TE Vwgh Erkenntnis 2021/1/27 Ra 2020/13/0085

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Veröffentlicht am 27.01.2021
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht

Norm

BAO §188 Abs1 litb
BAO §190 Abs1
BAO §191 Abs1 litc
BAO §93 Abs2

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2020/13/0086

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer und den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revisionen 1. eingebracht vom damaligen Finanzamt Gänserndorf Mistelbach in 2230 Gänserndorf, Rathausplatz 9 (mitbeteiligte Partei: G Gesellschaft m.b.H. und Mitgesellschafter in Poysdorf, vertreten durch die Allrat Wirtschaftstreuhandgesellschaft m.b.H. in 2170 Poysdorf, Liechtensteinstraße 23), und 2. der G Gesellschaft m.b.H. und Mitgesellschafter „bzw (oder auch)“ G Gesellschaft m.b.H. und „weitere Mitgesellschafter lt beiliegender Liste des angefochtenen Beschlusses“ in P, vertreten durch Dr. Michael Kotschnigg, Steuerberater in 1220 Wien, Stadlauer Straße 39/1, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom 24. Juni 2020, Zl. RV/7100935/2020, betreffend Feststellung der Einkünfte für die Jahre 2008 bis 2013, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der zweitrevisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        In der Niederschrift über die Schlussbesprechung anlässlich einer Außenprüfung bei der G „GesmbH u Mitges“ (zweitrevisionswerbende Partei) vom 10. November 2014 wurde eingangs festgehalten, im Zusammenhang mit dem Golfplatz P gebe es die Steuersubjekte G GmbH, die G GmbH und Mitgesellschafter (atypische stille Gesellschaft), sowie den Golfclub P (Verein). Betreffend Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO wurde u.a. ausgeführt, „Baraufzahlungen“ und Personalkosten seien zusätzlich als Einnahmen anzusehen und daher dem Gewinn hinzuzurechnen.

2        Mit Bescheiden jeweils vom 26. November 2014 stellte das Finanzamt (erstrevisionswerbende Partei) Einkünfte gemäß § 188 BAO für die Jahre 2008 bis 2013 fest. Die Bescheide richten sich an die G „GesmbH u Mitges“ zu Handen des steuerlichen Vertreters. Die Einkünfte werden jeweils an im Bescheid mit Namen, Adresse und Steuernummer identifizierte Personen zugewiesen. In der Begründung wird auf den Bericht über die Außenprüfung und die darüber aufgenommene Niederschrift verwiesen.

3        Die zweitrevisionswerbende Partei und die G GmbH erhoben (u.a.) gegen diese Bescheide Beschwerde. Sie bekämpften die im Gefolge der Außenprüfung vorgenommenen Gewinnerhöhungen und beantragten die Feststellung der Einkünfte gemäß den eingereichten Erklärungen.

4        Mit Beschwerdevorentscheidungen vom 29. August 2018 wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Auch die Beschwerdevorentscheidungen richten sich an die G „GesmbH u Mitges“ zu Handen des steuerlichen Vertreters.

5        Die zweitrevisionswerbende Partei sowie die G GmbH beantragten die Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Bundesfinanzgericht.

6        Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als nicht zulässig zurück. Es sprach aus, dass gegen diesen Beschluss eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Der Beschluss ist an die G GmbH „und Gesellschafter laut beiliegender Liste“ zu Handen des steuerlichen Vertreters gerichtet; in einer Beilage werden die stillen Gesellschafter (mit Name, Adresse und Abgabenkontonummer) genannt.

7        Nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, die angefochtene Erledigung habe keine Bescheidqualität erlangt. Die angefochtene Erledigung sei an eine GmbH „und Mitges“ ergangen. Bei diesem Adressaten handle es sich um kein zivilrechtlich rechtsfähiges Gebilde. Die angefochtene Erledigung sei damit an einen im § 191 Abs. 1 lit. c BAO genannten Adressaten nicht ergangen; einen solchen habe es nicht gegeben. Die Erledigung des Finanzamts entfalte damit keine Wirksamkeit. Auch dass die mit der Sammelbezeichnung „Mitges“ bezeichneten Mitunternehmer im Rahmen der Verteilung der Einkünfte einzeln genannt würden, könne eine taugliche Bezeichnung des Bescheidadressaten nicht ersetzen. Mangels gesetzmäßiger Adressatenbezeichnung habe die Erledigung keine Rechtswirksamkeit erlangt. Mit Beschwerde anfechtbar seien nur rechtswirksam ergangene Bescheide. Die Beschwerde sei daher mangels tauglichen Beschwerdegegenstandes gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als unzulässig zurückzuweisen.

8        Gegen diesen Beschluss richten sich die Revisionen des Finanzamts und der G GmbH & Mitgesellschafter „bzw. (oder auch)“ der G GmbH „und weitere Mitgesellschafter lt beiliegender Liste des angefochtenen Beschlusses“. Sowohl das Finanzamt als auch die zweitrevisionswerbende Partei machen geltend, die Bescheide des Finanzamts seien wirksam.

9        Der Verwaltungsgerichtshof leitete jeweils das Vorverfahren ein; Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet.

10       Der Verwaltungsgerichtshof hat - nach Verbindung der Verfahren zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung - erwogen:

11       Die Revisionen sind zulässig und begründet.

12       Gemäß § 188 Abs. 1 lit. b BAO werden die Einkünfte u.a. aus Gewerbebetrieb festgestellt, wenn an den Einkünften derselben Einkunftsart mehrere Personen beteiligt sind. Nach § 188 Abs. 3 BAO ist Gegenstand der Feststellung auch die Verteilung des festgestellten Betrages auf die Teilhaber.

