TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/14 G308 2162857-5

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Veröffentlicht am 14.12.2020
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Entscheidungsdatum

14.12.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77
FPG §80

Spruch


G308 2162857-5/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Angelika PENNITZ als Einzelrichterin im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit: Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.06.2020, Zl. Zl. XXXX , in Schubhaft zu Recht:

A)       Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der BF ist unbekannt illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist.

Dieser stellte erstmals 20.05.2005 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 06.10.2005 wurde das 1. Asylverfahren wegen unbekannten Aufenthaltes in I. Instanz eingestellt.

Am 24.06.2011 wurde der BF aufgrund der Dublin-Verordnung von Großbritannien nach Österreich überstellt und stellte am 27.06.2011 erneut einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid des BAA, Erstaufnahmestelle Ost, Zahl. XXXX , vom 13.07.2011 wurde der 2. Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Er wurde aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen. Der Bescheid erwuchs am 18.09.2012 in Rechtskraft II Instanz.

Mit Bescheid vom 28.03.2013, Zl. XXXX , erließ die Landespolizeidirektion XXXX ,

Fremdenpolizei, eine Rückkehrentscheidung gegen seine Person. Diese Entscheidung erwuchs am 19.04.2013 in Rechtskraft.

Am 14.07.2014 wurden der BF gemäß dem Dubliner Übereinkommen von den Niederlanden nach Österreich überstellt. Der BF stellte nach Ankunft in Österreich am selben Tag den 3. Antrag auf internationalen Schutz. Auch dieser Antrag auf internationalen Schutz wurde gemäß § 68 Absatz Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), wegen entschiedener Sache mit Bescheid des Bundesamtes vom 01.06.2016, Zl.: XXXX zurückgewiesen. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA – VG wurde gegen seine Person eine Rückkehrentscheidung erlassen und es wurde

gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei. Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 FPG wird gegen Sie ein auf die Dauer von 6 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Das Verfahren erwuchs mit 22.06.2016 in Rechtskraft.

Am 31.10.2016 und am 21.08.2018 stellte der BF den 4 und 5. Antrag auf internationalen Schutz. Auch diese Anträge wurden negativ rechtskräftig entschieden.

Im Jahr 2017 wurde mittels Erkenntnis des BVwG die Aufrechterhaltung der Schubhaft für verhältnismäßig festgestellt, jedoch musste diese aufgrund der negativen Verbalnote der indischen Botschaft aufgehoben werden.

Im Zuge des damaligen HRZ Verfahrens wurde der BF zwar als indischer Staatsbürger identifiziert, jedoch konnten die vom BF angegebenen Daten nicht verifiziert werden. Angenommen wurde, dass der BF zum damaligen Zeitpunkt falsche bzw. unwahre persönliche Daten angab.

Mittlerweile wird parallel dazu ein HRZ Verfahren mit Pakistan und Bangladesch aufgrund von Ortskenntnissen des BFs geführt. An die indische Botschaft erfolgen monatliche Urgenzen.

Bis zu seinem 6. Antrag auf internationalen Schutz, gestellt am 20.08.2020 und wegen entschiedener Sache am 06.10.2020 rechtskräftig zurückgewiesen, hat der BF keinen Antrag auf freiwillige Rückkehr in seinen Herkunftsstaat gestellt.

2. Mit Mandatsbescheid, GZ XXXX des BFA vom XXXX .06.2020 wurde über den betroffenen Fremden (im folgenden auch kurz BF) die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs. 2 Z2 FPG angeordnet. Seit XXXX .06.2020, XXXX Uhr, befindet sich der BF in Schubhaft, welche derzeit im AHZ XXXX vollzogen wird.

3. Mit Schreiben vom 11.09.2020 langte ein Antrag auf freiwillige Rückkehr des Beschwerdeführers mit Unterstützung des VMÖ ein, welcher am gleichen Tag von der Behörde bewilligt wurde. Nach Rücksprache mit dem VMÖ wurden die Formblätter der indischen Botschaft bereits vorgelegt und ist davon auszugehen, dass zeitnah ein Dokument ausgestellt werden kann. Dieser Antrag wurde vom BF jedoch gleich wieder widerrufen.

4. Mit den mündlich verkündeten Erkenntnissen des BVwG vom 05.10.2020 und 16.11.2020, GZ 2230378-2 und 3 wurde jeweils nach Aktenvorlage durch das BFA nach § 22a Abs 4 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

5. Am 09.12.2020 legte das BFA die den BF betreffenden Akten erneut dem Bundesverwaltungsgericht zur Überprüfung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF führt die im Spruch angeführte Verfahrensidentität (Namen, Geburtsdatum und Staatsangehörigkeit). Identitätsdokumente liegen nicht vor.

