TE Bvwg Beschluss 2020/9/8 W165 2203388-1

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Veröffentlicht am 08.09.2020
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Entscheidungsdatum

08.09.2020

Norm

AsylG 2005 §35 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W165 2203388-1/7E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ilse LESNIAK als Einzelrichterin nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Damaskus vom 16.07.2018, GZ: Damaskus-ÖB/KONS/0087/2018, aufgrund des Vorlageantrages des XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, über die Beschwerde gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Damaskus vom 22.05.2018, GZ: Damaskus-ÖB/KONS/0087/2018, beschlossen:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG stattgegeben, der bekämpfte Bescheid wird behoben und die Angelegenheit zur Erlassung einer neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger Syriens, brachte am 07.12.2017 schriftlich und am 22.01.2018 persönlich bei der Österreichischen Botschaft Damaskus (im Folgenden: ÖB Damaskus), einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 ein.

Als Bezugsperson wurde der minderjährige Sohn des BF, geboren am 08.04.2014, angegeben, dem nach Asylantragstellung am 18.09.2017 mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), vom 04.10.2017, Zl. 1147457504-171071167, von seiner Mutter abgeleiteter Asylstatus im Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 zuerkannt wurde.

Beim BF soll es sich um den zweiten Ehegatten der Mutter der Bezugsperson handeln.

Ein minderjähriger Sohn der Mutter der Bezugsperson aus erster Ehe war im Jahr 2015 alleine nach Österreich eingereist und war diesem nach Asylantragstellung am 04.10.2015 mit Bescheid des BFA vom 29.08.2016 der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden. Am 01.12.2016 stellten die Mutter der Bezugsperson und ihre vier minderjährigen Kinder - darunter die angeblich aus ihrer zweiten Ehe mit dem BF stammende Bezugsperson und ein weiteres, angeblich dieser Ehe entstammendes, 2012 geborenes Kind - sowie zwei Kinder der Mutter der Bezugsperson aus ihrer ersten Ehe Einreiseanträge. Den Einreiseanträgen wurde stattgegeben. Nach Asylantragstellung wurde mit Bescheiden vom 04.10.2017 der Mutter der Bezugsperson von ihrem bereits in Österreich asylberechtigten minderjährigen Kind im Familienverfahren abgeleiteter Asylstatus und den vier minderjährigen Kindern (einschließlich der Bezugsperson) von ihrer Mutter im Familienverfahren abgeleiteter Asylstatus zuerkannt.

Mit Erklärung vor dem Familiengericht in Damaskus vom 10.01.2017 gab der BF einen dauerhaften Obsorgeverzicht für die Bezugsperson (sowie für die im syrischen Familienregisterauszug weiters angeführte gemeinsame Tochter mit der Mutter der Bezugsperson) zu Gunsten seiner Ehegattin ab („For travel outside Syria“), sodass die alleinige ständige Obsorge für die Bezugsperson (und die gemeinsame Tochter) mit Beschluss des Familiengerichtes Damaskus vom 07.02.2017 der Mutter der Bezugsperson übertragen wurde („For travel outside Syria, Visa and Travel Permit“).

Dem Einreiseantrag des BF waren verschiedene Unterlagen in Kopie angeschlossen:

Eine Reisepasskopie des BF, Konventionsreisepasskopien und Meldebestätigungen der Bezugsperson und der Mutter der Bezugsperson, die Asylbescheide der Bezugsperson und der Mutter der Bezugsperson vom 04.10.2017, die Geburtsurkunde des BF, ein Auszug aus dem Personenstandsregister betreffend den BF vom 14.01.2018, eine Heiratsbestätigung eines Schariagerichtes vom 08.12.2015 über eine zwischen dem BF und der Mutter der Bezugsperson am 04.05.2010 traditionell geschlossene Ehe, der zwei Kinder (die am 08.04.2014 geborene Bezugsperson und eine am 16.01.2012 geborene Tochter), entstammen würden, einen Heiratsnachweis aus dem syrischen Zivilregister vom 14.01.2018 betreffend die Eheschließung des BF mit der Mutter der Bezugsperson am 04.05.2010 und einen Auszug aus dem syrischen Familienregister vom 14.01.2018, worin neben dem BF als Ehegatte der Mutter der Bezugsperson und der am 08.04.2014 geborenen Bezugsperson als weiteres gemeinsames Kind des BF mit der Mutter der Bezugsperson eine am 16.01.2012 geborenes Tochter angeführt werden.

