TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/15 I405 2162319-1

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Veröffentlicht am 15.09.2020
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Entscheidungsdatum

15.09.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §13 Abs1
AsylG 2005 §13 Abs2 Z1
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs3
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I405 2162319-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Sirma KAYA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX (alias XXXX), geb. XXXX, StA. Gambia, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48/3. Stock, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.06.2017, Zl. 830355106/1631335, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.08.2020, zu Recht:

A) I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I., II., III., V. und VI. als unbegründet abgewiesen.

II. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt IV. mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Spruchpunkt IV. wie folgt zu lauten hat:

"Gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG haben Sie Ihr Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 11.11.2014 verloren."

III. Die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt VII. wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Spruchpunkt VII. wie folgt zu lauten hat:

"Gemäß § 55 Abs. 2 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung."

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte am 19.03.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am 21.03.2013 polizeilich erstbefragt. Begründend führte er im Wesentlichen an, er habe in seinem Herkunftsstaat einen Unfall verschuldet und sei der Unfallgegner daraufhin verstorben. Aufgrund dessen drohe ihm nun eine lebenslange Haftstrafe bzw. die Todesstrafe.

2.       Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 07.11.2014 zu XXXX wurde der BF wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall und Abs. 3 SMG zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.

3.       Im Rahmen seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA, belangte Behörde) am 11.08.2015 wiederholte der BF im Wesentlichen seine bereits zu Protokoll gegebenen Fluchtgründe mit dem Zusatz, er sei überdies aufgrund der ihn treffenden Blutrache aus Gambia geflohen.

4.       Mit Verfahrensanordnung vom 02.12.2016 wurde dem BF der Verlust seines Aufenthaltsrechts im Bundesgebiet mitgeteilt.

5.       Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 16.12.2016 zu XXXX wurde der BF wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a SMG sowie des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Zudem wurde die mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 07.11.2014 zu XXXX gewährte Probezeit auf insgesamt fünf Jahre verlängert.

6.       Mit Schreiben der belangten Behörde vom 05.05.2017 wurde dem BF Parteiengehör gewährt und ihm zu den angeführten Fragen die Möglichkeit der Stellungnahme während einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung eingeräumt. Zudem wurden dem BF sowohl das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Gambia sowie eine Anfragebeantwortung zur Blutrache in Gambia vom 14.02.2017 beigelegt.

7.       Mit Bescheid vom 07.06.2017 wies die belangte Behörde den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Gambia (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den BF eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Gambia zulässig sei (Spruchpunkt III.). Zudem wurde festgestellt, dass der BF sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 02.12.2016 verloren habe (Spruchpunkt IV.) und wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt V.). Zugleich erkannte die belangte Behörde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VI.) und gewährte dem BF keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VII.).

8.       Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 20.06.2017, mit welcher eine inhaltliche Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie die Verletzung von Verfahrensvorschriften moniert wurden.

9.       Mit Schriftsatz vom 21.06.2017, eingelangt am 23.06.2017, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

10.      Mit Beschluss des erkennenden Gerichtes vom 27.06.2017, GZ: I405 2162319-1/3Z, wurde der Beschwerde des BF gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

11.      Am 11.08.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht die öffentliche mündliche Verhandlung statt, an welcher der BF, seine Rechtsberatung und ein Dolmetscher für die Sprache Mandingo teilnahmen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF:

Der volljährige BF ist gambischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Serahuli an und bekennt sich zum muslimischen Glauben. Seine Identität steht nicht fest.

Der BF leidet an keinen derartigen psychischen und physischen Beeinträchtigungen, welche einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat entgegenstehen, und ist arbeitsfähig.

Der BF reiste im Jahr 2013 unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und hält sich seit mindestens 19.03.2013 in Österreich auf. Er ist seitdem mit kurzen Unterbrechungen im Bundesgebiet gemeldet, wobei er zeitweise als obdachlos gemeledet war.

Der BF verfügt - abgesehen vom Besuch einer Koranschule - über keine Schulbildung und verdiente seinen Lebensunterhalt in Gambia als Verkäufer von Sand, welchen er mit einem Traktor zu den Abnehmern transportierte. Insofern hat der BF eine Chance, auch hinkünftig am gambischen Arbeitsmarkt unterzukommen.

In Österreich verfügt der BF über keine familiären Kontakte. Er führt jedoch seit zwei Jahren eine Beziehung mit einer in Österreich aufhältigen Frau, ein gemeinsamer Haushalt, ein intensives Pflege- oder Betreuungsverhältnis oder ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis liegt jedoch nicht vor. Darüber hinaus verfügt der BF über freundschaftliche Kontakte im Bundesgebiet.

