TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/3 W163 2237254-1

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Veröffentlicht am 03.12.2020
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Entscheidungsdatum

03.12.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §93 Abs1 Z1
FPG §94 Abs5
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W163 2237254-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Daniel LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.10.2020, Zahl XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 94 Abs. 5 iVm § 93 Abs. 1 Z 1 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 09.09.2009 wurde dem Beschwerdeführer der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.

2. Am 21.01.2016 wurde dem Beschwerdeführer durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) zuletzt ein Konventionsreisepass ausgestellt.

3. Am 23.06.2020 wurde dem BFA eine Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Eisenstadt vom 04.02.2019, GZ XXXX , übermittelt, derzufolge dem BF zur Last gelegt wird, vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich überwiegend Cannabisblüten und andere Suchtgifte aus Österreich ausgeführt und nach Deutschland gebracht zu haben und im Rahmen einer kriminellen Vereinigung gewinnbringend anderen überlassen bzw. zu überlassen versucht zu haben.

4. Mit (Mandats-)Bescheid vom 01.07.2020 wurde dem BF durch das BFA der Konventionsreisepass Nr. XXXX entzogen, wogegen am 20.07.2020 das Rechtsmittel der Vorstellung erhoben wurde.

5. Mit Verfahrensanordnung vom 23.07.2020 wurde der BF im Wege seines rechtsfreundlichen Vertreters zur Abgabe einer Stellungnahme betreffend die beabsichtigte Entziehung des Konventionsreisepasses aufgefordert.

6. Mit im Spruch angeführten Bescheid vom 13.10.2020 wurde dem BF gemäß § 94 Abs. 5 iVm § 93 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz der Konventionsreisepasse Nr. XXXX entzogen (Spruchpunkt I.) und die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid gemäß § 13 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz ausgeschlossen (Spruchpunkt II.).

7. Gegen diesen Bescheid erhob der rechtsfreundliche Vertreter des BF am 17.11.2020 fristgerecht Beschwerde.

8. Gegen diese Entscheidung erhob der Beschwerdeführer mit 17.11.2020 fristgerecht Beschwerde, in welcher er im Wesentlichen ausführte, dass kein rechtskräftiges Urteil vorliege und die Anklageschrift nicht automatisch einer tatsächlichen Verurteilung gleichkomme. Die Ausführung von Suchtmittel aus Österreich als Mitglied einer kriminellen Vereinigung sei eine Annahme der Staatsanwaltschaft, ohne Bewiese vorlegen zu können. Die Annahme, dass der Konventionsreisepass dazu benützt werden sollte, um gegen die Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes zu verstoßen sei unrichtig. Die Anklageschrift betreffe Vorgänge, ab deren Tat bereits mehr als drei Jahres vergangen sind, weshalb gemäß § 92 Abs. 1 Z 1 bis 4 FPG nicht mehr jedenfalls von einem Versagungsgrund auszugehen sei, der BF führe ein stabiles und ordentliches, sowie integriertes Leben in der österreichischen Gesellschaft. Zum Zeitpunkt der Vorwürfe sei der BF noch junger Erwachsener gewesen. Die Annahme eines Versagungsgrundes sei nicht gerechtfertigt. Der „Antrag auf aufschiebende Wirkung“ wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der BF keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Ruhe darstelle. Dem BF müsse es möglich sein, seine Kontakte privat wie beruflich ungehindert ausüben zu können. Der BF sei an einem Restaurant/Lieferservice beteiligt, welches auch im grenznahen Bereich tätig sei.

9. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom BFA vorgelegt und langten am 26.11.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsbürger.

1.2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom09.09.2009 wurde dem Beschwerdeführer der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Am 21.01.2016 wurde dem Beschwerdeführer durch das BFA ein Konventionsreisepass ausgestellt.

1.3. Mit Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 03.12.2015, Zl. XXXX wurde der BF wegen der Vergehens nach §§ 27 Abs. 1 Z 1 2.2. Fall und 27 Abs 2 SMG zur einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 4 Euro im Nichteinbringungsfall 25 Tage Ersatzfreiheitsstrafe rechtskräftig mit 09.12.2015 verurteilt.

1.4. Mit Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 25.05.2016, Zl. XXXX wurde der BF wegen der Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 2 Waffengesetz zur einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 4 Euro im Nichteinbringungsfall 25 Tage Ersatzfreiheitsstrafe rechtskräftig mit 09.12.2015 verurteilt.

1.5. Mit Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 27.02.2017, Zl. XXXX wurde der BF wegen der Vergehens nach § 107 Abs 1 und 2 StGB zur einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten bedingt, Probezeit 3 Jahre als Junger Erwachsener verurteilt.

1.6. Mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Eisenstadt vom 04.02.2019, Zahl XXXX , wird dem BF zur Last gelegt, er habe

-        das Verbrechen des Suchtmittelhandels nach den §§ 12 zweiter Fall StGB und 28a Abs. 1 zweiter und dritten Fall, Abs. 2 Z 2 und Abs. 4 Z 3 SMG;

-        das Verbrechen des Suchtmittelhandels nach §§ 28 a Abs. 1 fünfter Fall, Abs. 2 Z 2 und Abs. 4 Z 3 SMG sowie § 12 dritter Fall StGB;

-        das Verbrechen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 ersten bis dritter Fall, Abs. 2 und Abs. 3 SMG;

-        die Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach dem § 27 Abs. 1 z 1 und zweiter Fall und Abs. 2 SMG

begangen und werde nach § 28a Abs. 4 SMG zu bestrafen sein.

Dem BF wird zur Last gelegt als Mitglied einer kriminellen Vereinigung vorschriftwidrig Suchtgift über Staatsgrenzen transportiert und zwar Anfang 2016 zumindest ein Kilogramm Cannabisblüten im Auftrag aus Österreich ausgeführt und nach Deutschland gebracht und einer Person übergeben zu haben.

Dem BF wird zu Last gelegt, im Rahmen einer kriminellen Verbindung von Anfang des Jahres 2016 bis 10.03.2017 32.3 kg Cannabisblüten und eine nicht mehr exakt feststellbare Menge Kokain teilweise selbst an seine Abnehmer übergeben oder durch Kuriere diesen überbringen lassen zu haben.

Dem BF wird zur Last gelegt, im Rahmen einer kriminellen Vereinigung Suchtmittel erworben, besessen und befördert, dass es in Verkehr gesetzt werde zu haben und zwar von 07.03.2017 bis 10.03.2017 15,3 kg in einem Koffer von Salzburg nach Schwarzach im Pongau zur Mutter seiner Lebensgefährtin in die Wohnung gebracht und dort eingelagert zu haben, sowie 34,82 Gramm Cannabisblüten und 1,58 Gramm Kokain bei seiner Freundin gelagert zu haben.

Dem BF wird zu Last gelegt, ausschließlich zum persönlichen Gebrauch Suchtgift erworben und besessen und zwar von einem noch festzustellenden Zeitpunkt 2016 bis 10.03.2017 in Salzburg und an anderen Orten in mehrfachen Angriffen jeweils geringe Mengen Cannabisblüten und Kokain.

Begründend wird in der Anklageschrift ausgeführt, dass der BF mehrmals einschlägig vorbestraft sei und zuletzt zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt worden wäre. Der BF hätte sich gemeinsam mit anderen Tätern zu einer Verbindung von mehr als drei Personen zusammengeschlossen, die es sich zum Ziel machte, Suchtgifthandel zu betreiben. Die Mitglieder dieser Gruppierung hätten sich auf längere Zeit zusammengeschlossen, um größere Mengen Suchtgift aus dem Ausland nach Österreich zu verbringen und hier und in Deutschland zu verkaufen. Der BF hätte sich – im bescheidenerem Ausmaß – auch mit dem Kokainhandel beschäftigt. Der BF habe andere Personen als Suchtgiftkuriere angeworben, weil er selbst kein Fahrzeug lenken dürfe. Es sei dem BF darauf angekommen so viel wie möglich an Suchtgift zu verkaufen, um sich durch den wiederkehrenden Import und Verkauf von die Grenzmenge überschreitende Suchgiftquanten für längere Zeit hindurch, zumindest für mehrere Jahres eine fortlaufenden Einnahme von zumindest EUR 400,-- monatlich im Jahresschnitt zu verschaffen und sich unrechtmäßig zu bereichern.

Mit Bescheid vom 13.10.2020 wurde dem BF der Konventionsreisepass – nach erfolgtem Ermittlungsverfahren – durch das BFA entzogen.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen stützen sich auf die vorgelegten Akten des BFA und die Akten des Bundesverwaltungsgericht.

Die Feststellungen zu den rechtskräftigen Verurteilungen des BF stützten sich auf eine Einsichtnahme in das Strafregister.

Die Feststellungen zu den dem BF zur Last gelegten strafbaren Handlungen stützt sich auf die im Akt des BFA einliegende Anklageschrift.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes.


Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn (Z 1) der der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder (Z 2) die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu Spruchteil A):

3.2. Gemäß § 94 Abs. 5 FPG gelten die §§ 88 Abs. 4 sowie 89 bis 93 sinngemäß mit der Maßgabe, dass anstelle eines Fremdenpasses der Konventionsreisepass tritt.