Zu dem seitens der ÖB Damaskus an das BFA samt Unterlagen übermittelten Einreiseantrag des BF teilte das BFA der ÖB Damaskus mit Schreiben vom 03.05.2018 gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten oder Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Der BF sei volljährig und leite die von ihm genannte Bezugsperson den Status als Asylberechtigter ihrerseits nur aus einem Familienverfahren ab. In der der Mitteilung angeschlossenen Stellungnahme vom selben Tag führte das BFA ergänzend aus, dass sich die Mutter der Bezugsperson bereits bei ihrer Einreiseantragstellung vor der ÖB Damaskus unschlüssig gewesen sei, ob der BF verschollen sei und sie somit eine Vermisstenanzeige vorlegen oder ob sie einen Sorgerechtsverzicht vorweisen könne. Letztlich habe sie einen Sorgerechtsverzicht des BF vorgelegt, wonach die alleinige Obsorge für die Bezugsperson deren Mutter zukomme. Nach rechtmäßiger Einreise nach Österreich sei der Mutter der Bezugsperson, der Bezugsperson und den weiteren drei miteinreisenden minderjährigen Kindern im Familienverfahren der Status der Asylberechtigten zuerkannt worden. Da der BF volljährig sei und die Bezugsperson den Asylstatus ihrerseits nur aus einem Familienverfahren ableite, würden die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten im Familienverfahren nicht vorliegen.

Mit Schreiben vom 07.05.2018, dem bevollmächtigten Vertreter des BF am 08.05.2018 zugestellt, wurde dem BF unter Anschluss der Mitteilung und Stellungnahme des BFA vom 03.05.2018 die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt.

In der Stellungnahme des BF vom 14.05.2018 wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der BF der Vater der Bezugsperson und der zweite Ehemann der Mutter der Bezugsperson sei. Diese hätten noch ein weiteres gemeinsames Kind. Zusätzlich habe die Mutter der Bezugsperson drei Kinder aus ihrer ersten Ehe. Eines davon sei nach Österreich geflüchtet, wo ihm am 29.08.2016 der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden sei. Am 01.12.2016 hätten die in Syrien verbliebenen Familienangehörigen - mit Ausnahme des BF - bei der ÖB Damaskus Anträge auf Einreise gemäß § 35 AsylG gestellt und würden sich bereits in Österreich befinden. Der BF sei alleine im Herkunftsstaat verblieben. Die Bezugsperson, deren Geschwister und deren Mutter würden stark unter der Trennung vom BF, ihrem Vater und Ehemann, leiden. Die Bezugsperson stehe aufgrund der Familiengeschichte, insbesondere der Trennung von ihrem Vater, unter psychischer Belastung, die eine normale Entwicklung erheblich erschweren würde. Zwar sei im vorliegenden Fall nicht der BF, sondern die Bezugsperson minderjährig, doch müsse auch in diesem Fall die Ausnahmeregelung vom Verbot der „Ketten-Familienverfahren“ für minderjährige Kinder gelten. Nur so sei eine Fortführung des Familienlebens des BF mit der Bezugsperson möglich, was im Sinne des Kindeswohls der Bezugsperson sowie zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens dringend geboten sei, zumal § 35 AsylG 2005 die einzige Möglichkeit minderjähriger Kinder auf Nachzug ihrer Eltern darstelle.

Mit Schreiben vom 15.05.2018 leitete die ÖB Damaskus die Stellungnahme des BF vom 14.05.2018 an das BFA weiter und ersuchte um nochmalige Prüfung des Sachverhalts, insbesondere im Lichte des Art. 8 EMRK.

