TE Lvwg Erkenntnis 2020/12/21 VGW-001/010/12086/2020

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.12.2020
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Entscheidungsdatum

21.12.2020

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
10/11 Vereinsrecht Versammlungsrecht

Norm

VStG §45 Abs1 Z2
VersammlungsG §13 Abs1
VersammlungsG §19

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Gindl über die Beschwerde des Herrn A. B. gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien vom 31.07.2020, Zl. ..., betreffend Versammlungsgesetz,

zu Recht e r k a n n t:

I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde zu Punkt 1.) Folge gegeben, das Straferkenntnis in diesem Punkt aufgehoben und das diesbezügliche Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Ziffer 2 VStG eingestellt. Zu Punkt 2.) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerdeführer hat daher gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG zu Punkt 1.) keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten. Der Beschwerdeführer hat gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG zu Punkt 2.) einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von 20,00 Euro, das sind 20 % der verhängten Geldstrafe, zu leisten.

III. Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a Abs. 1 VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Dem Beschwerdeführer wurde mit Straferkenntnis der LPD Wien vom 31.07.2020, GZ: ... zur Last gelegt

1). Er es habe als (Mit-) Veranstalter der öffentlich zugänglichen Versammlung, welche am 17.04.2019 von 14:42 bis 15:16 Uhr in Wien, C.-ring veranstaltet worden sei, unterlassen, diese Versammlung spätestens 48 Stunden vor der beabsichtigten Abhaltung der zuständigen Behörde schriftlich anzuzeigen.

2). Er habe, nachdem die oben angeführte Versammlung und 15:08 Uhr für aufgelöst erklärt worden sei, den Versammlungsort nicht sogleich verlassen und sei nicht auseinandergegangen, da er zumindest bis 15:12 Uhr am Versammlungsort verharrt habe.

Er habe dadurch zu Punkt 1) eine Verwaltungsübertretung nach § 2 Abs. 1 VersG 1953 und zu Punkt 2) eine Verwaltungsübertretung nach § 14 Abs. 1 VersG 1953 begangen und wurde über ihn zu Punkt 1) und Punkt 2) nach § 19 VersG 1953 jeweils eine Strafe in der Höhe von 100 Euro, im Nichteinbringungsfall jeweils ein Tag und 12 Stunden Ersatzarreststrafe verhängt sowie gemäß § 64 VstG ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von insgesamt 20 Euro vorgeschrieben.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich das Straferkenntnis auf die Anzeige vom 17.04.2019 stütze. Es habe Anzeigepflicht der Versammlung bestanden, da gegenständlich keine „Spontanversammlung“ vorgelegen sei. Da sich niemand als Veranstalter zu erkennen gegeben habe, sei von einer gemeinschaftlichen Willensbildung der Versammlungsteilnehmer auszugehen und insofern Mitveranstaltereigenschaft anzunehmen gewesen. Die Versammlung sei rechtmäßig aufgelöst worden, da ohne jede Vorankündigung die dreispurige Ringfahrbahn blockiert worden sei und nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die Auflösung einer Versammlung dann rechtmäßig ist, wenn schwerwiegende Verkehrsbeeinträchtigungen hervorgerufen werden. Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgründe seien nicht erkennbar gewesen und liege nach § 5 Abs. 1 VStG zumindest fahrlässiges Handeln vor. Im Einspruch sei unter Hinweis auf das Vorliegen mehrerer Milderungsgründe ein Eventualantrag auf Herabsetzung der Strafe gestellt worden und sei diesem Antrag insofern entsprochen worden, als die Geldstrafe von insgesamt 300 Euro auf 200 Euro herabgesetzt worden ist. Die verhängten Strafen schöpfen nicht einmal 1/7 des zur Verfügung stehenden Strafrahmens aus und seien insofern äußerst niedrig angesetzt.

Der Beschwerdeführer erhob dagegen mit Schriftsatz vom 21.08.2020 fristgerecht Beschwerde und führte zusammengefasst im Wesentlichen aus, dass Herr D. alleiniger Veranstalter der Versammlung gewesen sei. Die Auflösung der Versammlung sei zu Unrecht erfolgt, weil zum Zeitpunkt der Versammlungsauflösung der Verkehr von der Polizei bereits großräumig umgeleitet gewesen sei. Der zunächst ausgelöste sehr kleine Stau aus ca. 20-30 Fahrzeugen sei durch die leichte Umleitmöglichkeit binnen ca. 20 Minuten aufgelöst gewesen und sei die Versammlung erst später aufgelöst worden, also zu einem Zeitpunkt, als weit und breit – auch auf anderen Straßen - kein Stau mehr gewesen sei. Offenkundig sei die Auflösung der Versammlung ausschließlich deshalb erfolgt, weil die Versammlung den anwesenden Beamten zu lange gedauert habe. Im Übrigen habe die Kundgebung an einem fixen Ort stattgefunden und sei dies auch der Behörde mitgeteilt worden. Die von der Behörde zitierte Entscheidung des VfGH treffe daher gegenständlich nicht zu. Jedenfalls sei zum Zeitpunkt der Auflösung der Versammlung eine Gefährdung der in Art. 11 Abs. 2 EMRK genannten Schutzgüter nicht zu befürchten gewesen. Im Übrigen haben sich sämtliche Versammlungsteilnehmer im entschuldigender Notstand befunden, weil die Klimakatastrophe die Menschheit akut bedrohe.

Zum Beweis für sein Vorbringen werde die Einvernahme des Herrn D. und die Einvernahme von Behördenvertretern beantragt.

Beantragt werde den Bescheid vom 31.07 2020 für rechtswidrig zu erklären und aufzuheben in eventu eine mündliche Verhandlung durchzuführen und dann den Bescheid für rechtswidrig zu erklären und aufzuheben in eventu die Strafe im Hinblick auf den guten Zweck und die unbedeutenden Folgen der Versammlung weiter herabzusetzen.

