TE Lvwg Erkenntnis 2020/11/13 LVwG-AV-56/001-2020

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.11.2020
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Entscheidungsdatum

13.11.2020

Norm

NAG 2005 §2 Abs1 Z9
NAG 2005 §11 Abs2
NAG 2005 §11 Abs5
NAG 2005 §46 Abs1 Z2
IPRG §6

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch seinen Richter Dr. Marvin Novak, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde von Frau B, vertreten durch Rechtsanwalt A, ***, ***, gegen den Bescheid der Landeshauptfrau von Niederösterreich vom 20. November 2019, Zl. ***, zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird stattgegeben, der angefochtene Bescheid wird behoben und der Beschwerdeführerin wird ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 iVm § 8 Abs. 1 Z 2 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

2.       Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Weitere Rechtsgrundlagen:

ad 1.:    § 28 Abs. 1 und 2 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG)

ad 2.:    § 25a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG)

         Art. 133 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG)

Entscheidungsgründe:

1.       Maßgeblicher Verfahrensgang:

1.1. Die nunmehrige Beschwerdeführerin, Frau B, eine Staatsangehörige von Afghanistan, beantragte am 7. Februar 2019 bei der Österreichischen Botschaft in Teheran die Erteilung eines Erstaufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zum Zwecke der Familienzusammenführung.

1.2. Mit Bescheid der Landeshauptfrau von Niederösterreich vom 20. November 2019 wurde dieser Antrag – gestützt auf § 46 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 9 NAG – abgewiesen. Dies mit folgender Begründung:

„Im Zuge des aufenthaltsbehördlichen Verfahrens wurde zum Nachweis der Ehe eine Heiratsurkunde vorgelegt, aus der hervorgeht, dass am 10.10.2017 die Ehe zwischen Ihnen und Ihrem ‚Ehegatten‘, C, geb. ***, StA.: Afghanistan, geschlossen haben. Laut schriftlicher Stellungnahme Ihres Rechtsvertreters vom 13.09.2019, war zum Zeitpunkt der Eheschließung Ihr ‚Ehegatte‘ nicht vor Ort. Er wurde zur Eheschließung telefonisch zugeschaltet. Auch im Rahmen Ihrer Befragung durch die Österreichische Botschaft im Zuge der Antragstellung gaben Sie an, dass Ihr ‚Ehegatte‘ bei der Hochzeit nicht anwesend war.

Erst im Zeitraum 23.12.2017 bis 06.01.2018 reiste der ‚Ehegatte‘ laut vorgelegten Flugticket und Visakopie in den Iran ein, um die Feierlichkeiten und die Registrierung der Ehe am 30.12.2017 nachzuholen bzw. zu veranlassen.

Hinsichtlich der Rechtsgültigkeit einer im Ausland geschlossenen Ehe bestimmt § 16 Abs. 2 Gesetz über das Internationale Privatrecht (IPRG), dass die Form einer Eheschließung im Ausland nach dem Personalstatut jedes der Verlobten zu beurteilen ist. Es genügt jedoch die Einhaltung der Formvorschriften des Ortes der Eheschließung. So kann z.B.. eine ‚bloße‘ kirchliche Trauung ausreichend sein, wenn dies nach den Gesetzen im Land der Eheschließung vorgesehen ist.

§ 17 Abs. 1 IPRG bestimmt, dass die Voraussetzungen der Eheschließung sowie die der Ehenichtigkeit für jeden der Verlobten nach seinem Personalstatut zu beurteilen ist.

Gemäß der Vorbehaltklausel zur Aufrechterhaltung des sogenannten ‚ordre public‘ im Sinne des § 6 IPRG ist eine Bestimmung des fremden Rechts aber nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, das mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar ist.

Eine Stellvertreterehe ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht anzuerkennen, da sie einen Verstoß gegen den ordre public darstellt (zuletzt BVwG vom 16.10.2018, W150 2147293-1). Der Verwaltungsgerichtshof hat zuletzt in seiner Erkenntnis vom 19.09.2017, Ra 2016/20/0068, die Beurteilung, dass eine ‚Ferntrauung‘ dem ordre public widerspricht, nicht zu beanstanden gefunden.

Ein Verstoß gegen den ordre public liegt demnach vor bei Stellvertretung der Registrierung einer Eheschließung, auch wenn der religiöse Akt in Anwesenheit beider Ehepartner erfolgte und nur die nachfolgende Registrierung durch Stellvertreter für einen oder beide Eheleute erfolgt, vorausgesetzt die Registrierung ist nach der Ortsform für die Gültigkeit der Ehe erforderlich. Dies ist zB. in Syrien und Afghanistan der Fall.

Gleiches gilt, wenn einer der Ehepartner bei der Eheschließung, nicht jedoch bei der erforderlichen späteren Registrierung persönlich anwesend war.

Bei der geschlossenen Ehe handelt es sich zusammenfassend um eine Stellvertreterehe, die aus den oben dargestellten Gründen nicht anzuerkennen ist.

Da diese Ehe in Österreich nicht als legal geschlossene Ehe anerkannt wird, ist eine Ableitung für den Aufenthaltsstatus von Ihrem ‚Ehegatten‘ gesetzlich nicht möglich.

Die Voraussetzungen als Familienangehöriger im Sinne der Definition liegen nicht vor und ist die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels folglich nicht möglich.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.“

1.3. Dagegen wurde fristgerecht durch einen Rechtsanwalt Beschwerde erhoben, wobei im Wesentlichen Folgendes ausgeführt wurde:

Bei der nach islamischer Tradition erfolgten Eheschließung sei der Ehemann der Beschwerdeführerin durch einen Stellvertreter vertreten worden, er habe jedoch auch selbst per Telefon an der Zeremonie teilgenommen. Nach Erhalt seines Urlaubes sei der Ehemann in den Iran geflogen, wo die formalen Feierlichkeiten und die Registrierung bei der afghanischen Botschaft und in weiterer Folge die Vorlage der Heiratsurkunde bei der iranischen Behörde erfolgt sei. An sämtlichen Schritten der Eheschließung hätten sowohl die Beschwerdeführerin als auch ihr Ehemann aus freiem Willen teilgenommen. Die Eheschließung sei nach afghanischem Recht wirksam und es seien beide Brautleute beim rechtlich entscheidenden Akt der Registrierung anwesend gewesen, wobei sie den Ehewillen nochmals zum Ausdruck gebracht hätten. Die Ehe gelte auch im Iran als anerkannt. Trotz Vorliegens sämtlicher Voraussetzungen sei der verfahrensgegenständliche Antrag abgewiesen worden. Dies mit nahezu inhaltsleeren Behauptungen und ohne Eingehen auf den konkreten Fall.

Von einem Verstoß gegen den ordre public könne keine Rede sein. Die Brautleute seien in sämtliche Vorgänge der Eheschließung und deren Anerkennung eingebunden gewesen.

Die Behörde gehe nach den Bescheidausführungen in offenkundigem Widerspruch zum Akteninhalt davon aus, dass der Ehemann bei der Registrierung nicht anwesend gewesen sei. Die Registrierung stelle aber den entscheidenden Akt dar.

