TE OGH 2021/1/29 6Ob241/20i

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Veröffentlicht am 29.01.2021
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Mag. Wolfgang Kleinhappel, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei K***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Juli 2020, GZ 30 R 135/20y-17, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 7. April 2020, GZ 57 Cg 5/19i-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 1.883,16 EUR (darin 313,86 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1]             1. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass dann, wenn eine beanstandete Bildnisveröffentlichung geeignet ist, den Erfolg von Amtshandlungen zu beeinträchtigen, die die abgebildete Person im Rahmen ihres Tätigkeitsbereichs als Polizist durchzuführen hat, deren berechtigte Interessen durch eine ohne ihre Zustimmung erfolgte identifizierende Bildberichterstattung, die sie in ihrem beruflichen Lebenskreis bei Ausübung einer Amtshandlung auf offener Straße zeigt, unabhängig davon verletzt sind, ob ihr Bildnis im Zusammenhang mit einer Textberichterstattung über behauptete Missstände bei der Dienststelle der abgebildeten Person oder im Rahmen eines neutralen Artikels über die Arbeit der Polizei im Allgemeinen veröffentlicht worden ist (RS0113854). Dass diese Rechtsprechung auch auf einen Justizwachebeamten, der – wie im vorliegenden Fall der Kläger, der die Unterlassung der Veröffentlichung von Lichtbildern oder sonstigen Bildnissen vergleichbarer Art in Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit ohne seine Zustimmung, ohne vorher sein Gesicht unkenntlich zu machen, begehrt – im Rahmen seines Dienstes Begleitung und Überwachung eines Tatverdächtigen von der Justizanstalt zum Tatort eines Lokalaugenscheins vorzunehmen hat, anzuwenden ist, bedarf keiner weiteren Erörterung.

[2]             2. Das Berufungsgericht hat seinen (über Antrag der beklagten Medieninhaberin der ***** Zeitung abgeänderten) Zulässigkeitsausspruch damit begründet, der Oberste Gerichtshof habe bislang noch keine Gelegenheit gehabt, sich mit der Kritik der Literatur (Korn, MR 2015, 290; Höhne, ZIIR 2015, 336 – jeweils Entscheidungsanmerkungen zu 4 Ob 224/14s) an dieser Rechtsprechung auseinanderzusetzen. Die Revision ist dennoch unzulässig:

[3]             2.1. Der erkennende Senat als – nunmehr – Fachsenat unter anderem für Rechtssachen über Ansprüche nach § 78 UrhG hat in der Entscheidung 6 Ob 6/19d (JSt-Slg 2019/52 [Stuefer] = jusIT 2019/83 [Thiele] = MR 2019, 317 [Wittmann] = ZIIR 2020, 105 [Thiele]) zwar klargestellt, dass beim Filmen einer Amtshandlung das Mitfilmen der einschreitenden Polizisten unvermeidlich ist; der Zweck des Filmens könnte nicht erreicht werden, wenn etwa die Kamera ständig nur in Richtung des Fußbodens gerichtet sein müsste, um identifizierende Aufnahmen der Polizisten zu verhindern. Die Staatsgewalt müsse bei einem hoheitlichen Einsatz mit Zwangsgewalt akzeptieren, dass diese Vorgänge festgehalten werden, zumal dadurch auch ein gewisser präventiver Effekt gegen allfällige rechtswidrige Übergriffe erreicht werde. Für die Beklagte ist daraus allerdings nichts gewonnen, weil der Kläger hier nicht die Unterlassung der Anfertigung von Aufnahmen anstrebt, sondern lediglich deren Veröffentlichung, ohne dass vorher sein Gesicht unkenntlich gemacht worden wäre.

