TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/16 W118 2175388-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.10.2020
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Entscheidungsdatum

16.10.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55a

Spruch


W118 2175388-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. ECKHARDT über die Beschwerde von XXXX auch XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Martin Dellasega und Dr. Max Kapferer, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der damals noch minderjährige Beschwerdeführer ist in die Republik Österreich eingereist und hat am 04.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

2.       Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 07.12.2015 und der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 21.08.2017 begründete der Beschwerdeführer die Antragstellung im Wesentlichen mit Furcht vor Taliban bzw. mit der Sicherheitslage in seiner Heimatregion und einer Bedrohung aufgrund seiner Volksgruppen- bzw. Religionszugehörigkeit.

3.       Mit nunmehr angefochtenem Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Weiters wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Es wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

In der Begründung hielt die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer keiner Verfolgung ausgesetzt gewesen sei. In seiner Heimatprovinz Ghazni liege eine relevante Gefährdungslage vor, die Sicherheitslage in Kabul sei aber relativ sicher und der Beschwerdeführer würde bei einer Rückkehr auch nicht in eine die Existenz bedrohende Notlage geraten.

4.       Hiegegen wurde Rechtsmittel erhoben und der Bescheid zur Gänze angefochten. In der Begründung wurde insbesondere auf eine Vulnerabilität des minderjährigen Beschwerdeführers und eine drohende Zwangsrekrutierung hingewiesen.

5.       Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 03.11.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

6.       Aufgrund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses wurde die Rechtssache mit Datum vom 10.07.2019 neu zugewiesen.

7. Am 17.02.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der das Bundesamt nicht teilnahm. Der – bereits volljährige – Beschwerdeführer wurde im Beisein seines rechtsfreundlichen Vertreters und eines Dolmetschers für die Sprache Dari zu seinen Fluchtgründen und zu seiner Situation in Österreich befragt.

8.       Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.09.2020 wurden dem Beschwerdeführer aktuelle Länderberichte betreffend die generelle Lage in Afghanistan einschließlich der derzeitigen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie zur Kenntnis gebracht und Gelegenheit eingeräumt, hiezu Stellung zu nehmen. Der Beschwerdeführer wurde überdies aufgefordert, innerhalb der genannten Frist auch etwaige Änderungen in persönlicher Hinsicht (Integration, Familienleben, etc.) anzugeben, die seit der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 17.02.2020 gegebenenfalls eingetreten sind.

9.       Im Rahmen der hiezu eingebrachten Stellungnahme vom 25.09.2020 erstatte der Beschwerdeführer insbesondere Vorbringen zu den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie sowie zu der weiterhin bestehenden Bedrohung durch Taliban und wies überdies bezugnehmend auf die Interessensabwägung iSd Art. 8 EMRK darauf hin, dass der erfolgreiche Schul- bzw. Lehrbesuch von Minderjährigen eine erhebliche Integration darstelle und Minderjährigen der ungewisse Aufenthaltsstatus nicht wie einem Erwachsenen ausgelegt werden könne.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den vorliegenden Verwaltungsakt und in den Gerichtsakt, durch Befragung des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und Einsichtnahme in die in der Verhandlung vorgelegten Unterlagen sowie durch Einsicht insbesondere in folgende Länderberichte: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan vom 13.11.2019, aktualisiert mit 21.07.2020; EASO, Country Guidance Afghanistan, Juni 2019; EASO, Afghanistan: Anti-Government Elements (AGEs), August 2020; EASO, Afghanistan: Gezielte Gewalt bewaffneter Akteure gegen Individuen, Dezember 2017; EASO, Afghanistan: Security Situation, Juni 2019; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, 16.07.2020; UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 30.08.2018; ACCORD, ecoi.net-Themendossier „Überblick über die Sicherheitslage in Afghanistan“ vom 26.08.2020; EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan: Key socio-economic indicators – Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City, April 2019; EASO, Afghanistan: Networks, Jänner 2018; EASO, Afghanistan: Key socio-economic indicators – Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City, August 2020; ACCORD, Afghanistan: Covid-19 (allgemeine Informationen; Lockdown-Maßnahmen; Proteste; Auswirkungen auf Gesundheitssystem, Versorgungslage, Lage von Frauen und RückkehrerInnen; Reaktionen der Taliban, Stigmatisierung) vom 05.06.2020 und Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, 27.07.2020.

1. Feststellungen:

1.1.    Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, der Volksgruppe der Hazara zugehörig und bekennt sich zum schiitisch-muslimischen Glauben. Er ist in das Bundesgebiet eingereist und hat am 04.12.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Der Beschwerdeführer ist in einem Dorf im Distrikt XXXX der afghanischen Provinz Ghazni geboren und hat dort bis zu seiner Reise nach Europa gelebt. Der Beschwerdeführer hat dort fünf Jahre lang die Schule besucht und kann in der Sprache Dari lesen und schreiben.

Der Beschwerdeführer hat keinen Kontakt zu seiner Familie in Afghanistan und kennt deren aktuellen Aufenthaltsort nicht.

Der Beschwerdeführer ist gesund, volljährig, ledig und hat keine Kinder. Er hat in Österreich keine nahen Familienangehörigen oder sonstige enge Bindungen. Der Beschwerdeführer ist nicht straffällig im Sinne des Asylgesetzes. Er hat in Österreich Deutschkurse und die vierte Klasse einer Neuen Mittelschule besucht, die Übergangsstufe an BMHS abgeschlossen, die Integrationsprüfung (Sprachniveau B1) bestanden und eine einjährige Wirtschaftsfachschule (9. Schulstufe) mit gutem Erfolg abgeschlossen. Der Beschwerdeführer hat am 03.09.2018 eine dreijährige Tischlerlehre begonnen. Er bestreitet seinen Lebensunterhalt von seinem Einkommen und kommt auch selbst für die Miete seiner Wohnung auf. Er hat in Österreich einen Bekannten- bzw. Freundeskreis, ist aber nicht legal in das Bundesgebiet eingereist und hatte nie ein nicht auf das Asylverfahren gegründetes Aufenthaltsrecht in Österreich.

