXXX

?        Diplom Universität Georgien, Fach: XXXX vom XXXX

?        Kursbestätigung Business und Computerkurs der bP1 aus dem Jahr 2002

?        Arbeitsbestätigung November 2009 bis Mai 2010: Kunsultantin bei einem RA in XXXX

?        Schreiben der Staatsanwaltschaft XXXX vom XXXX

?        Beschluss des Strafverfahrens vom XXXX

?        Georgische Scheidungsurkunde

?        Konvolut an Integrationsunterlagen

I.3. Die Anträge der bP1-3 auf internationalen Schutz wurden folglich mit im Spruch genannten Bescheiden der bB vom XXXX gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Georgien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Eine Frist zur freiwilligen Ausreise wurde nicht gewährt und den Beschwerden wurde gem. § 18 (1) Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV. und V.).

In Bezug auf sämtliche bP wurde ein im Spruch inhaltlich gleichlautender Bescheid erlassen, weshalb sich aus dem Titel des Familienverfahrens gem. § 34 AsylG ebenfalls kein anderslautender Bescheid ergab.

I.3.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die bB das Vorbringen der bP1 in Bezug auf die Existenz einer aktuellen Gefahr einer Verfolgung als nicht glaubhaft und führte hierzu Folgendes aus (Wiedergabe aus dem angefochtenen Bescheid in Bezug auf bP1) :

„Geglaubt wird Ihnen, dass Sie gewalttätige Auseinandersetzungen und Meinungsverschiedenheiten mit ihrem Ex-Mann hatten.

Hierbei ist hervorzuheben, dass anhand ihrer vorgelegten Beweismittel – Schreiben der Staatsanwaltschaft XXXX - klar ersichtlich ist, dass ihre Anzeige gegen Ihren Ex-Mann entgegengenommen wurde, woraus zu schließen ist, dass Ihr Heimatland sehrwohl schutzfähig und schutzwillig ist. Dem Beschluss der Bezirksanwaltschaft XXXX vom XXXX ist zu entnehmen, dass die Strafverfolgung von XXXX nicht durchgeführt wird, da diese im Widerspruch zur Strafrechtspolitik steht. Weiters war dem Schreiben zu entnehmen, dass sie zusätzlich befragt wurden und angegeben haben, dass Sie sich mit XXXX versöhnt haben und keine Einwände gegen ihn haben. Gegen den Beschluss der Staatsanwaltschaft gegen die Ablehnung der Durchführung der Strafverfolgung gibt es eine einmalige Beschwerdemöglichkeit. Sie wurden im Zuge der Einvernahme gefragt, ob sie Beschwerde gegen den Beschluss erhoben, woraufhin Sie antworteten, Sie hätten Erfahrung und würden wissen, dass eine Beschwerde „nichts bringen“ würde. Zudem hätte ihnen das auch ihr Ex-Mann bestätigt (Seite 14). Die erkennende Behörde vertritt die Annahme, dass eine derartige Argumentation zur Gänze abzulehnen ist. Sie haben auf eine Beschwerde verzichtet, was nahelegt, dass sie sich mit dem Beschluss der Staatsanwaltschaft einverstanden zeigten. Ihre Behauptung, der Staatsanwalt hätte den Beschluss dahingehend gefälscht, dass Sie sich mit ihrem Ex-Mann versöhnt haben ist ebenfalls absolut sinneswidrig. Ihre Anzeige wurde sichtlich bearbeitet und anschließend der Staatsanwaltschaft übergeben. Dem Beschluss ist eindeutig zu entnehmen, dass Sie sogar zusätzlich befragt wurden, woraufhin Sie schilderten, dass Sie keine Einwände gegen ihren damaligen Gatten hätten.

Ihr Konstrukt, die Staatsanwaltschaft hätte Ihre Anzeige bzw. Ihre Aussage verfälscht, erachtet die erkennende Behörde als unglaubwürdig.

Ein weiteres Indiz Ihrer Unglaubwürdigkeit, betreffend des angeblich verfälschten Beschlusses, konnte Ihren Angaben auf Seite 14 entnommen werden, wo Sie ausführen, dass Ihr Mann Sie im Jänner 2013 mit einer Pistole bedroht hat. Auf Nachfrage ob sie diesen Vorfall anzeigten, gaben Sie an, Sie würden sich nicht mehr genau erinnern. Sie brachten im Laufe der Einvernahme vor, sich mit den Behörden und den Gerichten in XXXX auszukennen, weshalb

Sie nach der angeblichen Bedrohung mit der Pistole nicht unmittelbar die Polizei aufsuchten.

Der Beschluss der Staatsanwaltschaft wurde am XXXX ausgestellt. …

(sinngemäß) Der Vorfall mit der Pistole fand im Jänner 2013 statt, weshalb Sie den Vorfall auch vorbringen hätten können, was Sie jedoch unterließen. Eine logische Begründung haben Sie dafür nicht vorgebracht, weshalb Ihr Vorwurf die Staatsanwaltschaft XXXX sei nicht schutzwillig zur Gänze abzulehnen sei. …

… (sinngemäß) Auch sei nicht glaubwürdig, dass Sie sich nicht daran erinnern können, ob Sie den Vorfall, die Bedrohung mit der Pistole der Polizei geschildert haben.

Die erkennende Behörde vertritt daher die Auffassung, dass der Vorfall mit der Pistole niemals stattgefunden hat.

Ferner steht weder der angebliche Schusswaffenvorfall im Jänner 2013 noch der Beschluss der Staatsanwaltschaft vom XXXX im direkten Zusammenhang mit Ihrer Ausreise, welche erst ein Jahr später, im April 2014, erfolgte (seite 9). Auf Nachfrage der Behörde was genau der Auslöser für den Entschluss war, führten Sie aus, dass Sie gesehen hätten, dass Ihr Leben in Georgien in Gefahr sei und Sie dort niemand schützen könne. Es ist nicht nachvollziehbar, dass Sie den Entschluss zur Ausreise nicht unmittelbar nach den Vorfällen im Jänner bzw. Februar 2013 fassten und zu diesem Zeitpunkt bereits das Land verlassen haben. Aus diesen Grund wird angenommen, dass der Konflikt mit dem Ex-Mann nicht der primäre Grund für die Ausreise gewesen ist (sinngemäß).

Sie hätten durchaus die Möglichkeit gehabt sich an Frauenhäuser und NGO`s zu wenden um von diesen Unterstützung zu erhalten. Auch sei es nicht glaubhaft, dass Sie Ihr Ex-Mann in ganz Georgien finden könne. Sie haben angegeben überlegt zu haben in die Stadt XXXX zu ziehen.

Auch stehe nicht fest, dass der Staat Österreich „mehr“ Schutz bieten könne als Georgien selbst. Georgien ist ein schutzfähiger und schutzwilliger Staat, zudem sprechen Sie die Landessprache auf Mutterspracheniveau und kennen die gesellschaftlichen Strukturen.

.“ …

Die belangte Behörde ging weiter davon aus, dass sich die bP an die staatlichen Behörden wenden können und sich die Lage im Heimatland vermutlich bereits entschärft habe.

I.3.2. Zur abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Georgien traf die belangte Behörde ausführliche und schlüssige Feststellungen. Aus diesen geht hervor, dass in Georgien von einer unbedenklichen Sicherheitslage auszugehen und der georgische Staat gewillt und befähigt ist, auf seinem Territorium befindliche Menschen vor Repressalien Dritter wirksam zu schützen. Ebenso ist in Bezug auf die Lage der Menschenrechte davon auszugehen, dass sich hieraus in Bezug auf die bP ein im Wesentlichen unbedenkliches Bild ergibt. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass in der Republik Georgien die Grundversorgung der Bevölkerung gesichert ist, eine soziale Absicherung auf niedrigem Niveau besteht, die medizinische Grundversorgung flächendeckend gewährleistet ist, Rückkehrer mit keinen Repressalien zu rechnen haben und in die Gesellschaft integriert werden. Ebenso besteht ein staatliches Rückkehrprogramm, welches ua. materielle Unterstützung für bedürftige Rückkehrer bietet.

Zum konkreten Vorbringen der bP stellte die bB fest, dass eine staatliche Verfolgung gegen Mitglieder der Nationalen Bewegung auszuschließen sei und sofern eine Verfolgung wegen der politischen Gesinnung vorgebracht wurde diese lediglich im Zusammenhang mit der Bedrohung durch den Ex-Mann steht.

I.3.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass sich keine Hinweise auf einen unter § 57 AsylG zu subsumierenden Sachverhalt ergeben und die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in die durch Art. 8 EMRK geschützten Rechte darstellt.

Der Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt, weil die Beschwerdeführer aus einem sicheren Herkunftsstaat (§19 BFA-VG) stammen.

I.4. Gegen die im Spruch genannten Bescheide wurde innerhalb offener Frist hinsichtlich aller Spruchpunkte Beschwerde erhoben.

In der Beschwerde wurden die Bescheide wegen Feststellungsmängel sowie falscher rechtlicher Beurteilung zur Gänze angefochten und die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde beantragt. Im Wesentlichen wurde vorgebracht, die erkennende Behörde habe es unterlassen den entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen festzustellen. Der Behörde ist sohin eine Verletzung der Ermittlungspflicht iSd Rechtsprechung der Höchstgerichte vorzuwerfen. Das Vorbringen der bP1 wurde zu Unrecht als unglaubwürdig befunden ohne Nachforschungen und Ermittlungen zu tätigen. Allein der Umstand das die Anzeige gegen den Ex-Mann entgegengenommen wurde zeige noch nicht die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates. Eine Beschwerde hätte de facto „nichts gebracht“. Die bP1 war mit dem Beschluss nicht einverstanden.

Des Weiteren wurde aus dem Länderinformationsblatt zitiert, wonach die „Justiz bei Kriminalfällen weiterhin dem Einfluss der Staatsanwaltschaft und der Exekutive ausgesetzt ist, speziell, wenn politisches Interesse berührt sei.“ (Seite 34 des angefochtenen Bescheids). Auch werden die Passagen aus dem LIB zu Georgien hinsichtlich häuslicher Gewalt zitiert und ausgeführt, dass sich die Reaktion der Polizei oft nur auf Verwarnungen beschränkt.

Die Angaben der bP1 waren während des gesamten Verfahrens gleichbleibend und die Rückkehrbefürchtungen nachvollziehbar. Vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen erscheinen die Angaben durchaus glaubhaft. Im Falle der Rückkehr sei mit einer Verfolgung durch den Ex-Mann der bP1 XXXX zu rechnen, da man den Schutz des Heimatlandes nicht in Anspruch nehmen kann. Die bP laufen daher Gefahr bei Rückkehr in ihren, durch die EMRK gewährleisteten Rechte verletzt zu werden. Staatliche Hilfe ist nicht zu erwarten.

Ferner habe die Behörde festgestellt, dass keine Umstände festgestellt werden können, die auf ein schützenswertes Privatleben in Österreich hinweisen. Diesbezüglich seien die der Behörde vorgelegten Integrationsunterlagen nicht hinreichend gewürdigt worden. Die bP1 habe bereits gute Deutschkenntnisse erworben und sei die Prüfung B1 im Februar 2017 geplant. Sie habe während ihres Aufenthalts in Österreich im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten gemeinnützige Arbeiten in der Gemeinde XXXX geleistet und habe auch zwei Zusagen für eine Arbeit.

Seit September 2014 befindet sich die bP1 in einer Beziehung zu Herrn Dr. med. univ. Mhd XXXX (geb. XXXX ), StA Syrien, der in Wien als XXXX arbeitet. Der Freund sei bereit für alle Kosten aufzukommen, solange die bP1 noch nicht selbsterhaltungsfähig ist. Es sei daher von einem schützenswerten Privatleben auszugehen und überwiege das Interesse am Verbleib in Österreich. Die Rechtsprechung schütze nicht nur eheliche Beziehungen und deren Kindern, sondern auch uneheliche Beziehungen, wenn sie eine gewisse Intensität aufweisen.
Zum Privatleben wäre zumindest auch der Lebensgefährte der bP1 zu befragen gewesen. Auch sei von einem schützenswerten Privatleben auszugehen, da sich die bP bereits seit über drei Jahren in Österreich aufhalten. Eine Abwägung sei daher erforderlich. Im vorliegenden Fall liege eine Verletzung des Art.8 EMRK vor.

