TE Vwgh Beschluss 2021/1/14 Ra 2019/18/0394

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Veröffentlicht am 14.01.2021
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs4
FrPolG 2005 §52 Abs2
FrPolG 2005 §52 Abs4
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, die Hofräte Mag. Nedwed und Dr. Sutter, die Hofrätin Dr.in Sembacher sowie den Hofrat Mag. Tolar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des I K, vertreten durch Dr. Mario Züger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Seilergasse 16, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. September 2019, W222 2131335-1/25E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 10. Mai 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2        Mit Bescheid vom 11. Juli 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Mit Erkenntnis vom 21. März 2017 erkannte das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) dem Revisionswerber im Beschwerdeverfahren den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung. Mit Beschluss vom selben Tag stellte es das Beschwerdeverfahren hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten wegen Zurückziehung der Beschwerde durch den Revisionswerber ein.

4        Gegen die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und die erteilte Aufenthaltsberechtigung erhob das BFA eine außerordentliche Amtsrevision. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 2017, Ra 2017/19/0157, wurde das Erkenntnis des BVwG vom 21. März 2017 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

5        Am 16. Februar 2018 beantragte der Revisionswerber bei der belangten Behörde die Verlängerung der ihm mit Erkenntnis vom 21. März 2017 erteilten befristeten Aufenthaltsberechtigung. Mit Bescheid vom 26. Februar 2018 gab das BFA diesem Antrag statt und erteilte dem Revisionswerber - ohne, dass dieser zu besagtem Zeitpunkt über den Status des subsidiär Schutzberechtigten verfügt hätte - neuerlich eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) bis 21. März 2020. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

6        Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis des BVwG vom 2. September 2019 wurde die Beschwerde des Revisionswerbers hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, der Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürden Gründen, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung, der Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan und der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet abgewiesen. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das BVwG gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

7        Zusammengefasst erwog das BVwG begründend hinsichtlich der Nichtgewährung subsidiären Schutzes, dass dem Revisionswerber, der nicht in seine volatile Herkunftsprovinz Helmand zurückkehren könne, eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative in Mazar-e Sharif oder Herat offenstehe. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen lägen ebenfalls nicht vor. Der Revisionswerber sei nämlich weder geduldet, noch sei er Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen oder Opfer von Gewalt geworden. Zur Rückkehrentscheidung legte das BVwG dar, dass es sich bei dem Revisionswerber zum einen nicht um einen begünstigten Drittstaatsangehörigen handle, und ihm zum anderen auch kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukomme. Mit der erfolgten Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz ende auch das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005. Im Rahmen dieses Spruchpunktes führte das BVwG eine näher begründete Interessenabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG durch und kam zu dem Ergebnis, dass die öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen des Revisionswerbers überwögen.

8        Die vorliegende Revision ficht das verwaltungsgerichtliche Erkenntnis nur hinsichtlich der Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung, der Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung und der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise an.

9        Zur Zulässigkeit führt die Revision zusammengefasst und zum Teil unter Verweis auf näher bezeichnete Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus, dass der Revisionswerber über eine bis 21. März 2020 befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 verfügt habe, was dem BVwG bei gehöriger Sorgfalt hätte bekannt sein müssen. Das bestehende Aufenthaltsrecht wäre damit sowohl dem Abspruch über die Voraussetzungen der Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, als auch der Erlassung der Rückkehrentscheidung entgegengestanden, weshalb sich das Erkenntnis als rechtswidrig erweise.

10       Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.

11       Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

12       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

13       Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

14       Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

15       Die Revision bringt zwar zutreffend vor, dass dem Revisionswerber mit (rechtskräftigem) Bescheid des BFA vom 26. April 2018 eine befristete Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 erteilt worden ist, die im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses noch aufrecht war.

16       Dieser Bescheid war rechtswidrig, weil die Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 gesetzlich überhaupt nur in Betracht kam, wenn dem Betroffenen der Status des subsidiär Schutzberechtigten zu diesem Zeitpunkt (noch) zukam (vgl. VwGH 30.10.2019, Ro 2019/14/0007), was fallbezogen unstrittig nicht zutraf. Ungeachtet dessen entfaltete der rechtskräftige Bescheid Rechtswirkungen, wenn und solange er dem Rechtsbestand angehörte.

17       Das AsylG 2005 und das Fremdenpolizeigesetz (FPG) sehen für einen solchen Einzelfall, den es nach dem Gesetz nicht geben sollte und in dem einem Asylwerber irrtümlich und fehlerhaft ein befristetes Aufenthaltsrecht als subsidiär Schutzberechtigter (hier: bis 21. März 2020) zuerkannt worden ist, obwohl er überhaupt keinen subsidiären Schutzstatus genießt, keine ausdrücklichen Regelungen vor. In § 9 Abs. 4 AsylG 2005 wird lediglich angeordnet, dass die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden ist. Gleichzeitig schließt das Gesetz aber nicht aus, dass auch gegen Personen, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, unter bestimmten Voraussetzungen Rückkehrentscheidungen erlassen werden können. So ist etwa im Fall der gänzlichen Abweisung eines Antrags auf internationalen Schutz die Rückkehrentscheidung zu erlassen, ohne die Rechtskraft der Entscheidung und den damit verbundenen Verlust des nach dem AsylG 2005 vorläufig zustehenden Aufenthaltsrechts abzuwarten. Dies setzt voraus, dass dem Betroffenen kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt (§ 52 Abs. 2 FPG). § 52 Abs. 4 FPG lässt in den dort genannten Konstellationen explizit die Erlassung der Rückkehrentscheidung gegen Drittstaatsangehörige, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, zu; an einen Fall wie den vorliegenden wurde dabei erkennbar nicht gedacht.

18       Somit lag im vorliegenden Fall eine Gesetzeslücke vor, die unter Bedachtnahme auf das vom Gesetz verfolgte Ziel, Asylwerbern, die ihr Aufenthaltsrecht nur aus dem AsylG 2005 ableiten können, dieses Recht grundsätzlich nur für die Dauer des Asylverfahrens zu gewähren und es mit dessen negativem Abschluss zu beenden, geschlossen werden musste.

19       Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde abschließend und im Ergebnis unbeanstandet darüber entschieden, dass dem Revisionswerber kein Anspruch auf internationalen Schutz zukommt. Dass die gegen ihn erlassene Rückkehrentscheidung unter diesem Blickwinkel unzulässig gewesen wäre, vermag die Revision nicht darzulegen. Eine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt angesichts der besonderen Verfahrenskonstellation nicht vor. Die Revision zeigt auch nicht auf, dass das BVwG bei seiner Entscheidung von den Leitlinien der höchstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen und dem Revisionswerber fallbezogen ein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 zu erteilen oder die Rückkehrentscheidung aus Gründen des Art. 8 EMRK für unzulässig zu erklären gewesen wäre.

20       Die Revision war daher in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 14. Jänner 2021

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019180394.L00

Im RIS seit

01.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.03.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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