Mit per E-Mail übermitteltem Schreiben an die ÖB Damaskus vom 22.05.2018 führte das BFA ergänzend aus, dass sich der Gesetzgeber in § 34 Abs. 6 Z 2 AsylG 2005 bewusst dafür entschieden habe, ein Kind, das selbst einen abgeleiteten Status erhalten habe, nicht mehr als taugliche Bezugsperson für ein Familienverfahren zu normieren. Die minderjährige Bezugsperson sei im Zuge eines Einreiseverfahrens nach dem AsylG in das Bundesgebiet gelangt und habe der BF ausdrücklich einen Sorgerechtsverzicht abgegeben, weshalb es verfehlt erscheine, dass sich dieser nunmehr auf das Kindeswohl beziehe.

Mit Bescheid der ÖB Damaskus vom 22.05.2018 wurde der Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 26 FPG iVm § 35 AsylG 2005 abgewiesen.

Gegen den Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde vom 18.06.2018, worin wie bisher vorgebracht wurde. Ergänzend wurde zum abgegebenen Sorgerechtsverzicht des BF ausgeführt, dass es für die Ausreise der minderjährigen Bezugsperson notwendiges Formalerfordernis gewesen sei, dass der Kindesvater deren Ausreise zustimme. Es sei keinesfalls beabsichtigt gewesen, das Familienleben auf Dauer zu trennen. Der BF habe lediglich der Möglichkeit zugestimmt, seine Kinder und Ehefrau aus dem Kriegsgebiet reisen zu lassen, um sie fernab von Syrien in Sicherheit zu wiegen. Ein vorübergehender Sorgerechtsverzicht des Vaters gehe nicht damit einher, dass das Familienleben aufgelöst werde und es dem Kindeswohl nicht mehr dienlich wäre, wenn der Vater der Familie nachreise.

Aus den erläuternden Bemerkungen zu § 34 Abs. 6 AsylG ergebe sich, dass das Ziel der Bestimmung gewesen sei, zu verhindern, dass ohne relevanten familiären Bezug zum ursprünglich asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten über verschiedenste Familienverhältnisse die Gewährung von Asyl oder subsidiärem Schutz vermittelt würde. Dies treffe im Fall des BF nicht zu, da die Bezugsperson ein minderjähriges Kind sei, das seinen Vater nach Österreich holen wolle. Es handle sich sohin um die Kernfamilie der Bezugsperson, nicht um eine Konstellation ohne familiären Bezug. Im Ergebnis sei die Einreise des BF zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK dringend geboten, da andernfalls die enge Beziehung zwischen dem BF und seinem vierjährigen Sohn dauerhaft zerrissen würde.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 16.07.2018 wies die ÖB Damaskus die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG als unbegründet ab.

Am 17.07.2018 wurde ein Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG bei der ÖB Damaskus eingebracht, worin begründend auf die Beschwerde verwiesen wurde.

Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 08.08.2018, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 13.08.2018, wurde der Vorlageantrag samt Verwaltungsakt übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Festgestellt werden zunächst der unter I. dargelegte Verfahrensgang und Sachverhalt.

Der BF soll der zweite Ehegatte (im Folgenden: Ehegatte bzw Ehemann) der Mutter der Bezugsperson sein. Die Bezugsperson, geboren am 08.04.2014, soll deren gemeinsames Kind sein. In der Heiratsurkunde des Schariagerichts vom 08.12.2015 sowie im syrischen Familienregisterauszug vom 14.01.2018 ist neben der Bezugsperson als weiteres gemeinsames Kind des BF mit der Bezugsperson eine Tochter, geboren am 16.01.2012, eingetragen. Die Mutter der Bezugsperson hat darüber hinaus drei Kinder aus erster Ehe.