Entgegen den Bescheidausführungen folge aus der höchstgerichtlichen Rechtsprechung auch keinesfalls die Verweigerung der Anerkennung der Ehe. Der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zur Zl. Ra 2016/20/0068 sei ein anderer Sachverhalt zu Grunde gelegen, nämlich eine Gefährdung der Eheschließungsfreiheit, wovon im vorliegenden Fall keine Rede sein könne. In der Entscheidung zur Zl. Ra 2018/18/0534 sei eine in Syrien abgeschlossene Ehe anerkannt worden, in der die Ehe auf traditionelle Weise im Beisein beider Eheleute abgeschlossen worden sei, aber einer der Brautleute bei der staatlichen Registrierung nicht anwesend gewesen sei. In der Entscheidung zur Zl. Ra 2019/22/0043 sei eine in Syrien geschlossene Ehe anerkannt worden, bei welcher der Ehemann bei der Eheschließung durch einen Rechtsanwalt vertreten worden sei. Dies zeige, dass je nach Einzelfall Stellvertreterehen anerkannt würden, wenn es keine Hinweise gebe, dass das Eheversprechen nicht freiwillig abgegeben worden sei. Im Größenschluss müsse umso mehr die vorliegende Ehe als rechtswirksam angesehen werden, da der Ehemann über Telefon zugeschaltet gewesen sei, beide Eheleute an den formalen Feierlichkeiten mit den Familien teilgenommen und auch beide persönlich bei der Registrierung mitgewirkt hätten. Von einem Verstoß gegen die Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung könne keine Rede sein.

Die Behörde habe jegliche Ermittlungen und Feststellungen zur Eheschließungsfreiheit unterlassen und sei nicht auf den konkreten Sachverhalt eingegangen. Es sei auch kein Parteiengehör gewährt worden.

Beantragt wurde insbesondere die Durchführung einer Verhandlung und die Erteilung des beantragten Erstaufenthaltstitels.

1.4. Die eingebrachte Beschwerde samt Verwaltungsakt wurde dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zur Entscheidung vorgelegt.

1.5. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich forderte die Beschwerdeführerin in Folge zur Vorlage aktueller Nachweise zur Frage des gesicherten Lebensunterhaltes sowie zur Vorlage eines aktuellen Führungszeugnisses aus dem Iran auf. Mit Schreiben vom 1. Juli 2020 wurden seitens der Beschwerdeführerin mehrere Unterlagen zum Lebensunterhalt vorgelegt und es wurde hinsichtlich des Führungszeugnisses um Fristerstreckung ersucht. Mit Schreiben vom 10. August 2020 wurde – unter Hinweis auf die gegebene COVID-19-Situation im Iran – um weitere Fristerstreckung angesucht. Mit Schreiben vom 10. September 2020 wurden weitere Unterlagen zum Lebensunterhalt und ein Führungszeugnis samt Übersetzung vorgelegt. Mit Schreiben vom 16. September 2020 wurden weitere Unterlagen zum Lebensunterhalt vorgelegt.

1.6. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich führte am 16. Oktober 2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. An der Verhandlung nahm der Rechtsanwalt der Beschwerdeführerin teil und es wurde der Ehemann der Beschwerdeführerin als Zeuge unter Wahrheitspflicht einvernommen.

Der Verhandlungsleiter bezog in der Verhandlung die vorliegenden Akten in das Beweisverfahren ein, wobei auch eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation und eine Accord-Anfragebeantwortung zu den Akten genommen wurden. Der Rechtsanwalt der Beschwerdeführerin legte in der Verhandlung weitere Unterlagen zum Lebensunterhalt vor und er ersuchte um Einräumung einer Frist zur Vorlage aktueller Lichtbilder der Beschwerdeführerin (diese wurden in Folge mit Schreiben vom 23. Oktober 2020 vorgelegt). Seitens der belangten Behörde nahm – was mit E-Mail vom Vortag der Verhandlung mitgeteilt wurde – kein Vertreter an der Verhandlung teil. Mitgeteilt wurde in diesem E-Mail, dass an der Begründung des angefochtenen Bescheides – wonach eine Ehe vorliege, welche dem ordre public widerspreche – weiterhin festgehalten werde und dass die mit der Verhandlungsladung übermittelten Unterlagen der Beschwerdeführerin zur Kenntnis genommen und dass zu diesen keine weiteren Anmerkungen ergehen würden.

2.       Feststellungen und Beweiswürdigung:

2.1. Feststellungen:

Die am *** geborene Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Afghanistan und lebt seit ihrer Kindheit mit ihrer Familie im Iran.

Die Beschwerdeführerin beantragte persönlich am 7. Februar 2019 bei der Österreichischen Botschaft in Teheran die Erteilung eines Erstaufenthaltstitels
„Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zum Zwecke der Familienzusammenführung mit ihrem in Österreich niedergelassenen Ehemann.

Der Ehemann der Beschwerdeführerin wurde am *** geboren, ist Staatsangehöriger von Afghanistan, und lebt seit dem Jahr 2012 in Österreich. Vor seiner Einreise nach Österreich lebte er als Flüchtling illegal im Iran. Ihm wurde in Österreich der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Aktuell verfügt er über den unbefristeten Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“.

Die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann haben sich im Iran kennengelernt. Dies im Juli 2016. Der Ehemann besuchte damals seine im Iran lebende Mutter und begleitete diese zu einem Besuch bei einer Freundin der Mutter. Bei dieser Freundin handelte es sich um die Frau des Onkels der Beschwerdeführerin. Die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann haben sich bei diesem Besuch das erste Mal persönlich gesehen, wobei sich die Beschwerdeführerin entsprechend den örtlichen Gepflogenheiten nach kurzer Zeit in ein anderes Zimmer zurückzog. Die Beschwerdeführerin war zu diesem Zeitpunkt noch mit einem anderen Mann traditionell verheiratet, sie lebte mit diesem Mann aber nicht mehr zusammen und es war die Scheidung beabsichtigt. Die Scheidung von diesem Mann erfolgte am 4. September 2017.

Die Beschwerdeführerin und ihr nunmehriger Ehemann hielten seit der persönlichen Begegnung regelmäßig (täglich) Kontakt mittels Textnachrichten, Telefonieren und Videotelefonie und sie lernten sich so näher kennen.

Nach etwa zwei bis drei Monaten sagte der nunmehrige Ehemann der Beschwerdeführerin, dass er sie liebe, und er fragte sie, ob sie ihn heiraten wolle. Die Beschwerdeführerin bejahte. Der Ehemann redete mit seiner Mutter darüber und es sprachen sodann auch die Verwandten der Beschwerdeführerin und des Ehemannes darüber. Es wurde der 10. Oktober 2017 als Termin für die traditionelle Eheschließung ausgemacht. Die Beschwerdeführerin war persönlich bei der Eheschließung anwesend. Der Ehemann war zum damaligen Zeitpunkt Lehrling und konnte aus beruflichen Gründen und mangels hinreichender Ersparnisse nicht persönlich in den Iran fliegen. Der Ehemann nahm mittels Videotelefonie an der Eheschließung teil und es bejahten sowohl der Ehemann als auch die Beschwerdeführerin mehrmals aus freiem Willen vor dem Mullah, dass sie einander heiraten wollen. Im Iran nahmen an der Eheschließung die Eltern der Beschwerdeführerin, ihr Onkel, der Cousin ihres Vaters sowie die Mutter des Ehemannes teil. Beim Ehemann in Österreich war dessen jüngerer Bruder anwesend. Am 23. Dezember 2017 reiste der Ehemann in den Iran. Die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann gingen gemeinsam am 30. Dezember 2017 zur afghanischen Botschaft in Teheran, um die Ehe registrieren zu lassen. In Folge wurde dann auch die erhaltene Heiratsurkunde bei der zuständigen iranischen Behörde vorgelegt. Beim Aufenthalt des Ehemannes im Dezember 2017 im Iran wurde eine Hochzeitsfeier abgehalten, es wurde die Hochzeitsreise nach *** unternommen und es wurden Fotos aufgenommen. Auch wurde die Ehe vollzogen. Die Beschwerdeführerin wohnt seit der Eheschließung bei der Mutter des Ehemannes. Der Ehemann hat die Beschwerdeführerin im Jahr 2018 über Weihnachten besucht (von 15. Dezember 2018 bis 5. Jänner 2019) und ebenso zu Weihnachten 2019. Die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann haben nach wie vor regelmäßig (täglich) Kontakt mittels Textnachrichten und mittels Videotelefonie.