1.2.    Zum Fluchtvorbringen:

Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr nach Afghanistan weder Verfolgung seitens regierungsfeindlicher Gruppierungen noch Zwangsrekrutierung.

Dem Beschwerdeführer droht auch aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit bzw. Religionszugehörigkeit oder aufgrund seines Aufenthaltes in Österreich weder Gewalt noch erhebliche Diskriminierung. Weiters haben sich keine Anhaltpunkte ergeben, dass eine Asylantragstellung im Ausland oder eine rechtswidrige Ausreise zu Sanktionen oder Repressionen in Afghanistan führen würde.

Der Beschwerdeführer hat bei einer Rückkehr nach Afghanistan auch keine sonstige konkret gegen seine Person gerichtete Bedrohung durch staatliche Organe oder durch Privatpersonen zu erwarten.

1.3.    Zur allgemeinen Lage in Afghanistan:

In Afghanistan leben laut Schätzungen zwischen 32 und 35 Millionen Menschen. Schätzungen zufolge sind 40 bis 42 % Paschtunen, 27 bis 30 % Tadschiken, 9 bis 10 % Hazara, 9 % Usbeken, ca. 4 % Aimaken, 3 % Turkmenen und 2 % Belutschen. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnischen Minderheiten. Soziale Diskriminierung und Ausgrenzung anderer ethnischer Gruppen und Religionen im Alltag bestehen fort und werden nicht zuverlässig durch staatliche Gegenmaßnahmen verhindert. Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen können weiterhin in Konflikten und Tötungen resultierten.

Die schiitische Minderheit der Hazara besiedelt traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage grundsätzlich verbessert, gesellschaftliche Spannungen bestehen aber fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf.

Etwa 99 % der Bevölkerung Afghanistans sind Muslime, der Großteil davon sind Sunniten. Schätzungen zufolge sind etwa 10 bis 19 % der Bevölkerung Schiiten. Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie beispielsweise Sikhs, Hindus, Baha´i und Christen machen zusammen weniger als 1 % der Bevölkerung aus.

Die politische Repräsentation und die Beteiligung an den nationalen Institutionen seitens der traditionell marginalisierten schiitischen Minderheit, der hauptsächlich ethnische Hazara angehören, ist seit 2001 gestiegen. Im Ulema-Rat, der nationalen Versammlung von Religionsgelehrten, die u.a. dem Präsidenten in der Festlegung neuer Gesetze und Rechtsprechung beisteht, beträgt die Quote der schiitischen Muslime 25 bis 30 %. Rechtliche, konstitutionelle und menschenrechtliche Kommissionen, die aus Mitgliedern der sunnitischen und schiitischen Gemeinschaften bestehen und von der Regierung unterstützt werden, tagen regelmäßig, um die interkonfessionelle Schlichtung zu fördern. Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung gegen die schiitische Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch gab es Berichte zu lokalen Vorfällen. Laut den Daten von UNAMA gab es im Jahr 2018 19 Fälle konfessionell motivierter Gewalt gegen Schiiten, bei denen 223 Menschen getötet und 524 Menschen verletzt wurden; ein zahlenmäßiger Anstieg der zivilen Opfer um 34 %. In den Jahren 2016, 2017 und 2018 wurden durch den Islamischen Staat (IS) und die Taliban 51 terroristische Angriffe auf Glaubensstätten und religiöse Anführer der Schiiten bzw. Hazara durchgeführt. Im Jahr 2018 wurde die Intensität der Attacken in urbanen Räumen durch den IS verstärkt.

Regierungsfeindliche Kräfte haben Berichten zufolge Familienangehörige von Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung oder mit der internationalen Gemeinschaft verbunden sind oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen als Vergeltungsmaßnahme und gemäß dem Prinzip der Sippenhaft angegriffen. Insbesondere wurden Verwandte, darunter Frauen und Kinder, von Regierungsmitarbeitern und Angehörigen der afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte Opfer von Schikanen, Entführung, Gewalt und Tötung.

In Gebieten, in denen regierungsfeindliche Gruppen Kontrolle ausüben, gibt es eine Vielzahl an Methoden, um Kämpfer zu rekrutieren, darunter auch solche, die auf Zwang basieren. Die Zwangsmaßnahmen können körperliche Bestrafung und andere schwerwiegende Maßnahmen beinhalten und auch gegen Dritte, beispielsweise Familienmitglieder, gerichtet sein. Die Taliban haben keinen Mangel an freiwilligen Rekruten und machen nur in Ausnahmefällen von Zwangsrekrutierung Gebrauch. Quellen haben bestätigt, dass es in Gebieten, die von den Taliban kontrolliert werden oder in denen die Taliban stark präsent sind, de facto unmöglich ist, offenen Widerstand gegen die Bewegung zu leisten. Die örtlichen Gemeinschaften haben sich der Lokalverwaltung durch die Taliban zu fügen. Oppositionelle sehen sich gezwungen, sich äußerst bedeckt zu halten oder das Gebiet zu verlassen. In Gebieten unter Kontrolle des IS wird Druck auf die Gemeinden ausgeübt, den IS voll zu unterstützen. In den Grenzprovinzen Kunar und Nangarhar wurde von Zwangsrekrutierung in unter der Kontrolle von ISKP befindlichen Dörfern berichtet. UNAMA dokumentierte glaubwürdige Vorwürfe über die Rekrutierung von 23 Buben durch regierungsfeindliche Gruppen (darunter pakistanische Taliban, afghanische Taliban und IS) im ersten Halbjahr 2018. In einzelnen Fällen wurden Kinder insbesondere in den südlichen Provinzen als Selbstmordattentäter, menschliche Schutzschilde oder Bombenleger eingesetzt.

