TE Lvwg Beschluss 2021/1/22 VGW-151/059/685/2021

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Veröffentlicht am 22.01.2021
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Entscheidungsdatum

22.01.2021

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

VwGVG §28 Abs3
NAG 2005 §47 Abs3

Text

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Schattauer über die Beschwerde der Frau A. B., geb.: 1952, STA: Serbien, vertreten durch Rechtsanwalt GmbH, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, Magistratsabteilung 35, vom 26.11.2020, Zahl ..., mit welchem der Antrag vom 13.02.2020 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Angehöriger" gemäß § 47 Abs. 3 NAG idgF abgewiesen wurde, den

BESCHLUSS

gefasst:

I. Gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG wird der Bescheid aufgehoben und das Verfahren an die belangte Behörde zurückverwiesen.

II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Begründung

I. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 13.02.2020 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Familienangehöriger von Österreicher“ gemäß § 47 Abs. 3 NAG abgewiesen. Begründend stützt sich diese Entscheidung darauf, dass keinerlei Unterhaltsleistungen der als Zusammenführende benannten Tochter der Beschwerdeführerin nachgewiesen worden seien. Im Lichte der Entscheidung Dereci des Europäischen Gerichtshofes sei darüber hinaus nicht davon auszugehen, dass die Versagung des beantragten Aufenthaltstitels für die österreichische Zusammenführende bedeuten würde, de facto Österreich und das Gebiet der Europäischen Union verlassen zu müssen. Eine Abwägung nach § 11 Abs. 3 NAG könne unterbleiben, da die Beschwerdeführerin kein Angehöriger iSd § 47 Abs. 3 NAG sei und die besonderen Voraussetzungen für den beantragten Aufenthaltszweck nicht erfülle.

II. In der dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde wurde – wie schon im behördlichen Verfahren - vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin ihre Anspruchsberechtigung nicht auf die Gewährung von Unterhaltsleistungen iSd § 47 Abs. 3 Z 3 lit a NAG gestützt habe, sondern alleine auf den Umstand, dass mit der Zusammenführenden bereits im Herkunftsland eine häusliche Gemeinschaft iSd § 47 Abs. 3 Z 3 lit b NAG bestanden habe und dass darüber hinaus auch die Voraussetzungen iSd § 47 Abs. 3 Z 3 lit c NAG vorlägen, was bereits im behördlichen Verfahren durch medizinische Befunde untermauert worden sei.

III. Bisheriger Verfahrensgang und entscheidungswesentlicher Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin wurde am …1952 geboren und ist serbische Staatsangehörige. Sie beantragte am 13.02.2020 persönlich bei der belangten Behörde die Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger von ÖsterreicherInnen“. Als zusammenführende österreichische Staatsangehörige wurde die leibliche Tochter, Frau C. B., geb. 1975, benannt. Im Zuge der Antragstellung wurden mehrere fachärztliche Befunde sowie ein amtsärztliches Gutachten der MA 15 vom 19.12.2019 zur Frage, ob die Beschwerdeführerin zur Absolvierung des Moduls 1 gem. § 7 Abs 2 Z 1 IntG in der Lage sei, vorgelegt. Darin werden der Beschwerdeführerin diverse Erkrankungen (u.a. Demenz) attestiert und wird im amtsärztlichen Gutachten von der Unzumutbarkeit der Erfüllung des Moduls 1 ausgegangen.

Im behördlichen Verfahren wurde – abgesehen von den Personsdaten und diversen Registeranfragen - lediglich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Haushalts der zusammenführenden Tochter geprüft. Mit den Erteilungsvoraussetzungen iSd § 47 Abs. 3 Z 3 lit b und § 47 Abs. 3 Z 3 lit c NAG hat sich die belangte Behörde in keiner Weise befasst.

Diese Feststellungen ergeben sich zur Gänze aus dem behördlichen Verwaltungsakt. Darin sind keinerlei Ermittlungsschritte rücksichtlich der letztgenannten, hier alleine maßgeblichen besonderen Erteilungsvoraussetzungen dokumentiert.

IV. Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

§ 47 Abs. 3 NAG lautet:

Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ und „Niederlassungsbewilligung – Angehöriger“

§ 47. (1) Zusammenführende im Sinne der Abs. 2 bis 4 sind Österreicher oder EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und nicht ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in Anspruch genommen haben.

(3) Angehörigen von Zusammenführenden kann auf Antrag eine „Niederlassungsbewilligung – Angehöriger“ erteilt werden, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und

… oder

3.  sonstige Angehörige des Zusammenführenden sind, …

b)  die mit dem Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben oder

c)  bei denen schwerwiegende gesundheitliche Gründe die persönliche Pflege durch den Zusammenführenden zwingend erforderlich machen.

Unbeschadet eigener Unterhaltsmittel hat der Zusammenführende jedenfalls auch eine Haftungserklärung abzugeben.

Die Beschwerdeführerin hat im behördlichen Verfahren wiederholt darauf hingewiesen, dass ihr Antrag ausschließlich auf § 47 Abs. 3 Z 3 lit b und c NAG gestützt wird, in keiner Weise wurde behauptet, dass der begehrte Aufenthaltstitel im Grunde des § 47 Abs. 3 Z 3 lit a NAG begehrt werde oder zu erteilen sei. Dessen ungeachtet hat die belangte Behörde rücksichtlich des Vorliegens der besonderen Erteilungsvoraussetzungen für den beantragten Aufenthaltstitel iSd § 47 Abs. 3 NAG ausschließlich die hier gar nicht zum Tragen kommende Erteilungsvoraussetzung nach § 47 Abs. 3 Z 3 lit a NAG geprüft, dies ungeachtet des Umstandes, dass seitens der Beschwerdeführerin im Verfahren zweifelsfrei darauf hingewiesen wurde, dass der begehrte Aufenthaltstitel ausschließlich wegen Vorliegens der Erteilungsvoraussetzungen nach § 47 Abs. 3 Z 3 lit b und c NAG zu erteilen sei.

Gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde die notwendigen Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Wie der Verwaltungsgerichtshof zu den Aufgaben der Verwaltungsgerichte in ständiger Rechtsprechung festgestellt hat, besteht eine grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte und kann von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. auch VwGH 20.11.2018, Ra 2018/12/0012, mwN).

Ein solcher Fall liegt hier vor: die belangte Behörde keinerlei Ermittlungsschritte in Bezug auf das Vorliegen der Erteilungsvoraussetzungen nach 47 Abs. 3 Z 3 lit b und/oder c NAG gesetzt, weder wurde die Frage geprüft, ob die Beschwerdeführerin mit der Zusammenführenden tatsächlich bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt hat, noch wurde in irgendeiner Weise ermittelt, ob im Falle der Beschwerdeführerin schwerwiegende gesundheitliche Gründe die persönliche Pflege durch den Zusammenführenden zwingend erforderlich machen.

Diese Vorgangsweise rechtfertigt nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Wien die Annahme, dass die belangte Behörde die notwendigen Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen würden.

Da somit die Voraussetzungen zur Aufhebung des bekämpften Bescheides und zur Zurückverweisung des Verfahrens zur Erlassung eines neuerlichen Bescheides vorlagen, war spruchgemäß zu entscheiden. Die belangte Behörde wird im fortzuführenden Verfahren insbesondere zu ermitteln und zu prüfen haben, ob die im Falle der Beschwerdeführerin alleine maßgeblichen Erteilungsvoraussetzungen iSd § 47 Abs 3 Z 3 lit b und c NAG vorliegen.

II. Die ordentliche Revision gegen diese Entscheidung ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aufenthaltstitel; Angehöriger; Zurückverweisung; notwendige Ermittlungen; Unterlassen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2021:VGW.151.059.685.2021

Zuletzt aktualisiert am

12.02.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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