Die zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Ehemann geschlossene Ehe ist sowohl nach afghanischem als auch nach iranischem Recht gültig und anerkannt. Das iranische Ehegesetz enthält eine Verpflichtung zur Registrierung von Eheschließungen und sieht bei Nichtbeachtung eine strafrechtliche Ahndung, aber keine zivilrechtliche Aufhebbarkeit vor.

Die Beschwerdeführerin beabsichtigt in Österreich bei ihrem Ehemann an dessen aktueller Wohnadresse (***, ***) Unterkunft zu nehmen. Es handelt sich bei der Unterkunft um eine Wohnung mit einer Wohnnutzfläche von ca. 74,92 m2. Die Wohnung besteht aus zwei Zimmern, Küche, Essplatz, Vorraum, Abstellraum, Bad, WC und Loggia. Der Ehemann hat diese Wohnung von einer gemeinnützigen Gesellschaft mittels Mietvertrag angemietet. Das Mietverhältnis besteht seit 1. Jänner 2020 und wurde auf unbestimmte Zeit geschlossen. Der Mietzins beträgt 538,88 Euro.

Der Ehemann der Beschwerdeführerin begann im September 2015 eine Lehre als Metalltechniker (Hauptmodul: Maschinenbautechnik) bei der D GmbH in ***. Am 8. März 2019 legt er die Lehrabschlussprüfung ab und er ist seitdem unbefristet bei seinem Arbeitgeber als Metalltechniker bzw. Maschinenbautechniker beschäftigt. Der aktuelle monatliche Bruttolohn des Ehemannes beträgt 2.327,15 Euro, was inklusive Sonderzahlungen einem monatlichen Nettobetrag von 1.991,09 Euro entspricht. Zusätzlich erhält der Ehemann Überstundenvergütung, Feiertagsentgelt samt Zuschläge sowie Zulagen, wobei er dafür im Jahr 2020 durchschnittlich folgende Bruttomonatsbeträge erhalten hat: 119,78 Euro (Überstundenvergütung), 185,40 Euro (Feiertagsentgelt samt Zuschläge) und 430,18 Euro (Zulagen).

Der Ehemann verfügt aktuell über Ersparnisse in Höhe von 8.000,-- Euro.

Der Ehemann weist neben der Miete folgende regelmäßige monatliche Aufwendungen auf: Ca. 100,-- Euro Energiekosten 82,80 Euro Autoversicherung, 15,59 Euro Unfallversicherung.

Die Beschwerdeführerin hat keine regelmäßigen Aufwendungen.

Der Anspruch auf eine alle Risken abdeckende und in Österreich leistungspflichtige Krankenversicherung ist für die Beschwerdeführerin gegeben.

Ein Quotenplatz für die Beschwerdeführerin liegt vor.

Die Beschwerdeführerin hat bei Antragstellung ein Goethe-Zertifikates A1 vom 2. Jänner 2019 vorgelegt. Mit E-Mail vom 8. April 2019 wurde seitens einer Referentin für Qualitätsmanagement die Echtheit des Zertifikates und die erfolgreiche Prüfungsablegung durch die Beschwerdeführerin bestätigt.

Aufenthaltsbeendende Maßnahmen oder ein Einreiseverbot wurden gegen die Beschwerdeführerin nicht verhängt. Ebenso wenig wurde die Beschwerdeführerin wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet bestraft und es erfolgte auch keine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumpflichtigen Aufenthaltes.

Im Strafregister der Republik Österreich scheint hinsichtlich der Beschwerdeführerin keine Verurteilung auf und es wurde seitens der Landespolizeidirektion Niederösterreich im Verfahren mitgeteilt, dass hinsichtlich der Beschwerdeführerin keine Vormerkungen bestehen. Die Beschwerdeführerin ist nach den vorgelegten Führungszeugnissen auch im Iran unbescholten. Im Schengener Informationssystem scheint keine Vormerkung auf.

Dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtsobjekt wesentlich beeinträchtigen würde ist nicht erkennbar.

Ein aktuelles Lichtbild (jünger als sechs Monate) der Beschwerdeführerin liegt vor. Der Reisepass der Beschwerdeführerin weist eine Gültigkeit bis 3. Juli 2023 auf.

2.2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen gründen sich auf die Inhalte des vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsaktes, insbesondere auch auf die Ergebnisse der durchgeführten Verhandlung. Festzuhalten ist hinsichtlich der Verhandlung, dass sowohl der Rechtsanwalt der Beschwerdeführerin als informierter Vertreter als auch – unter Wahrheitspflicht – der Ehemann der Beschwerdeführerin als Zeuge befragt wurden. Alle Befragten haben dabei einen durchaus glaubwürdigen persönlichen Eindruck hinterlassen.

Seitens der belangten Behörde hat kein Vertreter an der Verhandlung teilgenommen. Es hat die belangte Behörde somit von der mit der Verhandlung gebotenen Gelegenheit zur Kenntnisnahme von den Beweisergebnissen und zur Stellungnahme nicht Gebrauch gemacht (vgl. etwa VwGH 29.1.2003, 2001/03/0194; 29.6.2011, 2007/02/0334; 21.3.2017, Ra 2017/22/0027, Rz 16). Hinzuweisen ist außerdem darauf, dass die Behörde in ihrem Schreiben vom Vortag der Verhandlung ausgeführt hat, dass die mit der Ladung übermittelten Unterlagen zur Kenntnis genommen und dass dazu keine weiteren Anmerkungen ergehen würden.

