TE Lvwg Erkenntnis 2021/1/22 LVwG-S-2276/001-2020

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.01.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

22.01.2021

Norm

AWG 2002 §2 Abs1
AWG 2002 §15 Abs3

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Mag. Binder als Einzelrichterin über die Beschwerde der A, vertreten durch B, C, Rechtsanwälte in ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 15. Oktober 2020, Zl. ***, betreffend Bestrafung nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung durch mündliche Verkündung am

21. Jänner 2021 zu Recht:

1.   Die Beschwerde wird gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.

2.   Die Beschwerdeführerin hat gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von 90,-- Euro zu leisten.

3.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Zahlungshinweis:

Die Beschwerdeführerin wird darauf hingewiesen, dass sie somit gemäß § 54b
Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) den Strafbetrag in Höhe von 450,-- Euro zuzüglich der Kostenbeiträge des verwaltungsbehördlichen Verfahrens in Höhe von 45,-- Euro und des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in Höhe von 90,-- Euro, insgesamt sohin 585,-- Euro, binnen zwei Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung unter Berücksichtigung auf das angeschlossene Beiblatt bei der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg zu bezahlen hat.

Entscheidungsgründe:

1.   Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 15. Oktober 2020, Zl. ***, wurde die Beschwerdeführerin wie folgt für schuldig befunden:

„Sie haben folgende Verwaltungsübertretung begangen:

Zeit:          07.06.2020, 14:18 Uhr

Ort:           Gemeindegebiet ***, *** Richtung/Kreuzung: Fr. ***

Fahrzeug:     ***, Personenkraftwagen

Tatbeschreibung:

Sie haben nicht gefährliche Abfälle, nämlich eine fertiggerauchte Zigarette (Zigarettenstummel), entgegen § 15 Abs. 3 Abfallwirtschaftsgesetz (AWG 2002) am genannten Ort abgelagert, indem Sie diese von Ihrem Fahrzeug über die offene Fensterscheibe auf die Straße mit der Intention warfen, diese dort langfristig zu belassen. Dies, obwohl eine Ablagerung von Abfällen nur in hiefür genehmigten Deponien erfolgen darf und der obgenannte Ort keine derartige Deponie darstellt.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

§ 79 Abs. 2 Z 3 iVm § 15 Abs. 3 AWG 2002 idF BGBl. I Nr. 24/2020

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende gesetzlich vorgesehene Mindeststrafe verhängt:

Geldstrafe von          falls diese uneinbringlich Gemäß

ist, Ersatzfreiheitsstrafe

von

€ 450,00          18 Stunden                   § 79 Abs. 2 erster Strafsatz AWG 2002 idF

BGBl. I Nr. 24/2020

Weiters wurden der Beschuldigten die Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens in Höhe von 45,-- Euro auferlegt.

In ihrer Begründung ging die belangte Behörde von folgendem Sachverhalt aus:

„Sie haben sich am 07. Juni 2020 um 14:18 Uhr im Gemeindegebiet ***, ***, Richtung/Kreuzung: Fahrtrichtung ***, einer fertiggerauchten Zigarette (Zigarettenstummel) entledigt, indem Sie diese von Ihrem Fahrzeug aus über die offene Fensterscheibe auf die Straße warfen. Sie hatten nicht vor, den Zigarettenstummel wieder an sich zu nehmen.“

In ihrer Beweiswürdigung verwies die belangte Behörde auf die Anzeige der Polizeiinspektion *** vom 09. Juni 2020 sowie darauf, dass der festgestellte Sachverhalt von der Beschuldigten nicht bestritten worden wäre.

Nach Wiedergabe der relevanten abfallrechtlichen Bestimmungen begründete die Strafbehörde das Vorliegen des subjektiven Abfallbegriffes wie folgt:

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 sind Abfälle bewegliche Sachen, deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat. Als solche Sache sind auch einzelne Objekte (und nicht bloß eine Objektgruppe bzw. mehrere Sachen) anzusehen (wie auch die ständige Rechtsprechung die Abfalleigenschaft eines einzelnen Autowracks bejaht). Der gegenständliche Zigarettenstummel, welcher als Endprodukt einer Sache, nämlich einer rauchfähigen Zigarette, entsteht, ist daher als Sache geeignet, die Abfalleigenschaft aufzuweisen (so sind etwa nach LVwG-S-2917/001-2019 ebenso Servietten, leere Eistee-Verpackungen, leere Brezel Kartonverpackungen und Joghurtbecher als Abfall qualifiziert worden).