Die belangte Behörde legte mit Schreiben vom 22.09.2020 die Beschwerde mit dem bezughabenden Akt vor und verzichtete auf die Durchführung einer Verhandlung bzw. im Fall der Durchführung einer Verhandlung auf eine Teilnahme und wies darauf hin, dass für den Beschwerdeführer keine Verwaltungsstrafvormerkungen aufscheinen.

In der Anzeige vom 17.04.2019, auf die sich das Straferkenntnis vom 31.07.2020 stütz, ist zusammengefasst festgehalten, dass am 17.04.2019 um 14:42 Uhr via LLZ die fernmündliche Verständigung erfolgt sei, dass in Wien, C.-ring eine unangemeldete Versammlung stattfindet. An der Tatörtlichkeit habe eine Personengruppe auf der Fahrbahn sitzend wahrgenommen werden können, die Flugblätter und Transparente mitgeführt haben. Der Fahrzeugverkehr sei während der Dauer des Einsatzes von der LVA von der Ringstraße in Richtung E.-Platz abgeleitet worden. Es seien auch diverse Medienvertreter mit Kameras und Tonaufzeichnungsgeräten anwesend gewesen die von der Versammlung berichtet haben. In weiterer Folge sei die Versammlung durch den Behördenvertreter Mag. F. um 15:08 Uhr mündlich aufgelöst worden, dreizehn angezeigten Personen haben jedoch weiterhin in der Sitzblockade verharrt, weshalb die Versammlung ab 15:12 Uhr mittels Zwang durch Eisatzkräfte aufgelöst worden sei. Die Auflösung der Sitzblockade sei um 15:16 Uhr beendet gewesen, der Fahrzeugverkehr auf der Ringstraße habe gegen 15:20 Uhr wieder fließen können. In dem der Anzeige beigeschlossenen Bericht des Herrn Oberst G. ist vermerkt, dass es auf der Ringstraße zu einem massiven Verkehrsstau gekommen sei, welcher sich bis zum … H.-platz, ausgeweitet habe.

Das Gericht führte am 30.11.2020 in diesem Verfahren und den damit zusammenhängenden Verfahren zu den Zahlen VGW-001/010/12089/2020 (J.), VGW-001/010/12091/2020 (D.), VGW-001/010/12092/2020 (K.), VGW-001/010/12094/2020 (L.) und VGW-001/010/12095/2020 (M.) eine öffentlich mündliche Verhandlung durch, in der Herr D. (der den Beschwerdeführer und die weiteren Beschwerdeführer J., L., M. vertrat) und der Beschwerdeführer K. gehört und die Zeugen RevInsp R., Oberst G. und Mag. F. einvernommen wurden.

Herr D. gab folgendes zu Protokoll:

„Unbestritten ist, dass die gegenständliche Versammlung damals stattgefunden hat und die Beschwerdeführer daran teilgenommen haben. Es hat damals eine internationale Rebellionswoche stattgefunden betreffend Klima, Umweltschutz und Artensterben. Es waren mehrere Aktionen geplant und haben auch schon vor der gegenständlichen Versammlung schon kurze Aktionen stattgefunden. Da ich gefunden haben, dass die Aktionen zu wenig Aufmerksamkeit hervorgerufen haben, habe ich dann beschlossen, die gegenständliche Versammlung durchzuführen. Ich habe dann den Anderen meinen Plan mitgeteilt, mich auf die Ringstraße zu setzen und gefragt, ob die Anderen mitmachen. Das heißt, ich hatte die Idee für die gegenständliche Veranstaltung und habe durch mein Wirken in den Anderen den Willen zum Mitmachen hervorgerufen. Zum eigentlichen Kern der Versammlung sind dann auch weitere Versammlungsteilnehmer hinzugekommen, die ich gar nicht gekannt habe, es dürfte sich weite gesprochen haben, dass ich diese Aktion veranstalte. Zu anfangs sind wir fast alle auf der Straße gesessen. Wir hatten Transparente mit. Wenn uns der Artikel aus dem Z. vorgehalten wird, der verlesen wird, gebe ich an, dass das Foto die Situation zeigt, wo die Polizei die Versammlung schon für aufgelöst erklärt hat. Relativ viele Teilnehmer sind zu diesem Zeitpunkt schon von der Fahrbahn weggegangen. Die sind im Nahbereich aber verlieben. Die haben auch gesungen und Sprechchöre veranstaltet. Zu Beginn haben wir damals bei einer Rotphase die Fahrbahn betreten und haben wir die Fahrstreifen mit einem großen Banner abgesperrt. Es war damals relativ wenig Verkehrsaufkommen am Ring. Aber nach einer Zeit lang habe sich die Fahrzeuge natürlich rückgestaut. KFZ ließen wir nicht passieren, die Straßenbahn konnte auf beiden Seiten ungehindert fahren.

Anfangs sind wir noch auf der Fahrbahn gestanden. Nach ca. 3 Minuten ist ein Polizeibeamter gekommen, nach ca. 8-10 Minuten sind dann Streifenwagen gekommen. Die Polizeibeamten haben dann begonnen, den Verkehr umzuleiten. Schlussendlich konnten dann auch die KFZ, die unmittelbar vor der Kreuzung standen umdrehen und wurden von der Polizei umgeleitet. Die Fahrzeuge wurden hinter dem P. vorbei gelotst.