Festzuhalten ist auch, dass dem verfahrensgegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Erstaufenthaltstitels ein von der Österreichischen Botschaft in Teheran mit der Beschwerdeführerin ausgefüllter Fragebogen angeschlossen ist. In diesem Fragebogen ist abweichend von den Angaben des Ehemannes festgehalten, dass das Kennenlernen der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes im „Sommer 2017“ stattgefunden habe. Auch ist offenbar festgehalten, dass es sich um eine arrangierte Hochzeit gehandelt habe. Vor dem Hintergrund, dass der Ehemann in der Verhandlung als Zeuge unter Wahrheitspflicht befragt wurde und einen durchaus glaubwürdigen persönlichen Eindruck hinterlassen hat, wird allerdings kein Grund gesehen, seine diesbezüglichen Angaben den Feststellungen nicht zu Grunde zu legen. Der Ehemann bestätigte auf Vorhalt des im Fragebogen angegebenen Kennenlerndatums auch noch einmal, dass das Kennenlernen tatsächlich schon im Juli 2016 stattgefunden habe und er konnte sich die Angabe im Fragebogen nur dahingehend erklären, dass das entweder falsch aufgeschrieben worden sei (Verhandlungsschrift S 7) oder dass ein Umrechnungsfehler vorliege (Verhandlungsschrift S 11). Gerade letzteres erscheint durchaus möglich und es ist in diesem Zusammenhang zu bemerken, dass auch das Alter der Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Eheschließung am 10. Oktober 2017 mit „21“ festgehalten wurde (obwohl die Beschwerdeführerin erst im Dezember 2017 das 21. Lebensjahr vollendete). Ebenso kann aber auch – zumal die Angabe des Kennenlernens mit „Sommer 2017“ sehr ungenau ist – ein Datumsirrtum der Beschwerdeführerin nicht ausgeschlossen werden. Zur Frage des Vorliegens einer arrangierten Hochzeit oder einer Liebeshochzeit ist insbesondere auszuführen, dass – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der örtlichen Verhältnisse – beides einander nicht zwangsläufig ausschließt. Der Ehemann selbst hat dementsprechend auch angegeben, dass er der Beschwerdeführerin einen Antrag gemacht und dann mit seiner Mutter gesprochen habe; natürlich hätten dann auch die Verwandten von ihr und ihm miteinander gesprochen (Verhandlungsschrift S 7) und es sei dann mit der Familie das Heiraten am 10. Oktober 2017 ausgemacht worden (Verhandlungsschrift S 8). Hinzuweisen ist überdies auf die Ausführungen des Rechtsanwaltes der Beschwerdeführerin, der (abgesehen von seinen Wahrnehmungen zum Vorliegen einer Liebeshochzeit) angab, dass aus seiner Sicht im Fragebogen nicht das Wort „arrangierte“ mit einem Hakerl versehen, sondern vielmehr durchgestrichen worden sei (Verhandlungsschrift S 4). Allgemein ist zum Fragebogen auch noch festzuhalten, dass die Antworten lediglich schlagwortartig und in dritter Person niedergeschrieben sind. Auch lässt sich dem Fragebogen weder entnehmen, in welcher Sprache die Befragung durchgeführt wurde noch ist eine erfolgte Rückübersetzung vermerkt.

Im Einzelnen ist zu den getroffenen Feststellungen Folgendes auszuführen:

Die getroffenen Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin ergeben sich insbesondere aus der vorgelegten Geburtsurkunde, dem Reisepass und der Heiratsurkunde. Dass sie seit der Kindheit mit ihrer Familie im Iran lebt, ergibt sich insbesondere bereits aus den Angaben bei Antragstellung. Zur Antragstellung selbst ist auf den Verwaltungsakt zu verweisen. Die Feststellungen zum Ehemann der Beschwerdeführerin ergeben sich insbesondere aus dem vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ausgestellten Fremdenpass, den im Zentralen Fremdenregister enthaltenen Daten und der – vom Ehemann in der Verhandlung im Original vorgewiesenen – Aufenthaltstitelkarte. Dass der Ehemann seit dem Jahr 2012 in Österreich ist, ergibt sich insbesondere auch aus seinen Versicherungsdaten. Dass er vor seiner Einreise nach Österreich als Flüchtling illegal im Iran gelebt hat, hat der Ehemann in der Verhandlung angegeben (Verhandlungsschrift S 10).

Die Feststellungen zum Kennenlernen der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes im Juli 2016 beruhen auf den Ausführungen des Ehemannes in der Verhandlung (Verhandlungsschrift S 7). Ebenso hat der Ehemann auch geschildert, dass die Beschwerdeführerin damals noch traditionell verheiratet gewesen sei, sich aber schon trennen habe wollen und mit dem Mann nicht mehr zusammengelebt habe. Der Ehemann bejahte dabei auch, dass die Beschwerdeführerin geschieden worden sei, bevor sie geheiratet hätten (Verhandlungsschrift S 9). Dies ist auch durch die vorliegende unbedenkliche Scheidungsurkunde belegt, die als Datum der Scheidung den 4. September 2017 anführt. Der Ehemann gab des Weiteren an, dass sie nach dem Kennenlernen Kontakt mittels WhatsApp und (Video)Anrufen gehabt hätten. Sie hätten „jeden Tag Stunden miteinander gesprochen“ und nach seiner Reise „jeden Tag telefoniert“ (Verhandlungsschrift S 7). Zum Antrag gab der Ehemann wörtlich an (Verhandlungsschrift S 7): „Wir hatten Kontakt und ich habe dann gesagt: ‚Ich liebe Dich und ich würde Dich gerne heiraten‘.“ bzw. „Wir haben nach meiner Reise eben jeden Tag telefoniert, nach zwei bis drei Monaten ca. habe ich sie gefragt, ob sie mich heiraten will. Sie hat gesagt: Ja.“ Der Ehemann schilderte auch, dass er mit seiner Mutter darüber geredet habe und dass natürlich auch die Verwandten von ihr und ihm miteinander gesprochen hätten (Verhandlungsschrift S 7). Es sei dann mit der Familie das Heiraten am 10. Oktober 2017 ausgemacht worden (Verhandlungsschrift S 8). Zur Eheschließung selbst ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin unstrittig persönlich anwesend war. Der Ehemann war hingegen unstrittig nicht persönlich anwesend, sondern nahm mittels Videotelefonie an der Eheschließung teil (Verhandlungsschrift S 8). Dies wurde bereits im Schreiben vom 13. September 2019 mit beruflichen Verpflichtungen begründet und es wurde die Abwesenheit auch in der Verhandlung mit fehlendem Urlaub und damit begründet, dass der Ehemann als Lehrling kein Geld für die Flugreise gespart gehabt habe (Verhandlungsschrift S 7).

Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin und der Ehemann mehrmals aus freiem Willen bejaht hätten, dass sie einander heiraten wollen, ergibt sich aus den Angaben des Ehemannes (Verhandlungsschrift S 8): „Bei uns ist das so, dass der Mullah ein paar Sätze auf iran liest. Ich muss z.B. auf die Frage sagen, ob ich meine Frau heiraten will, ‚Ja‘. Das habe ich getan. Es wird alles ein paar Mal wiederholt, ich habe gesagt, dass ich heiraten will und meine Frau hat auch gesagt, dass sie heiraten will.“ Der Ehemann bestätigte auf weitere Befragung in der Verhandlung auch nochmals, dass die Beschwerdeführerin „Ja“ gesagt habe und er bejahte auch die Frage, ob ihn seine Frau von sich aus heiraten habe wollen (Verhandlungsschrift S 8). Auf die Frage, ob es Druck von einer der Familien gegeben habe, antwortete er (Verhandlungsschrift S 8): „Nein, das war nur auf Grund von Liebe zwischen mir und meiner Frau.“ Es habe auch keine Bedingungen gegeben – wie etwa, dass die Ehe nur gültig sein solle, wenn die Beschwerdeführerin nach Österreich kommen dürfe (Verhandlungsschrift S 8). Darüber hinaus gab auch der Rechtsanwalt der Beschwerdeführerin als deren informierter Vertreter an, dass es aus seiner Sicht eine Liebesheirat gewesen sei (Verhandlungsschrift S 3). Auf die Frage, ob er sagen könne, dass es der freie Wille beider Ehepartner gewesen sei zu heiraten, gab der Rechtsanwalt an (Verhandlungsschrift S 4): „Ich habe mit der Beschwerdeführerin in Anwesenheit des Zeugen telefoniert, das war um Informationen im Verfahren einzuholen. Soweit ich mich erinnere, habe ich auch einmal privat telefoniert, natürlich habe ich aber meine Wahrnehmungen primär vom Zeugen. Ich hatte immer den Eindruck, dass die Ehe aus freiem Willen geschah und es eine Liebesbeziehung ist.“ Festzuhalten ist, dass keine Anhaltspunkte oder gar Beweisergebnisse dahingehend vorliegen, dass die Ehe von einem der Ehepartner nicht aus freiem Willen geschlossen worden wäre.