Hinsichtlich des Umstands, dass es sich „lediglich“ um einen Zigarettenstummel handelt ist festzuhalten, dass auch ein solcher einer ordnungsgemäßen, dem Abfallwirtschaftsgesetz entsprechenden Entsorgung zuzuführen ist (vgl. hierzu etwa LVwG NÖ 28.03.2019, LVwG-S-1711/001-2018, im Fall von diversem Hausmüll wie Glasflaschen, Metalldosen, Essensreste). Würde man ein derartiges Objekt nicht unter dem Regime des AWG 2002 sehen wollen, könnte man davon ausgehen, dass benützte Zigaretten nicht nur auf Straßen, sondern auch in öffentliche Verkehrsmittel, öffentlich zugänglichen Orten oder auf sonstigen nicht hierfür geeigneten Orten abgelagert werden würden.

Eine Sache, die als Abfall qualifiziert werden kann, liegt daher vor.

Gegenständlich liegt durch das Wegwerfen des Zigarettenstummels eine Entledigungshandlung vor. Sie bringen dadurch unmissverständlich zum Ausdruck, dass eine Verwendung der Sache nicht mehr beabsichtigt ist, dies unabhängig davon, dass eine bestimmungsgemäße Verwendung der Sache nicht mehr möglich ist.

Der subjektive Abfallbegriff (§ 2 Abs. 1 Z. 1 AWG 2002) ist nämlich dann erfüllt, wenn ein Besitzer oder irgendein Vorbesitzer sich einer – beweglichen – Sache entledigen will oder entledigt hat (vgl. u.a. VwGH vom 16. März 2016, Zl. Ra 2016/05/0012), wobei unter dem Begriff „entledigen“ die Aufgabe der Gewahrsame mit dem Zweck, die Sache loszuwerden, zu verstehen ist, wobei ein starker Anhaltspunkt für das Vorliegen eines Entledigungswillens darin liegt, wenn der Inhaber oder Vorbesitzer ausdrücklich seinen Verwendungsverzicht erklärt oder diesen sonst zum Ausdruck bringt (vgl. u.a. VwGH vom 25. September 2014, Zl. Ro 2014/07/0032; LVwG NÖ 28.03.2019, LVwG-S-1711/001-2018).

Damit liegt unzweifelhaft der subjektive Abfallbegriff vor, womit der Anwendungsbereich des AWG 2002 eröffnet ist.

Da es für die Abfalleigenschaft ausreicht, wenn entweder der subjektive oder der objektive Abfallbegriff erfüllt ist, bedarf es keiner Auseinandersetzung mehr mit dem objektiven Abfallbegriff (vgl VwGH 2006/07/0032; 2010/07/0144). Die Ausführungen in der Rechtfertigung vom 04. August 2020 beziehen sich lediglich auf den objektiven Abfallbegriff und waren daher bei der Entscheidungsfindung nicht zu berücksichtigen.“

Unzweifelhaft stehe fest, dass die Beschuldigte nicht beabsichtigt habe, den Zigarettenstummel wieder an sich zu nehmen, sondern diesen langfristig auf der Straße zu belassen. Damit liege eine Ablagerung vor. Keine Ablagerung würde dann vorliegen, wenn der Zigarettenstummel in einem dafür vorgesehenen Behälter, welcher regelmäßig entleert werde, entsorgt worden wäre, was einer Lagerung an einem dafür vorgesehenen und geeigneten Ort entsprechen würde und damit nach § 15 Abs. 3 AWG 2002 zulässig wäre. Da[ss] eine Straße keine Deponie darstelle, wo eine Ablagerung zulässig wäre, sei evident. Bei der Beurteilung des Verschuldens ging die Strafbehörde davon aus, dass die Beschuldige zugestanden habe, den Zigarettenstummel im Wissen und Wollen auf die Straße geworfen zu haben, sodass von Vorsatz auszugehen sei.