Dann hat es sicher noch 5 Minuten gedauert, bis uns die Polizeibeamten angesprochen haben. Sie wollten mit einem Verantwortlichen sprechen, ich habe mich jedoch nicht als Verantwortlicher zu erkennen gegeben und auch kein anderer Versammlungsteilnehmer. Die Polizeibeamten haben mehrmals gefragt, ob es einen Verantwortlichen gibt und haben auch gefragt, wie lange die Veranstaltung noch dauern wird. Woraufhin wir geantwortet haben, möglichst lange. Dann haben sie gemeint, dass sie die Versammlung auflösen müssen. Die Zeitspanne zwischen dem Ansprechen durch die Polizeibeamten, nach dem Umleiten des Verkehrs bis zur offiziellen Auflösung der Versammlung, würde ich auf 10 Minuten schätzen. Die Polizei hat uns nach der Auflösung aufgefordert, auseinander zu gehen und hat uns die Möglichkeit geboten, ohne dass unsere Ausweise kontrolliert werden, wegzugehen. Dies haben dann auch einige in Anspruch genommen, der Rest der Verbliebenen hat sich dann auf die Fahrbahn gesetzt. Die Polizei gab uns dann eine weitere Frist zum Verlassen der Fahrbahn, nachdem wir das nicht gemacht haben, wurden wir nach ca. 10 Minuten einzeln weggetragen. Diesbezüglich wurde von uns kein Widerstand geleistet. Anschließend wurden wir zur Ausweisleistung aufgefordert, bis auf 1 Person sind wir dem nachgekommen.

Es waren damals auch Medienvertreter anwesend, die habe ich im Vorfeld von der Versammlung informiert.

Wir haben uns damals im rechtfertigenden Notstand befunden, weil die Politik nichts gegen den Klimanotstand unternimmt, ganz im Gegenteil die Klimakatastrophe wird noch angefeuert. Zum Beweis hiefür dient die Einvernahme der Frau Professor N. Es kann von Menschen nicht erwartet werden, der Zerstörung Ihrer Lebensgrundlage untätig zuzusehen. Unser friedlicher Protest war das gelindeste Mittel, um diesen Zweck zu erreichen.“

Herr RvI R. führte zeugenschaftlich einvernommen wie folgt aus:

„Ich habe damals über Funk mitbekommen, dass im Bereich des P. eine spontane Versammlung stattfindet. Ich bin dann hingefahren und konnte Personen auf der Fahrbahn teils stehend, teils sitzend wahrnehmen. Die Personen hatten zum Teil Transparente mit. Es waren auch schon andere Kollegen vor Ort und ist dann auch bald der Behördenvertreter gekommen. Einige Personen von den Versammlungsteilnehmern standen auch abseits der Fahrbahn in der Nähe des S.. Es wurden auch Flugblätter verteilt, ich kann mich an den Namen T. Rebellion erinnern. Mir hat dieser Name damals nicht gesagt und habe ich interessehalber einen Versammlungsteilnehmer gefragt, um was es eigentlich geht. Grundsätzlich ging es offenbar um den Klimaschutz und was wir dafür tun können. Ich habe dann mitbekommen, dass die Versammlung vom Behördenvertreter als aufgelöst erklärt wurde und dann die Versammlungsteilnehmer von der Fahrbahn weggetragen wurden. Wir haben dann noch versucht die Daten der Versammlungsteilnehmer aufzunehmen. Nach meiner Erinnerung nach haben wir damals einen Verantwortlichen der Versammlung nicht ausmachen können. Der Verkehr wurde damals von Kollegen der Verkehrsabteilung schon ein Stück vor dem Versammlungsort am Ring abgeleitet, sodass kein Verkehr mehr bis zum Versammlungsort durchkommen konnte. Ob die Straßenbahn fahren konnte, kann ich nicht angeben.

Mir ist auch noch erinnerlich, dass glaublich von 1 Person die Identität nicht festgestellt werden konnte und diese in weiterer Folge auch festgenommen worden ist, damit habe ich aber nichts zu tun gehabt.

Über Befragen durch den BF (D.):

In meiner Anwesenheit war vor den Demonstranten, wo sie gesessen sind, kein Fahrzeugrückstau.“

Herr Oberst G. führte zeugenschaftlich einvernommen wie folgt aus:

„Ich kann mich an den gegenständlichen Einsatz vom 17.4.2019 nicht mehr erinnern. Ich muss diesbezüglich auf meinen Einsatzbericht verweisen. Ich habe mir vor meiner heutigen Einvernahme den Bericht durchgelesen.

Aus den Funkprotokollen der Kollegen der Verkehrskontrolle weiß ich, dass es damals zu einem weitreichenden Verkehrsstau gekommen ist und der Verkehr schon ziemlich weit vorne umgeleitet werden musste.

Ich nehme an, dass die Versammlung vom Behördenvertreter aufgelöst wurde, das ist Usus, ich habe das eigentlich noch nie gemacht.

Über Befragen durch den BF (D.):

Ich kann nicht angeben, ob der Verkehr schon umgeleitet war, als die Personen weggetragen wurden, ich muss auf meinen Bericht verweisen und bin ich damals auch erst später dazu gekommen. Ich kann auch nicht angeben, ob die Straßenbahn damals fahren konnte.

Über Befragen durch den BF (K.):

Der Verkehr wurde so weiträumig abgeleitet, weil es dort keine andere Möglichkeit gegeben hat. Dies obliegt den vor Ort befindlichen Verkehrskräften.

Über Befragen durch den BF (D.):

Erfahrungsgemäß kommt es bei einer Ableitung des Verkehrs vom Ring dann auf der abgeleiteten Strecke zu Verkehrsbehinderungen, weil diese Strecke eben dann den zusätzlichen Verkehr vom Ring aufnehmen muss. Ob es an einer bestimmten Stelle zu einem Stau gekommen ist, kann ich nicht angeben.“

Herr Mag. F. führte zeugenschaftlich einvernommen wie folgt aus:

„Ich kann mich an die gegenständliche Amtshandlung vom 17.4.2019 noch ungefähr erinnern.

Ich bin seit ca. 30 Jahren im V. (früher hieß es anders) tätig und befand mich damals im Journaldienst. Als Journalbeamter war ich für den großen Sicherungs- und Ordnungsdienst, darunter fällt auch das Handling von Versammlungen bzw. Kundgebungen, zuständig. Ich wurde damals telefonisch davon verständigt, dass eine unangekündigte Versammlung am Ring zwischen P. und S. stattfindet und ein Behördenvertreter erforderlich sei und bin ich dann dort hingefahren.

Vor Ort habe ich mir ein Bild von der Lage gemacht und habe mit anwesenden Polizeibeamten gesprochen. Durch die Manifestanten war die gesamte Fahrbahn am Ring blockiert und dadurch der Nachmittagsverkehr am Ring massiv behindert.

Ich mache diese Tätigkeit schon seit 30 Jahren und habe sicherlich schon an die 100 Versammlungen aufgelöst und sicherlich an tausend Versammlungen als Behördenvertreter teilgenommen. Ich mache das immer so und habe das sicherlich auch im gegenständlichen Fall so gemacht, dass ich mit den Versammlungsteilnehmern spreche und ihnen die Sachlage erkläre. Wenn es notwendig ist, die Versammlung aufzulösen, gebe ich immer eine Frist, die umso kürzer ist, je stärker zum Beispiel der Verkehr betroffen ist. Wenn die Frist zum freiwilligen Verlassen nicht eingehalten wird, erkläre ich die Versammlung für aufgelöst, was damals ohne Megaphon möglich war, weil nur wenige Versammlungsteilnehmer auf der Fahrbahn waren und räume dann nochmals eine Frist ein, zum Verlassen der Versammlung. Wenn auch diese Frist nicht eingehalten wird, wird dann für die Auflösung der Versammlung durch die Polizeibeamten gesorgt.

Ich habe die Versammlung damals deshalb für Aufgelöst erklärt, weil sie einerseits nicht angemeldet war, wobei mir bewusst ist, dass dieser Umstand alleine nicht ausreicht, um eine Versammlung aufzulösen, ich aber auf Grund des Bildes, dass ich mir damals vor Ort gemacht habe, der Meinung war, dass die Versammlung rechtmäßig aufgelöst werden kann. Das Sitzen auf der Fahrbahn war eine Übertretung nach der Straßenverkehrsordnung und ist es durch die Blockade am Ring zu einem massiven Rückstau im Verkehr gekommen. Der Verkehr wurde dann zwar abgeleitet, jedoch kommt es dadurch auf den „Nebenstraßen“ zu Staubildungen.

Über Befragen durch den BF (D.):

Richtig ist, dass in meinen Überlegungen betreffend Versammlungsauflösung auch eingeflossen ist, dass die Versammlung in dieser Form nicht genehmigt worden wäre. Wäre die Demonstration zum Beispiel vor dem P. abgehalten worden, wäre die Demonstration in dieser Form genehmigt worden und hätte ich sie dann auch nicht aufgelöst.

Über Befragen durch den BF (K.):

Auf die Frage, ob ich konkrete Beobachtungen bezüglich des Verkehrsstaus gemacht habe, gebe ich an, dass ich vor Ort natürlich auch Beobachtungen mache und mich durch Rückfrage mit den Verkehrspolizisten vergewissere, wie es weiter hinten ausschaut. Es muss doch jeden einleuchten, dass bei einer Blockade des Rings es zu einer massiven Verkehrsbeeinträchtigung kommt.

Über Befragen durch den BF (D.):

Ich habe von den anwesenden Sicherheitswachebeamten erfahren, dass es zu einem Stau gekommen ist. Spätestens im Bereich Q. ist es damals zu einem Stau gekommen, in einem sehr hohen Ausmaß. Die Auflösung des Staus hat damals einige Stunden gedauert. Ob es schriftliche Aufzeichnungen oder Zeugen für den Rückstau gibt, kann ich nicht angeben. Ich habe den Stau auch mit eigenen Augen gesehen, bis zum Q. hat man zurücksehen können. Bis zum H.-platz konnte ich nicht zurücksehen. Üblicherweise reicht aber der Stau dann bis zum H.-platz zurück.

Über Befragen durch den BF (K.):

Es wurde damals der Verkehr umgeleitet, wie das genau gemacht wurde, kann ich nicht angeben, das ist Sache der Kollegen der Verkehrsabteilung.

Über weiteres Befragen durch den BF (D.):

Der Verkehr wurde vor meinem Eintreffen schon umgeleitet, bis ich vor Ort eintreffe, gibt es eine gewisse Vorlaufzeit, obwohl ich damals sehr zügig vor Ort war, weil sich mein Büro in der Nähe befindet.“

In seinen Schlussausführungen wies der Vertreter des Beschwerdeführers, Herr D., darauf hin, dass es kein Beweismittel dafür gebe, dass damals an einem gewissen Ort in einem gewissen Ausmaß ein Rückstau von KFZ stattgefunden hat, außer zu Beginn der Versammlung unmittelbar vor den Versammlungsteilnehmern und sei dieser kurze Stau zum Zeitpunkt der Auflösung der Versammlung bereits aufgelöst gewesen.

Im Anschluss an die Verhandlung wurde das Erkenntnis verkündet. Der Beschwerdeführer stellte durch seinen Vertreter D. mit Schriftsatz vom 30.11.2020 fristgerecht einen Antrag auf Ausfertigung der Entscheidung.

Hierzu hat das Gericht erwogen:

Das Gericht legt seine Entscheidung folgenden Sachverhalt zugrunde:

Am 17.04.2019 gegen 14:40 Uhr wurde in Wien, C.-ring auf der Fahrbahn im Zuge einer Klima-Initiative „T. Rebellion“ betreffend Klima, Umweltschutz und Artensterben eine allgemein zugängliche Versammlung veranstaltet. Die Idee für diese Versammlung hatte Herr D., dieser hat die anderen Teilnehmer aufgefordert mitzumachen und auch Medienvertreter von der Aktion informiert und waren auch welche vor Ort und haben von der Aktion berichtet (siehe z.B. den in der Verhandlung verlesenen Bericht vom Z.). Die Teilnehmer waren mit Transparenten und Flugblättern ausgerüstet. Diese Versammlung wurde der Behörde nicht angezeigt. Zum eingeladenen Kern der Versammlungsteilnehmer sind dann noch weitere Versammlungsteilnehmer hinzugekommen. Versammlungsteilnehmer haben im Zuge einer Rotphase der Ampel die Fahrbahn am Ring mit einem großen Transparent abgesperrt, so das KFZ nicht passieren konnten. Die Straßenbahn konnte auf beiden Seiten fahren. Nach kurzer Zeit sind Polizeibeamten eingetroffen und haben den Verkehr umgeleitet, vorerst hinter dem P., dann großflächig ab der Y.-straße. Dadurch kam es zuerst am Ring und in weiterer Folge im Bereich des Q. und auf der Ausweichstrecke zu Staus. Die Versammlungsteilnehmer wurden dann von Polizeibeamten mehrmals aufgefordert einen Verantwortlichen bekanntzugeben. Keiner der Versammlungsteilnehmer hat sich als Verantwortlicher zu erkennen gegeben. Auf die Frage der Polizeibeamten, wie lange die Versammlung noch dauern werde, haben sie zur Antwort bekommen „möglichst lange“. Der Behördenvertreter vor Ort, Herr Mag. F., hat den Versammlungsteilnehmer die Sachlage erklärt und ihnen eine Frist gegeben die Versammlung freiwillig zu verlassen. Nachdem nicht alle Versammlungsteilnehmer, darunter der Beschwerdeführer, den Versammlungsort verlassen und sich auf die Fahrbahn gesetzt haben, hat Herr Mag. F. die Versammlung gegen 15:08 Uhr für aufgelöst erklärt und den Versammlungsteilnehmern die Möglichkeit zum freiwilligen Verlassen der Fahrbahn eingeräumt. Nachdem die Versammlungsteilnehmer von dieser Möglichkeit nicht Gebrauch gemacht haben, sind die verbliebenen dreizehn Versammlungsteilnehmer, darunter der Beschwerdeführer, einzeln weggetragen worden, sodass die Sitzblockade gegen 15:16 Uhr beendet war.

Dieser Sachverhalt ergibt sich zum großen Teil unwidersprochen aus der Anzeige im Behördenakt bzw. den Angaben des Beschwerdeführers in der Beschwerdeschrift bzw. den Angaben seines Vertreters (D.) in der Verhandlung und den Angaben der einvernommenen Zeugen. Strittig war lediglich die Frage, ob es zum Zeitpunkt der Auflösung der Versammlung durch die Blockade der Fahrbahn auf der Ringstraße zu Verkehrsbehinderungen gekommen ist. Diesbezüglich folgte das Gericht den Angaben des Zeugen Mag. F., der ein, gerade was Versammlungen betrifft, sehr erfahrener Beamter ist, und der sich damals als Behördenvertreter vor Ort ein umfassendes Bild von der Lage gemacht hat, da es im seinem Verantwortungsbereich lag, wie weiter vorzugehen war. Seine Angaben zu den Verkehrsbehinderungen beruhen auf eigenen Beobachtungen vor Ort sowie Rückfragen mit Verkehrspolizisten. Auch der Zeuge Oberst G., der bei Gericht einen kompetenten Eindruck hinterließ und glaubwürdig wirkte, gab an, dass er aus den Funkprotokollen der Kollegen der Verkehrskontrolle wisse, dass es damals zu einem weitreichenden Verkehrsstau gekommen ist. Diese Feststellungen decken sich auch mit den Angaben in der Anzeige. Auch ist es nach den Erfahrungen des täglichen Lebens nachvollziehbar, dass eine Blockade der Ringstraße vorerst zu Staus auf der Ringstraße aber in weiterer Folge auch auf der Ausweichstrecke führt, die den gesamten Verkehr von der Ringstraße in diesem Bereich aufnehmen muss (so auch der Zeuge Oberst G.). Dazu kommt, dass die Polizei damals sehr rasch vor Ort war und zwischen Umleitung des Verkehrs und Auflösung der Versammlung - auch nach den eigenen Angaben des Beschwerdeführers - nur wenig Zeit verstrichen ist und es daher umso mehr nachvollziehbar ist, dass nach dieser kurzen Zeit der Umleitungsverkehr nicht reibungslos abgelaufen ist. Dem steht auch nicht entgegen, dass sich der Zeuge RvI R. an die Amtshandlung nicht mehr gut erinnern konnte bzw. nach seiner Erinnerung in seiner Anwesenheit vor den Demonstranten, wo sie gesessen sind, kein Fahrzeugrückstau war, weil eben schon die Umleitung durchgeführt worden war. Dem gegenüber stehen nur Mutmaßungen des Beschwerdeführers bzw. seines Vertreters D., die aus der Tatsache, dass zum Zeitpunkt der Auflösung der Versammlung im Nahbereich der Versammlung am Ring (wegen der Umleitung) kein Verkehrsaufkommen mehr war, geschlossen haben, dass der Verkehr trotz Umleitung reibungslos funktioniert hat. Eigene Beobachtungen dazu, wie der Verkehr auf der umgeleiteten Strecke funktioniert hat, haben sie nicht gemacht, was von ihrem Standpunkt aus auch wohl gar nicht möglich war.

Hierzu folgt in rechtlicher Hinsicht:

Gemäß Art. 12 Staatsgrundgesetz (StGG) haben die österreichischen Staatsbürger das Recht, sich zu versammeln und Vereine zu bilden. Die Ausübung dieser Rechte wird durch besondere Gesetze geregelt. Art. 12 StGG erteilt der Gesetzgebung den Auftrag, die Ausübung des Versammlungsrechtes durch besondere einfache Gesetze iS der Versammlungsfreiheit zu regeln. Ausführungsgesetze zu Art. 12 StGG sind alle Gesetze, die die Abhaltung von und die Teilnahme an "Versammlungen" regeln (vgl. VwGH vom 23.09.1998, Zl. 97/01/1065).

Das Versammlungsgesetz 1953, BGBl. Nr. 98/1953 idgF (im Folgenden kurz „VersG 1953“) lautet auszugsweise wie folgt:

§ 1. Versammlungen sind nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes gestattet.

§ 2. (1) Wer eine Volksversammlung oder überhaupt eine allgemein zugängliche Versammlung ohne Beschränkung auf geladene Gäste veranstalten will, muß dies wenigstens 48 Stunden vor der beabsichtigten Abhaltung unter Angabe des Zweckes, des Ortes und der Zeit der Versammlung der Behörde (§ 16) schriftlich anzeigen. Die Anzeige muß spätestens 48 Stunden vor dem Zeitpunkt der beabsichtigten Versammlung bei der Behörde einlangen.

§ 6. (1) Versammlungen, deren Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft oder deren Abhaltung die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährdet, sind von der Behörde zu untersagen.

(2) Eine Versammlung, die der politischen Tätigkeit von Drittstaatsangehörigen dient und den anerkannten internationalen Rechtgrundsätzen und Gepflogenheiten oder den völkerrechtlichen Verpflichtungen, den demokratischen Grundwerten oder außenpolitischen Interessen der Republik Österreich zuwiderläuft, kann untersagt werden.

§ 13. (1) Wenn eine Versammlung gegen die Vorschriften dieses Gesetzes veranstaltet wird, so ist sie von der Behörde (§§ 16 Abs. 1 und 17) zu untersagen und nach Umständen aufzulösen.

(2) Desgleichen ist die Auflösung einer, wenngleich gesetzmäßig veranstalteten Versammlung vom Abgeordneten der Behörde oder, falls kein solcher entsendet wurde, von der Behörde zu verfügen, wenn sich in der Versammlung gesetzwidrige Vorgänge ereignen oder wenn sie einen die öffentliche Ordnung bedrohenden Charakter annimmt.

§ 14. (1) Sobald eine Versammlung für aufgelöst erklärt ist, sind alle Anwesenden verpflichtet, den Versammlungsort sogleich zu verlassen und auseinanderzugehen.

(2) Im Falle des Ungehorsams kann die Auflösung durch Anwendung von Zwangsmitteln in Vollzug gesetzt werden.

§ 19. Übertretungen dieses Gesetzes sind, insofern darauf das allgemeine Strafgesetz keine Anwendung findet, von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist, aber von der Landespolizeidirektion, mit Arrest bis zu sechs Wochen oder mit Geldstrafe bis zu 720 Euro zu ahnden.

Zu Art. 12 StGG korrespondiert Art. 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention - MRK, nach dessen Abs. 1 alle Menschen das Recht haben, sich friedlich zu versammeln und sich frei mit anderen zusammenzuschließen, einschließlich des Rechts, zum Schutze ihrer Interessen Gewerkschaften zu bilden und diesen beizutreten. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung darf die Ausübung dieser Rechte keinen anderen Einschränkungen unterworfen werden als den vom Gesetz vorgesehenen, die in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen und öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral oder des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind. Dieser Artikel verbietet nicht, dass die Ausübung dieser Rechte durch Mitglieder der Streitkräfte, der Polizei oder der Staatsverwaltung gesetzlichen Einschränkungen unterworfen wird. Durch Art. 11 MRK wurde der Grundrechtsschutz des Art. 12 StGG insofern erweitert, als das Versammlungsrecht nun nicht nur österreichischen Staatsbürgern, sondern jedem Menschen gewährleistet ist; weiters wurde die durch Art. 12 StGG dem einfachen Gesetzgeber übertragene Kompetenz zur Regelung der "Ausübung dieser Rechte" durch den Gesetzesvorbehalt des Art. 11 Abs. 2 MRK beschränkt.

Eine "Versammlung" im Sinne des VersG 1953 ist eine Zusammenkunft mehrerer Menschen, die in der Absicht veranstaltet wurde, die Anwesenden zu einem gemeinsamen Wirken (Debatte, Diskussion, Manifestation usw.) zu bringen, sodass eine gewisse Assoziation der Zusammengekommenen entsteht. Im Falle einer nicht angezeigten Zusammenkunft ist für das Vorliegen einer Versammlung jenes Bild maßgeblich, dass sich den einschreitenden Organen an Ort und Stelle bietet (vgl. VwGH vom 22.03.2018, Zl. Ra 2017/01/0359, vom 29.03.2004, Zl. 98/01/0213 mwN).

Unbestritten ist und war aufgrund des festgestellten Sachverhaltes davon auszugehen, dass es sich bei der gegenständlichen Kundgebung um eine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes gehandelt hat. Durch das Auftreten der Aktivisten war zweifelsohne ein gemeinsames Wirken beabsichtigt gewesen und war die Veranstaltung auch nicht auf eine von vornherein festgesetzte Zahl von Teilnehmern beschränkt.

Eine „Spontanversammlung“ lag nicht vor. Als Spontanversammlungen sind nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes Versammlungen zu verstehen, die sich ohne vorherige Einladung oder sonstige Absprache bilden, d. h. zufällige Zusammentreffen oder Ansammlungen von Menschen, bei denen sich die Anwesenden entschließen, zum Zweck eines gemeinsamen Wirkens zusammenzubleiben. Bei derartigen Spontanversammlungen fallen daher Entschluss zur und Durchführung der Versammlung unmittelbar zusammen (vgl. VwGH 22.03.2018, Ra 2017/01/0359). Da Herr D. die Versammlung im Vorfeld organisiert hat liegt schon aus diesem Grund eine Spontanversammlung, wie sie der Verwaltungsgerichtshof definiert, nicht vor.