Vorgelegt mit der Beschwerde wurde von den bP:

?        Konvolut an Unterstützungsschreiben (z.B.: Sportverein XXXX hinsichtlich Lazare und Georgi (bP2-3), Volksschullehrerein XXXX (VS XXXX ), Lehrerin XXXX , Dr. XXXX , XXXX der Marktgemeinde XXXX )

?        Einstellungsbestätigung Cafe XXXX

?        Österreichische Anerkennung des syrischen Medizinstudiums des Lebensgefährten ( XXXX XXXX )

?        Unterstützungsschreiben des Lebensgefährten (AS 469)

I.5. Die Beschwerdevorlage langte am 23.01.2017 beim BVwG, Außenstelle Linz ein.

Nach Einlangen der Beschwerdeakte wurde im Rahmen einer Prüfung des Vorbringens festgestellt, dass den Beschwerden die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG zuzuerkennen ist (Beschluss BVwG vom 30.01.2017).

I.6. Mit E-Mail vom 16.03.2018 wurde dem Gericht bekannt gegeben, dass die Beschwerdeführenden Parteien die Rechtsanwälte XXXX , RA in XXXX , mit ihrer rechtsfreundlichen Vertretung beauftragt haben.

1.7. Für den 08.01.2020 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.

1.8. Am 16.12.2019 erfolgte die Anfrage an den Verbindungsbeamten für Georgien und Aserbaidschan in Tiflis, Herrn Attache XXXX , ob es in Georgien eine vergleichbare Regelung zu § 38a SPG gebe.

1.9. Am 17.12.2019 langte die Anfragebeantwortung von Herrn Attache XXXX bei Gericht ein.

1.10. Im Anschluss wurde das Ergebnis der Beweisaufnahme, sowie die Länderfeststellungen zu Georgien, Stand 12.09.2019, den Parteien des Verfahrens übermittelt und ihnen die Möglichkeit gegeben innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung dazu Stellung zu nehmen.

1.11. Bei der am Ladungstermin durchgeführten Beschwerdeverhandlung nahm die bP1 und deren rechtliche Vertretung, Herr Dr. XXXX , XXXX XXXX teil. Ein Vertreter der belangten Behörde ist nicht erschienen.

Nach Einvernahme der bP1 wurde der bP1 folgende Erkenntnisquellen genannt, deren Inhalt mit ihr erörtert und ihr die Möglichkeit gegeben dazu ausführlich Stellung zu nehmen:

- LIB der Staatendokumentation Georgien, 12.9.2019

- Bericht des AA über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien, 19.10.2019 - Gesetz von Georgien Nr. 3143 zur Beseitigung häuslicher Gewalt, Schutz und Unterstützung von Opfern häuslicher Gewalt

Im Anschluss wurde das Erkenntnis des BVwG am selben Tag mündlich verkündet.

Die Beschwerde der bP1-3 wurden als unbegründet abgewiesen. Die Revision wurde gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

Die bP1 wurden iSd § 29 Abs. 2 a VwGVG über das Recht, binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift eine Ausfertigung gemäß § 29 Abs. 4 zu verlangen bzw. darüber, dass ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision beim Verwaltungsgerichtshof und der Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof darstellt, belehrt.

Nach Verkündung des Erkenntnisses wurden der bP1 sowie deren rechtsfreundlichen Vertretung, eine Ausfertigung der Niederschrift ausgefolgt.

I.12. Im Verfahren vor dem BVwG wurden folgende Unterlagen von den bP in Vorlage gebracht:

?        Kopie des georgischen Reisepasses Nr. XXXX , Kopie georg. Führerschein Nr. XXXX (bP1)

?        Arztbrief Dr. XXXX , Facharzt Kinder und Jugendheilkunde ( XXXX ) hinsichtlich bP3 vom 30.01.2017 (Diagnose Rhinokonjunktivitis)

?        Arztbrief Landeskrankenhaus XXXX , Psychiatrie und Psychotherapie vom 20.03.2018, bezüglich bP1 (Diagnose Anpassungsstörung und depressive Reaktion)

?        Kopie Mietvertrag vom 01.04.2018

?        Einstellungszusage XXXX vom 10.02.2019 und XXXX XXXX vom 12.04.2019

?        Dienstvertrag XXXX vom 23.12.2019

?        Bestätigung Rot Kreuz Kurs vom 15.12.2017 (bP1)

?        Teilnahmebestätigungen Deutschkurs B1 (März-September 2017), Modul Gesundheit (August-September 2017), Deutschkurs B1 (Februar bis Oktober 2018)

?        Bestätigung der Fußballvereine, in welchen der P3 trainiert.

?        Konvolut an aktuellen Unterstützungsschreiben (ua. Herrn Dr. XXXX - Lebensgefährte)

I.13. Mit Schriftsatz vom 09.01.2020 wurde die schriftliche Ausfertigung der mündlich verkündeten Erkenntnisse begehrt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

II.1.1. Die beschwerdeführenden Parteien:

II.1.1.1.

Die Identität der bP1-3 steht fest.

Bei den bP1-3 handelt es sich um im Herkunftsstaat der Mehrheits- und Titularethnie angehörige Georgier, welche sich zum Mehrheitsglauben des Christentums bekennen.

Die bP1 ist eine junge, gesunde, arbeitsfähige und gebildete Frau mit bestehenden familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer –wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich- gesicherten Existenzgrundlage.

Die Pflege und Obsorge der minderjährigen bP2-3 (Söhne der bP1) ist durch ihre Mutter und der Familie ihrer Mutter im Heimatland gesichert.

Die bP stammen aus einem Staat, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist und andererseits gehört die bP keinem Personenkreis an, von welchem anzunehmen ist, dass sie sich in Bezug auf ihre individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. So war es den bP auch vor dem Verlassen Georgiens möglich, dort ihr Leben zu meistern.

Auch steht es der bP1 frei, bei Rückkehr wieder einer Beschäftigung nachzugehen. Die bP1 hat einen Abschluss in XXXX (Universität Tiflis) und auch in Modedesign und hat zuletzt in Georgien bei einem Rechtsanwalt gearbeitet. Auch ist es ihr zuzumuten bei Rückkehr zumindest Gelegenheitsarbeiten anzunehmen oder das –wenn auch nicht sonderlich leistungsfähige- Sozialsystem des Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen.