Einer der zum damaligen Zeitpunkt minderjährigen Söhne der Mutter der Bezugsperson aus erster Ehe war im Jahr 2015 alleine nach Österreich gereist und hatte in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Mit Bescheid des BFA vom 29.08.2016 wurde ihm der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Die Mutter der Bezugsperson, die Bezugsperson, die angebliche gemeinsame Tochter des BF mit der Mutter der Bezugsperson und die beiden in Syrien verbliebenen minderjährigen Kinder der Mutter der Bezugsperson aus erster Ehe hatten am 01.12.2016 als Familienangehörige des zum damaligen Zeitpunkt in Österreich bereits asylberechtigten Sohnes der Mutter der Bezugsperson aus erster Ehe Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln gemäß § 35 AsylG 2005 gestellt. Nach Bewilligung und erfolgter Einreise in Österreich stellten diese am 18.09.2017 Anträge auf internationalen Schutz und wurde ihnen am 04.10.2017 der Status von Asylberechtigten eingeräumt.

Mit Erklärung vor dem Familiengericht in Damaskus vom 10.01.2017 hatte der BF einen dauerhaften Obsorgeverzicht für die Bezugsperson (sowie die im syrischen Familienregisterauszug weiters angeführte Tochter) zu Gunsten seiner Ehegattin („For travel outside Syria“) abgegeben, sodass die alleinige ständige Obsorge für die Bezugsperson (und die gemeinsame Tochter) mit Beschluss des Familiengerichtes Damaskus vom 07.02.2017 der Mutter der Bezugsperson („For travel outside Syria, Visa and Travel Permit“) übertragen wurde.

Die Mutter der Bezugsperson, die Bezugsperson, die Tochter, die der Ehe des BF mit der Mutter der Bezugsperson entstammen soll und die drei Kinder der Mutter der Bezugsperson aus erster Ehe leben als Asylberechtigte in Österreich.

Im Akt befindet sich eine - offenbar von der Botschaft verfasste - handschriftliche Notiz, undatiert und nicht unterfertigt, worin festgehalten wird, dass die Ehefrau des BF vor diesem einen Antrag gestellt und einen von ihrem Sohn aus erster Ehe abgeleiteten Bescheid erhalten habe. Anschließend sei die Ehefrau des BF mit ihren beiden Kindern aus zweiter Ehe nach Österreich gereist. Der BF habe mit ihnen gemeinsam keinen Antrag gestellt, da er in „Ein Tarma“ (Anm.: Einem Vorort von Damaskus), verschollen gewesen sei. Der BF habe auf das Sorgerecht für seine beiden Kinder verzichtet, um ihnen die Reise nach Österreich zu ermöglichen. Da er nun frei sei, habe er Anspruch auf die Familienzusammenführung mit seinem vier Jahre alten Sohn. Sowohl sein Sohn als auch dessen Mutter hätten abgeleitete Bescheide erhalten.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus dem Akt der ÖB Damaskus, den einliegenden Unterlagen, dem vorgelegten Verzicht des BF auf die Obsorge über die Bezugsperson zu Gunsten ihrer Mutter, dem Obsorgebeschluss des Familiengerichtes Damaskus und Auszügen aus dem IZR und ZMR.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) lauten:

Familienverfahren im Inland

§ 34 (1) Stellt ein Familienangehöriger von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind.

Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden

§ 35 (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei einer mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.

(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),

2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und

3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.

Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) idgF lauten:

Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.

(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.

(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.

Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.

Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005

§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Fremden ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen.

§ 28 Abs. 1 bis 3 VwGVG lautet:

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Die Regelung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes im Falle, dass die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die in § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken und besteht ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen hat, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. etwa jüngst VwGH 24.04.2020, Ro 2019/20/0004-5).

Solche, zur Behebung berechtigende gravierende Ermittlungslücken im Sinne des § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG liegen im gegenständlichen Fall, wie nachstehend dargelegt wird, vor:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des BFA über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung, und kommt dieser diesbezüglich keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. VwGH 16.12.2014, Ro 2014/22/0034; VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002).

Ungeachtet dieser für die Vertretungsbehörden bestehenden Bindungswirkung an die Prognoseentscheidung des BFA steht es dem Bundesverwaltungsgericht allerdings nunmehr - innerhalb des mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz - FNG, BGBl. I Nr. 87/2012, geschaffenen geschlossenen Rechtsschutzsystems - offen, auch die Einschätzung des BFA über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (vgl. VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002; 09.01.2020, Ra 2019/19/0124).

Die Behörde hat, in Bindung an die negative Wahrscheinlichkeitsprognose des BFA, wonach die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei, da der BF volljährig sei, die Bezugsperson ihrerseits bereits abgeleiteten Asylstatus von ihrer Mutter erhalten habe und der BF zudem auf die Obsorge für die Bezugsperson verzichtet habe, sodass die alleinige Obsorge bei der Mutter der Bezugsperson liege, die Erteilung eines Einreisetitels verweigert.

Gemäß § 34 Abs. 6 Z 2 AsylG 2005 sind die Bestimmungen dieses Abschnittes auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, nicht anzuwenden, es sei denn, es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind. Familienangehörige von Personen, denen ihrerseits internationaler Schutz bereits im Rahmen eines Familienverfahrens gemäß den §§ 34 und 35 AsylG 2005 gewährt wurde, können sich somit nicht mehr auf das Familienverfahren nach den §§ 34 und 35 AsylG 2005 berufen. Lediglich ein minderjähriges unverheiratetes Kind kann seinen Status nach § 34 AsylG 2005 auch dann von seinen Eltern ableiten, wenn diese ihrerseits ihren Status bereits nach § 34 AsylG 2005 erhalten haben. Das Kind selbst ist aber wiederum keine taugliche Bezugsperson mehr, sodass die Kette daher bei diesem endet.

Wie festgehalten, wurde der Bezugsperson, dem angeblichen gemeinsamen Kind des BF mit seiner angeblichen Ehegattin, im Rahmen eines Familienverfahrens nach § 34 AsylG 2005 von seiner Mutter abgeleiteter Asylstatus zuerkannt. Die Bezugsperson kommt demnach als Bezugsperson zur abermaligen Ableitung des Asylstatus für seinen Vater, den BF, grundsätzlich nicht mehr in Betracht.

Mit Erkenntnis vom 27.11.2017, E 1001/2017 u.a., trug der VfGH der Behörde für den Bereich des § 35 AsylG 2005 allerdings eine unmittelbare Anwendung des Art. 8 EMRK auf. Für den VfGH sei nämlich - bei Aufhebung der Versagung von Einreisetiteln für die minderjährigen Kinder eines in Österreich anerkannten Flüchtlings - auch die Verweigerung der Einreiseerlaubnis für die Ehegattin aufzuheben gewesen, da zu prüfen gewesen wäre, ob es - ungeachtet des eventuellen Nichtvorliegens einer Ehe - Art. 8 EMRK gebieten würde, dieser die Einreise zur Wahrung des Familienlebens zu gestatten (mit Verweis auf VfGH 06.06.2014, 369/2013 und 23.11.2015, E 1510/2015, dem folgend VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002, Rn. 33). Vgl. weiters auch – hier von besonderer Relevanz - VwGH 28.01.2020, Ra 2018/20/0464, wonach ungeachtet dessen, dass im Wege des § 34 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten nicht zuerkannt werden könnte, zu prüfen wäre, ob die sofortige Einreise unter dem Aspekt des Art. 8 EMRK zur Wahrung des Familienlebens zu gestatten sein könnte.

Im verfahrensgegenständlichen Fall könnte es sohin - die leibliche Vaterschaft des BF zur Bezugsperson vorausgesetzt - im Lichte der höchstgerichtlichen Judikatur geboten erscheinen, dem BF ungeachtet der einfachgesetzlichen Rahmenbedingungen, wonach eine neuerliche Erstreckung des Status von einem Kind auf einen einreisewilligen Vater (mangels gesetzlicher Grundlage) nicht in Betracht kommt, die Einreise zu ermöglichen, um ein Familienleben mit seinem minderjährigen Sohn in Österreich fortzusetzen.