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes liegt eine Spontanversammlung vor, wenn eine fristgerechte Anzeige nach § 2 Abs. 1 VersG 1953 bei der Behörde unmöglich ist, ohne den Versammlungszweck zu gefährden (vgl. VfGH 30.11.1995, B2 1229/94). Auch dies ist gegenständlich nicht gegeben, ist doch nicht ersichtlich, warum nicht 48 Stunden hätte zugewartet werden können um die Versammlung abzuhalten, war doch nicht anzunehmen, dass sich das Klima in 48 Stunden dramatisch verändern würde.

Als Veranstalter einer nicht angezeigten Versammlung ist jene Person anzusehen, die in den anderen Versammlungsteilnehmern den Willen zum Sichversammeln hervorgerufen hat. Darüber hinaus gilt als Veranstaltet auch eine Person, die in der Öffentlichkeit oder gegenüber der Behörde als solche auftritt, weiters, wer eine führende Rolle in der Versammlung einnimmt. Herr D. hat eingeräumt, dass er der alleinige Veranstalter gewesen ist, er habe die Idee dazu gehabt und habe die anderen Teilnehmer aufgefordert mitzumachen. Da sich vor Ort niemand als Veranstalter zu erkennen gegeben und offenbar auch niemand eine führende Rolle eingenommen hat, war davon auszugehen, dass Herr D. Veranstalter der gegenständlichen Versammlung war.

Da sohin der Beschwerdeführer nicht Veranstalter sondern nur Teilnehmer an der nicht angezeigten Versammlung war, und die bloße Teilnahme einer nicht ordnungsgemäß angezeigten Versammlung nicht nach § 19 VersG 1953 strafbar ist, war der Beschwerde zu Punkt 1) Folge zu geben, das Straferkenntnis in diesem Punkt aufzuheben und das diesbezügliche Fahren einzustellen.

Betreffend Auflösung der Versammlung ist auszuführen, dass, wie sich aus § 13 Abs. 1 VersG 1953 ergibt, die Auflösung einer bereits im Gang befindlichen, gegen die Vorschriften des VersG 1953 verstoßenden Versammlung nur "nach Umständen" verfügt werden kann. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes muss für eine behördliche Auflösung ein zureichender - zur bloßen Missachtung der Anzeigepflicht nach § 2 Abs. 1 VersG 1953 hinzutretender - Grund vorliegen, um diese Maßnahme zu rechtfertigen. Welche Umstände eine Auflösung rechtfertigen, ist nach den Gegebenheiten des Einzelfalles vor dem Hintergrund der verfassungsgesetzlich garantierten Versammlungsfreiheit zu beurteilen. Die Umstände, die zusätzlich zur Verletzung der Anzeigepflicht eingetreten sein müssen, müssen so geartet sein, dass ohne diese Maßnahme eines der in Art. 11 Abs. 2 EMRK aufgezählten Schutzgüter gefährdet wäre.

Auch eine Versammlung, die nicht angemeldet wurde, unterfällt dem grundrechtlichen Schutz sich friedlich zu versammeln. Insoweit ist die Auflösung einer unangemeldeten Versammlung nur unter Beachtung der in Art. 11 Abs. 2 EMRK genannten Gründe erlaubt; unterblieb die Anzeige, hat die Behörde – nach den am Versammlungsort gegebenen Umständen – zu beurteilen, ob die Voraussetzungen für die Auflösung vorliegen (vgl. VfGH vom 3.12.2013, Zl. B1573/2012). Dabei ist jedenfalls eine Abwägung der für und wider den Eingriff sprechenden Gründe vorzunehmen.

Bei einer Nichtbeachtung der Anzeigepflicht muss der Veranstalter allerdings gegen sich gelten lassen, dass die Behörde bei ihrer in der Regel sofort zu treffenden Entscheidung die Umstände nicht auf Grund eines genaueren Ermittlungsverfahrens prüfen kann bzw. dass es der Behörde auch nicht mehr möglich ist, allenfalls erforderliche, den ungehinderten Ablauf der Versammlung sichernde Vorkehrungen zu treffen, etwa solche, die dem Schutz der Versammlung vor Gegendemonstrationen oder der Umleitung des Straßenverkehrs dienen; ob Umstände vorlagen, die die Versammlungsauflösung rechtfertigten, hat das Behördenorgan nach dem Bild zu beurteilen, das sich ihm an Ort und Stelle bietet. Schließlich ist bei Eingriffen in die Versammlungsfreiheit zu beachten, dass die getroffene Maßnahme gemessen am verfolgten Ziel verhältnismäßig sein muss, wobei vom Staat der geringstmögliche geeignete Eingriff zu wählen ist und dieser Eingriff in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Ziel stehen muss.

Zur Beeinträchtigung des Verkehrs durch die Abhaltung einer Versammlung sprach der Verfassungsgerichtshof beispielsweise aus, dass selbst wenn durch eine Versammlung ausgelöste kurzfristige Verkehrsbehinderungen im Lichte des Rechts auf Versammlungsfreiheit an sich hinzunehmen sind, ins Gewicht fällt, dass der Behörde auf Grund der Unterlassung einer Versammlungsanzeige keine Möglichkeit geboten wurde, im Vorfeld Vorkehrungen zu treffen, um bei Abhaltung der Versammlung die Verkehrssituation zu entspannen. In diesem Sinne wurde auch die Auflösung einer (unangemeldete) Versammlung, bei der die anwesenden Sicherheitsorgane auf Basis einer umfassenden Lageanalyse ad hoc die Entscheidung zu treffen hatten, ob im weiteren Verlauf der Versammlung eine Situation entstehen würde, die im Lichte des Art. 11 Abs. 2 EMRK die Auflösung der Versammlung zulässig machen würde, um die öffentliche Ordnung und Sicherheit aufrecht zu erhalten und die Rechte und Freiheiten anderer zu schützen, als rechtmäßig qualifiziert (VfGH vom 3.12.2013, Zl. B 1573/2012).