Bei der Strafbemessung wertete die belangte Behörde als mildernd die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit im Bezirk Korneuburg; erschwerend wäre die vorsätzlich durchgeführte Handlung, wobei ausgeführt wurde, dass für die Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten ausreichend gewesen wäre.

Die verhängte Geldstrafe stelle die gesetzlich vorgesehene Mindeststrafe dar, mit welcher im Hinblick darauf, dass hinkünftig nicht nur die Beschuldigte, sondern auch andere von der Begehung von gleichartigen Delikten wirksam abgehalten werden, das Auslangen gefunden werden könne.

2.   Zum Beschwerdevorbringen:

In der rechtzeitig durch ihre rechtsfreundliche Vertretung erhobenen Beschwerde beantragte die Beschwerdeführerin die Einstellung des Strafverfahrens, in eventu den Ausspruch einer Ermahnung bzw. eine schuldangemessene Reduktion der Strafe.

Begründet wurden diese Anträge insbesondere wie folgt:

„Vorweg halte ich fest, dass ich meine Verantwortung im erstinstanzlichen Verfahren vollinhaltlich aufrecht halte. Es ist zwar richtig, dass ich den Zigarettenstummel aus dem Auto geworfen habe. Der Grund lag jedoch darin, dass mein Fahrzeug nicht mit einem Aschenbecher ausgerüstet ist. Ich hatte daher keine Alternative dazu, den Zigarettenstummel aus dem Fahrzeug zu werfen, weil ich die brennende bzw. glosende Zigarette nicht im Fahrzeug belassen hätte können. Dies wäre einerseits mit einer nicht unerheblichen Brandgefahr verbunden gewesen und andererseits mit einem Risiko beim weiteren Lenken des Fahrzeuges. Unter diesen Umständen blieb mir nichts anderen übrig, als den Zigarettenstummel auf die Straße zu werfen. Dies kann mir jedoch nicht als grobes Verschulden angelastet werden, weil ich nicht im Sinn hatte, eine Verwaltungsübertretung nach dem Abfallwirtschaftsgesetz zu begehen oder ansonsten gegen bestehende Gesetze zu verstoßen. Ich habe mich vielmehr veranlasst gesehen, ausschließlich aus Sicherheitsgründen die Zigarette nicht im Fahrzeug zu belassen, sondern hinauszuwerfen. Ein derartiges Verhalten kann in Übereinstimmung mit der herrschenden Judikatur – wenn überhaupt – bloß leicht fahrlässig qualifiziert werden. Hinzu kommt, dass diese Handlung keine bedeutsamen Folgen nach sich gezogen hat und die Verhängung einer Geldstrafe weder aus spezial- noch aus generalpräventiven Gründen erforderlich ist, zumal ich in Zukunft ein derartiges Verhalten strikt unterlassen werde. Es handelte sich sohin um ein einmaliges Fehlverhalten, welches nicht die Grenze einer Straffälligkeit erreicht hat.“

3.   Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:

Am 21. Jänner 2021 führte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher der Akt der Verwaltungsbehörde zur Zl. ***, sowie jener des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich mit der Zl. LVwG-S-2276-2020 durch Verlesung in das Beweisverfahren einbezogen wurden. Weiters erfolgte die Einvernahme der Beschwerdeführerin.

In der öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung mündlich verkündet. Die Beschwerdeführervertretung beantragte anschließend die Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG.

4.   Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin lenkte am 07. Juni 2020, 14:18 Uhr, im Gemeindegebiet ***, im Kreuzungsbereich ***/Fr. ***, den Personenkraftwagen mit dem behördlichen Kennzeichen ***. Nachdem die Beschwerdeführerin zuvor in diesem Personenkraftwagen eine Zigarette geraucht hatte, warf sie den daraus resultierenden Zigarettenstummel durch die offene Fensterscheibe auf die Straße mit der Intension, diesen loszuwerden, weil das Fahrzeug nicht mit einem Aschenbecher ausgerüstet war. Der Zigarettenstummel landete in weiterer Folge am festgestellten Tatort und hatte die Rechtsmittelwerberin nicht die Absicht, diesen je wieder einzusammeln.

5.   Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich insbesondere aus den Angaben des Anzeigenlegers, und wird dieser von der Beschwerdeführerin in keiner Weise bestritten.