Sämtliche Familienangehörige der bP1 und ihrer Kinder leben in Georgien. Die Eltern und der Bruder der bP1 leben noch in Georgien. Der Bruder der bP1 lebt dort bereits mit seiner eigenen Familie. Auch leben noch Tanten und Onkel, sowie Cousins und Cousinen der bP1 in Georgien. Die bP haben auch regelmäßig Kontakt zu ihrer Familie in Georgien. Die bP2-3 telefonieren mit ihren Großeltern und die bP1 hat auch Kontakt zu ihrer Cousine. Es ist daher zu erwarten, dass die bP bei Rückkehr in ihr Heimatland Unterstützung durch ihre Familie erwarten können und nicht Gefahr laufen in eine existenzbedrohende oder dauerhaft aussichtlose Lage zu geraten.

Darüber hinaus ist es den bP unbenommen, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden oder das georgische Unterstützungsprogramm für Rückkehrer in Anspruch zu nehmen.

Alle drei BF sind überwiegend gesund. Die bP1 leidet unter einer psychischen Belastung und wurde ihr im März 2018 im Landeskrankenhaus das Medikament Serequel 25mg (2 Tabletten tägl.) verschrieben. Die bP3 (Sohn) leidet unter einer Allergie. Eine schwere Krankheit welcher Abschiebungsrelevanz zukommen könnte, liegt nicht vor.

Die bP1-3 sind am 08.04.2014 illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

Die bP1-3 haben in Österreich keine weiteren, nicht zur Kernfamilie zu zählende Verwandten. Sie möchten offensichtlich ihr künftiges Leben in Österreich gestalten und halten sich seit April 2014 im Bundesgebiet auf. Sie reisten rechtswidrig und mit Hilfe einer Schlepperorganisation in das Bundesgebiet ein. Sie haben sich seit ihrer Ankunft in Österreich ein soziales Netz an Freunden und Bekannten aufgebaut und besuchen auch regelmäßig Kurse und haben die Marktgemeinde XXXX gemeinnützig unterstützt, was durch die Empfehlungsschreiben des XXXX hervorgeht. Insbesondere war die bP1 unterstützend für die Integrationsbeauftrage Frau Dr. XXXX tätig (von welcher ebenfalls ein Empfehlungsschreiben stammt). Die beiden Kinder bP2-3 sind im Fußballverein XXXX aktiv und belegt die Vielzahl an Unterstützungen, dass es sich bei den bP1-3 um freundliche Menschen handelt, die gerne in Kontakt mit anderen Menschen stehen. Die bP1 hat seit 2014 eine Beziehung zu einem Arzt namens Dr. XXXX , welcher aus Syrien stammt und welchem in Österreich der Status des Asylberechtigten zukommt. Die bP1-3 leben mit dem Lebensgefährten der bP1 nicht in gemeinsamen Haushalt. Die bP1 hat in Österreich eine Prüfung auf dem Niveau A2 erfolgreich abgeschlossen und bereits Kurse auf dem Niveau B1 besucht. Ein Erfolgsnachweis auf dem Niveau B1 wurde nicht erbracht. Die bP leben in Österreich seit ihrer Ankunft in Österreich von der Grundversorgung. Seit 01.05.2018 leben die bP privat in einer Unterkunft, jedoch beziehen sie nach wie vor Leistungen aus der Grundversorgung.

Die bP1-3 sind strafrechtlich unbescholten.

II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Georgien:

Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es sich bei Georgien um einen sicheren Herkunftsstaat gem. § 19 BFA-VG handelt.

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat werden folgende Feststellungen getroffen:
1.         Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen

Keine aktuellen Kurzinformationen vorhanden.


2.         Sicherheitslage

Die Lage kann in den meisten Landesteilen als stabil bezeichnet werden. Die Konflikte um die beiden separatistischen georgischen Regionen Abchasien und Südossetien sind indes ungelöst und verursachen Spannungen. Trotz vordergründiger Beruhigung der Lage kann ein erneutes Aufflammen des Konfliktes zwischen Abchasien bzw. Südossetiens und Georgien nicht ausgeschlossen werden (EDA 13.8.2019).

Die EU unterstützt durch die Arbeit des EU-Sonderbeauftragten für den Südkaukasus und die EU-Beobachtermission (EUMM) aktiv die Bemühungen um Konfliktlösung. 2009 wurde der Incident Prevention and Response Mechanism (IPRM) geschaffen, der Risiko- und Sicherheitsfragen der Gemeinden in den abtrünnigen Regionen Abchasiens und Südossetens erörtern soll (EC 30.1.2019).

Quellen:

?        EC - European Commission (30.1.2019): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2019) 16 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/2019_association_implementation_report_georgia.pdf, Zugriff 30.1.2019

?        EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (13.8.2019): Reisehinweise für Georgien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/georgien/reisehinweise-georgien.html, Zugriff 13.8.2019
3.         Politische Lage

In Georgien finden regelmäßig kompetitive Wahlen statt. Nachdem der Demokratisierungsprozess in den Jahren 2012-13 an Dynamik gewann, kam es in den letzten Jahren zu einer Stagnation der Fortschritte. Oligarchen haben übergroßen Einfluss auf Politik und politische Entscheidungen und die Rechtsstaatlichkeit wird nach wie vor durch politische Interessen behindert. Das politische Leben in Georgien ist lebendig. Neue politische Parteien können in der Regel ohne Behinderungen gegründet werden und zu den Wahlen antreten. Allerdings war die politische Landschaft von der Dominanz abwechselnd einer Partei geprägt, was die Entwicklung und Stabilität konkurrierender Gruppen gehemmt hat (FH 4.2.2019).

Georgien hat eine doppelte Exekutive, wobei der Premierminister als Regierungschef und der Präsident als Staatsoberhaupt fungiert. Der Präsident wurde bis 2018 durch Direktwahl für maximal zwei Amtszeiten von je fünf Jahren gewählt.(FH 4.2.2019).