Gemäß § 93 Abs. 1 Z 1 FPG idgF ist ein Fremdenpass zu entziehen, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, welche die Versagung der Ausstellung des Fremdenpasses rechtfertigen würden.

Gemäß § 93 Abs. 2 FPG sind vollstreckbar entzogene Fremdenpässe dem Bundesamt unverzüglich vorzulegen. Sie stellen keine gültigen Reisedokumente dar.

Gemäß § 92 Abs. 1 FPG ist die Ausstellung, die Erweiterung des Geltungsbereiches und die Änderung eines Fremdenpasses zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass

1.       der Fremde das Dokument benützen will, um sich einer wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung im Inland eingeleiteten Strafverfolgung oder Strafvollstreckung zu entziehen;

2.       der Fremde das Dokument benützen will, um Zollvorschriften zu übertreten;

3.       der Fremde das Dokument benützen will, um gegen Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes zu verstoßen;

4.       der Fremde das Dokument benützen will, um Schlepperei zu begehen oder an ihr mitzuwirken;

5.       durch den Aufenthalt des Fremden im Ausland die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet würde.

Gemäß § 92 Abs. 1a FPG gelten die Versagungsgründe des § 14 Abs. 1 Z 3 lit d, e und Z 5 Passgesetz 1992 sinngemäß mit der Maßgabe, dass anstelle des Reisepasses der Fremdenpass tritt.

Gemäß § 92 Abs. 2 FPG ist die Ausstellung eines Fremdenpasses zu versagen, wenn der Fremde unentschuldigt einer Ladung zur erkennungsdienstlichen Behandlung, in der diese Folge angekündigt ist, nicht Folge leistet oder an der erkennungsdienstlichen Behandlung nicht mitwirkt.

Gemäß § 92 Abs. 3 FPG ist zum Ablauf von drei Jahren nach der Tat jedenfalls von einem Versagungsgrund auszugehen, wenn den Tatsachen, die in Abs. 1 Z 1 bis 4 und Abs. 1a angeführt werden, gerichtlich strafbare Handlungen zugrunde liegen, wobei Haftzeiten und Zeiten einer Unterbringung nach §§ 21 bis 23 StGB außer Betracht zu bleiben haben. Im Übrigen gilt § 14 Passgesetz 1992.

Die Versagungsgründe des § 92 Abs. 1 FPG sind vor dem Hintergrund des Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (im Folgenden: Statusrichtlinie) zu lesen. Diese Bestimmung sieht vor, dass die Mitgliedstaaten Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, Reiseausweise – wie im Anhang zur Genfer Flüchtlingskonvention vorgesehen – für Reisen außerhalb ihres Gebietes ausstellen, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen (vgl. VwGH 16.05.2013, 2013/21/0003).

Nach § 14 Abs. 1 Z 5 Passgesetz, BGBl. I Nr. 839/1992 idgF, sind die Ausstellung, die Erweiterung des Geltungsbereiches und die Änderung eines Reisepasses zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Passwerber könnte als Mitglied einer kriminellen Organisation oder kriminellen oder terroristischen Vereinigung im Sinne der §§ 278 bis 278b StGB durch den Aufenthalt im Ausland die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährden.

3.3. Das Bundesamt stützte seine Entscheidung auf Entziehung des Konventionsreisepasses des BF spruchgemäß auf § 94 Abs. 5 iVm § 93 Abs. 1 Z 1 FPG, wobei in der Begründung auf die Verbindung mit § 92 Abs. 1 Z 3, § 92 Abs. 1a FPG und § 14 Abs. 1 Z 5 Passgesetz auch auf § 92 Abs. 1a hingewiesen wurde. Begründend führte das BFA zusammengefasst aus, dass der BF für den Grenzübertritt – auch innerhalb der Binnengrenzen der Europäischen Union – ein gültiges Reisedokument, um in einen anderen Mitgliedstaat legal einreisen und sich nach nationalen Bestimmungen dort aufhalten zu dürfen, braucht. Der grenzüberschreitende Suchtgifthandel werde durch den Besitz eines Konventionsreisepasses erleichtert und es sei davon auszugehen, dass der BF im Falle der Nichteinziehung des Konventionsreisepasses auch in Hinkunft dieses rechtswidrige Verhalten an den Tag legen werde.

3.4. Gegen den Beschwerdeführer liegt eine Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Eisenstadt vom 04.02.2019, Zahl XXXX , vor und wird dem BF zur Last gelegt, er habe

-        das Verbrechen des Suchtmittelhandels nach den §§ 12 zweiter Fall StGB und 28a Abs. 1 zweiter und dritten Fall, Abs. 2 Z 2 und Abs. 4 Z 3 SMG;

-        das Verbrechen des Suchtmittelhandels nach §§ 28 a Abs. 1 fünfter Fall, Abs. 2 Z 2 und Abs. 4 Z 3 SMG sowie § 12 dritter Fall StGB;

-        das Verbrechen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 ersten bis dritter Fall, Abs. 2 und Abs. 3 SMG;

-        die Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach dem § 27 Abs. 1 z 1 und zweiter Fall und Abs. 2 SMG

begangen und werde nach § 28a Abs. 4 SMG zu bestrafen sein.

Mit Erkenntnis vom 24.01.2019, Zl. Ra 2018/21/0211, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es für die Entziehung eines Konventionsreisepasses gemäß § 94 Abs. 5 iVm § 93 Abs. 1 Z 1 und § 92 Abs. 1 Z 1 FPG ausreicht, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Fremde dieses Dokument benutzen wolle, um sich einer wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung im Inland eingeleiteten Strafverfolgung oder Strafvollstreckung zu entziehen. Die Stichhältigkeit der strafrechtlichen Vorwürfe ist dagegen als solche weder ein Tatbestandserfordernis der genannten Bestimmungen des FPG noch ist das Verwaltungsgericht (sondern vielmehr letztlich das Strafgericht) zu einer entsprechenden inhaltlichen Prüfung berufen.

Eine Entziehung eines Konventionsreisepasses setzt somit – entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung - eine Verurteilung des Fremden durch das Strafgericht nicht voraus.

Es reicht somit aus, wenn konkrete Umstände vorliegen, die (wie von der Behörde bzw. dem Verwaltungsgericht zu beurteilen ist) die Annahme rechtfertigen, dass der Fremde das Dokument für einen Verstoß gegen die Bestimmungen des SMG zu begehen benützen will.

Solche Tatsachen liegen in Hinblick auf die angelastete Straftat vor.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 04.06.2009, 2006/18/0204; 25.11.2010, 2008/18/0458; 02.12.2008, 2005/18/0614; 27.01.2004, 2003/18/0155; 24.01.2012, 2008/18/0504; 20.12.2013, 2013/21/0055) stellt es zusammengefasst eine Erfahrungstatsache dar, dass bei Suchtgiftdelikten nicht nur eine hohe Sozialschädlichkeit, sondern auch eine überaus hohe Wiederholungsgefahr besteht, weshalb selbst bei einer bloß einmaligen Verurteilung eines Antragstellers die Behörde rechtskonform davon ausgehen kann, dass dieser den Konventionsreisepass dazu benutzen werde, um gegen Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes zu verstoßen. Darüber hinaus besteht nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bei der Suchtgiftkriminalität insbesondere auch ein „latenter Auslandsbezug“. Auch wurde eine Dauer an Wohlverhalten im Ausmaß von vier Jahren nach der letzten rechtskräftigen Verurteilung als nicht lange genug qualifiziert, um die vom Antragsteller ausgehende Gefahr der Begehung weiterer Suchtgiftdelikte als weggefallen oder auch nur entscheidend gemindert anzusehen.

Unter Zugrundelegung der Leitgedanken der zitierten Entscheidungen ist davon auszugehen, dass die belangte Behörde im gegenständlichen Fall den Konventionsreisepass zurecht entzogen hat:

Aus der eingebrachten Anklageschrift vom 04.02.2019 gegen den BF geht unter anderem hervor, dass ihm die Begehung der Verbrechen der vorschriftwidrigen Einfuhr, Ausfuhr, des Anbietens und Überlassens von Suchtgift in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge als Mitglied einer kriminellen Vereinigung (Strafrahmen: Freiheitsstrafe von 1 bis zu 15 Jahren) seitens der Staatsanwaltschaft zur Last gelegt wird. Der Anklageschrift weiters zu entnehmen, dass der BF mehrmals einschlägig vorbestraft sei und zuletzt zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt worden wäre. Der BF hätte sich gemeinsam mit anderen Tätern zu einer Verbindung von mehr als drei Personen zusammengeschlossen, die es sich zum Ziel machte, Suchtgifthandel zu betreiben. Die Mitglieder dieser Gruppierung hätten sich auf längere Zeit zusammengeschlossen, um größere Mengen Suchtgift aus dem Ausland nach Österreich zu verbringen und hier und in Deutschland zu verkaufen. Der BF hätte sich – im bescheidenerem Ausmaß – auch mit dem Kokainhandel beschäftigt. Der BF habe andere Personen als Suchtgiftkuriere angeworben, weil er selbst kein Fahrzeug lenken dürfe. Es sei dem BF darauf angekommen so viel wie möglich an Suchtgift zu verkaufen, um sich durch den wiederkehrenden Import und Verkauf von die Grenzmenge überschreitende Suchgiftquanten für längere Zeit hindurch, zumindest für mehrere Jahres eine fortlaufenden Einnahme zu verschaffen und sich unrechtmäßig zu bereichern.

In Hinblick auf die Schwere der ihm in der eingebrachten Anklageschrift zur Last gelegten Verbrechen und Vergehen, des Umstandes, dass ihm grenzüberschreitender Suchtgifthandel in einer Menge von 32 kg und 15 kg Cannabisblüten vorgeworfen wird, er bereits nach dem Bestimmungen des SMG rechtskräftig verurteilt worden war und Suchtgiftdelikten – wie oben dargestellt - eine besonders hohe Wiederholungsgefahr und ein latenter Auslandsbezug innewohnt, kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde zum Ergebnis gelangte, die festgestellten Tatsachen würden die Annahme im Sinne des § 92 Abs. 1 Z 3 FPG, der Beschwerdeführer könnte den Fremdenpass dazu benutzen, um gegen die Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes zu verstoßen, rechtfertigen.

In der Beschwerde wird zutreffend darauf hingewiesen, dass die Anklageschrift dem BF Tathandlungen vorwirft, die bereits mehr als drei Jahre zurückliegen und gemäß § 92 Abs. 3 FPG nicht jedenfalls von einem Versagungsgrund auszugehen ist. Soweit in der Beschwerde vorgebracht wird, die Entziehung des Konventionsreisepasses stelle einen unverhältnismäßig großen Nachteil für den BF dar - unter Verweis auf den Umstand, dass der BF seit 11 Jahren rechtmäßig aufhältig sei, er ein stabiles und eigenständiges Leben führe und es ihm weiterhin möglich sein müsse, seine Kontakte privat wie beruflich (der BF sei an einem Restaurant/Lieferservice beteiligt, das auch im grenznahen Bereich tätig sei) ungehindert auszuüben - vermag nicht, die Entscheidung der belangten Behörde als rechtswidrig zu erkennen. Der BF ist ein afghanischer Staatsangehöriger. Der BF hat im Beschwerdevorbringen nicht behauptet oder dargelegt, dass er im Rahmen seiner Beteiligung an einem Restaurant/Lieferservice das Bundesgebiet verlassen müsse. Er hat im Beschwerdevorbringen auch nicht dargelegt, welche privaten Kontakte bestünden und warum diese zur Aufrechterhaltung einer Ausreise aus dem Bundesgebiet bedürfen. Auch der Umstand, dass der BF seit 2009 im Bundesgebiet aufhältig ist und einen Konventionsreisepass innehat vermag, die Entziehung des Konventionsreisepasses als unverhältnismäßig zu erkennen. Ein Konventionsreisedokument ist zur Darlegung der Flüchtlingseigenschaft nicht erforderlich (vgl. VwGH 07.11.2012, Zl. 2012/18/0024).

Im Ergebnis ist somit der Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 92 Abs. 1 Z 3 FPG erfüllt sei, beizutreten und sind – im Sinne des Art. 25 Abs. 1 Statusrichtlinie – zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die der Ausstellung eines Konventionsreisepasses entgegenstehen, zu bejahen.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des im Spruch bezeichneten Bescheides ist daher abzuweisen.

Vor diesem Hintergrund war auf die Frage, ob die belangte Behörde zu Recht die aufschiebende Wirkung der Beschwerde aberkannt hat bzw. ob der Beschwerde eine solche vom BVwG zuzuerkennen ist, nicht (mehr) einzugehen.

3.5. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Die Vertretung des Beschwerdeführers beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann - soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist - das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

In der Beschwerde wird kein Vorbringen erstattet, welches die Abhaltung einer Verhandlung erfordert hätte. Verfahrensgegenständlich ist vielmehr die rechtliche Würdigung eines feststehenden Sachverhaltes, weshalb auch nicht von Amts wegen eine mündliche Verhandlung durchzuführen war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei der erheblichen Rechtsfrage betreffend die Verwehrung eines Konventionsreisepasses auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchpunkt A. wiedergegeben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Entziehung Entziehungsbescheid Entziehungsgrund Konventionsreisepass Reisedokument strafrechtliche Verurteilung Suchtgifthandel Suchtmitteldelikt Versagungsgrund

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W163.2237254.1.00

Im RIS seit

12.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

12.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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