TE Bvwg Erkenntnis 2021/1/14 G311 2220932-1

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Veröffentlicht am 14.01.2021
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Entscheidungsdatum

14.01.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §66 Abs1
FPG §70 Abs3
NAG §55 Abs3

Spruch


G311 2220932-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Eva WENDLER als Einzelrichterin über die Beschwerde der minderjährigen XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit: Ungarn, gesetzlich vertreten durch den Kindesvater XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit: Ungarn, dieser vertreten durch Rechtsanwalt Mag. László SZABÓ, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.01.2019, Zahl XXXX , zu Recht:

A)       Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

B)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, vom 16.01.2019 wurde die minderjährige Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.) und ihr gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt (Spruchpunkt II.). Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Beschwerdeführerin, ihre beiden Eltern und ihre Schwester würden seit 25.04.2018 in Österreich leben, den Eltern würden jedoch ausreichende Mittel zum Unterhalt fehlen. Ein fünfjähriger rechtmäßiger Aufenthalt liege nicht vor, sodass die Beschwerdeführerin kein Daueraufenthaltsrecht erworben habe. Sie sei damit nicht weiter zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt und daher (gemeinsam mit ihrer Familie) auszuweisen.

Gegen diesen Bescheid erhob die minderjährigen Beschwerdeführerin durch ihren Vater als gesetzlichen Vertreter, dieser wiederum vertreten durch den bevollmächtigten Rechtsvertreter, per E-Mail vom 15.02.2019, beim Bundesamt am selben Tag einlangend, fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde. Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge den angefochtenen Bescheid „abändern und das Verfahren zur Ausweisung einstellen.“.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt vorgelegt und langten am 05.07.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Mittels am 29.10.2019 beim Bundesverwaltungsgericht einlangender Beschwerdenachreichung wurde seitens des Bundesamt das Strafurteil vom XXXX .2019 des Landesgerichtes XXXX hinsichtlich des Vaters der Beschwerdeführerin, wonach er wegen absichtlich schwerer Körperverletzung gemäß § 87 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt wurde, sowie die Abweisung der Berufung durch das Oberlandesgericht XXXX vom XXXX .2019 übermittelt.

Per E-Mail vom 06.10.2020 ersuchte das Bundesamt um Mitteilung hinsichtlich des Verfahrensstandes und gab bekannt, dass die Beschwerdeführerin am 04.12.2019 gemeinsam mit ihrer Mutter und minderjährigen Schwester, gegen welche jeweils seit 05.02.2019 rechtskräftige Ausweisungen vorlagen, das Bundesgebiet verlassen habe.

Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 20.10.2020 wurde der Rechtsvertreter zur Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen zur Situation der Beschwerdeführerin Österreich aufgefordert. Eine Stellungnahme langte bis dato nicht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Die minderjährige Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Ungarn (vgl. Fremdenregisterauszug und Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 15.12.2020).

Ihr gesetzlicher Vertreter, der Vater XXXX , geboren am XXXX , ungarischer Staatsangehöriger, wurde in Österreich zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren Strafurteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX .2019, rechtskräftig am XXXX .2019, wegen absichtlich schwerer Körperverletzung gemäß § 87 Abs. 1 StGB verurteilt (vgl. aktenkundige Strafurteile).

Die Beschwerdeführerin weist in Österreich von 25.04.2018 bis 04.12.2019 eine Hauptwohnsitzmeldung auf (vgl. Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 15.12.2020). Sie reiste gemeinsam mit ihrer Mutter, XXXX , geboren am XXXX , und Schwester, XXXX , geboren am XXXX , jeweils ungarische Staatsangehörige, gemeinsam aus dem Bundesgebiet aus (vgl. Stellungnahme des Bundesamtes vom 06.10.2020; Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 15.12.2020).

Die Beschwerdeführerin hält sich zum Entscheidungszeitpunkt daher nicht im Bundesgebiet auf.

2. Beweiswürdigung:

Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Zur Person der beschwerdeführenden Partei:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Namen, Geburtsdatum) und Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Das Bundesverwaltungsgericht nahm zudem Einsicht in das Fremdenregister und das Zentrale Melderegister der Beschwerdeführerin.

Die übrigen Feststellungen ergeben sich aus den im Verwaltungs- bzw. Gerichtsakt einliegenden Beweismitteln und insbesondere den im gesamten Verfahren von der Beschwerdeführerin und ihrem Rechtsvertreter bzw. dem Bundesamt gemachten Angaben, welche jeweils in Klammer zitiert und der Beschwerdeführerin zu keiner Zeit bestritten wurden.

3. Rechtliche Beurteilung:

§ 66 Abs. 1 und 2 FPG lauten:

"(1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

(2) Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat das Bundesamt insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen."

Gemäß § 55 Abs. 3 NAG hat die Behörde für den Fall, dass das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht besteht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder § 54 Abs. 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs. 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.

Eine Ausweisung gemäß § 66 FPG setzt einen Inlandsaufenthalt des Betroffenen zum Entscheidungszeitpunkt voraus (vgl. dazu VwGH vom 19.09.2019, Ro 2019/21/0011, Rz 12 mit Verweis auf VwGH vom 25.01.2018, Ra 2017/21/0237, mwN).

Die Beschwerdeführerin hält sich zum Entscheidungszeitpunkt des Bundesverwaltungsgerichts nicht im Bundesgebiet auf, sodass die Voraussetzungen für die Erlassung einer Ausweisung gemäß § 66 Abs. 1 FPG zum Entscheidungszeitpunkt nicht mehr vorliegen (vgl. auch VwGH vom 30.01.2003, 2002/21/0168).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Ausweisung ab, noch ist diese Rechtsprechung als uneinheitlich zu bewerten. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der gegenständlich zu lösenden Rechtsfragen liegen nicht vor.

Schlagworte

Ausreise Ausweisung Behebung der Entscheidung Entscheidungszeitpunkt ersatzlose Behebung EWR-Bürger Inlandsaufenthalt Minderjährigkeit Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:G311.2220932.1.00

Im RIS seit

02.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

02.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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