TE Bvwg Beschluss 2020/11/30 W198 2234423-1

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Veröffentlicht am 30.11.2020
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Entscheidungsdatum

30.11.2020

Norm

ASVG §410
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §7 Abs4
ZustG §17

Spruch


W198 2234423-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Karl SATTLER als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , gegen den Bescheid der Österreichischen Gesundheitskasse vom 10.07.2020, Zl. XXXX , beschlossen:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG als verspätet zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid der vormaligen Wiener Gebietskrankenkasse, nunmehr Österreichische Gesundheitskasse (im Folgenden: ÖGK) vom 27.06.2019 wurde der Antrag von XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführerin) auf Erlassung eines Bescheides hinsichtlich weiterer Versicherungszeiten vom 02.05.2010 bis 31.03.2017, neben der schon gespeicherten Versicherungszeiten aufgrund einer geringfügigen Beschäftigung wegen Dienstleistungsscheck beim Dienstgeber XXXX , gemäß § 13 Abs. 3 AVG zurückgewiesen.

Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin mittels Hinterlegung zugestellt (Beginn der Abholfrist: 03.07.2019). Die Beschwerdeführerin behob diesen Bescheid nicht und erwuchs der Bescheid, zumal die Beschwerdeführerin kein Rechtsmittel erhoben hat, am 01.08.2019 in Rechtskraft.

2. Am 22.01.2020 langte ein Wiedereinsetzungsantrag der Beschwerdeführerin bei der ÖGK ein, in dem sie ausführte, dass die Hinterlegungsanzeige verloren gegangen sei. Sie habe erst bei einem Termin am Arbeits- und Sozialgericht von dem Bescheid vom 27.06.2019 Kenntnis erlangt.

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 10.07.2020 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin dazu verpflichtet gewesen sei, ihre Poststücke in einem Sorgfaltsmaßstab zu sichten, der es ihr ermögliche, eine allfällige Hinterlegungsanzeige zwecks Abholung aufzubewahren. Sie habe daher nicht glaubhaft machen können, dass sie ohne ihr Verschulden keine Kenntnis von der Zustellung erlangt habe.

Dieser Bescheid vom 10.07.2020 wurde der Beschwerdeführerin mittels Hinterlegung zugestellt (Beginn der Abholfrist: 14.07.2020).

4. Am 18.08.2020 langte die gegenständliche, mit 12.08.2020 datierte, Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht ein und wurde am selben Tag gemäß § 6 AVG in Verbindung mit
§ 17 VwGVG an die ÖGK weitergeleitet.

5. Am 19.08.2020 (Postaufgabestempel: 14.08.2020) langte die gegenständliche Beschwerde gegen den Bescheid vom 10.07.2020 bei der ÖGK ein.

6. Die ÖGK legte die Beschwerde am 26.08.2020 dem Bundesverwaltungsgericht vor und beantragte im beiliegenden Schreiben die Zurückweisung der Beschwerde wegen Verspätung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Betreffend die Zustellung des Bescheides vom 10.07.2020 wurde am 14.07.2020 ein Zustellversuch unternommen. Da die Beschwerdeführerin nicht an ihrer Adresse angetroffen wurde, wurde der Bescheid hinterlegt und die Beschwerdeführerin von der Hinterlegung verständigt. Die Abholfrist begann am 14.07.2020.

Am 18.08.2020 langte die gegenständliche Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht ein und wurde am selben Tag an die ÖGK weitergeleitet.

Am 19.08.2020 langte die mit 12.08.2020 datierte Beschwerde bei der ÖGK per Post ein. Die Beschwerdeführerin gab die Beschwerde am 14.08.2020 zur Post.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus dem Akteninhalt und ist unbestritten.

Gemäß der von der Post retournierten Übernahmebestätigung wurde die Hinterlegungsanzeige am 14.07.2020 in die Abgabestelle der Beschwerdeführerin eingelegt, mit der Information, dass die Sendung hinterlegt wurde und ab 14.07.2020 abzuholen ist.

Die Feststellung, wonach die Beschwerdeführerin die Beschwerde am 14.08.2020 zur Post gegeben hat, ergibt sich aus dem Postaufgabestempel.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Nach § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat – vorliegend sohin die ÖGK.

§ 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Somit liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Absehen von einer Beschwerdeverhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 4 kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages, von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Der für diesen Fall maßgebliche Sachverhalt konnte als durch die Aktenlage hinreichend geklärt erachtet werden. In der Beschwerde wurden keine noch zu klärenden Tatsachenfragen in konkreter und substantiierter Weise aufgeworfen und war gegenständlich auch keine komplexe Rechtsfrage zu lösen (VwGH 31.07.2007, Zl. 2005/05/0080). Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.

Zu A) Zurückweisung der Beschwerde:

Gemäß § 17 Abs. 1 ZustellG ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle zu hinterlegen, wenn das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann und der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält.

Gemäß § 17 Abs. 2 ZustellG ist der Empfänger von der Hinterlegung schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

Gemäß § 17 Abs. 3 ZustellG ist das hinterlegte Dokument mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt.

Wie aus dem oben festgestellten Sachverhalt hervorgeht, wurde der angefochtene Bescheid vom 10.07.2020 am 14.07.2020 nach einem erfolglosen Zustellversuch hinterlegt. Die Abholfrist begann am selben Tag. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte gilt der Bescheid damit als am 14.07.2020 zugestellt.

Die Frist zur Erhebung einer Bescheidbeschwerde beträgt vier Wochen (§ 7 Abs. 4 VwGVG). Gemäß § 32 Abs. 2 AVG (in Verbindung mit § 17 VwGVG) enden nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Die Beschwerdefrist endete im vorliegenden Fall somit am 11.08.2020.

Gemäß § 33 Abs. 3 AVG (in Verbindung mit § 17 VwGVG) werden die Tage von der Übergabe an einen Zustelldienst im Sinne des § 2 Z 7 des Zustellgesetzes zur Übermittlung an die Behörde bis zum Einlangen bei dieser (Postlauf) in die Frist nicht eingerechnet.

Die Beschwerde wurde aber erst am 14.08.2020 - und damit erst nach Ablauf der Beschwerdefrist - zur Post gegeben.

Auch die beim Bundesverwaltungsgericht am 18.08.2020 eingebrachte Beschwerde wurde nicht fristgerecht erhoben. Die Weiterleitung an die zuständige Stelle gemäß § 6 AVG erfolgt nämlich auf Gefahr des Einschreiters. Das bedeutet, dass derjenige, der sich mit seinem Anbringen an eine unzuständige Behörde wendet, die damit verbundenen rechtlichen Nachteile unter allen Umständen zu tragen hat, wenn auch der unzuständigen Behörde die Pflicht zur Weiterleitung des Anbringens bzw. die Weiterverweisung an die zuständige Stelle auferlegt ist (vgl. VwGH 13.10.2010, 2009/06/0181). Wird somit ein Rechtsmittel bei der unzuständigen Behörde eingebracht, so ist die Frist nur gewahrt, wenn die unzuständige Behörde das Rechtsmittel zur Weiterleitung an die zuständige Stelle spätestens am letzten Tag der Frist zur Post gibt oder der zuständigen Stelle übergibt (vgl. VwGH 16.12.2010, 2010/07/0221). Dies ist im vorliegenden Fall jedoch nicht erfolgt, da die Beschwerde auch beim Bundesverwaltungsgericht erst nach Ablauf der Beschwerdefrist eingelangt ist.

Bei der Beschwerdefrist handelt es sich um eine gesetzliche Frist gemäß § 33 Abs. 4 AVG, die durch das Gericht oder Behörden nicht erstreckt werden kann. In Frage kommt lediglich eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 33 VwGVG. In der Beschwerde führt die Beschwerdeführerin zwar an, dass sie um Wiedereinsetzung ersuche, die von ihr vorgebrachten Gründe beziehen sich jedoch eindeutig auf die Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist gegen den Bescheid vom 27.06.2019 und sind daher als Beschwerdegründe betreffend den Bescheid vom 10.07.2020 zu werten.

Im vorliegenden Fall kann nicht von einem minderen Grad des Versehens gesprochen werden. Immerhin wird im angefochtenen Bescheid vom 10.07.2020 die Zustellung mittels Hinterlegung ausführlich thematisiert und § 17 Abs. 3 ZustellG, in dem normiert wird, dass die Zustellung mit dem ersten Tag der Abholfrist wirksam wird, ist sogar ausdrücklich zitiert. Auch die Rechtsmittelbelehrung weist auf die vierwöchige Beschwerdefrist ab Zustellung des Bescheides hin. Abgesehen von dem Umstand, dass kein Antrag auf Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist gegen den Bescheid vom 10.07.2020 gestellt wurde, wäre ein solcher daher auch nicht erfolgversprechend gewesen.

Die Beschwerde wurde somit nicht fristgerecht eingebracht und war daher zurückzuweisen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Hinterlegung Rechtsmittelfrist Verspätung Weiterleitung Zurückweisung Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W198.2234423.1.00

Im RIS seit

08.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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