TE OGH 2020/11/26 5Ob208/20d

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Veröffentlicht am 26.11.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragstellerin M*****, vertreten durch Mag. Michael Wirrer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ersichtlichmachung des Eintritts des Vorsorgefalls in der EZ ***** KG *****, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 1. Juli 2020, AZ 32 R 42/20g, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Urfahr vom 12. März 2020, TZ 847/2020, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Antragstellerin begehrte durch ihre Vorsorgebevollmächtigte unter Vorlage eines Auszugs aus dem zentralen Vertretungsverzeichnis, der Vorsorgevollmacht und eines ärztlichen Zeugnisses die Ersichtlichmachung des Eintritts des Vorsorgefalls, in eventu die Ersichtlichmachung des Eintritts des Vorsorgefalls aufgrund der am 27. 11. 2019 rechtswirksam gewordenen Vorsorgevollmacht vom 12. 8. 2014 ob der in ihrem Eigentum stehenden Liegenschaft.

Das Rekursgericht bestätigte die Abweisung dieses Antrags durch das Erstgericht und erklärte den Revisionsrekurs für zulässig, weil – so weit ersichtlich – keine oberstgerichtliche Rechtsprechung zu einer (allenfalls analogen) Anwendung des § 20 GBG auf die Vorsorgevollmacht für die Rechtslage nach Inkrafttreten des 2. ErwSchG bestehe.

Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist entgegen dem nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG iVm § 126 Abs 3 GBG) Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Das Fehlen einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung begründet dann keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG, wenn sich die relevanten Rechtsfragen unmittelbar aufgrund des Gesetzes und seiner Materialien zweifelsfrei lösen lassen (RIS-Justiz RS0042656 [T54]). Gleiches gilt, wenn die vom Gericht zweiter Instanz als erheblich erachtete Rechtsfrage zwanglos anhand der Gesetzeslage und der bereits vorhandenen Leitlinien höchstgerichtlicher Rechtsprechung gelöst werden kann (RS0042656 [T48]). Das ist hier der Fall:

2.1 Grundbücherliche Anmerkungen können zur Ersichtlichmachung persönlicher Verhältnisse (§ 20 lit a GBG) oder zur Begründung bestimmter, nach den Vorschriften des GBG oder eines anderen Gesetzes damit verbundener Rechtswirkungen eingetragen werden (§ 20 lit b GBG). Anmerkungen, die in keinem Gesetz vorgesehen sind und deren Wirkungen auch gesetzlich nicht geregelt sind, sind grundsätzlich nicht zulässig (RS0060628 [T2; T4]; Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht² § 20 GBG Rz 1).

2.2 Gemäß § 20 lit a GBG idgF können grundbücherliche Anmerkungen zur Ersichtlichmachung persönlicher Verhältnisse mit der Rechtsfolge erfolgen, dass, wer immer in der betreffenden Grundbuchseinlage eine Eintragung erwirkt, sich auf die Unkenntnis dieser Verhältnisse nicht berufen kann. Zu den nach § 20 lit a GBG ersichtlich zu machenden persönlichen Verhältnissen zählen nach dem Gesetzestext „insbesondere“ Beschränkungen der Vermögensverwaltung, „zum Beispiel“ die Anmerkung der Minderjährigkeit, des Genehmigungsvorbehalts (§ 242 Abs 2 ABGB), wenn er die eingetragenen Rechte umfasst, des Eintritts der Volljährigkeit oder der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens.

2.3 Die in § 20 lit a GBG enthaltene Aufzählung der anzumerkenden persönlichen Verhältnisse ist bloß beispielhaft. Die Tatsache, dass Anmerkungen nur zulässig sind, soweit sie das Grundbuchsgesetz oder ein anderes Gesetz vorsieht, schließt daher eine Analogie zwar nicht aus, sie schränkt sie aber auf Umstände ein, die in Gegenstand und Funktion einer der Anmerkung zugänglichen Tatsache entsprechen (5 Ob 148/19d mwN).

3.1 Bereits in der noch zur Rechtslage vor dem 2. Erwachsenenschutz-Gesetz, BGBl I Nr 59/2017 (idF: 2. ErwSchG) ergangenen Entscheidung zu 5 Ob 119/17m hat der Fachsenat unter Verweis auf Vorjudikatur festgehalten, dass es bei den in § 20 lit a GBG erwähnten persönlichen Verhältnissen Buchberechtigter grundsätzlich um Verfügungsbeschränkungen aufgrund persönlicher Eigenschaften und Fähigkeiten des Buchberechtigten geht, nicht aber um rechtsgeschäftliche Willensbindungen. Der Senat hielt fest, dass die Vorsorgevollmacht selbst im Fall ihres Wirksamwerdens zu keiner konstitutiven Beschränkung der Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers führt und daher für eine grundbücherliche Ersichtlichmachung des Eintritts des Vorsorgefalls weder direkt noch im Weg der Analogie eine Rechtsgrundlage bestehe.