Für als „verwestlicht“ wahrgenommene Männer besteht in Afghanistan generell nur ein geringes Verfolgungsrisiko – insbesondere im urbanen Bereich.

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus.

Die Provinz Ghazni liegt im Südosten Afghanistans und wird von Paschtunen, Tadschiken und Hazara sowie von mehreren kleineren Gruppen wie Bayats, Sadats und Sikhs bewohnt. Die Stadt Ghazni liegt an der Ring Road, die die Hauptstadt Kabul mit dem großen Ballungszentrum Kandahar im Süden verbindet. Ghazni gehörte im Mai 2019 zu den relativ volatilen Provinzen im Südosten Afghanistans. Taliban-Kämpfer sind in einigen der unruhigen Distrikte der Provinz aktiv, wo sie oft versuchen, terroristische Aktivitäten gegen die Regierung und Sicherheitseinrichtungen durchzuführen. Gleichzeitig führen die Regierungskräfte regelmäßig Operationen in Ghazni durch, um die Aufständischen aus der Provinz zu vertreiben. Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 653 zivile Opfer (253 Tote und 400 Verletzte) in Ghazni. Dies entspricht einer Steigerung von 84 % gegenüber 2017. Im ersten Halbjahr 2019 zählte UNAMA Ghazni zu den fünf Provinzen mit den größten Auswirkungen des Konflikts auf Zivilisten in Afghanistan.

Die Provinz Kabul liegt in Zentralafghanistan östlich von Parwan und Wardak und hat laut Schätzungen etwa 5 Millionen Einwohner. Außerhalb der Hauptstadt sind von den aufständischen Gruppierungen in Afghanistan vor allem die Taliban aktiv, Berichten zufolge stehen aber keine Distrikte unter der Kontrolle von Aufständischen. Die Hauptstadt der Provinz Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Kabul-Stadt ist über den Flughafen gut zu erreichen. Was die ethnische Verteilung der Stadtbevölkerung betrifft, so ist Kabul Zielort für verschiedene ethnische, sprachliche und religiöse Gruppen, und jede von ihnen hat sich an bestimmten Orten angesiedelt, je nach der geografischen Lage ihrer Heimatprovinzen. Die Lage in der Hauptstadt ist noch als hinreichend sicher und stabil zu bezeichnen, wenngleich es immer wieder zu Anschlägen mit zahlreichen Opfern kommt. Diese Anschläge ereignen sich allerdings oft im Nahbereich von staatlichen bzw. ausländischen Einrichtungen oder NGOs. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, dennoch führten Aufständische sowohl im gesamten Jahr 2018 als auch in den ersten fünf Monaten 2019, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen. Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 1.866 zivile Opfer (596 Tote und 1.270 Verletzte) in der Provinz Kabul. Dies entspricht einer Zunahme von 2 % gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren Selbstmord- und komplexe Angriffe, gefolgt von improvisierten Sprengkörpern und gezielten Tötungen. Die afghanischen Sicherheitskräfte führten insbesondere im Distrikt Surubi militärische Operationen aus der Luft und am Boden durch, bei denen Aufständische getötet wurden. Dabei kam es auch zu zivilen Opfern. Außerdem führten NDS-Einheiten Operationen in und um Kabul-Stadt durch.

Die nordafghanische Provinz Balkh ist von hoher strategischer Bedeutung und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Die Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e Khumri und ist ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut, es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Mazar-e Sharif verfügt über einen internationalen Flughafen. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Nach Schätzungen leben nahezu 1,5 Millionen Menschen in der Provinz Balkh, davon etwa 470.000 in der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif. Balkh ist eine ethnisch vielfältige Provinz, die von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird. Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans und hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte. Sowohl Aufständische der Taliban als auch Sympathisanten des IS versuchen in abgelegenen Distrikten der Provinz Fuß zu fassen.

Herat ist eine wirtschaftlich relativ gut entwickelte Provinz im Westen des Landes und ist über einen internationalen Flughafen in der Provinzhauptstadt gut erreichbar. Herat-Stadt war historisch gesehen eine tadschikisch dominierte Enklave in einer mehrheitlich paschtunischen Provinz, die beträchtliche Hazara- und Aimaq-Minderheiten umfasst. Umfangreiche Migrationsströme haben die ethnische Zusammensetzung der Stadt verändert und besonders der Anteil an schiitischen Hazara ist seit 2001 gestiegen, da viele aus dem Iran rückgeführt oder aus den Provinzen Zentralafghanistans vertrieben wurden. Herat gehört zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen Afghanistans, jedoch sind Taliban-Kämpfer in einigen abgelegenen Distrikten aktiv und versuchen oft terroristische Aktivitäten durchzuführen. Je mehr man sich von Herat-Stadt, die als „sehr sicher“ gilt, und den angrenzenden Distrikten Richtung Norden, Westen und Süden entfernt, desto größer wird der Einfluss der Taliban. Auch in Herat-Stadt ist ein Anstieg der Gesetzlosigkeit und Kriminalität zu verzeichnen. Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 259 zivile Opfer (95 Tote und 164 Verletzte) in Herat. Dies entspricht einem Rückgang von 48 % gegenüber 2017. Die Hauptursachen für die Opfer waren improvisierte Sprengkörper, gefolgt von Kämpfen am Boden und gezielten Tötungen.

