TE Vwgh Beschluss 2021/1/13 Ra 2020/14/0072

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.01.2021
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §35 Abs1
AsylG 2005 §35 Abs4 Z3
AsylG 2005 §60 Abs2
B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §26
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2020/14/0073
Ra 2020/14/0074
Ra 2020/14/0075

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache 1. der AB, 2. des CD, 3. der EF, und 4. der GH, alle vertreten durch Mag. Thomas Böhm, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Gauermanngasse 2, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts jeweils vom 20. Dezember 2019, 1. W212 2215167-1/2E, 2. W212 2215165-1/2E, 3. W212 2215163-1/2E und 4. W212 2215160-1/2E, jeweils betreffend Visum nach § 26 FPG iVm § 35 AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Österreichische Botschaft Amman), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die revisionswerbenden Parteien haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Die Erstrevisionswerberin ist die Mutter der minderjährigen weiteren revisionswerbenden Parteien. Sie sind Staatsangehörige des Irak.

2        Am 18. Oktober 2016 stellten die revisionswerbenden Parteien bei der Österreichischen Botschaft Amman (belangte Behörde) Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln gemäß § 26 Fremdenpolizeigesetz (FPG) iVm § 35 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) und machten geltend, dass dem Ehemann der Erstrevisionswerberin (dem Vater der übrigen revisionswerbenden Parteien; im weiteren: die Bezugsperson) mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 23. Mai 2016 der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden sei.

3        Mit Bescheid vom 11. Oktober 2018 wies die belangte Behörde die Anträge der revisionswerbenden Parteien ab und begründete dies damit, dass seitens des BFA mitgeteilt worden sei, die Gewährung desselben Schutzes wie der Bezugsperson sei als nicht wahrscheinlich einzustufen. Da die Antragstellung mehr als drei Monate nach der Asylgewährung an die Bezugsperson erfolgt sei, komme § 60 Abs. 2 AsylG 2005 zur Anwendung. Die von der Bezugsperson bewohnte, 40 m2 große Wohnung sei für eine Familie mit insgesamt fünf Personen nicht ortsüblich und deshalb als nicht ausreichend zu bewerten. Im Verfahren sei ein Lohnzettel der Bezugsperson vom 13. November 2017 vorgelegt worden, aus dem hervorgehe, dass diese zu diesem Zeitpunkt ein Bruttogehalt von € 1.550,- bezogen habe. Aus dem vorgelegten Versicherungsdatenauszug ergebe sich, dass die Bezugsperson seit 10. April 2018 Krankengeld beziehe.

4        Dagegen erhoben die revisionswerbenden Parteien Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG). Die belangte Behörde erließ daraufhin eine Beschwerdevorentscheidung. In dieser hielt die belangte Behörde ihre Begründung aufrecht und fügte hinzu, dass bei einer Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalls eine Familienzusammenführung gemäß § 35 AsylG 2005 zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens oder aufgrund des Kindeswohls nicht dringend geboten sei. Es sei auch nicht hervorgekommen, dass ein „an sich auch unter Beachtung des Art. 8 EMRK zulässiger Weg (insbesondere nach§ 46 NAG) wegen des Vorliegens außergewöhnlicher Umstände (arg.: dringend) nicht möglich wäre“.

5        Nachdem ein Vorlageantrag eingebracht worden war, wies das BVwG die Beschwerde mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 20. Dezember 2019 als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

6        Begründend führte das BVwG aus, die Anträge der revisionswerbenden Parteien seien mehr als drei Monate nach der rechtskräftigen Zuerkennung des Status des Asylberechtigten an die Bezugsperson gestellt worden, weshalb die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG 2005 vorliegen müssten. Diese seien aber nicht erfüllt. Darüber hinaus sei das BFA im Rahmen der Erstellung der „Wahrscheinlichkeitsprognose“ zur Ansicht gelangt, dass es nicht geboten sei, den Anträgen zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK stattzugeben.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu treffen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       Die revisionswerbenden Parteien bringen zur Zulässigkeit der Revision vor, es fehle an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 35 Abs. 1 und 4 AsylG 2005, zumal die Frage der Gewährung von „Nachsicht“ gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 aufgrund der Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) vom 7. November 2018, C-380/17, neu zu bewerten sei. Es existiere keine Rechtsprechung, ob bei objektiv entschuldbaren Gründen generell Nachsicht gewährt werden müsse. Die revisionswerbenden Parteien hätten solche Gründe schon in der Stellungnahme am 1. August 2017 nachgewiesen. Weder die belangte Behörde noch das BVwG hätten ihnen vorgehalten, dass Nachweise für die Nachsicht der Verspätung nicht vorgelegt worden wären. Zudem sei das Kindeswohl im Rahmen der Entscheidung außer Acht gelassen worden.

11       Zum behaupteten Fehlen von Rechtsprechung zu Anträgen gemäß § 26 FPG iVm § 35 Abs. 1 AsylG 2005 und zur Anwendung des § 35 Abs. 4 Z 3 AsylG 2005 im Hinblick auf die Entscheidung des EuGH zu C-380/17 (EuGH 7.11.2018, KB, C-380/17) sind die revisionswerbenden Parteien darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof sich mit diesen Bestimmungen bereits auseinandergesetzt hat, so etwa in seinem Erkenntnis vom 17. Dezember 2019 zu Ra 2019/18/0242.

12       Soweit nun die Revision vorbringt, die revisionswerbenden Parteien hätten bereits im Verfahren vor der belangten Behörde die Gründe, die zur Versäumung der Frist des § 35 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 geführt hätten, vorgebracht und weder die belangte Behörde noch das BVwG hätten darauf hingewiesen, dass es am Nachweis für die Entschuldbarkeit der Verspätung mangle, wird ein Verfahrensmangel geltend gemacht.

13       Werden Verfahrensmängel - wie hier das Fehlen von Feststellungen, das auf das Unterbleiben einer Belehrung zurückzuführen sei - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung dieser Verfahrensmängel in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt (in Bezug auf Feststellungsmängel) voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung der Verfahrensfehler als erwiesen ergeben (vgl. VwGH 18.5.2020, Ra 2020/20/0062, mwN). Eine solche Relevanzdarlegung ist dem dazu erstatteten, allgemein gehaltenen Vorbringen in der Revision nicht zu entnehmen.

14       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

15       Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 51 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 13. Jänner 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020140072.L00

Im RIS seit

22.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.02.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten