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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AufG 1992 §6 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,
Dr. Bajyones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. Juni 1996, Zl. 105.174/4-III/11/96, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Angelegenheit des Aufenthaltsrechtes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 22. Juni 1994 wurde der (Verlängerungs)Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz (AufG) gemäß § 6 Abs. 3 AufG in der Fassung vor Inkrafttreten der AufG-Novelle BGBl. Nr. 351/1995 mangels rechtzeitiger Antragstellung abgewiesen. Über die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers entschied der Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 31. Jänner 1995 dahin, daß diese - in Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides - abgewiesen werde.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Juni 1995, Zl. 95/18/0740, als unbegründet abgewiesen.
Am 23. März 1995 hatte der Beschwerdeführer an die Behörde erster Instanz einen Wiedereinsetzungsantrag hinsichtlich der Versäumung der Frist nach § 6 Abs. 3 AufG sowie einen Wiedereinsetzungsantrag gegen die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist gerichtet. Der Landeshauptmann von Wien wies mit Bescheid vom 28. April 1995 den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der Versäumung der Frist zur rechtzeitigen Antragstellung auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung wegen Unzulässigkeit gemäß § 71 Abs. 1 AVG zurück. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. Juni 1996 abgewiesen. Als Begründung wurde jeweils der Umstand herangezogen, daß die Frist des § 6 Abs. 3 AufG eine materiell-rechtliche Frist darstelle, deren Nichteinhaltung zum Untergang des genannten Anspruches führe. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme daher nicht in Betracht.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber erwogen:
Der verfahrensgegenständliche Wiedereinsetzungsantrag betraf die Versäumung der Frist gemäß § 6 Abs. 3 AufG in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 zur rechtzeitigen Stellung eines Verlängerungsantrages. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 7. Juni 1995 klar ausgesprochen, daß die von der Behörde angenommene Versäumung der Frist vorgelegen sei und die Abweisung des Antrages nicht als rechtswidrig erkannt werden könne.
Im zitierten Erkenntnis wurde auch ausdrücklich darauf hingewiesen, daß nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Frist des § 6 Abs. 3 erster Satz zweiter Halbsatz AufG in der von der Behörde anzuwendenden Fassung vor der AufG-Novelle aus 1995 eine materiell-rechtliche Frist darstellt (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 31. August 1995, Zl. 95/19/0137). Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt gegen die Versäumung dieser materiell-rechtlichen Frist nicht in Betracht (vgl. hg. Erkenntnis vom 17. November 1994, Zl. 94/18/0748).
Der gegenständliche Fall bietet keinen Anlaß, von dieser Ansicht abzugehen.
Der Beschwerdeführer stützt seine gegenteilige Argumentation darauf, daß das Aufenthaltsbewilligungsverfahren eine Einheit bilde. Jeweils gestellte Verlängerungsanträge bildeten verfahrensrechtliche Schritte in diesem Verfahren, sodaß bei der vierwöchigen Frist von einer verfahrensrechtlichen auszugehen sei. Dies dokumentiere sich auch darin, daß für Aufenthaltsbewilligungswerber jeweils ein gesamter Akt geführt und nicht bei jedem Verlängerungsantrag ein neuer Akt angelegt werde. Weiters seien materiell-rechtliche Fristen naturgemäß Fristen langer Dauer, deren Zweck es sei, Druck auf den sich auf ein Recht Berufenden auszuüben, sein Recht eben innerhalb einer angemessenen Frist geltend zu machen und sohin möglichst bald Klarheit zu schaffen. Kurze Fristen hingegen seien in der Regel reine Verfahrensfristen bzw. zumindest solche Fristen, die einer Wiedereinsetzung zugänglich seien.
Der Beschwerdeführer verkennt mit dieser Argumentation, daß der Verlängerungsantrag nicht bloß auf die Auslösung prozessualer Rechtswirkungen gerichtet ist, sondern der Durchsetzung eines materiell-rechtlichen Anspruches des Fremden dient. Der Verlängerungsantrag ist (auch) unmittelbar auf die Herbeiführung materieller Rechtswirkungen gerichtet, zumal sich für den Fall der rechtzeitigen Antragstellung die Geltungsdauer der bestehenden Bewilligung - bei nicht rechtzeitiger Entscheidung über den Antrag vor ihrem Ablauf - bis zum Entscheidungszeitpunkt, längstens aber um sechs Wochen verlängern würde. Schon aus dieser, allein durch die rechtzeitige Antragstellung bewirkten Gestaltung der materiellen Rechtslage erscheint die Annahme einer bloß prozessualen Frist nicht gerechtfertigt.
Dabei ist ohne Bedeutung, ob für den Aufenthaltsbewilligungswerber jeweils ein gesamter Akt geführt wird oder nicht, da die genannte Praxis der Behörden aus kanzleitechnischen Überlegungen entstanden ist und keinesfalls irgendwelche rechtlichen Schlußfolgerungen daraus ableitbar sind. Auch die Länge einer Frist hat mit ihrer Qualifizierung als materiell-rechtliche oder prozeßrechtliche Frist entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers nichts zu tun.
Wenn der Beschwerdeführer schließlich vorbringt, daß zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Entscheidung die AufG-Novelle aus dem Jahr 1995 schon in Geltung gestanden sei, wonach ein rechtzeitiger Verlängerungsantrag bis zum letzten Tag der Gültigkeit der Aufenthaltsbewilligung gestellt werden könne, und daher "die belangte Behörde von amtswegen den angefochtenen Bescheid aufheben und dem Antragsteller die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung gewähren könnte, ohne auf den Wiedereinsetzungsantrag überhaupt einzugehen", so verkennt er auch hier die Rechtslage.
Die angefochtene Entscheidung des Bundesministers für Inneres vom 28. Juni 1996 bezieht sich ausschließlich auf die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages durch die Behörde erster Instanz. Nur die erstinstanzlich verneinte Frage der Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrages stellt die "Sache" der angefochtenen Berufungsentscheidung im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG dar. Selbst wenn die belangte Behörde zu einer rechtlich anderen Überzeugung als die Behörde erster Instanz gekommen wäre, hätte sie den zurückweisenden Bescheid der erstinstanzlichen Behörde lediglich aufheben und dieser (erstmals) die Möglichkeit einer inhaltlichen Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag einräumen können. Erst wenn die Wiedereinsetzung bewilligt worden wäre, wäre in weiterer Folge die Möglichkeit der Erlangung einer Aufenthaltsbewilligung entstanden. Auf Grund welcher verfahrensrechtlichen Bestimmung die belangte Behörde von amtswegen den angefochtenen Bescheid aufheben hätte sollen, führt der Beschwerdeführer nicht aus. Auch ist angesichts der eindeutigen Sach- und Rechtslage keine derartige Möglichkeit, auf deren Wahrnehmung durch die Behörde im übrigen auch kein subjektives Recht des Beschwerdeführers bestünde, erkennbar.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert werden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996192268.X00Im RIS seit
11.07.2001