Zur Wirtschafts- und Versorgungslage ist festzuhalten, dass Afghanistan weiterhin ein Land mit hoher Armutsrate und Arbeitslosigkeit ist. Rückkehrer nach Afghanistan sind zunächst oft – wie auch große Teile der dort ansässigen Bevölkerung – auf gering qualifizierte Beschäftigungen oder Gelegenheitstätigkeiten angewiesen. Fähigkeiten, die sich Rückkehrer/innen im Ausland angeeignet haben, können eine wichtige Rolle bei der Arbeitsplatzsuche spielen. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migranten in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen. Nahrungsmittel, grundlegende Gesundheitsversorgung und Zugang zu Trinkwasser sind in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif grundsätzlich verfügbar. Die humanitäre Situation in Afghanistan hat sich durch eine schwere Dürre – insbesondere die Regionen im Norden und Westen des Landes – weiter verschärft, die Preise für Weizen und Brot blieben dennoch vergleichsweise stabil. Durch eine verstärkte Landflucht wurde zusätzlich auch die Wohnraumbeschaffung und Arbeitssuche erschwert.

Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Rückkehrer/innen erhalten Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGOs). In Kooperation mit Partnerinstitutionen des European Return and Reintegration Network (ERRIN) wird im Rahmen des ERRIN Specific Action Program sozioökonomische Reintegrationsunterstützung in Form von Beratung und Vermittlung für freiwillige und erzwungene Rückkehrer angeboten. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) bietet im Bereich Rückkehr verschiedene Programme zur Unterstützung und Reintegration von Rückkehrern nach Afghanistan an. Hinsichtlich des Ausmaßes und der Art von Unterstützung wird zwischen freiwillig und unfreiwillig zurückgeführten Personen unterschieden. Das von IOM durchgeführte Assisted Voluntary Return and Reintegration (AVRR) Programme besteht aus einer Kombination von administrativen, logistischen und finanziellen Unterstützungsmaßnahmen für Personen, welche beschließen, freiwillig aus Europa, Australien und der Türkei in ihren Herkunftsstaat zurückzukehren. Im Zuge des AVRR-Programmes wurden im Jahr 2018 von IOM 2.182 Rückkehrer unterstützt. Etwa die Hälfte von ihnen erhielt Unterstützung bei der Gründung eines Kleinunternehmens. Die „Reception Assistance“ umfasst sofortige Unterstützung oder Hilfe bei der Ankunft am Flughafen: IOM trifft die freiwilligen Rückkehrer vor der Einwanderungslinie bzw. im internationalen Bereich des Flughafens, begleitet sie zum Einwanderungsschalter und unterstützt bei den Formalitäten, der Gepäckabholung, der Zollabfertigung, usw. Darüber hinaus arrangiert IOM den Weitertransport zum Endziel der Rückkehrer innerhalb des Herkunftslandes und bietet auch grundlegende medizinische Unterstützung am Flughafen an. 1.279 Rückkehrer erhielten Unterstützung bei der Weiterreise in ihre Heimatprovinz. Für die Provinzen, die über einen Flughafen und Flugverbindungen verfügen, werden Flüge zur Verfügung gestellt. Der Rückkehrer erhält ein Flugticket und Unterstützung bezüglich des Flughafen-Transfers. Der Transport nach Herat findet in der Regel auf dem Luftweg statt. IOM gewährte bisher zwangsweise rückgeführten Personen für 14 Tage Unterkunft in Kabul. Seit April 2019 erhalten Rückkehrer nur noch eine Barzahlung in Höhe von ca. 150 Euro sowie Informationen, etwa über Hotels. Die zur Verfügung gestellten 150 Euro sollen zur Deckung der ersten unmittelbaren Bedürfnisse dienen und können je nach Bedarf für Weiterreise, Unterkunft oder sonstiges verwendet werden. Nach Auskunft des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) hat lediglich eine geringe Anzahl von Rückgeführten die Unterbringungsmöglichkeiten von IOM genutzt. In den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif sind Unterkünfte grundsätzlich verfügbar, aufgrund der hohen Mietkosten für (reguläre) Wohnungen und Häuser – insbesondere in der Stadt Kabul – lebt ein großer Teil der Bevölkerung aber in informellen Siedlungen bzw. gibt es auch die Möglichkeit, nur ein Zimmer zu mieten oder in Teehäusern (chai khana) zu übernachten.

Zu den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie in Afghanistan:

Berichten zufolge haben sich in allen Provinzen Afghanistans insgesamt mehr als 38.000 Menschen mit COVID-19 angesteckt, mehr als 1.400 sind daran gestorben. Aufgrund der begrenzten Ressourcen des öffentlichen Gesundheitswesens und der begrenzten Testkapazitäten sowie des Fehlens eines nationalen Sterberegisters werden bestätigte Fälle von und Todesfälle durch COVID-19 in Afghanistan wahrscheinlich insgesamt zu wenig gemeldet; von 37,6 Millionen Einwohnern wurden lediglich knapp 103.000 Personen getestet.

Die landesweiten Sperrmaßnahmen der Regierung Afghanistans bleiben offiziell in Kraft, werden Berichten zufolge aber nicht mehr durchgesetzt. Die Vorgaben der Regierung werden von der Bevölkerung im Allgemeinen nicht befolgt. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Virus unterscheiden sich von Provinz zu Provinz, in denen die lokalen Behörden über die Umsetzung der Maßnahmen entscheiden. Zwar behindern die Sperrmaßnahmen der Provinzen periodisch die Bewegung der humanitären Helfer, doch hat sich die Situation in den letzten Wochen deutlich verbessert, und es wurden weniger Behinderungen gemeldet.