Die Teilnehmer an der Eheschließung ergeben sich insbesondere aus der Aufzählung durch den Ehemann (Verhandlungsschrift S 8). Der Ehemann hat in der Verhandlung auch geschildert, dass er im Dezember 2017 in den Iran gereist sei, wo sie die Registrierung bei der afghanischen Botschaft vorgenommen hätten (Verhandlungsschrift S 7). Zu dieser Reise liegen auch Kopien der Flugtickets und das iranische Visum vor. Die Vorlage der Heiratsurkunde bei den iranischen Behörden wurde bereits in der Beschwerde (S 3) angegeben und es wurde dazu auch eine Bestätigung vorgelegt. Zur Hochzeitsfeier und zur Hochzeitsreise ist ebenso auf die Angaben des Ehemannes zu verweisen und darauf, dass im Verfahren auch Fotos vorgelegt und in der Verhandlung weitere Fotos vorgezeigt wurden (Verhandlungsschrift S 9 f.). Dass die Ehe vollzogen wurde, hat der Ehemann angegeben (Verhandlungsschrift S 10). In der Verhandlung wurde auch angegeben, dass die Beschwerdeführerin seit der Eheschließung bei der Mutter des Ehemannes wohnt (Verhandlungsschrift S 3) und es wurden auch die Besuche 2018 und 2019 geschildert (Verhandlungsschrift S 10); der Besuch 2018 ist dabei auch durch die im Verwaltungsakt befindliche Reisepasskopie samt den darin ersichtlichen Stempeln untermauert. Der Ehemann gab auch an, dass die Beschwerdeführerin und er nach wie vor regelmäßig (täglich) Kontakt hätten (Verhandlungsschrift S 10).

Die Feststellung, wonach die zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Ehemann geschlossene Ehe sowohl nach afghanischem als auch nach iranischem Recht gültig und anerkannt ist, ergibt sich aus den in der Verhandlung zum Akt genommenen Anfragebeantwortungen. Aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 11. April 2018 ergibt sich dabei, dass eine traditionelle islamische Ehe über Telefon geschlossen werden kann und dass dies auch in Übereinstimmung mit dem iranischen Zivilgesetzbuch steht. Aus der Accord-Anfragebeantwortung vom 17. Mai 2019 (die auch schon in der Beschwerde auszugsweise zitiert wurde) ergibt sich, dass die traditionelle Eheschließung mit nachträglicher Registrierung bei der afghanischen Botschaft die üblicherweise gepflogene Vorgehensweise bei der Verehelichung von im Iran lebenden Afghanen darstellt (vgl. insb. etwa S 1 betreffend einen Bericht von ** aus November 2017, S 3 betreffend einen Bericht von Migrationsverket aus Februar 2019 und S 5 betreffend eine Auskunft der iranischen Botschaft in Wien von Mai 2019). Festzuhalten ist zudem, dass sich schon alleine aus der Tatsache der Ausstellung der Heiratsurkunde ergibt, dass die Ehe von den (afghanischen) Behörden als gültig angesehen wird. Davon abgesehen ist darauf hinzuweisen, dass die grundsätzliche Gültigkeit und Anerkennung der Ehe im Verfahren auch zu keiner Zeit bezweifelt wurde (insb. weder von Behördenseite noch seitens der Österreichischen Botschaft in Teheran). Die weiteren Feststellungen zum iranischen Ehegesetz basieren auf der genannten Accord-Anfragebeantwortung, die auf das Thema Registrierung detaillierter eingeht (S 5 f.),

Die Feststellungen zur Unterkunft in Österreich basieren insbesondere auf dem vorliegenden Mietvertrag, den im Zentralen Melderegister enthaltenen Daten und auf den Angaben des Ehemannes der Beschwerdeführerin in der Verhandlung (Verhandlungsschrift S 6). Zum Mietzins ist auch auf die vorliegenden Kontoauszüge zu verweisen.

Zur Arbeitstätigkeit des Ehemannes der Beschwerdeführerin ist insbesondere auf seine Versicherungsdaten, den Lehrvertrag und das Lehrabschlussprüfungszeugnis, den Dienstvertrag und die Verdienstnachweise zu verweisen. Der aktuelle monatliche Bruttolohn des Ehemannes wurde dabei den für das Jahr 2020 vorgelegten Verdienstnachweisen entnommen. Der festgestellte monatliche Nettobetrag inklusive Sonderzahlungen ergibt sich unter Heranziehung des BMF-Brutto-Netto-Rechners. Die zur Überstundenvergütung, dem Feiertagsentgelt samt Zuschlägen, sowie den Zulagen festgestellten Werte basieren auf den für Jänner bis September 2020 vorgelegten Verdienstnachweisen und stellen das Ergebnis einer Durchschnittsrechnung dar. Darauf hinzuweisen ist, dass der Ehemann in der Verhandlung bezüglich der Überstunden angegeben hat, dass er solche nicht immer mache, aber dass sie beispielsweise bei Personalausfall die Schicht der Kollegen übernehmen würden. Momentan hätten sie wenig Personal und er bekomme ein bis zwei Tage Überstunden im Monat, wobei er glaube, dass das auch in den nächsten zwölf Monaten so weitergehen werde (Verhandlungsschrift S 5). Zu den Ersparnissen des Ehemannes ist auf den in der Verhandlung vorgelegten Kontoauszug sowie auf die dazu getätigten Ausführungen zu verweisen (Verhandlungsschrift S 5). Zu den regelmäßigen Aufwendungen ist insbesondere auf die Mitteilung vom 1. Juli 2020 samt den dabei vorgelegten Kontoauszügen zu verweisen sowie auf die diesbezüglichen Angaben des Ehemannes in der Verhandlung (Verhandlungsschrift S 6). Der Ehemann hat auch ausdrücklich verneint, Schulden oder Kredite zu haben und er hat selbiges auch hinsichtlich der Beschwerdeführerin verneint (Verhandlungsschrift S 6). Darauf hinzuweisen ist, dass der Ehemann auch bereits bei der belangten Behörde erklärt hat, dass er für keine Kinder aufkommen und auch keine Alimente bezahlen müsse, und dass der aktenkundige KSV1870-Auszug keine Einträge enthält.