13       Nach § 190 Abs. 1 BAO finden auf Feststellungen (u.a. gemäß § 188 BAO) die für die Festsetzung der Abgaben geltenden Vorschriften sinngemäß Anwendung. Die für die vorgenannten Feststellungen geltenden Vorschriften sind sinngemäß für Bescheide anzuwenden, mit denen ausgesprochen wird, dass solche Feststellungen zu unterbleiben haben.

14       Nach § 93 Abs. 2 BAO hat jeder Bescheid (u.a.) den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht. Die Personenumschreibung ist notwendiger Bestandteil des Bescheidspruches mit der Wirkung, dass ohne gesetzmäßige Bezeichnung des Adressaten im Bescheidspruch (zu dem auch das Adressfeld zählt) kein individueller Verwaltungsakt gesetzt wird (vgl. VwGH 26.7.2007, 2004/15/0137, VwSlg. 8254/F).

15       Nach § 191 Abs. 1 lit. c BAO ergeht der Feststellungsbescheid in den Fällen des § 188 BAO an die Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit, deren Gesellschaftern (Mitgliedern) gemeinschaftliche Einkünfte zugeflossen sind (vgl. dazu etwa VwGH 8.10.1991, 91/14/0006; vgl. auch VwGH 29.3.2007, 2006/15/0329, 0330).

16       Ist eine Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit in dem Zeitpunkt, in dem der Feststellungsbescheid ergehen soll, bereits beendigt, so hat nach § 191 Abs. 2 BAO der Bescheid an diejenigen zu ergehen, denen gemeinschaftliche Einkünfte zugeflossen sind (vgl. hiezu etwa VwGH 6.4.1994, 91/13/0234, VwSlg. 6881/F; 9.2.2005, 2000/13/0116, VwSlg. 8003/F; 12.12.2007, 2005/15/0040, VwSlg. 8293/F; 30.1.2013, 2012/13/0027, 0028 und 0055; 26.2.2020, Ra 2018/13/0103).

17       Wird eine Mehrheit von Personen (als Einschreiterin) nicht als Mitunternehmerschaft steuerlich anerkannt, ist im Bescheid auszusprechen, dass eine Feststellung zu unterbleiben hat. Ein solcher Bescheid muss die Gesamtheit der einschreitenden Rechtssubjekte erreichen und ist daher individuell an all jene Rechtssubjekte zu richten, denen die Abgabenerklärung (oder das Rechtsmittel) zuzurechnen ist (vgl. VwGH 2.8.2000, 99/13/0014, VwSlg. 7532/F; 17.10.2001, 96/13/0058; vgl. auch VwGH 21.10.1999, 99/15/0121; 20.4.2004, 2003/13/0145).

18       Die Parteien des Verfahrens und auch das Bundesfinanzgericht gehen übereinstimmend davon aus, dass es sich bei der Einschreiterin um eine Mitunternehmerschaft (atypisch stille Gesellschaft; vgl. zu den Voraussetzungen einer Mitunternehmerschaft z.B. VwGH 1.9.2015, 2012/15/0234; 19.10.2016, Ra 2015/15/0046, mwN) handelt, die aus der G GmbH (als Inhaberin des Unternehmens) und den in der dem angefochtenen Beschluss angeschlossenen Liste genannten Personen als stillen Gesellschaftern besteht. Übereinstimmend wird weiters davon ausgegangen, dass diese atypisch stille Gesellschaft auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesfinanzgerichts aufrecht bestanden hat (vgl. hingegen zur Beendigung der stillen Gesellschaft VwGH 26.2.2020, Ra 2018/13/0103, mwN).

19       Die Feststellungsbescheide und auch die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts hatten daher an diese Personenvereinigung zu ergehen.

20       Ein an eine unechte (atypische) stille Gesellschaft zu richtender Bescheid gemäß § 188 BAO kann die Bezeichnung des Geschäftsherrn (Inhaber des Unternehmens) mit dem Zusatz „und Mitgesellschafter“ enthalten. Die stille Gesellschaft ist auch dadurch bezeichnet, dass sie die Namen oder Bezeichnungen des Geschäftsherrn (Inhaber des Unternehmens) und des (oder der) stillen Gesellschafter aufweist (vgl. VwGH 26.7.2007, 2004/15/0137, VwSlg. 8254/F).

21       Damit wurde die stille Gesellschaft sowohl vom Finanzamt in den Bescheiden als auch vom Bundesfinanzgericht im Beschluss (wenn auch in der Formulierung voneinander abweichend) jeweils tauglich bezeichnet. Die beiden Bezeichnungen, die auch beide in der Revision der zweitrevisionswerbenden Partei genannt werden, benennen dasselbe Einkünfteermittlungssubjekt (vgl. VwGH 3.9.2019, Ro 2019/15/0016). Somit sind sowohl das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts als auch - entgegen der Ansicht des Bundesfinanzgerichts - die Bescheide des Finanzamts wirksam ergangen.

22       Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

23       Der Ausspruch über den Aufwandersatz (an die zweitrevisionswerbende Partei) gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 27. Jänner 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020130085.L00

Im RIS seit

31.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

31.03.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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