TE Vwgh Erkenntnis 1997/6/13 97/19/0623

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Veröffentlicht am 13.06.1997
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §69;
AVG §8;
VwGG §30 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 97/19/0624

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,

Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerden

1. der J in B (hg. Zl. 97/19/0623), sowie 2. der mj. S, ebendort, (hg. Zl. 97/19/0624), die Zweitbeschwerdeführerin vertreten durch die Erstbeschwerdeführerin, diese vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in S, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 24. Jänner 1997, Zl. 306.824/4-III/11/96 (betreffend die Erstbeschwerdeführerin), sowie Zl. 306.824/5-III/11/96 (betreffend die Zweitbeschwerdeführerin), betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens in Angelegenheiten des Aufenthaltsgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat den Beschwerdeführerinnen Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den insoweit gleichlautenden Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 24. Jänner 1997 wurde der Antrag der Beschwerdeführerinnen auf Wiederaufnahme ihres Verfahrens betreffend Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 69 Abs. 1 AVG zurückgewiesen. Dies wurde von der belangten Behörde nach Wiedergabe des Gesetzestextes damit begründet, daß sich die Wiederaufnahmeanträge gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 24. September 1996 richteten. Gegen diese Bescheide vom 24. September 1996 seien Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof erhoben worden. Der Verwaltungsgerichtshof habe mit Beschluß vom 14. November 1996, Zl. AW 96/19/1798, bzw. mit Beschluß vom 22. November 1996, Zl. AW 96/19/1827 den Anträgen der Beschwerdeführerinnen, den Beschwerden aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, stattgegeben. Diese Beschlüsse bedeuteten daher die Suspension des Eintrittes der Rechtskraft des - jeweiligen - Bescheides (und seiner Wirkungen), "zumal somit kein der Wiederaufnahme zugänglicher Bescheid vorliege". Daher seien die Anträge zurückzuweisen gewesen.

Dagegen richten sich die vorliegenden Beschwerden, in denen Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die vorliegenden Beschwerden wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung zu verbinden und hat über die Beschwerden erwogen:

Gemäß § 69 AVG ist auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren - unter bestimmten Voraussetzungen - wiederaufzunehmen, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist.

Gemäß § 30 Abs. 1 VwGG kommt den Beschwerden (an den Verwaltungsgerichtshof) aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes nicht zu. Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch gemäß § 30 Abs. 2 VwGG auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluß zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Die Wiederaufnahme des Verfahrens ermöglicht eine Durchbrechung der materiellen Rechtskraft und zielt auf die Wiederaufrollung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Angelegenheit. Die Sache (im Sinn des § 8 AVG) soll, wenn besondere Gründe vorliegen, die die Richtigkeit der seinerzeitigen Entscheidung in Frage stellen, in einem neuerlichen Verfahren abgehandelt und aufgrund der Ergebnisse dieses Verfahrens neuerlich entschieden werden.

Voraussetzung für die Wiederaufnahme des Verfahrens ist, daß der das Verwaltungsverfahren abschließende Bescheid mit einem ordentlichen Rechtsmittel nicht (mehr) anfechtbar, also formell rechtskräftig ist. Daß ein Verfahren aufgrund einer Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof oder beim Verfassungsgerichtshof anhängig ist, hindert daher nicht die Wiederaufnahme des Verfahrens (vgl. dazu Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts6 Rdz 582).

Auch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung vermag daran nichts zu ändern, da die Voraussetzung des § 69 AVG (Unanfechtbarkeit im administrativen Instanzenzug) weiterhin vorliegt.

Die Beschwerdeführerinnen haben daher zu Recht vorgebracht, daß durch den Beschluß über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung im Aufenthaltsbewilligungsverfahren lediglich bewirkt wurde, daß die Beschwerdeführerinnen nunmehr die Rechtsstellung inne haben, die sie vor Erlassung des angefochtenen Bescheides hatten. Es dürfen keinerlei Maßnahmen in Vollziehung des angefochtenen Bescheides gesetzt werden, sodaß dieser derzeit einem Vollzug nicht zugänglich ist.

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde liegen nach wie vor der Wiederaufnahme zugängliche Bescheide vor. Die Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens wären daher nicht zurückzuweisen, sondern in der Sache selbst zu beurteilen und zu erledigen gewesen.

Dadurch, daß sie dies verkannt hat, belastete die belangte Behörde ihre Bescheide mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben waren.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997190623.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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