Zu den weiteren Feststellungen ist festzuhalten, dass der Anspruch der Beschwerdeführerin auf einen alle Risken abdeckenden und in Österreich leistungspflichtigen Krankenversicherungsschutz mit Blick auf § 123 Abs. 1 ASVG nicht zweifelhaft ist. Zum Quotenplatz der Beschwerdeführerin ist auf den entsprechenden behördlichen Aktenvermerk zu verweisen. Zu den Sprachkenntnissen ist auf das aktenkundige Zertifikat und das genannte E-Mail vom 8. April 2019 zu verweisen.

Die Feststellungen, wonach aufenthaltsbeendende Maßnahmen oder ein Einreiseverbot gegen die Beschwerdeführerin nicht verhängt wurden und wonach die Beschwerdeführerin wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet nicht bestraft wurde, ergeben sich mangels gegenteiliger Anhaltspunkte (s. dazu insb. auch die aktenkundigen Abfragen des Zentralen Fremdenregisters). Ebenso liegen keinerlei Anhaltspunkte für eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumpflichtigen Zeitraumes vor.

Des Weiteren scheint im Strafregister der Republik Österreich gemäß hg. durchgeführten Abfragen keine Verurteilung der Beschwerdeführerin auf. Zur Mitteilung der Landespolizeidirektion Niederösterreich, zu den aus dem Iran vorgelegten Führungszeugnisses (zuletzt vom 10. August 2020) und zum Schengener Informationssystem ist wiederum auf die Aktenlage zu verweisen. Auch dafür, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtsobjekt wesentlich beeinträchtigen würde, liegen keine Anhaltspunkte vor. Zum aktuellen Lichtbild ist auf die zuletzt erfolgte Urkundenvorlage zu verweisen, zur Gültigkeit des Reisepasses auf den im Verfahren vorgelegten Reisepass.

3.       Maßgebliche Rechtslage:

3.1. § 46 Abs. 1 Z 2 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, (NAG) lautet:

„Bestimmungen über die Familienzusammenführung

§ 46. (1) Familienangehörigen von Drittstaatsangehörigen ist ein Aufenthaltstitel ‚Rot-Weiß-Rot – Karte plus‘ zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen, und

[…]

2. ein Quotenplatz vorhanden ist und der Zusammenführende

a) einen Aufenthaltstitel ‚Daueraufenthalt – EU‘ innehat,

b) einen Aufenthaltstitel ‚Rot-Weiß-Rot – Karte plus‘, ausgenommen einen solchen gemäß § 41a Abs. 1, 4 oder 7a innehat,

c) Asylberechtigter ist und § 34 Abs. 2 AsylG 2005 nicht gilt, oder

d. als unionsrechtlich aufenthaltsberechtigter Drittstaatsangehöriger über eine Aufenthaltskarte gemäß § 54 oder eine Daueraufenthaltskarte gemäß § 54a verfügt.“

3.2. § 2 Abs. 1 Z 9 NAG lautet:

㤠2. (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist

[…]

9. Familienangehöriger: wer Ehegatte oder minderjähriges lediges Kind, einschließlich Adoptiv- oder Stiefkind, ist (Kernfamilie); dies gilt weiters auch für eingetragene Partner; Ehegatten und eingetragene Partner müssen das 21. Lebensjahr zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits vollendet haben; lebt im Fall einer Mehrfachehe bereits ein Ehegatte gemeinsam mit dem Zusammenführenden im Bundesgebiet, so sind die weiteren Ehegatten keine anspruchsberechtigten Familienangehörigen zur Erlangung eines Aufenthaltstitels;“

4.       Erwägungen des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich:

4.1. Zur Erteilung des Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“:

4.1.1. Die belangte Behörde stützte die Abweisung des Antrages der Beschwerdeführerin auf erstmalige Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ (§ 46 Abs. 1 Z 2 iVm § 8 Abs. 1 Z 2 NAG) ausschließlich auf das Vorliegen eines Verstoßes gegen den ordre public wegen Vorliegens einer Stellvertreterehe.

Dazu ist Folgendes auszuführen:

Gemäß der Vorbehaltsklausel des § 6 IPRG ist eine Bestimmung des fremden Rechts dann nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, das mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar ist. An ihrer Stelle ist erforderlichenfalls die entsprechende Bestimmung des österreichischen Rechtes anzuwenden.

Von dieser Ausnahme ist sparsamster Gebrauch zu machen, ein Abweichen von zwingenden österreichischen Vorschriften ist nicht bereits per se ein ordre public-Verstoß. Schutzobjekt sind primär die „Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung“ (vgl. etwa VwGH 14.3.2019, Ra 2018/18/0534). Dabei spielen Verfassungsgrundsätze eine tragende Rolle, wie das Recht auf persönliche Freiheit, Gleichberechtigung, das Verbot abstammungsmäßiger, rassischer und konfessioneller Diskriminierung. Außerhalb der verfassungsrechtlich geschützten Grundwertungen zählen etwa das Verbot der Kinderehe, des Ehezwangs, der Schutz des Kindeswohls im Kindschaftsrecht oder das Verbot der Ausbeutung zu den geschützten Grundwertungen. Auch die Gleichberechtigung von Mann und Frau gehört zu den Grundwertungen des österreichischen Rechts. Maßgebend ist allein das Ergebnis der Anwendung des fremden Rechts im konkreten Fall, nicht dessen abstrakter Inhalt. Zweck der Vorbehaltsklausel ist allein die Verhinderung eines materiell untragbaren Ergebnisses im Einzelfall (vgl. etwa jüngst VwGH 3.7.2020, Ra 2020/14/0006, mwH). Es muss die „Unerträglichkeit des konkreten Ergebnisses im Einzelfall“ vorliegen (vgl. etwa Verschraegen in Rummel ABGB3 Rz 4 zu § 6 IPRG [Stand 1.1.2004, rdb.at]; VfGH 10.10.2018, E 1805/2018 ua.).

Eine solche Unerträglichkeit des konkreten Ergebnisses im Einzelfall ist im vorliegenden Fall nicht zu erkennen. Wie sich aus den getroffenen Feststellungen ergibt, haben sich die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann im Iran kennengelernt und dort auch persönlich gesehen. Sie hielten seit der persönlichen Begegnung regelmäßig (täglich) Kontakt mittels Textnachrichten und mittels (Video)Telefonie und sie lernten sich so näher kennen. Nach etwa zwei bis drei Monaten sagte der nunmehrige Ehemann der Beschwerdeführerin, dass er sie liebe, und er fragte sie, ob sie ihn heiraten wolle. Die Beschwerdeführerin bejahte. Bei der sodann ausgemachten traditionellen Eheschließung war die Beschwerdeführerin persönlich anwesend und der Ehemann – der aus beruflichen Gründen und mangels hinreichender Ersparnisse nicht in den Iran fliegen konnte – mittels Videotelefonie. Es bejahten sowohl der (volljährige) Ehemann als auch die (volljährige) Beschwerdeführerin mehrmals aus freiem Willen, dass sie einander heiraten wollen. Die spätere Registrierung nahmen die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann gemeinsam persönlich vor und es wurde in Anwesenheit des Ehemannes eine Hochzeitsfeier durchgeführt. Es wurde eine Hochzeitsreise unternommen und es wurde die Ehe vollzogen. Persönlicher Kontakt bestand seitdem auch in den Jahren 2018 und 2019 und es besteht nach wie vor regelmäßig (täglich) Kontakt mittels Textnachrichten und mittels Videotelefonie (vgl. zu einem derartigen Kontakt und Art. 8 EMRK im Übrigen auch etwa jüngst VfGH 8.6.2020, E 817/2020).