Die ehemalige Außenministerin Salome Zurabishvili wurde am 28.11.2018 zur Präsidentin des Landes gewählt. Offiziell als unabhängige Kandidatin, jedoch unterstützt von der Regierungspartei „Georgischer Traum“, setzte sie sich in der Stichwahl mit fast 60% gegen ihren Konkurrenten Grigol Vashadze durch, welcher insbesondere von der oppositionellen Vereinigten Nationalen Bewegung von Ex-Präsident Saakashvili unterstützt wurde (FAZ 29.11.2018; vgl. CW 29.11.2018). Die OSZE beurteilte den Wahlgang als kompetitiv und gut administriert, wobei der Wahlkampf von einer scharfen Rhetorik und Demonstrationen begleitet war. Hauptkritikpunkte waren allerdings die einseitige Verwendung staatlicher Verwaltungsressourcen sowie die Berichterstattung des öffentlichen Rundfunks zugunsten von Zurabishvili (OSCE/ODIHR 29.11.2018). Am 1.12.2018 demonstrierten rund 25.000 Menschen in Tiflis und warfen der von der Regierungspartei unterstützten neuen Präsidentin Zurabishvili Wahlbetrug vor und forderten vorgezogene Parlamentswahlen (Standard 2.12.2018).

Aufgrund einer Verfassungsänderung wird der Präsident in Zukunft indirekt für sechs Jahre von einem Gremium, bestehend aus nationalen, regionalen und lokalen Gesetzgebern, gewählt werden. Der Präsident ernennt formal den Premierminister, der vom Parlament nominiert wird (FH 4.2.2019).

Am 8.10. und 30.10.2016 fanden Parlamentswahlen in Georgien statt. Die bislang regierende Partei „Georgischer Traum“ sicherte sich die Verfassungsmehrheit, indem sie 115 der 150 Sitze gewann. Die „Vereinigte Nationale Bewegung“ (UNM) des Expräsidenten Mikheil Saakashvili errang 27 und die „Allianz der Patrioten Georgiens“ (APG) sechs Sitze (RFE/RL 1.11.2016). Mit der APG ist erstmals eine pro-russische Partei im Parlament vertreten. In der notwendigen Stichwahl am 30.10.2016 in 50 Wahlkreisen, die nach dem Mehrheitswahlrecht bestimmt werden, gewann der „Georgische Traum“ 48 Wahlkreise (Standard 31.10.2016).

Demonstrationen im Juni 2019 führten unter anderem dazu, dass bei der für 2020 angesetzten Wahl die Parlamentssitze nach dem Verhältniswahlrecht vergeben werden sollen. Ursprünglich sollte erst ab 2024 nach den neuen Bestimmungen gewählt werden (DW 24.6.2019, vgl. RFE/RL 5.8.2019).

Quellen:

?        CW - Caucasus Watch (29.11.2018): Surabischwili gewinnt Wahl: Georgien bekommt erstmals eine Präsidentin, http://caucasuswatch.de/news/1190.html, Zugriff 12.8.2019

?        DW – Deutsche Welle (24.6.2019): Proteste in Tiflis trotz Zugeständnissen, https://www.dw.com/de/proteste-in-tiflis-trotz-zugest%C3%A4ndnissen/a-49339505, Zugriff 13.8.2019

?        FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (29.11.2018): Georgien bekommt eine Präsidentin, https://www.faz.net/aktuell/salome-surabischwili-wird-neue-praesidentin-in-georgien-15915289.html, Zugriff 12.8.2019

?        FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004335.html, Zugriff 12.8.2019

?        OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights, European Parliament, OSCE Parliamentary Assembly, Parliamentary Assembly of the Council of Europe (30.10.2016): International Election Observation Mission, Georgia – Presidential Election, Second Round, 28 November 2018 - Statement of Preliminary Findings and Conclusions, Preliminary Conclusions, https://www.osce.org/odihr/elections/georgia/404642?download=true, Zugriff 12.8.2019

?        RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (1.11.2016): Georgia's Ruling Party Wins Constitutional Majority, http://www.rferl.org/a/georgia-elections-second-round-georgian-dream-super-majority/28085474.html, Zugriff 12.8.2019

?        RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (5.8.2019): Georgian Parliament Speaker Presents Amendments To Electoral Code, https://www.rferl.org/a/georgian-parliament-speaker-presents-amendments-to-electoral-code/30093372.html, 13.8.2019

?        Der Standard (2.12.2018): 25.000 Georgier wegen angeblichen Wahlbetrugs auf den Straßen – derstandard.at/2000092965067/25-000-Georgier-wegen-angeblichen-Wahlbetrugs-auf-den-Strassen, https://derstandard.at/2000092965067/25-000-Georgier-wegen-angeblichen-Wahlbetrugs-auf-den-Strassen?ref=rec, Zugriff 12.8.2019

?        Der Standard (31.10.2016): Regierungspartei kann Georgien im Alleingang regieren, http://derstandard.at/2000046738001/Wahlsieg-von-Regierungspartei-in-Georgien-in-zweiter-Runde-bestaetigt, Zugriff 12.8.2019


4.         Rechtsschutz / Justizwesen

Georgien hat bei der Reform des Justizsektors bescheidene Fortschritte erzielt. Es gibt noch immer wichtige Herausforderungen, um die erzielten Fortschritte zu konsolidieren und die Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten. Die Zivilgesellschaft hat Bedenken hinsichtlich einer möglichen politischen Einmischung in die Justiz und den Medienpluralismus. Die wirksame Umsetzung der Rechtsvorschriften zu Menschenrechten und Antidiskriminierung stellt nach wie vor eine Herausforderung dar. Am 23.3.2018 schloss das georgische Parlament den Prozess der Verfassungsreform ab. Die überarbeitete Verfassung enthält neue Bestimmungen über die Gleichstellung der Geschlechter, Antidiskriminierung und Kinderrechte (EC 30.1.2019).