Beamte des afghanischen Gesundheitsministeriums erklärten, dass die Zahl der aktiven Fälle von COVID-19 in den Städten zurückgegangen ist, die Pandemie in den Dörfern und in den abgelegenen Regionen des Landes jedoch zunimmt. Der Gesundheitsminister gab an, dass 500 Beatmungsgeräte aus Deutschland angekauft wurden und 106 davon in den Provinzen verteilt werden würden.

Am 18.07.2020 kündigte die afghanische Regierung den Start des Dastarkhan-e-Milli-Programms als Teil ihrer Bemühungen an, Haushalten inmitten der COVID-19-Pandemie zu helfen, die sich in wirtschaftlicher Not befinden. Auf der Grundlage des Programms will die Regierung in der ersten Phase 86 Millionen Dollar und dann in der zweiten Phase 158 Millionen Dollar bereitstellen, um Menschen im ganzen Land mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Die erste Phase soll über 1,7 Millionen Familien in 13.000 Dörfern in 34 Provinzen des Landes abdecken. Die Weltbank genehmigte am 15.07.2020 einen Zuschuss in Höhe von 200 Millionen US-Dollar, um Afghanistan dabei zu unterstützen, die Auswirkungen von COVID-19 zu mildern und gefährdeten Menschen und Unternehmen Hilfe zu leisten.

Verschiedenen Modellen zufolge ist der Höhepunkt des COVID-19-Ausbruchs in Afghanistan noch nicht erreicht. Es herrscht weiterhin Besorgnis seitens humanitärer Helfer, über die Auswirkungen ausgedehnter Sperrmaßnahmen auf die am stärksten gefährdeten Menschen – insbesondere auf Menschen mit Behinderungen und Familien – die auf Gelegenheitsarbeit angewiesen sind und denen alternative Einkommensquellen fehlen. Der Marktbeobachtung des World Food Programme (WFP) zufolge ist der durchschnittliche Weizenmehlpreis zwischen dem 14. März und dem 15. Juli um 12 Prozent gestiegen, während die Kosten für Hülsenfrüchte, Zucker, Speiseöl und Reis (minderwertige Qualität) im gleichen Zeitraum um 20 bis 31 Prozent gestiegen sind.

2. Beweiswürdigung:

2.1.    Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Herkunft, ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, zum Gesundheitszustand, Alter und zur Schulbildung des Beschwerdeführers sowie zu seinen Familienangehörigen und deren Aufenthaltsorten beruhen auf den diesbezüglich im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und der mündlichen Verhandlung dem Bundesverwaltungsgericht.

Die Feststellungen zur Einreise, Antragstellung und dem Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes und dem damit in Einklang stehenden Vorbringen des Beschwerdeführers.

Hinsichtlich der Feststellungen zu dem aktuellen Privat- und Familienleben sowie insbesondere der Selbsterhaltungsfähigkeit und der Integration des Beschwerdeführers in Österreich wurden die Angaben des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung sowie die vorgelegten Nachweise und Empfehlungsschreiben den Feststellungen zugrunde gelegt. In der Stellungnahme vom 25.09.2020 wurde kein substantiiertes neues Vorbringen zu weiteren Integrationsschritten des Beschwerdeführers erstattet.

Die Feststellung der strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

2.2.    Zum Fluchtvorbringen:

Der Beschwerdeführer stützte seine Antragstellung im Wesentlichen auf die Sicherheitslage in seiner Heimatregion, Angst vor Taliban und eine Bedrohung aufgrund seiner Religions- bzw. Volksgruppenzugehörigkeit. Der Beschwerdeführer hat diesbezüglich aber – auch über Vorhalt in der mündlichen Verhandlung – keine konkrete, gegen seine Person gerichtete Bedrohung vorgebracht und insbesondere kein substantiiertes Vorbringen zu einer individuellen Gefährdung außerhalb seiner unmittelbaren Herkunftsregion erstattet. Auch die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Berichte auf der Internetseite www.eltilaatroz.com handeln lediglich allgemein von Vorfällen in der Heimatregion des Beschwerdeführers, ohne dass daraus ein konkreter Bezug zu diesem oder eine überregionale Bedrohung abzuleiten wäre. Von einer Prüfung der Glaubhaftigkeit der Angaben des Beschwerdeführers zu Vorkommnissen in seinem Dorf und der dortigen Dorfwache konnte vor diesem Hintergrund abgesehen werden, zumal eine Rückkehr in sein Heimatdorf bereits aufgrund der allgemeinen Situation in seinem Herkunftsdistrikt in der Provinz Ghazni derzeit nicht in Betracht kommt.

Die Feststellungen hinsichtlich einer nicht bestehenden Gefährdung des Beschwerdeführers aufgrund seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Asylantragstellung sowie seiner rechtswidrigen Ausreise beruhen auf den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten bzw. wurde auch kein substantiiertes Vorbringen zu bereits erfolgten oder konkret drohenden Diskriminierungen oder Übergriffen erstattet. Konkrete Anhaltpunkte für eine individuelle Bedrohung des Beschwerdeführers sind daher nicht hervorgekommen.

2.3.    Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Die Länderfeststellungen beruhen auf den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten, insbesondere dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – das basierend auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger unbedenklicher Quellen einen in den Kernaussagen schlüssigen Überblick über die aktuelle Lage in Afghanistan gewährleistet – und dem EASO-Bericht „Country Guidance: Afghanistan“ vom Juni 2019.

Angesichts der Seriosität der genannten Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Afghanistan zugrunde gelegt werden konnten. Im Ergebnis ist auch nicht zu erkennen, dass sich seit der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Afghanistan allgemein und für den gegenständlichen Fall relevant eine entscheidende Lageveränderung ergeben hätte. Die Lage in Afghanistan stellt sich seit Jahren diesbezüglich im Wesentlichen unverändert dar, wie sich das erkennende Gericht durch ständige Beachtung der aktuellen Quellenlage (u.a. durch Einschau in den EASO-Bericht „Afghanistan – Security situation“, September 2020, sowie in den Bericht von UN OCHA, „COVID-19 Multi-Sectoral Response Operational Situation Report“, vom 02.09.2020) versichert hat.

Der Beschwerdeführer ist den im Rahmen der Ladung zur mündlichen Verhandlung ins Verfahren eingebrachten Länderberichten nicht substantiiert entgegengetreten, sondern hat vielmehr insbesondere auf den – vom Bundesverwaltungsgericht ohnehin herangezogenen – EASO Leitfaden Afghanistan vom Juni 2019 verwiesen.

Laut der von EASO im Juni 2019 publizierten Neuauflage der Guidance Notes kommt eine innerstaatliche Fluchtalternative in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif aufgrund der allgemeinen Lage grundsätzlich weiterhin in Betracht („It can be concluded that the general security situation in the cities of Kabul, Herat and Mazar-e Sharif does not preclude the consideration of the three cities as IPA“). Sowohl hinsichtlich einer möglichen ernsthaften individuellen Bedrohung im Sinne von Art. 15 lit. c der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 (Statusrichtlinie) als auch hinsichtlich der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative wird in dem Bericht ausdrücklich auf das Vorliegen besonderer persönlicher Umstände abgestellt. Die in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif vorherrschenden allgemeinen Bedingungen stehen der Zumutbarkeit einer innerstaatliche Fluchtalternative grundsätzlich nicht entgegen („Based on available COI, it is concluded that the general circumstances prevailing in the cities of Kabul, Herat and Mazar-e Sharif, assessed in relation to the factors above, do not preclude the reasonableness to settle in the cities.“).

Die Beurteilung des EASO ist mit dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in Einklang zu bringen, wobei hinsichtlich der Würdigung des EASO-Berichtes darauf hinzuweisen ist, dass in Art. 8 Abs. 2 der Statusrichtlinie hinsichtlich der für die Prüfung der Situation im Herkunftsstaat des Antragstellers einzuholenden Informationen aus relevanten Quellen gleichermaßen auf Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) wie auch des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) verwiesen wird. Den Berichten mit Herkunftsländerinformationen (Country of Origin Information – COI) des EASO, die nach den Grundsätzen der Neutralität und Objektivität erstellt werden und darüber hinaus qualitätssichernden Verfahren unterliegen (vgl. EASO, Methodik für das Erstellen von COI-Berichten des EASO, Juli 2012, S. 6; vgl. auch Art. 4 lit. a und b der Verordnung (EU) Nr. 439/2010 vom 19.05.2010), wird daher seitens des erkennenden Gerichts ein ebenso hoher Beweiswert wie den Richtlinien des UNHCR beigemessen. Auch UNHCR hat in den Richtlinien vom 30.08.2018 den – in den Kernaussagen mit dem Folgebericht vergleichbaren – EASO-Bericht vom Juni 2018 herangezogen; soweit UNHCR darauf hingewiesen hat, dass EASO zu der Einschätzung gekommen sei, dass „in der Provinz Kabul, einschließlich der Hauptstadt, willkürliche Gewalt herrscht“, ist festzuhalten, dass EASO in unmittelbarem Zusammenhang mit der von UNHCR zitierten Aussage zur Sicherheitslage in Kabul näher ausführt, dass eine tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens im Sinne von Art. 15 lit. c der Statusrichtlinie bestehen kann, wenn der Antragsteller aufgrund seiner persönlichen Umstände konkret betroffen ist. Im Übrigen ist festzuhalten, dass es sich bei der Frage der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative um eine rechtliche Beurteilung handelt und darüber hinaus auch in den UNHCR-Richtlinien nicht davon ausgegangen wird, dass eine interne Schutzalternative in Kabul keinesfalls bestehe, sondern dass diese „grundsätzlich“ nicht verfügbar sei.

Dem genannten EASO-Bericht Country Guidance Afghanistan vom Juni 2019 ist etwa bezüglich der Stadt Herat Folgendes zu entnehmen (vgl. auch die gleichlautenden Ausführungen betreffend die Stadt Mazar-e Sharif): „In the provincial capital of Herat City, indiscriminate violence is taking place at such a low level that in general there is no real risk for a civilian to be personally affected by reason of indiscriminate violence within the meaning of Article 15(c) QD.“ Auch hinsichtlich der Versorgungslage in Herat und Mazar-e Sharif wird insbesondere für „single able-bodied men“ von einer grundsätzlichen Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative ausgegangen.

Die Feststellungen zu den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie in Afghanistan stützen sich ebenfalls insbesondere auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation sowie auf den ACCORD-Länderbericht „Afghanistan: Covid-19“ vom 05.06.2020 und die Briefing Notes des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27.07.2020, mit denen auch der aktuelle Bericht des UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (OCHA) „COVID-19 Multi-Sectoral Response Operational Situation Report“ vom 02.09.2020 in Einklang zu bringen ist. Ergänzend beobachtet das Bundesverwaltungsgericht – insbesondere hinsichtlich der jüngsten Entwicklungen in Afghanistan – auch die diesbezügliche Medienberichterstattung (vgl. etwa TOLOnews, https://tolonews.com), aus der sich ebenfalls keine andere Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes ableiten lässt.