So brachte der BF in seiner Stellungnahme vom 14.05.2018 vor, dass durch die Verweigerung des Einreisetitels die enge Bindung zur vierjährigen Bezugsperson, seinem Sohn, dauerhaft getrennt würde, die Bezugsperson dadurch einer psychischen Belastung ausgesetzt sei und die Einreise des BF im Sinne des Kindeswohls zur Aufrechterhaltung des Familienlebens dringend geboten sei. Das BFA traf allerdings weder Feststellungen zu einem in der Vergangenheit geführten Familienleben des BF mit der Bezugsperson und deren Mutter im Herkunftsstaat noch zu einem derzeit allenfalls bestehenden Kontakt des BF mit der Bezugsperson und setzte sich auch nicht näher mit dem Kindeswohl der Bezugsperson auseinander. Das BFA stützte sich im Wesentlichen lediglich auf den im Einreiseverfahren der Bezugsperson vorgelegten Obsorgeverzicht des BF in Bezug auf die Bezugsperson (seinen Sohn). Daraus kann jedoch noch nicht auf eine Auflösung des Familienbandes geschlossen werden, zumal sowohl aus dem Obsorgeverzicht des BF als auch aus dem Beschluss des Familiengerichts Damaskus, mit welchem die alleinige Obsorge dauerhaft der Mutter der Bezugsperson übertragen wurde, hervorgeht, dass die Bezugsperson durch die Obsorgeübertragung vornehmlich zur Ausreise aus Syrien berechtigt werden sollte. Auch in der Beschwerde führte der BF aus, dass der Verzicht auf die Obsorge notwendig gewesen sei, um der Bezugsperson die Ausreise und dadurch ein sicheres Leben außerhalb Syriens, zu ermöglichen.

Anzumerken ist, dass ein von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschütztes Familienleben zwischen Eltern und Kind nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR mit dem Zeitpunkt der Geburt entsteht (Vgl. EGMR 21.6.1988, Berrehab, 10730/84; 26.5.1994, Keegan, 16969/90) und diese besonders geschützte Verbindung in der Folge nur unter außergewöhnlichen Umständen als aufgelöst betrachtet werden kann (vgl. EGMR 19.2.1996, Gül, 23218/94). Das Auflösen einer Hausgemeinschaft von Eltern und Kindern alleine führt jedenfalls nicht zur Beendigung des Familienlebens im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK, solange nicht jegliche Bindung gelöst ist (vgl. EGMR 24.4.1996, Boughanemi, 22070/93; siehe dazu auch VfGH 3.10.2019, E 3456/2019; 24.11.2014, E 35/214).

Zu klären wäre jedenfalls, auf welche Art und Weise eine nach syrischem Recht vorgeschriebene Zustimmung des anderen Elternteiles zur Ausreise eines minderjährigen Kindes zu erfolgen hat. Hiezu ist darauf hinzuweisen, dass es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entspricht, dass ausländisches Recht keine Rechtsfrage, sondern eine Tatfrage darstellt, welche in einem - grundsätzlich amtswegigen - Ermittlungsverfahren festzustellen ist, wobei eine Mitwirkungspflicht der Partei besteht, soweit dies erforderlich ist (vgl. VwGH 27.06.2017, Ra 2016/18/0277; 19.03.2009, 2007/01/0633). Es wäre daher insbesondere zu prüfen, ob die Abgabe eines Obsorgeverzichtes zu Gunsten des anderen Elternteiles die hiefür rechtlich vorgesehene bzw übliche Vorgangsweise darstellt oder aber, ob andernfalls der gegenständlich abgegebene Obsorgeverzicht allenfalls aus anderen Motiven, etwa im Hinblick auf ein ohnehin nicht (mehr) bestehendes Familienleben des BF mit der Bezugsperson, erfolgt sein könnte. Wie bereits erwähnt, bietet die Aktenlage keine Anhaltspunkte bezüglich der im Herkunftsstaat bestandenen tatsächlichen familiären Verhältnisse.

