TE Vwgh Erkenntnis 1997/5/16 95/19/1148

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Veröffentlicht am 16.05.1997
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. September 1995, Zl. 303.115/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. September 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 27. Oktober 1994 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufG) und § 10 Abs. 1 Z. 4 Fremdengesetz (FrG) abgewiesen.

Die belangte Behörde begründete den angefochtenen Bescheid folgendermaßen:

"Sie haben am 27.10.1994 an die oben genannte Behörde einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt.

Die genannte Behörde hat diesen Antrag mit der Begründung abgewiesen, daß § 5 Abs. 1 AufG eine Bewilligung entgegenstehe, da Ihr Lebensunterhalt nicht gesichert sei.

Gegen diese Beurteilung haben Sie im wesentlichen eingewendet, daß Ihre Gattin öS 8.964,-- verdiene und Sie überdies eine Rente in Höhe von ca. 2.700,-- erhalten. Sie seien bis jetzt damit ausgekommen und würden auch weiterhin damit auskommen.

Unbeschadet dieses Vorbringens ist für die Beurteilung Ihres Antrages wesentlich, daß § 5 des Aufenthaltsgesetzes die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausschließt, wenn ein Sichtvermerksversagungsgrund im Sinne des Fremdengesetzes vorliegt. Nach § 10 Abs. 1 Z 4 dieses Gesetzes liegt ein solcher insbesondere dann vor, wenn der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde. Dies trifft auf Ihren Fall insoferne zu, als gegen Sie ein Aufenthaltsverbot gültig bis 30.06.1999 wegen einer Verurteilung wegen § 15 und 75 StGB verhängt worden ist.

Obwohl Ihr Aufenthaltsverbot aufgehoben wurde, ist die Berufungsbehörde der Ansicht, daß Ihr seinerzeitiges Verhalten einen Tatbestand zeigt, wonach Ihr Aufenthalt im Bundesgebiet schon einmal zu einer massiven Gefährdung geführt hat. Diese Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit zu verhindern, ist Aufgabe der Berufungsbehörde.

Gerade die Notwendigkeit in einem ohnedies sensiblen Bereich die weitere Zuwanderung sorgfältig zu steuern, macht es erforderlich, strenge Maßstäbe an die Beurteilung von Ansuchen anzulegen, und dabei jedwede Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit von vornherein hintanzuhalten.

Da Sie von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten bedingt auf 3 Jahre verurteilt wurden, erscheint dieser Tatbestand jedenfalls als gegeben, und war Ihnen eine Aufenthaltsbewilligung nicht zu erteilen, vor allem im Hinblick auf die Beispielswirkung gegenüber anderen Fremden.

Gerade im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen hat die Berufungsbehörde festgestellt, daß unter Abwägung Ihrer persönlichen Interessen mit den öffentlichen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK, die öffentlichen Interessen überwiegen."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen hat:

Die belangte Behörde stützte sich auf einen anderen Abweisungsgrund als die Behörde erster Instanz. Daher verstößt das Sachverhaltsvorbringen des Beschwerdeführers in der Beschwerde nicht dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot. Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, daß er nicht gemäß §§ 15 und 75 StGB verurteilt worden sei, sondern nur wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung gemäß § 84 Abs. 2 Z. 1 StGB. Er legt eine Urkunde über die bedingte Strafnachsicht des Landesgerichtes für Strafsachen Wien AZ 20 u VR 169/89, HV 1546/89 als Beweis für sein Vorbringen bei. Darauf aufbauend bringt er vor, die belangte Behörde hätte die Verurteilung durch Beischaffung des gerichtlichen Strafaktes überprüfen müssen; bei Hervorkommen des Umstandes, daß die Verurteilung nicht nach §§ 15, 75 StGB (versuchter Mord) erfolgt sei, sondern wegen der oben genannten Straftat könne nicht ohne weiteres von einer Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit ausgegangen werden.

