TE Vwgh Erkenntnis 1997/5/27 97/04/0077

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Veröffentlicht am 27.05.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §8;
GewO 1994 §356 Abs3;
GewO 1994 §356 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde der M und des KW in B, beide vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 24. Februar 1997, Zl. VIb-221/557-1997, betreffend Zurückweisung einer Berufung gegen die Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: D in B), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der vorliegenden Beschwerde und der diesen angeschlossenen Bescheidausfertigung zufolge wurde mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 24. Februar 1997 die Berufung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid der BH Bludenz vom 7. Jänner 1997, betreffend Erteilung der gewerbebehördlichen Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Tischlerwerkstatt an die mitbeteiligte Partei, als unzulässig zurückgewiesen. Hiezu wurde im wesentlichen ausgeführt, die BH Bludenz habe aufgrund des Ansuchens der mitbeteiligten Partei u.a. um Erteilung der gewerbebehördlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Tischlerwerkstatt mit Holzlagerplatz auf einem näher bezeichneten Standort, mit Kundmachung vom 29. September 1993 eine Augenscheinsverhandlung für den 20. Oktober 1993 anberaumt. Im Zuge dieser Verhandlung hätten die Beschwerdeführer erklärt, gegen die beantragte Bewilligung keinen Einwand zu erheben. Infolge ergänzender Planunterlagen habe die BH Bludenz mit Kundmachung vom 15. März 1994 eine neuerliche Augenscheinsverhandlung für den 6. April 1994 anberaumt. Im Zuge dieser Verhandlung hätten die Beschwerdeführer folgende Erklärung abgegeben:

"Gegen das beantragte Bauvorhaben wird kein Einwand erhoben. Allerdings besteht unsererseits die Befürchtung, daß im Anschluß an das nunmehr zu widmende Betriebsgebiet für die Tischlerei des Antragstellers auf den derzeitigen Grünflächen entlang der Trasse der Montafonerbahn AG weitere Betriebsgebietswidmungen erfolgen und die Erschließung dieses Gebietes über die vorhandene Gemeindestraße, welche an unserem Wohnhaus vorbeiführt, erfolgt. Dies würde zu Belastungen für die Wohnnachbarn führen. Weiters ersuchen wir, uns die noch einzuholenden schriftlichen Gutachten, soweit sie den Nachbarschutz betreffen, zur Stellungnahme zu übermitteln."

Mit Bescheid der BH Bludenz vom 7. Jänner 1997 sei der mitbeteiligten Partei die beantragte Bewilligung unter Vorschreibung von Auflagen erteilt und die von den Beschwerdeführern erhobenen Einwendungen als unzulässig zurückgewiesen worden. Die von den Beschwerdeführern gegen diesen Bescheid erhobene Berufung sei, weil die Beschwerdeführer durch die wiedergegebenen Erklärungen keine Einwendungen im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1994 erhoben und folglich Parteistellung nicht erlangt hätten, zurückzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die Beschwerdeführer erachten sich - ihrem gesamten Vorbringen zufolge - durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf meritorische Erledigung ihrer Berufung verletzt. Sie bringen hiezu im wesentlichen vor, nicht nur sie, sondern auch die BH Bludenz seien davon ausgegangen, daß sie rechtzeitig Einwendungen erhoben und Parteistellung im Verfahren erlangt hätten. So sei ihnen insbesondere das gewerbetechnische Gutachten sowie das Gutachten des Amtsarztes "zum Parteiengehör" übermittelt worden. Daß die Beschwerdeführer im Verfahren Einwendungen gemäß § 74 GewO tatsächlich erhoben hätten, gehe zwar in dieser Klarheit aus der aufgenommenen Niederschrift nicht hervor, werde allerdings auch aus der Erklärung deutlich, daß kein Einwand erhoben, aber ersucht werde, die noch einzuholenden Gutachten, soweit sie den Nachbarschutz betreffen, zur Stellungnahme zu übermitteln. Da die Niederschrift keine volle Beweiskraft habe, hätte von Amts wegen der Inhalt der Äußerungen der Beschwerdeführer im Verfahren ermittelt werden müssen. Jedenfalls sei lediglich gegen das beantragte BAUvorhaben kein Einwand erhoben worden. Auch sei das Projekt ständigen Änderungen unterworfen gewesen, sodaß sich jede Erklärung der Nachbarn nur auf den bis dato bekannten Sachverhalt beziehen hätte können. Gerade aus der Einwendung "Nachbarschutz" lasse sich aber ohne weiteres und selbst wenn nur von der protokollierten Form der Einwendung ausgegangen werde, die Art der (gefürchteten) Belästigungen im Zusammenhang mit den noch einzuholenden Unterlagen und ergänzenden Gutachten ableiten.

Gemäß § 356 Abs. 3 GewO 1994 sind im Verfahren über ein Ansuchen um Genehmigung der Errichtung und des Betriebes einer Betriebsanlage oder um Genehmigung der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage nur jene Nachbarn Parteien, die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 erheben, und zwar vom Zeitpunkt ihrer Einwendungen an. Weist ein Nachbar der Behörde nach, daß er ohne sein Verschulden daran gehindert war, die Parteistellung nach dem ersten Satz zu erlangen, so darf er seine Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 auch nach Abschluß der Augenscheinsverhandlung und bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Angelegenheit vorbringen und ist vom Zeitpunkt seiner Einwendungen an Partei; solche Einwendungen sind vom Nachbarn binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses für ihre Erhebung bei der Behörde einzubringen, die die Augenscheinsverhandlung anberaumt hat, und von dieser oder von der Berufungsbehörde in gleicher Weise zu berücksichtigen, als wären sie in der mündlichen Verhandlung erhoben worden.

Gemäß § 359 Abs. 4 GewO 1994 steht das Recht der Berufung außer dem Genehmigungswerber den Nachbarn zu, die Parteien sind.

Eine Einwendung liegt (nur) dann vor, wenn der Nachbar die Verletzung eines subjektiven Rechtes geltend macht. Dem betreffenden Vorbringen muß jedenfalls entnommen werden können, daß überhaupt die Verletzung eines subjektiven Rechtes behauptet wird, und ferner, welcher Art dieses Recht ist, d. h. es muß auf einen oder mehrere der in § 74 Abs. 2 Z. 1, 3 oder 5, im Falle des § 74 Abs. 2 Z. 2 auf einen oder mehrere der dort vorgeschriebenen Alternativtatbestände (Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder eine "in anderer Weise" auftretende Einwirkung) abgestellt sein. Die Erlangung der Parteistellung durch Nachbarn im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1994 setzt das Vorliegen derart qualifzierter Einwendungen voraus. Ein lediglich allgemein gehaltenes, nicht auf die konkreten Verhältnisse des Beteiligten abgestelltes Vorbringen stellt begrifflich keine Behauptung der Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes im Sinne des Rechtsbegriffes einer Einwendung dar (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 18. Juni 1996, Zl. 96/04/0020, und die hier zitierte Vorjudikatur).

Von dieser Rechtslage ausgehend kann der belangten Behörde allerdings nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie zur Auffassung gelangte, daß die - oben wiedergegebene - Erklärung der Beschwerdeführer in der Augenscheinsverhandlung vom 6. April 1994 nicht als Einwendung im dargelegten Sinne zu qualifizieren und demnach nicht geeignet ist, den Beschwerdeführern Parteistellung und Berufungsrecht zu vermitteln. Läßt sich dieser Erklärung nach ihrem objektiven Wortlaut doch nicht einmal ansatzweise entnehmen, daß damit ein im gegenständlichen Genehmigungsverfahren verfolgbares Nachbarrecht geltend gemacht werde.

Soweit die Beschwerdeführer aber behaupten, die dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte, oben wiedergegebene Erklärung entspreche nicht jener Erklärung, die von ihnen in der Verhandlung vom 6. April 1994 erstattet worden sei, so ist ihnen entgegenzuhalten, daß mit dieser Behauptung alleine die Wesentlichkeit eines allfälligen Verfahrensmangels im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG nicht aufgezeigt wird. Die Beschwerdeführer haben nämlich weder die Gründe ihrer Annahme dargelegt, der über die Verhandlung vom 6. April 1994 aufgenommenen Niederschrift komme die volle Beweiskraft nach § 15 AVG nicht zu, noch haben sie konkret vorgebracht, welche - von der wiedergegebenen Erklärung abweichende - Erklärung von ihnen tatsächlich abgegeben worden sei.

Daß die Beschwerdeführer aber - ihrem Vorbringen zufolge - von der BH Bludenz als Parteien des Verfahrens behandelt wurden, ist für die Frage, ob sie gemäß § 356 Abs. 3 GewO 1994 Parteistellung erworben haben, ohne Belang (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 21. September 1993, Zl. 93/04/0043).

Da somit bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die von den Beschwerdeführern behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren - und damit auch ohne Durchführung der beantragten Verhandlung - in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Gewerberecht Nachbar Rechtsnachfolger

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997040077.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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