Zu bemerken ist, dass sich die Ehefrau des BF in ihrem Einreiseverfahren (und jenem ihrer drei Kinder einschließlich der Bezugsperson) unschlüssig gewesen sein soll, ob sie eine Vermisstenmeldung ihres Ehemannes oder einen Sorgerechtsverzicht ihres Ehemannes für dessen Sohn vorlegen könne. Daraus, dass ein Sorgerechtsverzicht des BF abgegeben und vorgelegt wurde, könnte zu schließen sein, dass der BF jedenfalls damals zwar nicht vermisst war, allerdings im Leben seiner Familienangehörigen möglicher Weise nicht mehr präsent gewesen sein könnte.

Weiters fällt auf, dass in der Heiratsbestätigung des Schariagerichtes, im syrischen Familienregisterauszug und auch in der Erklärung des Obsorgeverzichtes des BF neben der Bezugsperson noch ein weiteres angebliches gemeinsames Kind des BF mit der Mutter der Bezugsperson, eine im Jahr 2012 geborene Tochter, aufscheint. In Anbetracht dessen ist zum einen bereits nicht nachvollziehbar, dass der BF während des gesamten Verfahrens ausschließlich die enge Bindung zu seinem Sohn betonte, die ebenso in den in Vorlage gebrachten Urkunden genannte, zwei Jahre ältere gemeinsame Tochter jedoch weder im Einreiseantrag - als ebenso in Frage kommende Bezugsperson - noch im weiteren Laufe des Verfahrens in Bezug auf ein aufrechtzuerhaltendes Familienleben auch nur mit einem Wort erwähnt hat. Zum anderen lässt dies auch gewisse nicht unbegründete Zweifel an der behaupteten Vaterschaft des BF nicht nur zu seiner - hier nicht zu betrachtenden - Tochter, sondern auch zur Bezugsperson, seinem Sohn, aufkommen. Ebenso erscheint hinterfragenswert, weshalb die angebliche Ehefrau des BF in seinem Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels nicht als Bezugsperson angeführt wurde.

All diese Fragen stellen sich nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass laut Vorbringen des BF nicht nur die Bezugsperson, sondern ebenso deren Geschwister und deren Mutter stark unter der Trennung von ihrem Vater und Ehemann leiden würden.

Im fortgesetzten Verfahren wären daher im Sinne vorstehender Ausführungen Veranlassungen zu einer DNA-Abstammungsuntersuchung Bezugsperson - BF in die Wege zu leiten, Abklärungen zur syrischen rechtlichen Situation und des Modus der Erteilung einer Zustimmung zur Ausreise eines minderjährigen Kindes (Obsorgeverzicht) sowie Ermittlungen zum im Herkunftsstaat geführten Familienleben des BF vorzunehmen und entsprechende nachvollziehbare Feststellungen zu treffen.

Hinsichtlich der Beschaffung der zur allfälligen Art. 8 EMRK-Abwägung erforderlichen Informationen erweist sich eine Befragung des BF unter allfälliger Gegenüberstellung der Angaben der Mutter der Bezugsperson erforderlich.

Abschließend weist das Bundesverwaltungsgericht auf die Spezifika und die verfahrensrechtlichen Einschränkungen (siehe § 11 a FPG) des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens hin, weshalb die Durchführung der notwendigen Ermittlungen nicht im Interesse der Effizienz, Raschheit und Kostenersparnis durch dieses selbst durchgeführt werden kann.

Gemäß § 11 a Abs. 2 FPG war dieser Beschluss ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu treffen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des VwGH die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des VwGH abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des VwGH nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das BVwG auf eine ständige Rechtsprechung des VwGH beziehungsweise auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung DNA-Daten Ermittlungspflicht Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W165.2203388.1.00

Im RIS seit

03.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

03.03.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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