[4]             2.2. Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung (s zuletzt bloß 6 Ob 6/19d) soll im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Bildern durch § 78 UrhG jedermann gegen einen Missbrauch seiner Abbildung in der Öffentlichkeit geschützt werden, also insbesondere auch dagegen, dass er durch Verbreitung seines Bildnisses bloßgestellt, dass dadurch sein Privatleben der Öffentlichkeit preisgegeben oder sein Bildnis auf eine Art benützt wird, die zu Missdeutungen Anlass geben kann oder entwürdigend oder herabsetzend wirkt. Die Veröffentlichung von Lichtbildern kann aber auch dann gegen § 78 UrhG verstoßen, wenn diese als solche unbedenklich sind, das heißt, wenn sie den Abgebildeten weder entstellen noch Vorgänge wiedergeben, die seinem höchstpersönlichen Lebensbereich zuzuordnen sind; es genügt, dass der Abgebildete durch den Begleittext mit Vorgängen in Verbindung gebracht wird, mit denen er nichts zu tun hat, oder der Neugierde und Sensationslust der Öffentlichkeit preisgegeben wird. Es ist auch nicht nur das Bild allein für sich zu beurteilen, sondern ebenso die Art der Verbreitung und der Rahmen, in welchen das Bild gestellt wurde. Bei der Beurteilung, ob berechtigte Interessen verletzt würden, ist darauf abzustellen, ob die Interessen des Abgebildeten bei objektiver Prüfung als schutzwürdig anzusehen sind. Behauptet derjenige, der das Bild verbreitet, seinerseits ein Interesse an diesem Vorgehen, dann müssen die beiderseitigen Interessen gegeneinander abgewogen werden. Auf die Frage, ob der Veröffentlicher, insbesondere wegen eines nach den Umständen des konkreten Falls gegebenen Informationsbedürfnisses der Öffentlichkeit ein berechtigtes Interesse daran hat, das Bildnis einer Person zu veröffentlichen und zu verbreiten, ist aber regelmäßig nur einzugehen, wenn er darüber entsprechende Behauptungen aufstellt.

[5]       Im vorliegenden Fall ist weder den Feststellungen der Vorinstanzen noch den Ausführungen der Beklagten irgendein Interesse von wem auch immer an einer Veröffentlichung der Abbildung des Klägers, ohne dass dessen Gesicht zuvor unkenntlich gemacht worden wäre, zu entnehmen. Der Kläger war einzig als (wohl zufällig zu diesem Dienst eingeteilter) Justizwachebeamter mit der Begleitung und Bewachung eines Tatverdächtigen befasst, weshalb er sich zwingend in dessen unmittelbarer Nähe aufhielt und deshalb vom Fotografen der Beklagten (mit-)aufgenommen wurde; auch der Begleittext zum veröffentlichten Foto beschäftigt sich ausschließlich mit dem Tatverdächtigen und dessen Tat und geht mit keinem Wort auf den Kläger ein. Es ist schließlich nicht ersichtlich, worin ein Informationsbedürfnis von irgendjemandem daran bestehen sollte, dass gerade der Kläger Begleitung und Überwachung des Tatverdächtigen durchzuführen hatte.

[6]       Wie in dem der Entscheidung 6 Ob 6/19d zugrunde liegenden Fall ist somit auch hier davon auszugehen, dass „durch die Verbreitung [des konkreten Lichtbilds in der Zeitung] der Kläger einer breiten Öffentlichkeit 'vorgeführt' [wurde und dass] irgendwelche Gründe, die hier die Interessenabwägung für ein Recht auf Veröffentlichung ausschlagen lassen würden (zB Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit) [von der] Beklagte[n] nicht genannt“ wurden, wobei sich der Kläger hier – wie bereits ausgeführt – lediglich gegen die Veröffentlichung des Fotos wehrt, soweit sein Gesicht nicht unkenntlich gemacht wurde.

[7]             2.3. Die Argumentation der Beklagten läuft ausschließlich darauf hinaus, sie sei berechtigt gewesen, die Abbildung des Klägers ohne Unkenntlichmachung dessen Gesichts zu veröffentlichen, habe dieser doch kein berechtigtes Interesse an einer Nichtveröffentlichung darlegen können. Die Revision weist dabei zwar zutreffend darauf hin, dass der eingangs dargestellten ständigen Rechtsprechung jeweils Sachverhalte zugrunde lagen, in denen die abgebildeten Polizeibeamten als verdeckte Ermittler bzw als Mitglieder eines Sondereinsatzkommandos arbeiteten. Abgesehen davon, dass auch im vorliegenden Fall der Kläger Mitglied einer Einsatzgruppe ist, bei der er unter anderem für Überstellungen und Vorführungen von Insassen der Justizanstalt, etwa bei Dschihadisten-Prozessen, eingesetzt wird, wies Korn in seiner Entscheidungsanmerkung MR 2015, 290, mit einer gewissen Berechtigung darauf hin, dass die durch diese Rechtsprechung „geschaffene Situation für die Medien schwierig [sei]; man [wisse] ja nicht, ob der Polizeibeamte bei einem völlig harmlosen Routineeinsatz nicht vielleicht auch als verdeckter Ermittler tätig ist und jetzt von solchen Personen, die er im Rahmen dieser Tätigkeit 'zur Strecke gebracht' hat, wiedererkannt“ werde. Gerade diese Problematik kann aber nicht zu Lasten des abgebildeten Polizei- oder Justizwachebeamten, sondern muss zu Lasten des Mediums gehen, das dessen Abbildung ohne jede erkennbare Notwendigkeit verbreitet. Bereits die Entscheidung 4 Ob 224/14s hat darauf hingewiesen, dass die Darstellung von Routineeinsätzen durch ein Unkenntlichmachen der Gesichter nicht entscheidend beeinträchtigt wird und dass ein eigenständiger Informationswert mit der Erkennbarkeit im Regelfall nicht verbunden ist.