Des weiteren beruft sich der Beschwerdeführer darauf, daß das anschließend an die gerichtliche Verurteilung im Jahr 1989 rechtskräftig erlassene Aufenthaltsverbot mit Bescheid vom 6. Juli 1994 gemäß § 26 FrG aufgehoben worden sei. Da eine Aufhebung gemäß § 26 FrG dann stattfinde, wenn die Gründe, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt haben, weggefallen sind. Damit sei die Frage, ob der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährde, bereits rechtskräftig entschieden.

Außerdem habe die belangte Behörde bei der Prognose, daß das Verhalten des Beschwerdeführers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährde, sich nicht damit auseinandergesetzt, daß er sich seit der Verurteilung wohlverhalten habe und die Probezeit bereits abgelaufen sei. Letztlich habe sie auch unberücksichtigt gelassen, daß er sich bereits von 1975 bis 1989 in Österreich rechtmäßig aufgehalten habe und es auch in diesem Zeitraum zu keiner wie immer gearteten Mißachtung der zur Abwehr und Unterdrückung der Gefahren für das Leben, die Gesundheit, Sicherheit, öffentliche Ruhe und Ordnung erlassenen Vorschriften gekommen sei.

Gemäß § 5 Abs. 1 AufG darf Fremden eine Bewilligung nicht erteilt werden, wenn (unter anderem) ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt.

Zufolge des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.

Dabei ist für die Beurteilung, ob vom Aufenthalt einer Person eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ausgeht, grundsätzlich nicht das Vorliegen von Bestrafungen maßgebend; wesentlich ist vielmehr, ob das Gesamtverhalten des Antragstellers (des Beschwerdeführers) Grund zur Annahme bietet, sein Aufenthalt gefährde die (oder zumindest eines der) in dieser Bestimmung genannten Rechtsgüter (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 21. September 1995, Zl. 95/19/0340, vom 15. Dezember 1995, Zl. 95/21/0177, und vom 24. Jänner 1997, Zl. 95/19/1671, uva.). Dabei hat die belangte Behörde eine Würdigung des Verhaltens des Beschwerdeführers anhand der Art der gesetzten Tathandlung, der Anzahl und des zeitlichen Rahmens, innerhalb dessen der Beschwerdeführer strafrechtlich auffällig geworden ist, vorzunehmen (vgl. die bereits zitierten Erkenntnisse vom 15. Dezember 1995 und vom 24. Jänner 1997). Bei der von den Verwaltungsbehörden zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist auch auf das Verhalten des Beschwerdeführers seit der zugrundegelegten Straftat abzustellen.

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde allein das Vorliegen der bereits angeführten Verurteilung - noch dazu mit einem nicht den Tatsachen entsprechenden Inhalt - angenommen und daraus geschlossen, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung, Ruhe oder Sicherheit gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG nicht nur gefährden würde, sondern bereits tatsächlich zu einer solchen Gefährdung geführt habe. Um einen Schluß, das zukünftige Verhalten des Beschwerdeführers betreffend, gerechtfertigt im Sinne der oben wiedergegebenen Rechtlsage erscheinen zu lassen, bedarf es aber noch (weiterer) Feststellungen im dargelegten Sinne. Aus der Tatbildmäßigkeit der der Verurteilung des JAHRES 1989 zugrundeliegenden Tat allein ist nämlich in Anbetracht des vormaligen und seitherigen behaupteten Wohlverhaltens im Beschwerdefall nicht abzuleiten, daß der Beschwerdeführer in Zukunft eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit darstellen werde. Die Darlegungen der belangten Behörde lassen daher im Ergebnis nicht erkennen, worauf die Gefährlichkeitsprognose gestützt wird, zumal die dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Bestrafungen Tathandlungen zum Inhalt haben, die bereits längere Zeit zurückliegen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995191148.X00

Im RIS seit

30.08.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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