1.2. Gegen den BF besteht nach insgesamt sechs rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren eine rechtskräftige und somit durchführbare Rückkehrentscheidung. Er kam seiner Verpflichtung zur Ausreise in seinen Herkunftsstaat nicht nach. Stattdessen tauchte er in die Illegalität ab.

1.3. Der BF hat in Österreich keine maßgebliche familiäre, soziale und berufliche Verankerung. Er verfügt auch nicht über ausreichende finanzielle Mittel zur Sicherung seines Unterhalts und hat auch keinen gesicherten Wohnsitz.

1.4. Der BF weist 43 kriminalpolizeirechtliche Eintragungen auf und wurde bisher sieben Mal strafrechtlich rechtskräftig verurteilt, zuletzt im Jahr 2018 zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 (achtzehn) Monaten.

1.5. Der BF wird seit dem XXXX .06.2020, durchgängig in Schubhaft angehalten, er ist haftfähig und es sind keine Umstände hervorgekommen, die eine Änderung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts indizieren oder Zweifel an der Verhältnismäßigkeit seiner weiteren Anhaltung in Schubhaft erwecken.

1.6. Der BF hat bis dato die Ausreiseverpflichtung missachtet (illegaler Aufenthalt seit 18.09.2012), ist in die Illegalität abgetaucht (keine behördliche Meldung), hat kein gesichertes Einkommen und hat immer wieder falsche Angaben zur Identität getätigt.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Asyl- und Fremdenwesen sowie den vorliegenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen des BF in Österreich und zur Höhe der in diesem Zusammenhang verhängten Freiheitsstrafen ergeben sich aus der Aktenlage, insbesondere aus einem rezenten Auszug aus dem Strafregister.

Die Feststellungen zur Familiensituation des BF und zu seiner mangelnden (sozialen) Integration in Österreich ergeben sich aus der Aktenlage.

Die zu seiner finanziellen Situation getroffenen Feststellungen ergeben sich aus der Aktenlage und fügen sich zudem stimmig in die (unstrittigen) Lebensumstände des BF. Hinweise auf substanzielle gesundheitliche Probleme sind dem Akt nicht zu entnehmen; ein grundsätzliches Fehlen der Haftfähigkeit wurde in keiner Phase des Verfahrens behauptet.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1.Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF., hat folgenden Wortlaut:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1.       dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2.       dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3.       die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1.       ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a.      ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2.       ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3.       ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4.       ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5.       ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6.       ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7.       ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8.       ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9.       der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Die Bestimmung des § 22a Abs. 4 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF., lautet wörtlich wie folgt:

㤠22a. [...]

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.“

3.2. Gegen den BF besteht eine durchsetzbare aufenthaltsbeende Maßnahme im Sinne des § 76 Abs. 3 Z3 FPG, nämlich eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung samt einem sechsjährigen Einreiseverbot.

Der BF hat in Österreich keine maßgebliche familiäre, soziale und berufliche Verankerung. Er verfügt auch nicht über ausreichende finanzielle Mittel zur Sicherung seines Unterhalts und hat auch keinen gesicherten Wohnsitz. Damit erfüllt er § 76 Abs. 3 Z9 FPG.

Der BF lebte – abgesehen von seinen Anhaltungen im Haft und äußerst kurzen Wohnsitzmeldungen in den Jahren 2014, 2012, 2011 und 2015 - in Österreich im Verborgenen. Er war damit für die Behörde nicht greifbar und konnte so eine allfällige Abschiebung vereiteln. Das BFA geht zu Recht davon aus, dass auch die Z 1 des
§ 76 Abs. 3 FPG gegenständlich vorliegt.

Er stellte im Bundesgebiet insgesamt sieben Asylanträge, welche alle rechtskräftig negativ entscheiden wurden, zuletzt am 20.08.2020 im Stande der Schubhaft.

Auch musste der BF aufgrund der Dublin-Verordnung am 24.06.2011 von Großbritannien und am 14.07.2014 von den Niederlanden nach Österreich rücküberstellt werden.

Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung im Sinne des § 76 Abs. 2a FPG war maßgeblich zu berücksichtigen, dass der BF siebenmal rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt wurde und 43 kriminalpolizeiliche Eintragungen aufweist.

Die Anhaltung ist weiterhin verhältnismäßig, da der BF haftfähig ist und das Verfahren vom BFA effizient geführt wurde. Insbesondere besteht eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung. Es werden HRZ-Verfahren mit Indien, Pakistan und Bangladesch geführt. Die Ausstellung eines HRZ sowie die danach auch zeitnah durchführbare Rückführung des BF in seinen Herkunftsstaat nach Vorliegen des HRZ gelten weiterhin als wahrscheinlich und auch tatsächlich innerhalb der Schubhafthöchstdauer möglich.

Derzeit finden zwar aufgrund der Corona-Pandemie keine Charterabschiebungen nach Indien statt, jedoch sind Einzelabschiebungen möglich.

Die Fortsetzung der Schubhaft, welche seit XXXX .06.2020 besteht, ist auch unter Berücksichtigung der in § 80 FPG vorgesehenen Regelung über die Höchstdauer der Anhaltung in Schubhaft zulässig, da zum Entscheidungszeitpunkt die grundsätzliche Dauer von sechs Monaten nicht überschritten worden ist.

Der BF brachte keine Identitätsdokumente in Vorlage. Dieses Verhalten bewirkte eine wesentliche Verfahrensverzögerung und wurde dadurch auch eine Abschiebung iSd § 76 Abs 3 Z 1 FPG wesentlich erschwert. Nachdem der BF auch über keinen Wohnsitz oder eine Unterkunft in Österreich verfügt, sind auch die Voraussetzungen des § 76 Abs 3 Z 8 FPG erfüllt.

Aus den eben dargelegten Umständen und insbesondere auch unter Berücksichtigung seiner nicht vorhandenen sozialen Bindungen in Österreich ist aktuell - jedenfalls - von einer als erheblich zu qualifizierenden Fluchtgefahr auszugehen, zumal besondere Umstände vorliegen, die ein Untertauchen des BF - um sich so einer Abschiebung zu entziehen - befürchten lassen.

3.3. Die Anordnung eines gelinderen Mittels gemäß § 77 FPG erweist sich im Hinblick auf die erhebliche Fluchtgefahr als nicht geeignet, um den erforderlichen Sicherungszweck (Durchführung der Abschiebung) zu erreichen. Sie wird nicht zuletzt durch das in der Vergangenheit gezeigt Verhalten des BF untermauert.

Eine auf den vorliegenden Einzelfall bezogene Gesamtabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Abschiebung einerseits und der Schonung der persönlichen Freiheit andererseits ergibt somit, dass das erwähnte öffentliche Interesse überwiegt, weil ohne Anordnung der Schubhaft die Durchführung der Abschiebung wahrscheinlich vereitelt oder wesentlich erschwert würde. Dass besondere in der Person des BF gelegene Umstände vorliegen würden, die der Schubhaft allenfalls entgegenstehen könnten, ist anlassbezogen nicht hervorgekommen.

Die in § 80 Abs. 4 FPG grundsätzlich vorgesehene Höchstdauer der Anhaltung in Schubhaft wurde zum Entscheidungszeitpunkt noch nicht überschritten. Die Abschiebung ist nach derzeitigem Stand auch trotz der Einschränkungen durch die COVID-Krise durchführbar.

Auf Grund des festgestellten Sachverhaltes erweist sich die Fortsetzung der Schubhaft aufgrund des Vorliegens einer als erheblich zu qualifizierenden Fluchtgefahr auch weiterhin als erforderlich und die Anhaltung in Schubhaft wegen Überwiegens des öffentlichen Interesses an der Sicherung der Abschiebung in den Herkunftsstaat Indien im Vergleich zum Recht des betroffenen Fremden auf persönliche Freiheit auch als verhältnismäßig.

Die Anhaltung in Schubhaft erweist sich somit weiterhin zum Zweck der Sicherung der Abschiebung wegen Fluchtgefahr als notwendig und auch als verhältnismäßig. Die andauernde Schubhaft kann daher fortgesetzt werden, weshalb gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wie im Spruch angeführt zu entscheiden war.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm. § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.

Zu Spruchteil B): Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF., hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder von den Parteien vorgebracht worden noch sonst hervorgekommen.

Schlagworte

falsche Angaben Fluchtgefahr Folgeantrag Fortsetzung der Schubhaft gelinderes Mittel Identität Mittellosigkeit öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Untertauchen Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G308.2162857.5.00

Im RIS seit

16.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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