Obwohl sich in der derzeitigen Situation eine Wiedereingliederung in Afghanistan wegen schlechterer wirtschaftlicher Aussichten schwieriger als vor Beginn der COVID-19-Pandemie darstellt, ist grundsätzlich weiterhin davon auszugehen, dass gesunde leistungsfähige Männer – insbesondere wenn sie über familiäre oder soziale Anknüpfungspunkte, hinreichende Schul- bzw. Berufsausbildung oder relevante Berufserfahrung verfügen – in den Städten Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten Fuß fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten führen können, wie es auch andere Landsleute führen können.

Die beschwerdeführende Partei ist auch den mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.09.2020 ins Verfahren eingebrachten Länderberichten nicht substantiiert entgegengetreten und der Beschwerdeführer hat in seiner Stellungnahme lediglich – teilweise unter Anführung von ohnehin bereits ins Verfahren eingebrachten Länderberichten – weiteres Vorbringen zur aktuellen COVID-19-Pandemie erstattet. Auch die Kernaussagen der in diesem Zusammenhang angeführten Länderberichte sind im Wesentlichen mit den hier getroffenen Länderfeststellungen in Einklang zu bringen, wobei es allerdings Länderberichten aus dem Mai 2020 teilweise bereits an der in diesem Zusammenhang erforderlichen besonderen Aktualität mangelt.

Zur Frage der Erreichbarkeit der Städte Herat und Mazar-e Sharif auf dem Luftweg ist der Vollständigkeit halber festzuhalten, dass die afghanische Zivilluftfahrtbehörde bekannt gegeben hat, dass die Inlandsflüge nach einer dreimonatigen Pause wiederaufgenommen wurden (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, 27.07.2020).

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1.    Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet über Beschwerden Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, des AgrVG und des DVG und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (§ 28 Abs. 2 VwGVG).

Gegenständlich steht der maßgebliche Sachverhalt im Sinne von § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG fest. Das Bundesverwaltungsgericht hat folglich in der Sache selbst zu entscheiden.

Zu A)

3.2.    Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

3.2.1.  Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Verlangt wird eine „Verfolgungsgefahr“, wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Die Voraussetzung der „wohlbegründeten Furcht“ vor Verfolgung wird in der Regel aber nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. u.a. VwGH 20.06.2007, 2006/19/0265 mwN).

Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, so liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Flüchtlingskonvention. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. hiezu VwGH 21.01.1999, 98/18/0394; 19.10.2000, 98/20/0233 mwH). Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation kann nach ständiger Judikatur nicht als hinreichender Grund für eine Asylgewährung herangezogen werden (vgl. VwGH 17.06.1993, 92/01/1081; 14.03.1995, 94/20/0798).

3.2.2.  Wie oben ausgeführt hat der Beschwerdeführer kein substantiiertes Vorbringen zu einer individuellen Bedrohung erstattet. Eine Prüfung der Asylrelevanz seiner Angaben erübrigt sich daher, umso mehr als der Beschwerdeführer aufgrund der aktuellen Sicherheitslage ohnehin nicht in seine Heimatregion zurückkehren kann (zu einer innerstaatlichen Fluchtalternative vgl. unten II.3.2.4. bzw. II.3.3.3.).

Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer – entgegen den Ausführungen seines rechtsfreundlichen Vertreters – im Rahmen der Rechtsmittelschrift ins Treffen geführten Gefahr einer Zwangsrekrutierung durch Taliban in seiner Heimatprovinz wird auch an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass aus den Länderberichten zu Afghanistan hervorgeht, dass Taliban verschiedene Methoden zur Rekrutierung von Kämpfern einsetzen, Maßnahmen unter Einsatz von Zwang allerdings nur in Ausnahmefällen zur Anwendung kommen. Daraus, aus sonstigen Länderberichten (vgl. etwa Landinfo, Afghanistan: Rekrutierung durch die Taliban, vom 29.06.2017 (BFA Arbeitsübersetzung): „Es sind Fälle von Zwangsrekrutierung dokumentiert, sie bilden allerdings die Ausnahme. Die Rekrutierung durch die Taliban ist nicht durch Zwang, Drohungen und Gewalt gekennzeichnet.“) sowie aus dem notorischen Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes ist nicht abzuleiten, dass jeder wehrfähige Mann bei einer Rückkehr – ohne Hinzutreten individueller, gefahrenerhöhender Umstände – mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr einer Zwangsrekrutierung ausgesetzt wäre (vgl. auch UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018). Von einer Gruppenverfolgung aller Männer im wehrfähigen Alter ist demzufolge nicht auszugehen.

Zu einer möglichen Gefährdung des Beschwerdeführers aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara bzw. zur Religionsgemeinschaft der Schiiten ist festzuhalten, dass sich die Situation der Hazara seit dem Ende der Talibanherrschaft verbessert hat, wenngleich es in den letzten Jahren wieder vermehrt zu Anschlägen auf schiitische Einrichtungen und Veranstaltungen gekommen ist. Aus den herangezogenen Länderberichten geht nicht hervor, dass Angehörige dieser Volksgruppe im gesamten Staatsgebiet Afghanistans – ohne Hinzutreten weiterer, gefahrenerhöhender Umstände – mit systematischer Diskriminierung von erheblicher Intensität rechnen müssen (vgl. EASO, Country Guidance: Afghanistan, Juni 2019). Auch in der aktuellen Rechtsprechung der Höchstgerichte und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte wird keine Gruppenverfolgung der den Hazara zugehörigen Schiiten in Afghanistan judiziert (vgl. etwa VwGH 18.10.2018, Ra 2018/19/0277, mwN; EGMR 05.07.2016, Zl. 29094/09, A.M. gg. die Niederlande).

Den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten sind im Übrigen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte zu entnehmen, dass „verwestlichten“ Rückkehrern alleine aufgrund dieses Umstandes Gewalt oder Diskriminierung von erheblicher Intensität droht (vgl. EASO, Country Guidance: Afghanistan, Juni 2019). Auch in den aktuellen UNHCR-Richtlinien wird darauf hingewiesen, dass je nach den Umständen des Einzelfalls Bedarf an internationalem Flüchtlingsschutz bestehen kann (vgl. hiezu auch Gutachten Dr. Rasuly vom 15.02.2017, W119 2142462-1, sowie die ACCORD-Anfragebeantwortung zu Afghanistan vom 01.06.2017, [a-10159], Pkt. 5). Dies gilt umso mehr bei einer Rückkehr in eine afghanische Großstadt.

3.2.3.  Da sich sohin weder aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers noch aus internationalen Länderberichten hinreichende Anhaltspunkte für eine Verfolgung des Beschwerdeführers ergeben haben, ist kein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention zu subsumierender Sachverhalt ableitbar.

3.2.4.  Darüber hinaus ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 3 Z 1 AsylG 2005 auch dann abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht (vgl. die unten stehen Ausführungen zu § 8 Abs. 3 AsylG 2005).

3.2.5.  Der Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten wurde daher zu Recht abgewiesen.

3.3.    Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

3.3.1   Wird ein Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, so ist dem Fremden gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 AsylG 2005 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 AsylG 2005 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist gemäß § 11 Abs. 1 AsylG 2005 der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen (§ 11 Abs. 2 AsylG 2005).

Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention beinhalten die Abschaffung der Todesstrafe.

§ 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003, verwies auf § 57 Fremdengesetz, BGBl. I Nr. 75/1997 idF BGBl. I Nr. 126/2002 (im Folgenden: FrG) wonach die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig ist, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 57 FrG – welche in wesentlichen Teilen auf § 8 Abs. 1 AsylG 2005 übertragen werden kann – ist Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, dass eine konkrete, den Berufungswerber (Beschwerdeführer) betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliegt. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, 2000/20/0141). Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (VwGH 30.06.2005, 2002/20/0205, mwN). Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird – auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören –, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 17.09.2008, 2008/23/0588). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 18.10.2005, 2005/01/0461).

Unter Gefahr in diesem Sinne ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr („a sufficiently real risk“) möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH 19.02.2004, 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus. Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des „real risk“, wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH 31.03.2005, 2002/20/0582; 31.05.2005, 2005/20/0095).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass der Asylwerber das Bestehen einer aktuellen Bedrohung der relevanten Rechtsgüter, hinsichtlich derer der Staat nicht willens oder nicht in der Lage ist, Schutz zu bieten, glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 17.07.2008, 2007/21/0366). Diese Mitwirkungspflicht des Asylwerbers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 18.10.2005, 2005/01/0461).

Es bedarf im Rahmen einer Einzelfallprüfung einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz – bezogen auf den Einzelfall – nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095; 25.05.2016, Ra 2016/19/0036; 25.04.2017, Ra 2016/01/0307, jeweils mit mwN).

Nach einer Amtsrevision hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 08.08.2017, Ra 2017/19/0118, darauf hingewiesen, dass weder in den UNHCR-Richtlinien vom April 2016 noch in den dazu ergangenen Anmerkungen vom Dezember 2016 die Rede von einem „gesicherten“ Zugang zu den genannten Kriterien ist und völlig offen bleibt, worin ein solcher besteht oder von wem ein solcher erteilt werden könnte. Weiters mag es zutreffen, dass alleinstehende Rückkehrer ohne familiären Rückhalt sowie finanzieller Unterstützung in Kabul (anfangs) mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert seien. Jedoch entsprechen die konkret auf die Person des Mitbeteiligten (im entsprechenden VwGH-Verfahren) bezogenen Feststellungen den von UNHCR geforderten „bestimmten Umständen“, nach denen es alleinstehenden, leistungsfähigen Männern im berufsfähigen Alter ohne spezifische Vulnerabilität möglich sei, auch ohne Unterstützung durch die Familie in urbaner Umgebung zu leben.

Gemäß dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 06.11.2018, Ra 2018/01/0106, widerspricht es der Statusrichtlinie, den in dieser Richtlinie vorgesehenen Schutz Drittstaatsangehörigen zuzuerkennen, die sich in Situationen befinden, die keinen Zusammenhang mit dem Zweck dieses internationalen Schutzes aufweisen, etwa aus familiären oder humanitären Ermessensgründen, die insbesondere auf Art. 3 EMRK gestützt sind. Aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 AsylG 2005, ist (im Sinne der bisherigen Non-refoulement-Prüfung) ableitbar, dass für die Gewährung des subsidiären Schutzstatus bereits jegliche reale Gefahr (real risk) einer Verletzung von Art. 3 EMRK an sich, unabhängig von einer Verursachung von Akteuren oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat ausreicht. Insofern hat der Gesetzgeber die unionsrechtlichen Vorgaben der Statusrichtlinie zur Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Sinne der dargelegten Auslegung der Bestimmung des Art. 15 lit. b der Statusrichtlinie iVm Art. 3 Statusrichtlinie entgegen der Rechtsprechung des EuGH und somit fehlerhaft umgesetzt.

Mit Erkenntnis vom 21.05.2019, Ro 2019/19/0006, hat der Verwaltungsgerichtshof klargestellt, dass eine Interpretation, mit der die Voraussetzungen der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 mit dem in der Judikatur des EuGH dargelegten Verständnis des subsidiären Schutzes nach der Statusrichtlinie in Übereinstimmung gebracht würde, die Grenzen der Auslegung nach den innerstaatlichen Auslegungsregeln überschreiten und zu einer – unionsrechtlich

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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