TE Bvwg Beschluss 2020/9/30 L502 2234656-2

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Veröffentlicht am 30.09.2020
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Entscheidungsdatum

30.09.2020

Norm

AsylG 2005 §57
BFA-VG §18
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §55
VwGVG §7 Abs4

Spruch


L502 2234656-2/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Nikolas BRACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch RA Mag. Ali POLAT, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.07.2020 und 21.07.2020, FZ. 1244844000-190965288, beschlossen:

A)

1. Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 17.07.2020 wird als verspätet zurückgewiesen.

2. Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 21.07.2020 wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Im Gefolge der Anhaltung des Beschwerdeführers (BF) in Untersuchungshaft ab 24.08.2019 erging am 23.09.2019 gemäß § 34 Abs. 3 Z. 1 BFA-VG ein Festnahmeauftrag des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gegen ihn.

2. Am 11.10.2019 wurde dieser vom BFA zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot gegen ihn verständigt und zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme aufgefordert.

3. Mit Schriftsatz vom 25.10.2019 brachte der anwaltliche Vertreter des BF eine Stellungnahme ein.

4. Mit Urteil des XXXX vom 19.05.2020 wurde der BF wegen XXXX rechtskräftig zu einer XXXX verurteilt.

5. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des BFA vom 17.07.2020 wurde gegen den BF gemäß § 52 Abs. 5 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt II). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z. „0“ FPG wurde gegen ihn ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III). Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde ihm keine Frist zur freiwilligen Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt (Spruchpunkt IV). Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V).

6. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 17.07.2020 wurde ihm gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG von Amts wegen ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.

7. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des BFA vom 21.07.2020 wurde der Bescheid vom 17.07.2020 insoweit berichtigt, als dem BF „ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wird“.

8. Gegen die beiden am 20.07. bzw. 22.07.2020 an den Vertreter des BF zugestellten Bescheide wurde von diesem mit Schriftsatz vom 18.08.2020 Beschwerde erhoben.

9. Am 02.09.2020 übermittelte das BFA an das BVwG eine mit dem Betreff „Aktenübermittlung Teil 2 an BVwG“ betitelte E-Mail sowie als Anhang derselben eine Datei mit dem Titel „Akt Teil 3“.

Dieses Eingangsstück wurde in der Folge von der Geschäftsstelle des BVwG am gleichen Tag der Gerichtsabteilung L502 unter GZ. 2234656-1 zugewiesen.

Mangels ordentlicher Beschwerdevorlage durch das BFA und daraus abzuleitender Anhängigkeit eines Beschwerdeverfahrens wurde dieses Verfahren mit Aktenvermerk des BVwG vom 02.09.2020 abgeschlossen.

10. Am 11.09.2020 langte eine Beschwerdevorlage des BFA in der gg. Rechtssache beim BVwG ein und wurde das gg. Beschwerdeverfahren in der Folge der Gerichtsabteilung L502 unter GZ. 2234656-2 zugewiesen, wo sie am 14.09.2020 einlangte.

11. Am 16.09.2020 wurde dem Vertreter des BF ein Verspätungsvorhalt die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 17.07.2020 betreffend übermittelt.

12. Am 24.09.2020 langte eine Stellungnahme dazu beim BVwG ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der og. Verfahrensgang steht im Lichte des Akteninhalts fest.

2. Beweiswürdigung:

Beweis erhoben wurde durch Einsichtnahme in den gg. Verfahrensakt.

Der oben wiedergegebene Verfahrensgang steht im Lichte dessen als unstrittig fest.

3. Rechtliche Beurteilung:

Mit Art. 129 B-VG idF BGBl. I 51/2012 wurde ein als Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes eingerichtet.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.

Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) idF BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde als gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Mit BFA-Einrichtungsgesetz (BFA-G) idF BGBl. I Nr. 68/2013, in Kraft getreten mit 1.1.2014, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) eingerichtet.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG idgF sowie § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Zu A)

1. Gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG vier Wochen.

Gemäß § 32 Abs. 2 AVG enden nach Wochen bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Wenn das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag oder den Karfreitag fällt, so ist gemäß § 33 Abs. 2 AVG der nächste Werktag letzter Tag der Frist. Die Tage des Postenlaufes werden gemäß § 33 Abs. 3 AVG in die Frist nicht eingerechnet. Zur Wahrung der Frist genügt es also, dass der Postenlauf vor Ablauf des letzten Tags der Frist in Gang gesetzt wird, d.h., dass die Berufung der Post zur Beförderung – an die richtige Stelle – übergeben wird (vgl. Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht, 8. Auflage, Rz 237).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Rechtsfrage, ob eine Berufung [hier: „Beschwerde“] rechtzeitig oder verspätet eingebracht wurde, auf Grund von Tatsachen zu entscheiden, welche die Behörde festzustellen hat, wobei der Partei gemäß § 45 Abs. 3 AVG Gelegenheit zu geben ist, vom Ermittlungsergebnis Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen (vgl. z.B. das Erkenntnis des VwGH vom 10.12.1991, Zahl: 88/07/0089, u.a.).

2. Im gg. Fall wurde gegen den Bescheid des BFA vom 17.07.2020, der am 20.07.2020 rechtswirksam zugestellt wurde, mit Schriftsatz vom 18.08.2020 Beschwerde erhoben. Zugleich wurde auch gegen den Bescheid des BFA vom 21.07.2020, der am 22.07.2020 rechtswirksam zugestellt wurde, Beschwerde erhoben.

In seiner Stellungnahme vom 23.09.2020 verwies der Vertreter des BF darauf, dass angesichts des Umstands, dass der erste Bescheid vom 17.07.2020 durch jenen vom 21.07.2020 berichtigt wurde, die Frist von vier Wochen für die Beschwerdeeinbringung mit der Zustellung des Berichtigungsbescheides am 22.07.2020 neu zu laufen begonnen habe und sich die Beschwerde vom 18.08.2020 daher als rechtzeitig erhoben erweise.

3. Der Vertreter wäre mit diesem Einwand allerdings nur dann im Recht, wenn der Berichtigungsbescheid rechtskonform erlassen worden wäre, zumal die gg. Beschwerdefrist dann auch den ersten Bescheid vom 17.07.2020 betreffend am 22.07.2020 begonnen und am 19.08.2020 geendet hätte, da ein Berichtigungsbescheid in seinem Inhalt an die Stelle des berichtigten Bescheides tritt und mit dessen Inhalt eine Einheit bildet.

Gemäß § 18 Abs. 3 AVG muss jede schriftliche Erledigung durch die Unterschrift - bzw. bei elektronisch erstellten Erledigungen durch ein Verfahren zum Nachweis der Identität des Genehmigenden und der Authentizität der Erledigung - genehmigt und einem bestimmten Organwalter zurechenbar sein. Andernfalls kommt eine Erledigung selbst dann nicht zustande, wenn ihre Ausfertigung allen Anforderungen des § 18 Abs. 4 AVG genügt (vgl. Ra 2019/12/0026 v. 19.02.2020).

Der vorliegende Akteninhalt zeigt jedoch, dass der Berichtigungsbescheid diesem Erfordernis des § 18 Abs. 3 AVG nicht entspricht, da er weder vom Genehmigenden unterfertigt noch sonst dessen Identität sowie die Authentizität der Erledigung erkenntlich gemacht wurde.

Ein solches wesentliches Formgebrechen bewirkt aber wiederum die absolute Nichtigkeit des betreffenden Bescheides. Dieser wurde daher rechtlich nie existent.

In Ermangelung des Zustandekommens eines rechtskonformen Berichtigungsbescheides existierte sohin bloß der per se einer Beschwerde zugängliche erste Bescheid des BFA vom 17.07.2020. Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid begann mit dessen Zustellung am 20.07.2020 und endete vier Wochen später am 17.08.2020.

Die Beschwerde des BF vom 18.08.2020 erwies sich angesichts dessen als verspätet, da der gg. Bescheid bereits am 17.08.2020 in Rechtskraft erwuchs.

4. Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass das BFA in seinem Berichtigungsbescheid vom 21.07.2020 (bloß) die – im Lichte der gemäß § 52 FPG zu erlassenden Rückkehrentscheidung - gemäß § 58 Abs. 1 Z. 5 AsylG vorgesehene, jedoch im ersten Bescheid vom 17.07.2020 verabsäumte Entscheidung über die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG nachholte, was sie damit begründete, dass dieses Versäumnis „irrtümlich“ erfolgte und daher einer Berichtigung gemäß § 62 Abs. 4 AVG zugänglich sei.

Dabei verkannte das BFA jedoch, dass es sich beim Entfall dieser zwingend vorgesehenen Entscheidung über die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG im ersten Bescheid vom 17.07.2020 nicht um eine berichtigungsfähige, weil „offenbar auf einem Versehen beruhende“ Unrichtigkeit oder einen bloßen Schreibfehler handelt. Denn Fehler in der rechtlichen Beurteilung eines Bescheides sind einer Berichtigung nicht zugänglich.

Mit Blick darauf wäre der Berichtigungsbescheid daher als rechtwidrig zu beheben gewesen, wäre er durch eine rechtskonforme Erlassung tatsächlich rechtlich existent geworden.

5. Die Beschwerde vom 18.08.2020 war daher, soweit sie sich gegen den Bescheid vom 17.07.2020 richtete, als verspätet zurückzuweisen.

6. Gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

7. Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Schlagworte

Berichtigungsbescheid fehlende Bescheidgenehmigung Nichtigkeit Rechtsmittelfrist Unterschrift Unzulässigkeit der Beschwerde Verspätung Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L502.2234656.2.00

Im RIS seit

22.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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