3.2 Nach dem Konzept des 2. ErwSchG soll die Aufhebung der selbständigen Geschäftsfähigkeit einer schutzberechtigten Person nur noch die Ausnahme sein (vgl RV 1461 BlgNr 25. GP 21). Wesentliche Änderung durch diese Gesetzesnovelle, die die Revisionsrekurswerberin für ihren Standpunkt ins Treffen führt, war daher, dass die rechtskräftige Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters, der die Funktion des früheren Sachwalters ersetzt, die Handlungsfähigkeit der betroffenen Person auch im Wirkungskreis der Erwachsenenvertretung nicht mehr unmittelbar berührt (§ 242 Abs 1 ABGB; vgl 3 Ob 87/19v; 4 Ob 115/19v). Die Handlungsfähigkeit wird erst durch einen Genehmigungsvorbehalt nach § 242 Abs 2 ABGB eingeschränkt, der nur konkrete rechtsgeschäftliche Handlungen oder Verfahrenshandlungen vor Gerichten oder Behörden erfassen darf (3 Ob 87/19v) und nicht schon zwingend allein wegen der Bestellung eines Erwachsenenvertreters notwendig ist (4 Ob 115/19v).

3.Bei Inkrafttreten des 2. ErwSchG war § 20 lit a GBG an die neue Rechtslage noch nicht angepasst und ordnete nach wie vor an, dass Sachwalterschaften im Grundbuch anzumerken sind. Nach § 126 Abs 2 AußStrG in der damals geltenden Fassung hatte demgegenüber das Pflegschaftsgericht die Eintragung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters und die Anordnung eines Genehmigungsvorbehalts in den öffentlichen Büchern und Registern zu veranlassen (siehe dazu Nigsch, Anmerkung des Vorsorgefalls im Grundbuch, EF-Z 2018/228 ff [Glosse zu 5 Ob 119/17m]). Erst mit dem ErwSchAG-Justiz, BGBl I Nr 58/2018, erfolgte die Angleichung des § 20 lit a GBG und des § 126 AußStrG an die Rechtslage nach dem 2. ErwSchG, sodass nach der nunmehr geltenden Rechtslage das Pflegschaftsgericht nur mehr die Eintragung eines angeordneten Genehmigungsvorbehalts in den öffentlichen Büchern und Registern zu veranlassen hat (§ 126 AußStrG idgF) und im Grundbuch nur der Genehmigungsvorbehalt anzumerken ist (§ 20 lit a GBG idgF). In den Gesetzesmaterialien ist dazu ausdrücklich festgehalten, dass die Handlungsfähigkeit einer vertretenen Person nicht durch eine Erwachsenenvertretung eingeschränkt wird (§ 242 Abs 1 ABGB), wohl aber durch einen Genehmigungsvorbehalt (§ 242 Abs 2 ABGB), weswegen nur dieser im Grundbuch angemerkt werden soll, wenn er die darin eingetragenen Rechte umfasst (RV 195 BlgNR 26. GP 2).

3.Mit der Anpassung des § 20 lit a GBG an die Rechtslage nach dem 2. ErwSchG hat der Gesetzgeber unmissverständlich klargestellt, dass nur die konstitutive Beschränkung der Geschäftsfähigkeit einer Anmerkung im Grundbuch zugänglich ist. Das entspricht der bereits zu 5 Ob 119/17m vertretenen Rechtsauffassung. Für die von der Revisionsrekurswerberin angestrebte Analogie, um den Eintritt des Vorsorgefalls durch eine Anmerkung im Sinn dieser Gesetzesstelle ersichtlich zu machen, verbleibt schon deshalb kein Raum, weil der wirksam gewordenen Vorsorgevollmacht keine andere Bedeutung beigemessen werden kann als der gerichtlichen Erwachsenenvertretung, die selbst aber nicht mehr Gegenstand einer Anmerkung nach § 20 lit a GBG ist. Damit fehlt es an der für einen Analogieschluss erforderlichen Gesetzeslücke, weil dadurch der vom Gesetz gewollten Einschränkung widersprochen würde (vgl 5 Ob 130/20h mwN).

4. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens, weil das Rekursgericht über das Rechtsmittel der Antragstellerin gegen die Abweisung (auch) ihres Eventualbegehrens nicht entschieden habe, liegt schon nach dem insoweit eindeutigen Inhalt der angefochtenen Entscheidung nicht vor.

5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 126 Abs 2 GBG iVm § 71 Abs 3 AußStrG).

Textnummer

E130385

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0050OB00208.20D.1126.000

Im RIS seit

03.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.05.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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