Der Behördenvertreter vor Ort Herr Mag. F. ist ein sehr erfahrener Beamter, der schon an sehr vielen Versammlungen dienstlich teilgenommen hat. Er hat sich vor Ort ein Bild gemacht und nachvollziehbar geschildert, warum er die Versammlung aufgelöst hat. Es ist einleuchtend, dass es bei einer Blockade am Ring zu wesentlichen Verkehrsbeeinträchtigungen kommt, die sich auch nach einer Ableitung des Verkehrs auf „Nebenstraßen“, auch auf diese auswirken. Derartige wider die StVO 1960 herbeigeführte Beeinträchtigungen sind auch im Sinne der Versammlungsfreiheit von der Öffentlichkeit nicht hinzunehmen, zumal die Versammlung unangemeldet war und daher im Vorfeld keine diesbezüglichen Vorkehrungen getroffen werden konnten (z.B. Planung und Organisierung von Verkehrsleitmaßnahmen und mediale Vorankündigung um es den KFZ-Lenkern zu ermöglichen sich darauf einzustellen und wenn möglich diesen Streckenabschnitt zu meiden) und auch unklar war, wie lange die Versammlung noch andauern hätte sollen, weil die Demonstranten angegeben haben „so lange wie möglich“. Das „so lange wie möglich“ war für die Auflösung der Versammlung auch insofern zu berücksichtigen, als die Blockade der Ringstraße in weiterer Folge in Kürze den „abendlichen Berufsverkehr“ betroffen hätte und daher erfahrungsgemäß mit hohem Verkehrsaufkommen zu rechnen gewesen wäre.

 

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Versammlung gegen die Vorschriften des Versammlungsgesetzes veranstaltet wurde und deren Abhaltung eine drohende Gefahr für die in Artikel 11 Abs. 2 EMRK aufgezählten Schutzgüter darstellte.

Die Auflösung der Versammlung war der rechtens und zum angestrebten Ziel auch verhältnismäßig. Da es der Beschwerdeführer unterlassen hat, trotz Auflösung der Versammlung den Versammlungsort sogleich zu verlassen, hat er auch den objektiven Tatbestand der zu Punkt 2) zur Last gelegten Verwaltungsübertretung erfüllt.

Bei den gegenständlichen Verwaltungsübertretungen uns Punkt 2) handelt es sich um ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG und ist dem Beschwerdeführer nicht gelungen sein mangelndes Verschulden im Sinn des § 5 Abs. 1 VStG glaubhaft zu machen und war sohin von zumindest fahrlässigem Handeln auszugehen.

Zum geltend gemachten Notstand ist auszuführen, dass das Gericht einen solchen nicht zu erblicken vermag, zumal rechtmäßige Alternativhandlungen, um auf den Klimanotstand hinzuweisen, vorhanden gewesen wären, auch im Zuge einer Versammlung, aber eben einer rechtmäßig angezeigten und gesetzeskonform durchgeführten Versammlung.

Insgesamt war daher die Beschwerde des Beschwerdeführers zu Punkt 2) in der Schuldfrage abzuweisen.

Zur Strafbemessung zu Punkt 2):

Gemäß § 19 Abs. 1 VStG ist die Grundlage für die Bemessung der Strafe sind die

Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

Gemäß § 19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Bei der gegenständlichen Strafbemessung war von einem mit Arrest bis zu sechs Wochen oder mit Geldstrafe bis zu 720 Euro reichenden gesetzlichen Strafsatz auszugehen (§ 19 VersG 1953).

Das durch § 14 Abs. 1 VersG 1953 geschützte Rechtsgut ist das öffentliche Interesse daran, dass die durch eine gesetzwidrig abgehaltene Versammlung gestörte öffentlichen Ordnung rasch wiederhergestellt wird. Die Bedeutung dieses Rechtsgutes ist als erheblich einzustufen, die Intensität der Beeinträchtigung war durchschnittlich.

Zum Verschulden ist auf obige Ausführungen dazu zu verweisen, wonach von zumindest fahrlässigem Handeln auszugehen war.

Bei der Strafbemessung war auch zu berücksichtigen, dass dem Beschwerdeführer der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit zu Gute kommt. Erschwerungsgründe sind nicht vorgekommen.

Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse wurden nicht bekannt gegeben und mussten geschätzt werden. Es wurde von einem durchschnittlichen Einkommen ausgegangen, zumal nichts für ein bloß unterdurchschnittliches Einkommen sprach, zumal ein solches nicht einmal behauptet wurde. Auf Grund des Alters des Beschwerdeführers war von einem eher geringen Vermögen auszugehen. Sorgepflichten konnten mangels Hinweis darauf nicht angenommen werden.

Bei der Strafbemessung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist. Vom Verwaltungsgericht ist daher (bloß) zu prüfen, ob die Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. Dies liegt gegenständlich vor, die verhängte Strafe ist unter Bedachtnahme auf die oben wiedergegebenen Strafbemessungsgründe vertretbar, zumal sie im unteren Bereich der Strafsatzes angesiedelt ist. Eine Herabsetzung der Strafe kam sohin nicht in Betracht.

Die Vorschreibung der Kosten des Beschwerdeverfahrens zu Punkt 2) ist in § 52 Abs. 2 VwGVG begründet. Zu Punkt 1) waren gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht vorzuschreiben.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, zumal die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig ist und es im Wesentlichen nur um einzelfallbezogene Fragen der Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung ging. Soweit ersichtlich weicht die gegenständliche Entscheidung auch nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Versammlung; Veranstalter; Teilnehmer; Auflösung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.001.010.12086.2020

Zuletzt aktualisiert am

25.02.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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