Der Aufbau eines unabhängigen und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen handelnden Justizwesens gehört zu den wichtigsten Zielen der aktuellen Regierung. NGOs, die den Reformprozess sehr aktiv und sehr kritisch begleiten, mahnen weiterhin die Ernennung von Richtern aufgrund von Qualifikation und Eignung in einem transparenten Verfahren an. Ungeachtet der institutionellen Unabhängigkeit der Justiz kommt in brisanten Fällen immer wieder der Verdacht externer Einflussnahme auf. In einigen Fällen wurde der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg angerufen. Politisch motivierte Strafverfolgung war bis 2012 erkennbar und erfolgte in der Regel durch fingierte Vorwürfe von Korruption, Amtsmissbrauch oder Steuervergehen. Seit 2012 laufende Ermittlungen oder mit rechtskräftigen Urteilen abgeschlossene Strafverfahren gegen hochrangige Mitglieder und nachgeordnete Mitarbeiter der ehemaligen Regierung werden von georgischen und ausländischen NGOs nicht als politisch motiviert eingeschätzt, sondern beruhen auf rechtswidrigen bzw. strafrechtlich relevanten Handlungen durch Amtsträger oder Parteifunktionäre der Vorgängerregierung. Die Tatsache, dass Gerichte hierbei nicht immer den Anträgen der Staatsanwaltschaft folgen, zeigt eine wachsende Unabhängigkeit der Justiz und Grenzen für eine etwaige politische Zielsetzung der Verfahren. Nach dem Regierungswechsel 2012/13 erfolgte eine kontinuierliche Liberalisierung des Strafrechts. Eine feststellbare niedrigere Verurteilungsrate ist auf eine stärkere Emanzipierung der Richterschaft von den Anträgen der Staatsanwaltschaft zurückzuführen, aber auch auf eine Stärkung der Rechte der Verteidigung im Strafprozess (AA 27.8.2018).

Trotz der laufenden Justizreformen bleiben die Einmischung der Exekutive und der Legislative in die Gerichte ein erhebliches Problem, ebenso wie die Korruption und der Mangel an Transparenz und Professionalität bei Gerichtsverfahren. Nach einem neuen verfassungsrechtlichen Rahmen, der nach den Präsidentschaftswahlen 2018 in Kraft trat, werden die Richter des Obersten Gerichtshofs nicht mehr vom Präsidenten, sondern vom Hohen Justizrat ernannt und vom Parlament gebilligt. Ein gerichtliches Selbstverwaltungsorgan wählt die Mehrheit der Mitglieder des Rates (FH 4.2.2019).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

?        EC - European Commission (30.1.2019): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2019) 16 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/2019_association_implementation_report_georgia.pdf, Zugriff 22.8.2019

?        FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004335.html, Zugriff 22.8.2019
5.         Sicherheitsbehörden

Seit dem Regierungswechsel im Oktober 2012 ist von Machtmissbrauch von Amtsträgern nicht mehr die Rede. Bis 2012 waren Exekutivorgane, z.B. Staatsanwaltschaft, Polizei oder Finanzbehörden, als Machtinstrument oder als Mittel zur rechtswidrigen Erlangung wirtschaftlicher Vorteile von Regierungsangehörigen oder ihnen nahestehenden Personen missbraucht worden. Bestechung bzw. Bestechlichkeit von Polizisten sind allgemein nicht mehr zu verzeichnen. In ihrer Rolle als Hüter des Gesetzes werden sie öffentlich als zurückhaltend, aber auch als untätig wahrgenommen, was zu einem Verlust an Respekt geführt hat. Die Geheim- und Nachrichtendienste treten nicht als Repressionsinstrumente auf. Eine von NGOs angemahnte organisatorische Trennung der Sicherheitsdienste vom Innenministerium ist bisher aber nicht vorgenommen worden (AA 27.8.2018).

Während die zivilen Behörden eine wirksame Kontrolle über das Verteidigungsministerium ausüben, besteht seitens der zivilen Behörden nicht immer eine wirksame Kontrolle über das Innenministerium und den Staatssicherheitsdienst. Die Wirksamkeit der staatlichen Mechanismen zur Untersuchung und Bestrafung von Missbrauch durch Strafverfolgungsbehörden und Sicherheitskräfte ist begrenzt, und die Besorgnis über Straffreiheit bleibt hoch (USDOS 13.3.2019).

Straffreiheit für Strafverfolgungsbehörden bei Misshandlungsfällen bleibt ein anhaltendes Problem. Wenn Untersuchungen eingeleitet werden, führen sie oft zu Anklagen mit milderen bzw. inadäquaten Sanktionen und selten zu Verurteilungen. Die Behörden weigern sich routinemäßig, denjenigen, die eine Misshandlung anzeigen, den Status eines Opfers zu gewähren, und verwehren den Betroffenen, die Ermittlungsakten zu überprüfen (HRW 17.1.2019).

Trotz der rückläufigen Zahl der Beschwerden wegen polizeilicher Gewaltanwendung, welche beim Büro der Ombudsperson einlangten, verdoppelte sich fast gleichzeitig die Zahl der Verletzungen der Häftlinge nach der Festnahme. In der autonomen Region Adscharien stieg die Zahl der Verletzung nach Festnahmen fast um das Neunfache (PD 2.4.2019).

Im Juli 2018 verabschiedete das Parlament ein Gesetz zur Einrichtung eines staatlichen Inspektorats (State Inspector‘s Service), einer separaten Stelle, die für die Untersuchung von Missbräuchen durch die Strafverfolgungsbehörden zuständig ist. Das Gesetz räumt dem Staatsanwalt eine Aufsichtsfunktion über die Ermittlungen dieser Stelle ein, einschließlich des Rechts, verbindliche Anweisungen für jedes Untersuchungsverfahren zu erteilen oder Ermittlungsentscheidungen zu ändern, was die Unabhängigkeit des Inspektorats beeinträchtigt (HRW 17.1.2019).

Am 10.5.2019 nahm der „State Inspector‘s Service“ als Nachfolgeorganisation des „Inspektionsbüros zum Schutz personenbezogener Daten“ seinen Betrieb auf. Neben der Beobachtung etwa der gesetzeskonformen Verarbeitung von personenbezogenen Daten ist seit 1.7.2019 eine weitere Hauptaufgabe des State Inspector‘s Service die unparteiische und wirksame Untersuchung schwerer Verbrechen (inklusive Folter), die von Vertretern der Strafverfolgungsbehörden gegen die Menschenrechte und Freiheiten verübt werden, sowie Untersuchung von Straftaten, die unter Anwendung von Gewalt oder unter Verletzung der persönlichen Würde eines Opfers begangen wurden (SIS 22.8.2019).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

?        HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002236.html, Zugriff 22.8.2019

?        PD - Public Defender of Georgia (2.4.2019): Public Defender Presents Report on Situation of Human Rights and Freedoms in Georgia, http://www.ombudsman.ge/eng/akhali-ambebi/sakhalkho-damtsvelma-parlamentshi-sakartveloshi-adamianis-uflebata-da-tavisuflebata-datsvis-mdgomareobis-shesakheb-angarishi-tsaradgina, Zugriff 26.8.2019

?        SIS - State Inspector‘s Service (22.8.2019): Who we are? https://personaldata.ge/en/about-us#, Zugriff 22.8.2019

?        USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004295.html, Zugriff 22.8.2019
6.         Folter und unmenschliche Behandlung

Umfangreicher Personalaustausch, insbesondere in den Behördenleitungen, die juristische Aufarbeitung (Strafverfahren gegen Verantwortliche) sowie durchgreifende Reformen bei Polizei und im Strafvollzug haben Vorfälle von Gewaltanwendung auf Einzelfälle reduziert, ein systemischer Charakter ist nicht mehr feststellbar. Ombudsperson und zivilgesellschaftliche Organisationen sprechen bekannt werdende Vorfälle von Gewaltanwendung und gegebenenfalls unzureichend betriebene Ermittlungen öffentlich an. 2017/18 gab es Berichte über angebliche Fälle von Misshandlungen in Polizeistationen (AA 27.8.2018).

Beim Besuch der Europäischen Anti-Folterkomitees des Europaratals (CPT) im September 2018 wurden seitens Personen, die sich in Polizeigewahrsam befanden oder zuvor befunden hatten kaum Anschuldigungen wegen Misshandlung durch Polizeibeamte erhoben. Keinerlei diesbezügliche Anschuldigungen gab es gegenüber dem Personal in temporären Haftinstitutionen (CoE-CPT 10.5.2019). Allerdings erhielt das Büro der Ombudsperson bis September 2018 149 Beschwerden über Misshandlungen durch Gefängnispersonal oder die Polizei und ersuchte hierbei die Staatsanwaltschaft, in acht Fällen Untersuchungen einzuleiten. Keine der Untersuchungen führte zu einer Strafverfolgung (HRW 17.1.2019 ).

Was die Misshandlung betrifft, so gibt es den Aktionsplan zur Bekämpfung von Folter, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Strafe für den Zeitraum 2017-2018. Die Fälle von Misshandlungen im Strafvollzug haben sich im Gegensatz zu den Fällen von Misshandlungen durch Polizeibeamte verringert (EC 30.1.2019).

Laut Bericht des Büros der Ombudsperson ist eine der wichtigsten Herausforderungen die Durchführung effektiver Untersuchungen in Fällen von Misshandlung. Die im Laufe der Jahre bestehenden Probleme im Hinblick auf eine effektive Untersuchung sind meist noch vorhanden und stellen definitiv ein Problem dar. Aus diesem Grund hegt die Ombudsperson große Hoffnungen in die Ermittlungsfunktionen des staatlichen Inspektorates (SIS).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

?        CoE-CPT – Council of Europe - European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (10.5.2019): Report to the Georgian Government on the visit to Georgia carried out by the European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT) from 10 to 21 September 2018 [CPT/Inf (20 19 )16], https://www.ecoi.net/en/file/local/2009081/2019-16-inf-eng.docx.pdf, Zugriff 22.8.2019

?        EC - European Commission (30.1.2019): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2019) 16 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/2019_association_implementation_report_georgia.pdf, Zugriff 22.8.2019

?        HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002236.html, Zugriff 22.8.2019
7.         Korruption

Bei der Prävention und Bekämpfung der Korruption hat Georgien die Antikorruptionsstrategie und seinen Aktionsplan im Einklang mit den Verpflichtungen der Assoziationsagenda weiter umgesetzt. Allerdings bestehen nach wie vor einige Bedenken hinsichtlich der Korruption auf hoher Ebene (EC 30.1.2019).

Während das Land bei der Bekämpfung der Kleinkriminalität erhebliche Fortschritte gemacht hat, bleibt die Korruption innerhalb der Regierung ein Problem. In einigen Fällen hat sie bei der staatlichen Postenbesetzung angeblich die Form von Vettern- und Günstlingswirtschaft angenommen. Die wirksame Anwendung von Antikorruptionsgesetzen und -vorschriften wird durch die mangelnde Unabhängigkeit sowohl der Strafverfolgungsbehörden als auch der Justiz beeinträchtigt. Erfolgreiche Klagen gegen hochrangige Beamte, die mit der Führung der Regierungspartei „Georgischer Traum“ in gutem Einvernehmen stehen, sind selten (FH 4.2.2019).

Im „Corruption Perceptions Index 2018“ von Transparancy International erreichte Georgien 58 von 100 [bester Wert] Punkten und lag damit auf Rang 41 von 180 Ländern (2017: 56 Punkte und Rang 46 von 180 Ländern) (TI 29.1.2019a). Zwar hat sich das Land im Ranking leicht verbessert, doch steht es vor einem Rückfall in der Demokratieentwicklung, was es anfällig für Korruption auf hoher Ebene macht. Dieser Rückwärtstrend ist unter anderem auf die mangelnde Rechenschaftspflicht bei der Strafverfolgung, Korruption und politische Einmischung in die Justiz und von der Regierung unterstützte Angriffe auf die unabhängige Zivilgesellschaft zurückzuführen. Trotz der dringenden Notwendigkeit, Fälle von Korruption und Fehlverhalten in der Regierung zu untersuchen, hat Georgien es versäumt, unabhängige Stellen einzurichten, die dieses Mandat übernehmen. Straflosigkeit trägt zum öffentlichen Misstrauen bei. Laut einer kürzlich von Transparency International Georgia durchgeführten Umfrage glauben 36% der Bürger, dass Beamte ihre Macht zum persönlichen Vorteil missbrauchen. Das ist ein Anstieg des Wertes verglichen mit nur 12% im Jahr 2013 (TI 29.1.2019b).

