TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/14 I419 2144524-2

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Veröffentlicht am 14.10.2020
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Entscheidungsdatum

14.10.2020

Norm

BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
FPG §88 Abs2a
FPG §90
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I419 2144524-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Tomas JOOS über die Beschwerde des XXXX , StA. SUDAN, vertreten durch DIAKONIE FLÜCHTLINGSDIENST gemeinnützige GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 04.03.2020, Zl. XXXX , zu Recht:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben. Gemäß § 88 Abs. 2a FPG ist XXXX ein Fremdenpass für ein Jahr auszustellen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit dem bekämpften Bescheid hat das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Fremdenpasses abgewiesen. Die Ausstellung von Fremdenpässen für subsidiär Schutzberechtigte sei nur zulässig, wenn die Beschaffung eines gültigen Reisedokuments des Herkunftsstaates nicht möglich sei. Der Beschwerdeführer sei zwar subsidiär schutzberechtigt, habe jedoch keinen Beweis erbracht, dass er von der Vertretungsbehörde seines Herkunftsstaates kein Reisedokument erlangen könne.

Beschwerdehalber wird vorgebracht, Anträge auf Reisepässe des Herkunftsstaats müssten persönlich bei dessen Botschaft in Brüssel gestellt werden, und ohne Pass könne sich der Beschwerdeführer kein Einreisevisum für Belgien beschaffen, was das BFA ermitteln hätte müssen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt, wie in I. wiedergegeben. Außerdem wird festgestellt:

1.1 Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Sudan und zufolge Erkenntnis dieses Gerichts vom 07.11.2019 (I411 2144524-1/13E) subsidiär Schutzberechtigter bezogen auf diesen Herkunftsstaat. Seine befristete Aufenthaltsberechtigung gilt bis Oktober 2022. Bis März 2020 bezog er Grundversorgung, seither ist er mit kurzen Unterbrechungen bei Personaldienstleistern vollversichert beschäftigt. Seit kurz nach seinem Asylantrag ist er durchgehend im Land Salzburg mit Hauptwohnsitz gemeldet. Strafrechtlich ist er unbescholten.

1.2 Er beantragte am 30.12.2019 die Ausstellung eines Fremdenpasses. Den Formularteil betreffend die Gültigkeitsdauer befüllte er nicht. In einer mit „Verbesserungsauftrag“ betitelten Erledigung hat ihm das BFA aufgetragen, nachzuweisen, dass ihm die Beschaffung eines Reisedokuments seines Herkunftsstaates nicht möglich sei, oder eine Bestätigung von dessen Vertretungsbehörde in Österreich vorzulegen, dass diese kein solches ausstellen könne.

1.3 In seiner Stellungnahme gab er dazu an, dass der Botschaft in Wien laut einer telefonischen Auskunft die Ausstellung von Reisepässen nicht möglich sei. Anträge könnten nur persönlich in der Botschaft in Brüssel gestellt werden. Darauf trug ihm das BFA mit einer weiteren als „Verbesserungsauftrag“ bezeichneten Erledigung auf, binnen vier Wochen bei der belgischen Botschaft ein Visum zu beantragen, um in weiterer Folge nach Brüssel zu reisen und dort einen Reisepass zu beantragen. Sollte ihm die Botschaft Belgiens die Einreise dorthin nicht gestatten, habe er dem BFA in der Frist zu dokumentieren, weshalb nicht. Andernfalls werde das BFA davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer seinen Antrag „nicht mehr weiterhin aufrechterhalten“ wolle oder die erforderlichen Voraussetzungen nicht erfülle, und den Antrag abweisen.

1.4 Nach dieser Frist, die ungenutzt blieb, erließ das BFA den bekämpften abweisenden Bescheid. Der Beschwerdeführer sei in der Lage gewesen, sich ein Reisedokument des Herkunftsstaats zu beschaffen, da er nicht habe beweisen können, dass er dazu nicht in der Lage sei.

1.5 Die sudanesische Botschaft in Wien stellt keine Reisepässe für ihre Staatsangehörigen aus, sondern nur Reisedokumente für einmalige Reisen in den Sudan. Ein Reisepass kann in Brüssel in der sudanesischen Botschaft in Belgien beantragt werden, wofür das persönliche Erscheinen des Antragstellers dort notwendig ist. Derzeit führt Belgien die Bundesländer Tirol und Wien als „Rote Zonen“, aus denen die Einreise nur unter einer Reihe von Bedingungen (die das BMEIA auf seiner Homepage veröffentlicht hat) gestattet ist.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akteninhalt des Verwaltungsaktes des BFA einschließlich der Beschwerde und der Beschwerdeergänzung sowie dem angeführten Erkenntnis. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Fremdenregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR), den Versicherungsdaten der Sozialversicherung und dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend eingeholt.

Die Feststellungen in 1.5 betreffend die Ausstellung sudanesischer Reisepässe entspricht dem Vorbringen im Verwaltungsverfahren (AS 16) und in der Beschwerde (AS 41), das vom BFA nicht bestritten wird und durch eine Telefonauskunft der sudanesischen Botschaft in Wien am 12.10.2020 als nach wie vor zutreffend bestätigt werden konnte.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zur Ausstellung eines Fremdenpasses:

3.1 Fremdenpässe sind gemäß § 88 Abs. 2a FPG jenen Fremden auf Antrag auszustellen, denen in Österreich der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt und die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen, es sei denn, zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung stünden dem entgegen.

Das entspricht Art. 25 Abs. 2 Statusrichtlinie (RL 2011/95/EU), wonach die Mitgliedstaaten den Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist und die keinen nationalen Pass erhalten können, Dokumente für Reisen außerhalb ihres Hoheitsgebiets ausstellen, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen. (s. die Materialien zu § 88 Abs. 2a FPG, EBRV 2144 BlgNR 24.GP, 25)

3.2 Demgemäß besteht auf die Ausstellung eines Fremdenpasses ein Rechtsanspruch der subsidiär Schutzberechtigten, wenn die Voraussetzungen (einschließlich des Fehlens der eben genannten entgegenstehenden zwingenden Gründe) vorliegen, und kein Ermessen der Behörde. (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht [2016] § 88 FPG, K7; Hinterberger/Klammer/Fux/Frik in Eppel/Reyhani, Praxiswissen Asyl- und Fremdenrecht [2016] Register 4, Kapitel 2.10, 2)

3.3 Nach den Feststellungen und auch der - aus dem zweiten „Verbesserungsauftrag“ hervorgehenden - Ansicht des BFA kann der Beschwerdeführer derzeit nur einen Reisepass des Herkunftsstaats erlangen, wenn er sich nach Belgien zu dessen dortiger Botschaft begibt. Solange ihm aber kein Fremdenpass ausgestellt wird, ist ihm das legal nicht möglich, weil Art. 21 Abs. 1 SDÜ dafür ein gültiges Reisedokument verlangt, womit der Beschwerdeführer ohne diesen Pass nicht in der Lage ist, sich ein gültiges Reisedokument seines Heimatstaates zu beschaffen.

3.4 Mit Blick auf die Feststellungen zu Unbescholtenheit, Arbeit und Wohnsitz des Beschwerdeführers sind keine zwingenden Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung zu erkennen, die der Ausstellung eines Fremdenpasses an diesen entgegenstünden.

3.5 Wenn nun aber die materiellen Voraussetzungen dafür gegeben sind, dem Antrag zum Erfolg zu verhelfen, ist nicht auch noch vorgesehen, die fehlende Beibringung irgendwelcher Unterlagen zum Gegenstand eines Verbesserungsauftrags zu machen (vgl. VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0124), und demnach auch nicht, deren Nichtvorlage zum Anlass einer Zurückweisung, oder wie im vorliegenden Fall einer Abweisung zu nehmen. Es ist – angesichts der Kundmachung des Art. 21 SDÜ im Bundesgesetzblatt (BGBl. III Nr. 90/1997) – auch nicht erforderlich, dass ein Drittstaatsangehöriger im Einzelfall nachweist, dass er in einen Staat im Geltungsbereich des SDÜ nicht ohne ein gültiges Reisedokument reisen darf.

3. 6 Fremdenpässe „können“ gemäß § 90 Abs. 1 FPG mit einer Gültigkeitsdauer von fünf Jahren ausgestellt werden, es sei denn, dass eine kürzere Gültigkeitsdauer beantragt wird (Z. 1) oder (Z. 2) im Hinblick auf die für die Ausstellung des Fremdenpasses maßgeblichen Voraussetzungen ausreichend ist.

Fallbezogen ist zu beachten, dass es dem Beschwerdeführer überlassen bleibt, sich wegen eines Reisepasses an die zuständige Botschaft des Herkunftsstaats zu wenden, sobald er einen Fremdenpass innehat und die Einreise nach Belgien nicht aus anderen Gründen scheitert. Zwar ist wegen des Wohnsitzes des Beschwerdeführers in Salzburg mit Blick auf die Feststellungen kein Hindernis für die Reise nach Belgien zu sehen, allerdings sind die temporären Einreisebeschränkungen innerhalb des Schengen-Raums gegenwärtig notorisch volatil.

Jedenfalls liegt in der Möglichkeit, in Brüssel einen Reisepass zu erhalten, ein konkreter Anhaltspunkt dafür, dass die Gültigkeit eines Fremdenpasses beim vorliegenden Sachverhalt auch dann hinreichend lang ist, wenn sie weniger als fünf Jahre beträgt. (vgl. VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/0052) Das Verwaltungsgericht geht im Hinblick darauf vom Zutreffen der Ausnahmebestimmung des § 90 Abs. 1 Z. 2 FPG aus, weil die maßgebliche Voraussetzung, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage ist, sich ein gültiges Reisedokument seines Heimatstaates zu beschaffen, sogleich entfällt, wenn dieser rechtlich und faktisch in der Lage ist, in der Botschaft in Brüssel vorzusprechen, allerdings muss mit vorübergehenden Einschränkungen des Reiseverkehrs noch für mehrere Monate gerechnet werden.

Andererseits erweist sich aus der bisherigen Entwicklung, dass auch strenge Verkehrsbeschränkungen nicht länger als wenige Monate gelten, sodass es ausreichend sein wird, wenn der Beschwerdeführer ein Jahr lang für Reisen (und in diesem Zeitraum auch nach Belgien) ein Dokument zur Verfügung hat. Der VwGH hat ausgesprochen, dass betreffend die Gültigkeitsdauer kein Ermessen besteht, wenn keine der Ausnahmen der Z. 1 f vorliegt. (25.02.2016, Ra 2016/21/0052) Daraus ist jedoch zu schließen, dass es in Fällen, in denen die Ausnahme der Z. 2 vorliegt, weil eine kürzere Gültigkeitsdauer hinreicht, auch nicht im Ermessen der Behörde steht, dennoch einen Fremdenpass für fünf Jahre zu erteilen, insbesondere auch, weil das Gesetz für Z. 1 und Z. 2 keine unterschiedlichen Folgen vorsieht und dem System der Rechtsordnung antragsbedürftige Hoheitsakte grundsätzlich fremd sind, deren Inhalt über das Beantragte hinausgeht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden, dass dem Beschwerdeführer ein Fremdenpass gemäß § 88 Abs. 2a FPG mit einer Gültigkeit von einem Jahr auszustellen ist. Die Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde obliegt dem BFA und nicht dem Verwaltungsgericht.

4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Die vorgenannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist vollständig erhoben und weiterhin aktuell. Somit war lediglich eine Rechtsfrage zu klären.

Die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung wurde vom BFA nicht, vom Beschwerdeführer nur eventualiter zur Klärung des maßgeblichen Sachverhaltes beantragt. Demnach konnte aufgrund der Aktenlage entschieden werden.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zu den Voraussetzungen des Anspruchs auf einen Fremdenpass oder zur Festlegung von dessen Geltungsdauer.

Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage(n) kamen nicht hervor.

Schlagworte

Einreise Ermessen Fremdenpass Herkunftsstaat Nachweismangel Rechtsanspruch Reisedokument subsidiärer Schutz Verbesserungsauftrag Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I419.2144524.2.00

Im RIS seit

24.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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