Es ist vor diesem Hintergrund nicht zu erkennen, dass die Anerkennung der nach der Ortsform (§ 16 Abs. 2 zweiter Halbsatz IPRG) als rechtsgültig zu qualifizierenden Ehe zu einem mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung in Widerspruch stehenden Ergebnis führen würde. Insbesondere liegen keinerlei Anhaltspunkte dahingehend vor, dass entgegen den getroffenen Feststellungen die Eheschließung gegen den Willen eines der Ehepartner erfolgt wäre.

Festzuhalten ist, dass der Verwaltungsgerichtshof betreffend ausländisches Eherecht bereits ausgeführt hat, dass eine die Formvorschriften des Ortes der Eheschließung erfüllende Ehe grundsätzlich gültig ist (vgl. etwa VwGH 4.10.2018, Ra 2018/18/0149). Aus der Judikatur ergibt sich auch, dass mit Blick auf die Eheschließungsfreiheit die Eheschließung mit einem Partner, zu dem man vorher gar keinen oder seit mehreren Jahren keinen persönlichen Kontakt gehabt hat, bedenklich sein kann (vgl. VwGH 19.9.2017, Ra 2016/20/0068). Fallbezogen hat der Gerichtshof allerdings bei Fehlen inhaltlicher Vorbehalte gegen die Ehe weder eine Abwesenheit eines Ehepartners bei der formalen nachträglichen Registrierung einer traditionellen Eheschließung (vgl. etwa VwGH 14.3.2019, Ra 2018/18/0534) noch eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt bei der Eheschließung selbst beanstandet (vgl. VwGH 25.4.2019, Ra 2019/22/0043).

Darauf hinzuweisen ist, dass die belangte Behörde weder im angefochtenen Bescheid noch im Beschwerdeverfahren konkret dargelegt hat, weshalb im vorliegenden Fall ein mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbares Ergebnis vorliegen sollte. Seitens der Behörde wurde auch keine Stellungnahme zu den Beschwerdeausführungen abgegeben und es erfolgte auch keine Verhandlungsteilnahme.

4.1.2. Wie aus den getroffenen Feststellungen ersichtlich ist, sind im vorliegenden Fall auch die weiteren gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung des von der Beschwerdeführerin begehrten Aufenthaltstitels erfüllt. Erteilungshindernisse liegen nicht vor. Gegenteiliges wurde seitens der belangten Behörde auch zu keiner Zeit vorgebracht. Insbesondere ist Folgendes auszuführen:

a) Zum gesicherten Lebensunterhalt:

Gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 NAG iVm § 11 Abs. 5 NAG dürfen einem Fremden Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte. Der Nachweis des gesicherten Lebensunterhaltes knüpft dabei an die Richtsätze des § 293 ASVG an (vgl. etwa VwGH 22.3.2018, Ra 2017/22/0186).

Aktuell beträgt der Ehegattenrichtsatz 1.524,99 Euro (§ 293 Abs. 1 lit. a sublit. aa ASVG iVm § 727 Abs. 2 ASVG).

Die Prüfung, ob der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, ob also ausreichende Unterhaltsmittel zur Verfügung stehen, hat durch eine Prognose über die Erzielbarkeit ausreichender Mittel zu erfolgen (vgl. etwa VwGH 23.11.2017, Ra 2017/22/0144; VfGH 4.10.2018, G 133/2018).

Für die Berechnung der Unterhaltsmittel maßgeblich ist dabei jenes Einkommen, das dann erzielt wird, wenn dem Fremden der begehrte Aufenthaltstitel erteilt wird (vgl. VwGH 20.10.2011, 2009/18/0122). Bei der Berechnung des vorhandenen Einkommens sind die anteiligen Sonderzahlungen ebenso zu berücksichtigen wie etwa Überstundenpauschalen (vgl. VwGH 21.6.2011, 2008/22/0356). Hinsichtlich Zulagen ist festzuhalten, dass Gefahren- und Erschwerniszulagen Entgeltcharakter aufweisen und in der Regel auch Montagezulagen; auch Schmutzzulagen sind im Zweifel als Entgelt – und nicht als bloße Aufwandsentschädigung – zu werten (vgl. etwa Kraft, Anträge und Anzeigen des Drittschuldners, ÖRPfl 2014 H1, S 27; OLG Wien 21.9.2009, 10 Ra 66/09p, ARD 6063/4/2010). Darüber hinaus kommt der Nachweis ausreichender Unterhaltsmittel auch durch Sparguthaben in Betracht (vgl. etwa VwGH 10.9.2013, 2013/18/0046; VfGH 4.10.2018, G 133/2018).

§ 11 Abs. 5 zweiter Satz NAG zählt jene Beträge („regelmäßige Aufwendungen“) demonstrativ auf, die vom Einkommen in Abzug zu bringen sind, wobei jedoch – sofern tatsächlich Aufwendungen in dieser Höhe anfallen – einmal ein Betrag in Höhe des sog. „Werts der freien Station“ (aktuell 299,95 Euro) unberücksichtigt zu bleiben hat (vgl. etwa VwGH 28.5.2015, Ra 2015/22/0009).

Unter Zugrundelegung dieser Vorgaben ist im vorliegenden Fall von einem gesicherten Lebensunterhalt auszugehen.

Der Ehemann der Beschwerdeführerin ist seit seinem Lehrabschluss als Metalltechniker bzw. Maschinenbautechniker beschäftigt und bezieht aus seiner Arbeitstätigkeit inklusive Sonderzahlungen einen monatlichen Nettobetrag von 1.991,09 Euro. Zusätzlich erhält er Überstundenvergütung, Feiertagsentgelt samt Zuschläge sowie Zulagen (wobei keine Anhaltspunkte vorliegen, dass es sich dabei um bloße Aufwandsentschädigungen handeln würde), insgesamt durchschnittlich 735,36 Euro brutto im Monat. Selbst bei konservativster Berechnung (50%iger Steuersatz) ist daher mit einem weiteren monatlichen Nettobetrag von 367,68 Euro zu rechnen. Des Weiteren sind auch die vorhandenen Ersparnisse zu berücksichtigen, die dem Einkommen für einen zwölfmonatigen Zeitraum weitere 666,67 Euro hinzufügen. Gesamt ergibt sich somit ein zu berücksichtigendes Einkommen in Höhe von 3.025,44 Euro. Von diesem Betrag sind die regelmäßigen Aufwendungen in Höhe von insgesamt 737,27 Euro abzuziehen, was unter Berücksichtigung des Wertes der freien Station einen Abzugsbetrag von 437,32 Euro und damit ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 2.588,12 Euro ergibt.

Der gesetzliche Richtsatz für ein Ehepaar (1.524,99 Euro) wird somit deutlich überschritten.

Gründe, die nahelegen würden, dass das Einkommen im zwölfmonatigen Prognosezeitraum maßgeblich niedriger anzunehmen wäre, sind nicht zu erkennen. Ebensowenig ist davon auszugehen, dass in diesem Zeitraum mit maßgeblich höheren regelmäßigen Aufwendungen zu rechnen wäre. Es ist somit nicht davon auszugehen, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich zur finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte. Darauf hinzuweisen ist zudem, dass grundsätzlich auch eine bloß geringfügige Unterschreitung unschädlich wäre (vgl. dazu etwa VwGH 8.10.2019, Ra 2018/22/0260).