Strittig im Beschwerdeverfahren ist lediglich die Rechtsfrage, ob die vorgeworfene Tathandlung der Rechtsmittelwerberin auch in subjektiver Hinsicht angelastet werden kann. Ebenso wurde die Richtigkeit der von der Strafbehörde vorgenommenen Strafbemessung moniert bzw. die „Strafwürdigkeit“ der Tat bezweifelt.

6.   Rechtslage:

Die Strafnorm des § 79 Abs. 2 Z 3 Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (AWG 2002) schreibt vor:

Wer nicht gefährliche Abfälle entgegen § 15 Abs. 1, 3 oder 4 sammelt, befördert, lagert, behandelt oder beim sonstigen Umgang mit nicht gefährlichen Abfällen entgegen § 15 Abs. 1 die Ziele und Grundsätze nicht beachtet oder die Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen nicht vermeidet oder entgegen § 15 Abs. 2 vermischt oder vermengt, begeht – sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist – eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 450 € bis 8 400 € zu bestrafen ist; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von 2 100 € bedroht.

Von der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführerin angelastet, dass sie entgegen dem § 15 Abs. 3 AWG 2002 Abfälle abgelagert hat. Diese Norm lautet wie folgt:

Abfälle dürfen außerhalb von

1. hiefür genehmigten Anlagen oder

2. für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Orten

nicht gesammelt, gelagert oder behandelt werden. Eine Ablagerung von Abfällen darf nur in hiefür genehmigten Deponien erfolgen.

Gemäß § 2 Abs. 1 AWG 2002 sind Abfälle bewegliche Sachen, deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat (subjektiver Abfallbegriff), oder deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen im Sinne des § 1 Abs. 3 leg. cit. nicht zu beeinträchtigen (objektiver Abfallbegriff). Abfall liegt bereits dann vor, wenn entweder der objektive oder der subjektive Abfallbegriff erfüllt ist (VwGH 23.02.2012, 2008/07/0179). Der objektive Abfallbegriff ist erfüllt, wenn durch die Abfälle die in § 1 Abs. 3 AWG 2002 normierten öffentlichen Interessen beeinträchtigt werden könnten.

Der subjektive Abfallbegriff (§ 2 Abs. 1 Z 1 AWG 2002) ist dann erfüllt, wenn ein Besitzer oder irgendein Vorbesitzer sich – einer beweglichen Sache – entledigen will oder entledigt hat (vgl. VwGH 16.03.2016, Zl. Ra 2016/05/0012), wobei unter dem Begriff „entledigen“ die Aufgabe der Gewahrsame mit dem Zweck, diese Sache loszuwerden, zu verstehen ist und ein starker Anhaltspunkt für das Vorliegen eines Entledigungswillens darin liegt, wenn der Inhaber oder Vorbesitzer ausdrücklich seinen Verwendungsverzicht erklärt oder diesen sonst zum Ausdruck bringt (vgl. VwGH 25.09.2014, Zl. Ro 2014/007/0032).

Der Umstand, dass es für die zu beurteilende Sache nach einem Verbrauchs- oder Benutzungsvorgang keine Verwendung für den ursprünglichen Zweck mehr gibt, ist als starkes Indiz für das Vorliegen eines Entledigungswillens anzusehen (vgl. Bumberger/Hochholdinger/Niederhuber/Wolfslehner, AWG 20022, § 2 K14 mwN).

Unbestritten ist dies bei einer fertig gerauchten Zigarette der Fall und hat die Beschwerdeführerin durch das Rausschmeißen des Zigarettenstummels aus dem offenen Autofenster zweifellos ihren Willen zum Ausdruck gebracht, sich von dieser beweglichen Sache entledigen zu wollen. Anzumerken ist, dass gemäß den Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (und der zugrundeliegenden AbfallrahmenRL) jeder Stoff oder Gegenstand, dessen sich sein Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss, als „Abfall“ anzusprechen ist (Bumberger/Hochholdinger/Niederhuber/Wolfslehner, AWG 20022, § 2 K4 mwN).

Der verfahrensrelevante Zigarettenstummel ist daher als Abfall iSd § 2 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 zu qualifizieren.

Wird die subjektive Abfalleigenschaft bejaht, bedarf es keiner Auseinandersetzung mehr mit dem objektiven Abfallbegriff (VwGH 23.04.2009, Zl. 2006/07/0032).