[8]             3. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 4 Ob 184/97f ausgeführt, dass bei einer Entscheidung nach § 78 UrhG im Sinne der Einheit der Rechtsordnung auch auf die in § 7a MedienG zum Ausdruck kommende Wertung Bedacht zu nehmen ist; ganz allgemein sei zu sagen, dass Wertungen des Medienrechts jedenfalls dort, wo der gleiche Sachverhalt geregelt wird, bei der Auslegung des § 78 UrhG zu berücksichtigen sind (so auch 6 Ob 176/19d MR 2020, 196 [Warzilek]; siehe auch RS0074824). § 7a MedienG setzt die Veröffentlichung des Namens, des Bildes oder anderer Angaben voraus, die geeignet sind, in einem nicht unmittelbar informierten größeren Personenkreis zum Bekanntwerden der Identität einer Person zu führen.

[9]       Unter Berufung auf Höhne (ZIIR 2015, 336) meint die Beklagte in ihrer Revision nun, es sei im vorliegenden Fall keine relevante Erkennbarkeit des Klägers gegeben gewesen, weil dieser (lediglich) von den Eltern anderer Kinder im Kindergarten seiner Tochter auf dem Bild erkannt wurde, des weiteren von seiner Tochter und von Arbeitskollegen. Tatsächlich hatte Höhne ausgeführt, „die Auseinandersetzung, ob nicht auch § 78 UrhG eine relevante Erkennbarkeit erfordert, [werde] im Interesse der Medienfreiheit weiter zu führen sein“, wobei in dem der von Höhne besprochenen Entscheidung 4 Ob 224/14s zugrunde liegenden Fall der (dort) Kläger (offensichtlich) von seinen Arbeitskollegen, von seinen Feuerwehrkollegen und von Familienmitgliedern erkannt worden war.

[10]     Allerdings ist ein Identifikationsmerkmal im Sinn des § 7a MedienG unter anderem ein Bild, wenn dieses die Identifikation ermöglicht (Berka in Berka/Heindl/Höhne/Koukal, Mediengesetz4 § 7a Rz 12), was im vorliegenden Fall nicht zu bezweifeln ist, ist der Kläger auf diesem doch eindeutig zu erkennen. Ob eine Wort- oder Bildberichterstattung identifizierend wirkt, das heißt zu einem Bekanntwerden der Identität des Betroffenen führt, ist außerdem nach dem Gesamtzusammenhang der Veröffentlichung zu beurteilen (15 Os 98/10s), weshalb hier weiters zu berücksichtigen ist, dass sich dem Zeitungsbeitrag die Informationen entnehmen lassen, dass der Tatverdächtige aus der „Haftanstalt *****“ zum Tatort gebracht wurde, dies erkennbar bewacht von Justizwachebeamten dieser Justizanstalt.

[11]     Dem Medium ist generell jede Identifizierung eines Menschen zuzurechnen, die eine Erkennbarkeit des Betroffenen in seinem sozialen – über den vorinformierten Familien- und Bekanntenkreis hinausgehenden – Umfeld bewirkt. Die Erkennbarkeit für eine breite Öffentlichkeit ist zwar grundsätzlich nicht Voraussetzung, § 7a MedienG verlangt allerdings speziell die Eignung zum Bekanntwerden der Identität in einem größeren Personenkreis (15 Os 98/10s). Ob es tatsächlich zu einer Identifikation durch einen größeren Personenkreis kommt, ist dabei somit nicht maßgeblich; es reicht bereits die bloße Eignung, also die Möglichkeit der Identitätsaufdeckung (Berka aaO Rz 13 unter Hinweis auf OLG Wien MR 1998, 44). Entgegen den Ausführungen Höhnes und der Beklagten in ihrer Revision kommt es also nicht darauf an, dass – bei tatsächlich bestehender Möglichkeit der Identitätsaufdeckung aufgrund der veröffentlichten Abbildung – Feststellungen lediglich zu konkreten Personen getroffen wurden, die den Abgebildeten erkannten.

[12]            4. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.

Schlagworte

Justizwachebeamter W.,

Textnummer

E130804

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0060OB00241.20I.0129.000

Im RIS seit

03.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.10.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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