Die Beschwerdeführerin erfüllt somit auch die Voraussetzung der § 11 Abs. 2 Z 4 iVm § 11 Abs. 5 NAG.

b) Zum Rechtsanspruch auf eine ortsübliche Unterkunft:

Gemäß § 11 Abs. 2 Z 2 NAG dürfen einem Fremden Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird.

Zum Rechtsanspruch auf eine ortsübliche Unterkunft ist festzuhalten, dass ein Mietvertrag in der Regel einen Rechtsanspruch auf die gemietete Unterkunft verschafft (vgl. etwa VwSlg. 15.504 A/2000) und dass generelle Mitbenützungsrechte an einer Wohnung auf Grund familienrechtlicher Titel zur Erfüllung der Erteilungsvoraussetzung ausreichen (vgl. etwa VwGH 5.5.2011, 2008/22/0508). Des Weiteren hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass im Regelfall – selbst bei einem nur eingeschränkt kündbaren Mietvertrag – nicht garantiert werden kann, dass gerade eine bestimmte Unterkunft über den gesamten Zeitraum der Gültigkeit des Aufenthaltstitels zur Verfügung stehen wird, weil eine gewisse rechtliche und/oder tatsächliche Unsicherheit vorhanden ist. Deshalb ist in einer Prognoseentscheidung zu beurteilen ist, ob begründete Aussicht besteht, dass der Fremde (bzw. der zusammenführende Familienangehörige) in der Lage sein wird, seine Wohnbedürfnisse bzw. die der Familie befriedigen zu können, ohne wegen Obdachlosigkeit eine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darzustellen oder eine Gebietskörperschaft finanziell zu belasten (s. VwGH 9.9.2014, Ro 2014/22/0032).

Zur Ortsüblichkeit einer Unterkunft hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zu § 5 Abs. 1 AufG und § 8 Abs. 5 FrG 1997 (den Vorgängerbestimmungen des § 11 Abs. 2 Z 2 NAG) und dem darin enthaltenen Erfordernis einer „für Inländer ortsüblichen Unterkunft“ ausgeführt, dass die Behörde dann, wenn sie die Ortsüblichkeit einer von einem Antragsteller zur Verfügung stehend angegebenen Wohnung in Zweifel zieht, Feststellungen über die Beschaffenheit der Wohnung zu treffen und zu ermitteln und darzulegen hat, ob Inländer mit vergleichbarer Familienstruktur und sozialer Schichtung in vergleichbaren Wohngegenden (Bezirksteilen) zu einem noch ins Gewicht fallenden Anteil vergleichbare Wohnungen so nutzen, wie es fallbezogen beabsichtigt ist (vgl. etwa VwGH 14.5.1999, 97/19/1352). Der Verwaltungsgerichtshof hat dabei in seiner einschlägigen Rechtsprechung aufgezeigt, dass keine allgemein gültigen Grundsätze hinsichtlich Wohnungsgröße sowie Anzahl und Alter der Bewohner bestehen. Ausdrücklich festgehalten hat der Gerichtshof etwa, dass auch „beengte Wohnverhältnisse“ ortsüblich sein können (vgl. VwSlg. 15.416 A/2000) und er hat insbesondere betont, dass es sich bei der behördlichen Feststellung, eine für Inländer ortsübliche Unterkunft liege nur dann vor, wenn auf jede der dort gemeinsam wohnenden Personen mindestens 10 m2 an Nutzfläche entfalle, nicht um eine offenkundige Tatsache handle (vgl. etwa VwGH 28.2.1997, 95/19/0566).

Im Lichte dieser Rechtsprechung und ausgehend von den getroffenen Feststellungen (Mietvertrag; Wohnungsgröße) ist im vorliegenden Fall sowohl der gesetzlich geforderte Rechtsanspruch als auch die Ortsüblichkeit der zur Verfügung stehenden Unterkunft unzweifelhaft gegeben (vgl. zur Ortsüblichkeit auch etwa VwGH 24.11.2000, 98/19/0181). Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin bzw. ihr Ehemann in den nächsten zwölf Monaten ihre Wohnbedürfnisse nicht mehr befriedigen könnten und die Gefahr der Obdachlosigkeit eintreten könnte, bestehen nicht. Die Prognoseentscheidung ist daher zu Gunsten der Beschwerdeführerin zu treffen.

Die Beschwerdeführerin erfüllt somit auch die Voraussetzung des § 11 Abs. 2 Z 2 NAG.

c) Des Weiteren wurden aufenthaltsbeendende Maßnahmen oder ein Einreiseverbot gegen die Beschwerdeführerin nicht verhängt und es ist auch das Vorliegen einer Aufenthaltsehe, eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumpflichtigen Aufenthaltes oder eine Bestrafung wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet nicht gegeben. Ebenso sind dem Aufenthalt widerstreitende öffentliche Interessen nicht zu erkennen (vgl. dazu etwa VwGH 19.9.2012, 2011/22/0161) und es ist ebenso nicht zu erkennen, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtsobjekt (wesentlich) beeinträchtigen würde. Der Anspruch auf eine alle Risken abdeckende und in Österreich leistungspflichtige Krankenversicherung ist mit Blick auf § 123 Abs. 1 ASVG nicht zweifelhaft (vgl. etwa VwGH 8.11.2018, Ra 2018/22/0168). Auch sind die gemäß § 21a NAG erforderlichen Sprachkenntnisse nachgewiesen, es verfügt die Beschwerdeführerin über einen Quotenplatz und sie hat zuletzt auch nochmals ein aktuelles Lichtbild vorgelegt. Der Ehemann der Beschwerdeführerin als Zusammenführender hat auch einen von § 46 Abs. 1 Z 2 NAG verlangten Aufenthaltstitel („Daueraufenthalt – EU“) inne.

4.1.3. Der Beschwerde ist somit stattzugeben und es ist der Beschwerdeführerin der beantragte Aufenthaltstitel – in konstitutiver Weise – zu erteilen (vgl. etwa VwGH 15.12.2015, Ra 2015/22/0125). Die Befristung auf zwölf Monate gründet sich auf § 20 Abs. 1 NAG. Gemäß § 19 Abs. 10 NAG hat die belangte Behörde nunmehr die Herstellung einer Aufenthaltstitelkarte zu beauftragen und diese auszufolgen.

4.2. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Derartige Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind im vorliegenden Fall nicht hervorgekommen. Die Erwägungen des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich folgen den in der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vorgegebenen Leitlinien und Grundsätzen. Das Vorliegen einer Rechtsfrage, die über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besäße, ist nicht zu erkennen (vgl. etwa VwGH 8.11.2018, Ra 2018/22/0211). Eine mündliche Verhandlung wurde durchgeführt.

Schlagworte

Fremden- und Aufenthaltsrecht; Rot-Weiß-Rot-Karte-plus; Familienzusammenführung; Eheschließung; Stellvertreterehe; Lebensunterhalt; ortsübliche Unterkunft;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.56.001.2020

Zuletzt aktualisiert am

29.01.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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