Beim von der belangten Behörde vorgeworfenen Tatort handelt es sich auch um keinen geeigneten Ort iSd § 15 Abs. 3 AWG 2002, zumal eine öffentliche Straße zweifelslos keinen Abfallsammelbehälter dargestellt, sodass die Strafbehörde daher zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Beschwerdeführerin die ihr vorgeworfene Tat in objektiver Hinsicht erfüllt hat.

Bei der der Beschwerdeführerin angelasteten Verwaltungsübertretung handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG. Demzufolge genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgen eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Vorsatz wird im Verwaltungsstrafgesetz nicht definiert; er ist nach allgemein herrschender Ansicht in dem in § 5 StGB umschriebenen Sinn zu verstehen (VwGH 13.11.1985, 85/01/0149). Bedingter Vorsatz, dh der für das Sich-Abfinden mit der Verwirklichung eines gesetzlichen Tatbildes erforderliche positive Willensentschluss des Täters iSd § 5 Abs. 1 StGB, muss in der Entscheidung der Verwaltungsstrafbehörde stets durch entsprechende Sachverhaltsfeststellungen untermauert werden (VwGH 20.04.1998, 97/17/0179).

Die belangte Behörde ist im konkreten Fall von einer vorsätzlichen Begehung der Tat ausgegangen. Begründet wurde dies mit dem Zugeständnis der Rechtsmittel-werberin, dass diese den Zigarettenstummel im Wissen und Wollen auf die Straße geworfen habe.

Für den bedingten Vorsatz ist kennzeichnend, dass für das vorsätzliche Handeln genügt, wenn der Täter die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbildes "ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet" (VwGH 11.04.1991, 91/06/0001). Für das Vorliegen von "Vorsatz" ist es nicht erforderlich, dass der Täter auch die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens kennt; es genügt in dieser Hinsicht Fahrlässigkeit. Dies ergibt sich aus § 5 Abs. 2 VStG, wo - ohne Rücksicht auf die Unterscheidung in Vorsatzdelikte und Fahrlässigkeitsdelikte - ein Täter nur als entschuldigt gilt, wenn er die übertretene Verwaltungsvorschrift unverschuldet nicht kannte und das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einzusehen vermochte (VwGH 29.01.1991, 89/04/0061).

Aus der Verantwortung der Rechtsmittelwerberin im Verwaltungsstrafverfahren und in der öffentlichen mündlichen Verhandlung, sie habe den Zigarettenstummel aus dem geöffneten Fahrerfenster auf die Fahrbahn geworfen, weil ihr Fahrzeug nicht mit einem Aschenbecher ausgestattet ist, ergibt sich, dass sie den tatbildmäßigen Erfolg, also die Ablagerung des Zigarettenstummels auf der Straße, durch das Rausschmeißen aus dem Fahrzeug bezweckt hat, sodass sie mit dolus principalis gehandelt hat. Die Rechtsmittelwerberin hat im Wissen und Wollen den Zigarettenstummel aus dem Fenster geworfen, obwohl sie wusste, dass eine Straße keinen für die Sammlung von Abfällen geeigneten Ort darstellt. Die belangte Behörde konnte daher frei von Rechtsirrtum als Schuldform für das Handeln der Beschuldigten Vorsatz annehmen.

Die Beschwerdeführerin hat zur Rechtfertigung ihres Handelns behauptet, ausschließlich aus Sicherheitsgründen die fertig gerauchte Zigarette, also den glosenden Zigarettenstummel, aus dem Fahrzeug geworfen zu haben, weil das von ihr gelenkte Fahrzeug nicht mit einem Aschenbecher ausgerüstet gewesen sei. Sie habe daher keine Alternative dazu gehabt, den Zigarettenstummel aus dem Fahrzeug zu werfen, weil sie die brennende bzw. glosende Zigarette nicht im Fahrzeug belassen hätte können. Dies wäre einerseits mit einer nicht unerheblichen Brandgefahr verbunden gewesen, andererseits mit einem Risiko beim weiteren Lenken des Fahrzeuges. Dieses Vorbringen zielt auf die Geltendmachung eines entschuldigenden Notstandes ab.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann unter Notstand im Sinn des § 6 VStG nur ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten verstanden werden, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, dass er eine im Allgemeinen strafbare Handlung begeht; es muss sich um eine unmittelbar drohende Gefahr für das Leben, die Freiheit oder das Vermögen handeln (VwGH 30.04.1999, 97/21/0119). Gemessen an diesen Anforderungen vermag die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Situation Notstand keinesfalls zu begründen.