Quellen:

?        EC - European Commission (30.1.2019): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2019) 16 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/2019_association_implementation_report_georgia.pdf, Zugriff 22.8.2019

?        FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004335.html, Zugriff 22.8.2019

?        TI - Transparency International (29.1.2019a): Corruption Perceptions Index 2018, https://www.transparency.org/country/GEO, Zugriff 22.8.2019

?        TI - Transparency International (29.1.2019b): Eastern Europe & Central Asia: weak checks and balances threaten anti-corruption efforts, https://www.transparency.org/news/feature/weak_checks_and_balances_threaten_anti_corruption_efforts_across_eastern_eu, Zugriff 22.8.2019


8.         NGOs und Menschrechtsaktivisten

Nichtregierungsorganisationen (NGOs) können sich in der Regel ohne Probleme registrieren und ihre Arbeit aufnehmen. Sie werden in der Öffentlichkeit positiv wahrgenommen, von der Regierung generell respektiert und können auch Einfluss auf die politische Willensbildung ausüben. Einige wurden auch an wichtigen politischen Verfahren als Berater beteiligt (AA 11.12.2017).

Ein wachsendes Netzwerk von sogenannten „Watchdog“-NGOs wirbt zunehmend für Bürgerrechte. Der zivilgesellschaftliche Sektor wächst weiter zahlenmäßig und hinsichtlich der Kapazitäten, bleibt aber in erster Linie in der Hauptstadt und anderen größeren Städte konzentriert. NGOs haben nur schwache Verbindungen mit der breiteren Bevölkerung (BTI 1.2018, vgl. FH 4.2.2019).

Trotz der Schwäche der zivilgesellschaftlichen Organisationen in Bezug auf die Zahl der Mitglieder und der Abhängigkeit von finanziellen Zuwendungen spielen sie eine entscheidende Rolle bei der Formulierung der staatlichen Politik und der Aufsicht. Über die von der EU unterstützte Nationale Plattform des Forums der Zivilgesellschaft hat letztere die Möglichkeit, ihre Anliegen auf internationaler Ebene zu äußern (BTI 1.2018).

Während manche NGOs in die politischen Diskussionen einbezogen werden, berichten andere, dass sie unter Druck stehen, vor allem in Form von öffentlicher Kritik von Regierungsbeamten aber auch seitens der Opposition (FH 4.2.2019). 2018 kam es zu Statements des Justizministers und des Vorsitzenden des Parlaments, die sich an Menschenrechtsaktivisten richteten und darauf abzielten, die Arbeit von NGOs zu diskreditieren (HRC 2019).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

?        BTI - Bertelsmann Stiftung (1.2018), BTI 2018 — Georgia Country Report, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Georgia.pdf, Zugriff 26.8.2019

?        FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004335.html, Zugriff 22.8.2019

?        HRC – Human Rights Center (2019): Annual Reprot, State of Human Rights in Georgia 2018, https://www.hridc.org/admin/editor/uploads/files/pdf/hrcrep2018/annual%20report%202019%20-eng-.pdf, Zugriff 26.8.2019
9.         Ombudsperson

Die Ombudsperson (Public Defender of Georgia) überwacht die Einhaltung der Menschenrechte und Freiheiten in Georgien. Sie berät die Regierung in Menschenrechtsfragen. Sie analysiert auch die Gesetze, Richtlinien und Praktiken des Staates in Übereinstimmung mit den internationalen Standards und gibt entsprechende Empfehlungen ab. Die Ombudsperson übt die Funktionen des Nationalen Präventionsmechanismus (NPM) aus, der im Fakultativprotokoll zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (OPCAT) vorgesehen ist. Basierend auf dem Gesetz zur "Beseitigung aller Formen der Diskriminierung" wird die Ombudsperson auch als Gleichbehandlungsstelle definiert, deren Hauptfunktion darin besteht, die Umsetzung des Gesetzes zu überwachen. Das Büro der Ombudsperson führt zudem Bildungsaktivitäten im Bereich der Menschenrechte und Freiheiten durch und reicht beim Verfassungsgericht von Georgien Beschwerden ein, falls die Menschenrechte und Freiheiten durch einen normativen Akt verletzt werden. Die Ombudsperson ist ferner ermächtigt, die Funktion des Amicus Curiae bei den ordentlichen Gerichten und dem Verfassungsgericht von Georgien auszuüben (ENNHRI 19.12.2017).

Mit der Ombudsperson für Menschenrechte, aber auch dem Menschenrechtsausschuss des Parlaments bestehen weithin bekannte Institutionen und Beschwerdeeinrichtungen. Sie verfügen zwar nicht über eigene Sanktionsmittel, nutzen aber sehr aktiv ihre Möglichkeiten, Missstände und individuelle Beschwerdefälle zu untersuchen die Ergebnisse zu veröffentlichen und Empfehlungen an Regierungsbehörden zu geben. Mit ihren sehr zahlreichen öffentlichen Stellungnahmen zu vielen Themen und Einzelfällen und mit konkreten Empfehlungen an Regierungsstellen erzielt sie viel öffentliche Aufmerksamkeit. Die Ombudsperson veröffentlicht auch regelmäßig Berichte über ihre Erkenntnisse zur Menschenrechtslage. Die Regierung muss auf die Handlungsempfehlungen reagieren. Außerdem kann die Ombudsperson die Staatsanwaltschaft auffordern Untersuchungen einzuleiten und Verfassungsklagen erheben. Die Zahl der Regionalbüros im Land stieg auf neun. Der stetige Anstieg der Beschwerden zeigt ein zunehmendes Bewusstsein der Bevölkerung für ihre Rechte und ein zunehmendes Ansehen der Institution des Ombudsperson (AA 27.8.2018).

NGOs betrachten das Amt der Ombudsperson als objektivste aller staatlichen Einrichtungen, die sich mit Menschen- und Bürgerrechten befassen. Während das Büro der Ombudsperson im Allgemeinen ohne staatliche Einmischung arbeitet und als effizient gilt, berichtet die Ombudsperson im Gegenzug, dass die Regierungsstellen manchmal nur teilweise oder gar nicht auf Anfragen und Empfehlungen reagieren, obwohl sie verpflichtet sind, innerhalb von zeh

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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