TE Vwgh Erkenntnis 1997/6/3 96/08/0374

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Veröffentlicht am 03.06.1997
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Index

68/01 Behinderteneinstellung;

Norm

BEinstG §14 Abs1;
BEinstG §14 Abs2;
BEinstG §8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der J KG in F, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 21. Oktober 1996, Zl. Vd-1370/1/We, betreffend Vorschreibung einer Ausgleichstaxe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen Tirol vom 18. Juni 1996 wurde der Beschwerdeführerin die Entrichtung einer Ausgleichstaxe in Höhe von S 23.040,-- für das Kalenderjahr 1995 gemäß § 9 BEinstG mit der Begründung zur Vorschreibung gebracht, daß die Beschwerdeführerin ihrer Beschäftigungspflicht nach § 1 Abs. 1 leg. cit. im genannten Kalenderjahr nicht nachgekommen sei.

Die Beschwerdeführerin erhob (als Einspruch bezeichnet) Vorstellung. Darin wurde ausgeführt, daß im gegenständlichen Zeitraum ein namentlich genannter Behinderter beschäftigt worden sei. Der nach Ansicht der Beschwerdeführerin Behinderte weise eine Körpergröße von 1,40 m auf und habe nicht die Leistung eines normal gewachsenen Menschen erbringen können. Der Lohn sei ihm aber nachweislich voll ausbezahlt worden.

Mit Schreiben vom 8. August 1996 übermittelte die Behörde erster Rechtsstufe der Beschwerdeführerin das Ergebnis ihres Ermittlungsverfahrens zur allfälligen Stellungnahme. Darin wurde ausgeführt, daß die von der Beschwerdeführerin als begünstigte Behinderte angesehene Person nicht als solche anerkannt werden könne, weil ein Feststellungsverfahren gemäß § 14 BEinstG mangels Beibringung von ärztlichen Attesten bzw. einer amtsärztlichen Untersuchung nicht habe durchgeführt werden können. Die von der Beschwerdeführerin genannte Person weise laut Reisepaß eine Körpergröße von 1,45 m auf; dies würde ohne Verbindung mit weiteren körperlichen Gebrechen keine Einschätzung von zumindest 50 % (ergänze: Minderung der Erwerbsfähigkeit) bedeuten.

Mit Bescheid vom 4. September 1996 wurde von der Behörde erster Rechtsstufe über diese Vorstellung entschieden und der Beschwerdeführerin neuerlich für das Jahr 1995 eine Ausgleichstaxe von S 23.040,-- gemäß § 9 BEinstG zur Vorschreibung gebracht. In der Begründung wurde nach Wiedergabe der angewendeten Gesetzesbestimmungen ausgeführt, daß der Entscheidung der der Beschwerdeführerin bei Gewährung des Parteiengehörs mitgeteilte Sachverhalt zugrundegelegt worden sei.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Darin machte sie - soweit für das Beschwerdeverfahren von Bedeutung - geltend, die Behörde hätte den Einwand, die Beschwerdeführerin habe im Jahre 1995 einen Behinderten beschäftigt, berücksichtigen müssen. Bei der namentlich genannten Person, die eine Körpergröße von 1,40 m aufweise, handle es sich faktisch um einen Behinderten. Aufgrund dieser Körpergröße stehe von vornherein fest, daß diese Person nicht in der Lage sei, jene Arbeitsleistungen umfassend zu erbringen, die eine normal gewachsene Person zu leisten imstande sei. Die Person sei im Sport- und Schuhgeschäft beschäftigt gewesen und ergebe sich bereits aus diesem Tätigkeitsumfang, daß die Person nicht in der Lage sei, die anfallenden Tätigkeiten umfassend zu erfüllen. Es werde nur darauf hingewiesen, daß aufgrund der Körpergröße der Person es ihr unmöglich gewesen sei, Waren aus Regalen zu nehmen, aufgehängte Fahrräder zu erreichen, etc. Die Beschwerdeführerin habe die genannte Person mehrfach ersucht, die Unterlagen für das Feststellungsverfahren gemäß § 14 BEinstG beizubringen. Diese Person habe es aber aus berechtigten persönlichen Motiven nicht gemacht. Dies müsse aber akzeptiert werden und könne nicht zu Lasten der Beschwerdeführerin verwertet werden. Es sei lediglich auf die Person des Behinderten abzustellen und nicht auf irgendwelche Formalvoraussetzungen.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dieser Berufung keine Folge. In der Begründung ging sie nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und Anführung der anzuwendenden Gesetzesbestimmungen davon aus, daß die beschwerdeführende Partei unstrittig dem Kreis der einstellungspflichtigen Dienstgeber angehöre und im Jahre 1995 ihre Beschäftigungspflicht nicht erfüllt habe und daher eine Ausgleichstaxe unter Zugrundelegung der in diesem Jahr geltenden Bemessungsgrundlage vorgeschrieben worden sei. Die Beschwerdeführerin behaupte - so die Bescheidbegründung weiter - ihrer Verpflichtung durch die Beschäftigung der namentlich genannten Person nachgekommen zu sein. Hiezu sei jedoch anzumerken, daß die Beurteilung des Grades der Behinderung im Sinn des § 2 Abs. 1 BEinstG einer eingehenden Abklärung durch medizinische bzw. arbeitsmedizinische Sachverständige bedürfe. Eine von der Beschwerdeführerin selbst angestellte laienhafte Grobeinschätzung könne die Einholung eines derartigen Gutachtens nicht ersetzen. Das Behinderteneinstellungsgesetz enthalte im § 14 Regelungen hinsichtlich des Nachweises der Begünstigung. Für die von der Beschwerdeführerin genannte Person sei um Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis angesucht worden. Das auf diesen Antrag hin eingeleitete Verfahren sei mit Bescheid der Behörde erster Rechtsstufe vom 29. April 1996 gemäß § 14 Abs. 4 BEinstG eingestellt worden, weil die geforderten Unterlagen nicht in der gesetzten Frist beigebracht worden seien. Das BEinstG gehe davon aus, daß, aus Gründen der Rechtssicherheit und zum Schutz der im Einzelfall betroffenen behinderten Personen, Personen nur dann als begünstigte Behinderte gälten, wenn entsprechende Nachweise gemäß § 14 bestünden. Daraus ergebe sich aber, daß der Dienstgeber der geforderten Beschäftigungspflicht nur dann nachkomme, wenn er einen begünstigten Behinderten, für den ein entsprechender Nachweis gemäß § 14 leg. cit. in Vorlage gebracht werden könne, in ein Beschäftigungsverhältnis nehme. Die von der Beschwerdeführerin genannte Person könne mangels Nachweises gemäß § 14 BEinstG für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum nicht als begünstigter Behinderter gewertet werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bringt sowohl unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, daß der "Begünstigte" selbst gemäß § 14 BEinstG einen Antrag stellen dürfe, um in den Genuß der begünstigenden Bestimmungen zu gelangen. Im Verfahren nach § 14 BEinstG komme ihr keine Parteistellung zu. Es sei davon auszugehen, daß bei Behauptung und Vorliegen einer Behinderung einer beschäftigten Person die belangte Behörde von Amts wegen zu prüfen habe, ob eine Behinderung im Sinne des Gesetzes vorliege oder nicht. Die Behörde habe selbständig diese Frage als Vorfrage zu beurteilen und die genannte Person einer Begutachtung durch medizinische Sachverständige zu unterziehen. Offensichtlich lägen die Voraussetzungen der §§ 2 und 3 BEinstG vor. Es sei nicht von der Hand zu weisen, daß eine Person mit einer Körpergröße von 1,40 m, die als Angestellte mit vollen Bezügen nicht jene Arbeitsleistung erbringen könne, wie dies ein normal gewachsener Mensch erbringen könne, als Behinderte im Sinne des § 2 BEinstG anzusehen sei.

Mit diesem Vorbringen kann die Beschwerdeführerin keine dem angefochtenen Bescheid anhaftende Rechtswidrigkeit aufzeigen. Die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten ergibt sich nicht schon aus der Tatsache der infolge einer Gesundheitsschädigung um 50 v.H. geminderten Erwerbsfähigkeit, sondern es bedarf des "Nachweises" durch einen rechtskräftigen Bescheid im Sinne des § 14 Abs. 1 leg. cit. Sofern ein solcher Bescheid nicht vorliegt, hat gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung auf Antrag des Behinderten das örtlich zuständige Landesinvalidenamt (nunmehr Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen den Grad der Behinderung einzuschätzen und bei Zutreffen der im § 2 Abs. 1 angeführten sonstigen Voraussetzungen die Zugehörigkeit zum Kreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten (§ 2) sowie den Grad der Behinderung (§ 3) festzustellen. Hinsichtlich der ärztlichen Sachverständigen ist § 90 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, anzuwenden. Die Begünstigungen nach dem BEinstG werden mit dem Zutreffen der Voraussetzungen, frühestens mit dem Tag des Einlangens des Antrages beim örtlich zuständigen Landesinvalidenamt (nunmehr Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen) wirksam. Sie werden jedoch mit dem Ersten des Monates wirksam, in dem der Antrag eingelangt ist, wenn dieser unverzüglich nach dem Eintritt der Behinderung (§ 3) gestellt wird.

Daraus ergibt sich, daß das Gesetz im Abs. 1 und 2 des § 14 BEinstG selbst die Form des Nachweises regelt. Die Nichterbringung dieses vom Gesetz geforderten Nachweises wirkt sich hier zum Nachteil der beschwerdeführenden Partei aus. Sie hat für das Kalenderjahr 1995 unstrittig den Nachweis in der vom Gesetz bestimmt bezeichneten Form nicht erbracht. Nur das Vorliegen des im Gesetz genannten Nachweises hat die belangte Behörde im gegenständlichen Verfahren zu prüfen gehabt. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, eine Person, die als Behinderte anzusehen sei, beschäftigt zu haben, reicht nicht hin, um den vom Gesetz geforderten Nachweis zu substituieren. Die Behörde war auch nicht verpflichtet, die Frage der Behinderung der genannten Person im vorliegenden Verfahren gleichsam als Vorfrage zu überprüfen. Die Regelung des § 14 Abs. 1 und 2 BEinstG spiegelt die Tatsache wider, daß sich Grad und Umfang der Behinderung und damit die Eigenschaft als begünstigter Behinderter nicht ohne weiteres erkennen lassen. Will sich eine solche Person auf die Eigenschaft als begünstigter Behinderter berufen, hat sie das im Sinne des § 14 leg. cit. nachzuweisen. Macht sie von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch, ist sie solange nicht als begünstigter Behinderter anzusehen, als der vom Gesetz geforderte Nachweis nicht erbracht ist. Bis zu dieser Feststellung steht die Eigenschaft des Dienstnehmers als begünstigter Behinderter nicht fest, kann keine Anrechnung gemäß § 5 Abs. 1 leg. cit. auf die Pflichtzahl vorgenommen werden und ist Ausgleichstaxe gemäß § 9 leg. cit. zu zahlen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 25. September 1985, Zl. 87/09/0035, und vom 30. April 1987, Zl. 87/09/0002).

Aus diesen Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet; sie ist daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Anspruch auf Ersatz des Aufwandes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996080374.X00

Im RIS seit

07.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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