Nach Ansicht des erkennenden Gerichtes hätte die Beschwerdeführerin als Fahrzeuglenkerin eines in Betrieb befindlichen Fahrzeuges, das nicht mit einem Aschenbecher ausgestattet ist, beim Anzünden einer Zigarette damit rechnen müssen, dass beim Rauchen einer Zigarette ein glosender Zigarettenstummel übrigbleibt, der umgehend ordnungsgemäß in dazu vorgesehenen Behältnissen zu sammeln und in weiterer Folge einer Entsorgung zuführen ist. Wenn das Fahrzeug nicht mit einem dafür notwendigen Behältnis ausgestattet ist, hätte sie das Rauchen unterlassen müssen, um ein abfallrechtswidriges Hinausschmeißen des Zigarettenstummels aus dem Fenster zu verhindern. Allenfalls hätte sie das Kraftfahrzeug rechtzeitig anhalten müssen, die Zigarette ausdämpfen und den Zigarettenstummel ordnungsgemäß in einem dafür geeigneten Sammelbehältnis, im konkreten Fall in einem Abfallbehälter für Restmüll, entsorgen müssen.

Folglich liegt auch kein Rechtfertigungsgrund iSd § 6 VStG vor, sodass die Verwaltungsübertretung ebenso in subjektiver Hinsicht erfüllt ist.

7.   Zur Strafhöhe:

§ 19 VStG lautet:

(1) Grundlage für die Bemessung der Strafe sind die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

(2) Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Nach Ansicht des erkennenden Gerichtes war im konkreten Fall die Verletzung der vom Gesetz geschützten Interessen in nicht unerheblichem Ausmaß gegeben. Die Bestimmung des § 15 Abs. 3 AWG 2002 hat zum Inhalt, dass eine Behandlung von Abfällen nach den Zielen und Grundsätzen des Abfallwirtschaftsrechtes nur so sichergestellt wird. Die einschlägige Rechtsvorschrift des AWG 2002 soll aber ebenso garantieren, dass eine Sammlung und Lagerung von Abfällen nur so erfolgt, dass die öffentliche Ordnung und Sicherheit auch nicht gestört werden kann (vgl.
§ 1 Abs. 3 Z 8 AWG 2002).

Als Milderungsgrund wurde von der Verwaltungsbehörde auf die Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin im Bezirk Korneuburg verwiesen; erschwerend wurde zu Recht die vorsätzliche Begehung der Tat gewertet.

Festzuhalten ist, dass von der Verwaltungsstrafbehörde lediglich die Mindeststrafe verhängt wurde. Im Rahmen der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der verhängten Strafe war im gegenständlichen Verfahren aufgrund des Verschlechterungsverbotes im Beschwerdeverfahren lediglich zu kontrollieren, ob ein Vorgehen gemäß § 20 VStG gerechtfertigt gewesen wäre. Eine Unterschreitung der Mindeststrafe bis zur Hälfte ist im Rechtsmittelverfahren nur möglich, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen.

Weitere Milderungsgründe sind im Beschwerdeverfahren nicht hervorgekommen und wurden solche auch nicht behauptet. Insbesondere lässt das Beschwerdevorbringen eine jegliche schuldeinsichtige Verantwortung vermissen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es nicht bloß auf das Vorliegen von Milderungsgründen an, vielmehr allein darauf, dass solche Gründe die Erschwerungsgründe erheblich überwiegen, und zwar nicht der Zahl, sondern dem Gewicht nach. Es kommt sohin nicht auf die Zahl der gegebenen Milderungs- und Erschwerungsgründe, sondern ausschließlich auf deren Bedeutung im Rahmen des konkret gegebenen Sachverhaltes an (vgl. etwa VwGH 11.05.2004, 2004/02/0005, mwH). Bei vorsätzlicher Begehung der Tat kann auch bei der bisher unbescholtenen Beschwerdeführerin mangels Fehlen weiterer Milderungsgründe somit nicht von einem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsgründe ausgegangen werden, sodass die Anwendung der Bestimmung des § 20 VStG ausscheidet und eine Strafherabsetzung nicht möglich ist.

Gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG hat die Behörde schließlich von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens überhaupt abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind. Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Falle der Z 4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.

Voraussetzung für die Anwendung der Z 4 ist das kumulative Vorliegen beider in dieser Gesetzesstelle genannten Kriterien, nämlich ein geringfügiges Verschulden (subjektive Tatseite) und lediglich unbedeutende Folgen der Tat (objektive Tatseite). Von einem geringen Verschulden ist nur dann zu sprechen, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters erheblich hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt zurückbleibt. Unbedeutende Folgen zieht eine Tat etwa nach sich, wenn der von der betroffenen Norm gewünschte Zustand auf eine andere Weise ohnehin eingetreten ist (Lewisch/Fister/Weilguni, VStG § 45 Anm 3).

Wie zur subjektiven Tatseite oben ausgeführt, kann von einem geringfügigen Verschulden der Beschwerdeführerin nicht ausgegangen werden, da die Tat in vorsätzlich begangen wurde. Dass die Straßenreinigung im konkreten Fall vielleicht den weggeworfenen Zigarettenstummel wieder einsammelt, führt nicht zur Erreichung des in § 15 Abs. 3 AWG 2002 normierten Zweckes dieser Norm, weil durch dieses Verbot eine umweltgerechte Sammlung, Lagerung und Behandlung garantiert werden soll. Ebenso kann nicht festgestellt werden, dass der Handlungsunwert im konkreten Fall gering wäre, weil im AWG 2002 keine Batagellgrenze normiert ist. Die Ausführungen in der Beschwerdeschrift, wonach „ein einmaliges Fehlverhalten, welches nicht die Grenze einer Straffälligkeit erreicht hat“, gehen daher ins Leere.

Die Wertigkeit des durch die verletzte Norm geschützten Rechtsgutes iSd § 45
Abs. 1 letzter Satz VStG findet ihren Ausdruck auch in der Höhe des gesetzlichen Strafrahmens, der für entsprechende Zuwiderhandlungen gemäß § 79 Abs. 2 AWG 2002 immerhin Geldstrafen bis zu EUR 8.400,-- vorsieht (vgl. VwGH 24.10.2001, 2001/04/0137). Ist aber die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes nicht gering, fehlt es an einer der in § 45 Abs. 1 Z 4 VStG genannten Voraussetzungen für die Einstellung des Strafverfahrens, weshalb auch keine Ermahnung nach § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG in Frage kommt.

Die Anwendung dieser Bestimmung bzw. die Erteilung einer Ermahnung kam im gegenständlichen Fall deshalb nicht in Betracht, da weder die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes noch die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat der Beschwerdeführerin gering waren.

Sowohl in spezial- als auch in generalpräventiver Hinsicht bedarf es bei derartigen Verwaltungsübertretungen jedenfalls der Verhängung entsprechender Geldstrafen. Der Beschwerdeführerin ist vor Augen zu führen, dass sie mit dieser Tathandlung gegen fundamentale Rechtsvorschriften im Abfallwirtschaftsrecht verstoßen hat. Zudem soll auch die Allgemeinheit vor der Begehung derartiger Verwaltungsübertretungen abgeschreckt werden.

Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG ist in jedem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes, mit dem ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat. Dieser Beitrag ist für das Beschwerdeverfahren mit 20 % der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit 10,-- Euro, zu bemessen. Da der Beschwerde keine Folge zu geben ist, gelangen die im Spruch angeführten Kosten zusätzlich zur Vorschreibung.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

8.   Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Entscheidung weicht nicht von der einheitlichen Rechtsprechung ab und stützt sich diese auf die klare und eindeutige Rechtslage (vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei klarer Rechtslage VwGH 15.05.2019, Ro 2019/01/0006). Im Regelfall sind Fragen der Beweiswürdigung nicht revisibel (vgl. VwGH 28.06.2017, Ra 2017/02/0038).

Schlagworte

Umweltrecht; Abfallwirtschaft; Verwaltungsstrafe; Abfall; Ablagerung; Entledigung; Zigarettenstummel;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.S.2276.001.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.02.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten