TE Vwgh Erkenntnis 1997/5/22 97/18/0144

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Veröffentlicht am 22.05.1997
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
MRK Art3;
VwGG §28 Abs1 Z5;
VwGG §28 Abs1 Z6;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Neumair, über die Beschwerde des Z in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 20. August 1996, Zl. SD 700/95, betreffend Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat (§ 54 Abs. 1 des Fremdengesetzes), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 20. August 1996 wurde gemäß § 54 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Jugoslawischen Föderation, "1. in der Jugoslawischen Föderation (Restjugoslawien), 2. in Kroatien und

3. in Bosnien-Herzegowina" gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.

Gemäß § 54 FrG habe die Behörde auf Antrag eines Fremden mit Bescheid festzustellen, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestünden, daß dieser Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei. Diesen Bestimmungen zufolge sei die Abschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestünden, daß er Gefahr laufen würde, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden (Abs. 1) bzw. daß dort sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre (Abs. 2).

Dabei stelle zweifellos das Vorbringen des Antragstellers die zentrale Entscheidungsgrundlage dar, wobei es diesem obliege, alles Zweckdienliche vorzubringen, um das Vorliegen der Voraussetzungen des § 37 FrG prüfbar und nachvollziehbar zu machen. Dieses Vorbringen habe die Behörde auf ihre Stichhaltigkeit hin zu überprüfen. Als stichhaltig könnten Angaben im allgemeinen dann nicht angesehen werden, wenn diese so allgemein und abstrakt seien, daß sie einer Überprüfung nicht zugänglich seien, sodaß sie auch nicht als glaubwürdig angesehen werden könnten, oder wenn die Ausführungen mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich seien oder wenn die Ausführungen sonst das Vorliegen der Voraussetzungen des § 37 FrG nicht erkennen ließen. Der Beschwerdeführer führe in seiner Berufung aus, es wäre fraglich, ob seine jugoslawische Staatsangehörigkeit von der Jugoslawischen Föderation anerkannt würde, zumal er seit Geburt lange Zeit in Bosnien-Herzegowina und zuletzt einige Jahre in Kroatien gelebt hätte. Es wäre ohne weiteres denkbar, daß einer der Nachfolgestaaten Jugoslawiens ihn als seinen Staatsangehörigen "reklamierte". Außerdem wäre seine Ehegattin Kroatin und daher in der Jugoslawischen Föderation gefährdet.

Die "Vermutung" des Beschwerdeführers, er würde nicht als Staatsangehöriger der Jugoslawischen Föderation anerkannt werden, könne allenfalls dazu führen, daß eine Abschiebung in diesen Staat nicht möglich sei. Eine damit verbundene Gefährdung des Beschwerdeführers als "ethnischer Serbe in Restjugoslawien" sei damit aber in keiner Weise nachvollziehbar. Daß er als solcher Militärdienst zu versehen hätte, stelle keine Gefährdung im Sinne des § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG dar. Die Gefahr, in den Bürgerkrieg verwickelt zu werden, sei schon deshalb keine aktuelle und konkrete Gefahr im Sinne der genannten Bestimmungen, "weil derzeit die serbische Armee in keinen Bürgerkrieg verwickelt" sei.

Die vom Beschwerdeführer behaupteten Gefahren für seine Ehefrau als Kroatin in der Jugoslawischen Föderation seien nicht geeignet, eine aktuelle und konkrete Gefährdung des Beschwerdeführers in diesem Staat - und nur darauf komme es nach dieser Gesetzesstelle an - zu begründen. Im übrigen habe auch der Beschwerdeführer als "ethnischer Serbe" früher in Kroatien gelebt.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Vorweg ist festzuhalten, daß in der Beschwerde zwar begehrt (§ 28 Abs. 1 Z. 6 VwGG) wird, den Bescheid zur Gänze, damit hinsichtlich aller drei im Spruch genannten Staaten, aufzuheben, die von der Beschwerde angeführten Gründe für die behauptete Rechtswidrigkeit (§ 28 Abs. 1 Z. 5 VwGG) sich aber ausschließlich auf die Jugoslawische Föderation beziehen. Der Verwaltungsgerichtshof ist daher nur gehalten, sich mit dem angefochtenen Bescheid hinsichtlich des zuletzt genannten Staates auseinanderzusetzen.

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 4. April 1997, Zl. 97/18/0146, mwH).

3.1. Der Beschwerdeführer bringt dazu vor, daß aufgrund des "Bürgerkrieges in Jugoslawien" sein Reisepaß verfallen sei und die Botschaft der Bundesrepublik Jugoslawien in Österreich ihm trotz seines Antrages bisher keinen neuen Reisepaß ausgestellt habe. Dies dokumentiere "schon zur Genüge", daß er im Falle einer Abschiebung in die Jugoslawische Föderation einer "feindseligen und unmenschlichen Behandlung" unterworfen wäre. Aufgrund der "nach wie vor labilen innenpolitischen Situation und den nach wie vor nicht zur Gänze bereinigten ethnischen Konflikten" bestünde auch die Gefahr, "in den Bürgerkrieg verwickelt zu werden". Auch die Frau des Beschwerdeführers "als gebürtige Kroatin" wäre in "Restjugoslawien" gefährdet, "da selbstverständlich ein ethnisch gemischtes Ehepaar in jedem der Heimatländer der Ehepartner aufgrund dieser Tatsache Gefährdungen in sozialer, religiöser und physischer Hinsicht ausgesetzt" sein würde.

3.2. Dieses Vorbringen kann der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Soweit sich die Beschwerde auf die allgemeine Situation in der Jugoslawischen Föderation bezieht, vermag sie damit eine aktuelle und konkrete Bedrohung des Beschwerdeführers in dem genannten Sinn (vgl. Punkt II.1.) nicht glaubhaft zu machen (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Erkenntnis vom 18. Dezember 1996, Zl. 95/18/0685). Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, daß auch nach der Rechtsprechung des EGMR die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 MRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, nicht genügt, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 37 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Dezember 1996, Zl. 96/21/0688, unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EGMR).

Mit dem von der Beschwerde im übrigen ins Treffen geführten Umstand, daß der Beschwerdeführer bei der Botschaft der Bundesrepublik Jugoslawien in Wien keinen Paß erhalten habe, macht die Beschwerde ebenfalls keine aktuelle und konkrete Bedrohung im Sinne des § 37 FrG in dem genannten Staat glaubhaft, weil die bloße Nichtausstellung eines Reisepasses nicht zwingend auf eine solche Bedrohung schließen läßt.

4. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997180144.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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