Der BF bisher einen A1 Sprachkurs besucht bzw. besucht er aktuell einen weiteren A1 Sprachkurs. Des Weiteren ist er zur A1 Integrationsprüfung angetreten, die er jedoch nicht bestanden hat. Er hat an keinen beruflichen Aus- oder Weiterbildungen teilgenommen. Er ist auch nicht Mitglied eines Vereines oder sonstigen integrationsbegründenden Institution.

Der BF geht derzeit keiner Beschäftigung nach und bezieht Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Er ist nicht selbsterhaltungsfähig. Er war jedoch von September 2018 bis April 2019 beschäftigt, weswegen auch sein Grundversorgungsbezug reduziert wurde.

Der BF weist in Österreich zwei strafgerichtliche Verurteilungen auf:

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 07.11.2014 zu XXXX wurde der BF wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall und Abs. 3 SMG zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.

Zuletzt wurde der BF mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 16.12.2016 zu XXXX wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a SMG sowie des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Zudem wurde die mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 07.11.2014 zu XXXX gewährte Probezeit auf insgesamt fünf Jahre verlängert.

Insgesamt verfügt der BF über keine maßgeblichen Merkmale einer Integration in sprachlicher, beruflicher oder sozialer Hinsicht, auch wenn er darum bemüht ist.

1.2. Zu den Fluchtmotiven des BF:

Es konnte nicht festgestellt werden, dass dem BF als Verursacher eines Unfalls mit Todesfolge sowohl die Todesstrafe bzw. eine lebenslange Haftstrafe drohe und er der Blutrache ausgesetzt wäre. Somit konnte nicht festgestellt werden, dass der BF in Gambia aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt wird.

Der BF wird daher im Fall seiner Rückkehr nach Gambia mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.

1.3. Zur Lage in Gambia:

Die aktuelle Situation im Herkunftsstaat des BF stellt sich im Wesentlichen wie folgt dar:

1. Politische Lage

Gambia ist eine Präsidialrepublik. Staatsoberhaupt und Regierungschef ist seit 2017 Adama Barrow von der United Democratic Party - UDP (AA 16.10.2018). Barrow gewann im Dezember 2016 die Wahl gegen den Amtsinhaver Jammeh, der nach einer knapp zweimonatigen innenpolitischen Krise schließlich zur Aufgabe seines Amtes bereit war (AA 5.8.2019).

Seit den Präsidentschaftswahlen vom 1.12.2016, die als weitgehend frei und fair bezeichnet werden (KAS 16.5.2018; vgl. HRW 18.1.2018; FH 4.2.2019), befindet sich das Land in einem tief greifenden und anhaltenden demokratischen Transformations- und Demokratisierungsprozess. Der seit 22 Jahren autoritär regierende Präsident, Yaya Jammeh, wurde abgewählt und durch Adama Barrow ersetzt (KAS 16.5.2018).

Seither befinden sich im Auftrag der CEDEAO/ECOWAS und auf Bitten der neuen Regierung Militärtruppen in Gambia (KAS 16.5.2018; vgl. FH 4.2.2019; HRW 18.1.2018), um die Sicherheit des Transformationsprozesses und der aktuellen Regierung zu gewährleisten (KAS 16.5.2018). Die internationale Gemeinschaft hat der Barrow - Regierung erhebliche finanzielle Unterstützung gewährt, einschließlich der Unterstützung bei der Untersuchung vergangener Menschenrechtsverletzungen und der Reform der Sicherheitskräfte und der Justiz (HRW 18.1.2018).

Barrow spricht von einem „neuen Gambia“ - öffnet seither das Land nach außen und reformiert es nach innen (KAS 16.5.2018; vgl. HRW 18.1.2018). Direkt nach seiner Amtsübernahme erklärte Barrow sein Land zur Republik und ließ den Zusatz „Islamische Republik“ streichen. Er stärkt die Freiheit der Bürger, indem Militär- und Polizei-Checkpoints im Land reduziert werden und der Stellenwert von Meinungs- und Pressefreiheit öffentlich beteuert wurde (KAS 16.5.2018). Am 13. 12.2017 wurde das Gesetz der Wahrheits-, Versöhnungs- und Reparationskommission (TRRC) von der Nationalversammlung verabschiedet und vom Präsidenten am 13.1.2018 bestätigt (LHG 2018). Unter der Leitung des Ministeriums für Justiz wurde eine „Truth, Reconciliation and Reparation Commission“ eingerichtet, welche an der Aufklärung der unter der Regierung Jammeh verübten Menschenrechtsverletzungen arbeitet (AA 5.8.2019; vgl. KAS 16.5.2018; LHB 2018). In den meisten Fällen gab es keine wirksamen Ermittlungen und die Täter wurden nicht vor Gericht gestellt. Das TRRC-Gesetz sieht die Erstellung einer historischen Aufzeichnung über Art, Ursachen und Ausmaß der im Zeitraum Juli 1994 bis Jänner 2017 begangenen Verstöße und Verletzungen der Menschenrechte und die Gewährung einer Entschädigung für die Opfer vor (LHG 2018).

Ein wichtiges Reformvorhaben der Regierung Barrow ist der am 6.2.2018 vorgestellte nationale Entwicklungsplan (The Gambia National Development Plan), der als Grundlage der Beratung der Geberkonferenz am 22.5.2018 in Brüssel gilt. Der Entwicklungsplan betont die Wichtigkeit von Demokratie, guter Regierungsführung, Menschenrechte, sowie Sicherheit und Wohlstand für alle (KAS 16.5.2018). Die innenpolitische Reformbereitschaft Barrows in Gambia wird auch durch das Moratorium zur Abschaffung der Todesstrafe deutlich, das am 18.2.2018 in Kraft trat. Vorerst wurden keine Hinrichtungen mehr vorgenommen, die Abschaffung der Todesstrafe soll noch folgen (KAS 16.5.2018).

In Gambia fanden am 12.4.2018 und am 12.5.2018 Lokal- und Kommunalwahlen statt. Die Wahlen verliefen friedlich ohne Zwischenfälle (KAS 16.5.2018; vgl. UNSC 29.6.2018). Als Bürgermeisterin in der Hauptstadt Banjul wurde mit Rohey Malick Lowe, erstmals eine Frau gewählt (KAS 16.5.2018). Die Vereinigte Demokratische Partei unter der Leitung von Außenminister Ousainou Darboe gewann die Mehrheit der Sitze, während die Alliance for Patriotic Reorientation and Construction of Ex-Präsident Yahya Jammeh weniger als 15 % der Sitze erlangte. In der Zwischenzeit hat die Regierung weitere Fortschritte gemacht bei der eine Reihe von Reformprozessen, unter anderem in den Bereichen Sicherheitssektor Reform und Übergangsjustiz, durchgeführt wurden (UNSC 29.6.2018).

Die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen Gambias ähneln einer Herkulesaufgabe und stehen unter Zeitdruck. Die Bevölkerung erwartet sichtbare Resultate in der Dezentralisierung des Landes, in der Schaffung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen sowie in der Verbesserung ihrer persönlichen Lebenssituation. Dazu gehört auch ein Sicherheitsgefühl im öffentlichen Raum, die Reform des Sicherheitsapparates, die Aufarbeitung der Schreckenstaten während des Jammeh-Regimes und die sichtbare Entwicklung der Infrastruktur des Landes (KAS 16.5.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (16.10.2018): Gambia: Überblick, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/gambia-node/gambia/213610, Zugriff 26.11.2019

- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.8.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014284/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Gambia_%28Stand_Juli_2019%29%2C_05.08.2019.pdf, Zugriff 25.11.2019

- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Gambia, The, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2019/gambia, Zugriff 26.11.2019

- HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Gambia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422435.html, Zugriff 18.9.2018

- KAS – Konrad-Adenauer-Stiftung (16.5.2018): Ein Jahr Demokratie in Gambia, http://www.kas.de/wf/doc/kas_52476-544-1-30.pdf?180516145500, Zugriff 4.9.2018

- LHB - Law Hub Gambia (2018): Truth, Reconciliation and Reparations Commission (TRRC) Act, https://www.lawhubgambia.com/truth-reconciliation-reparations-commission/, Zugriff 27.9.2018

- UNSC - UN Security Council (29.6.2018): Report of the Secretary-General on the activities of the United Nations Office for West Africa and the Sahel, https://www.ecoi.net/en/file/local/1438086/1226_1531382798_n1817627.pdf, Zugriff 6.9.2018

2. Sicherheitslage

Laut France Diplomatie wird im gesamten Staatsgebiet zu erhöhter Wachsamkeit aufgerufen (FD 14.1.2020; vgl. BMEIA 3.12.2019), vor allem wegen Aktivitäten krimineller Netzwerke in entlegenen Teilen entlang der südlichen Grenze zum Senegal (BMEIA 3.12.2019). Gambia blieb bisher von terroristischen Anschlägen verschont. Angesichts möglicher terroristischer Aktivitäten in der ganzen Region Westafrika können jedoch auch in Gambia Anschläge gegen westliche Einrichtungen oder Staatsangehörige nicht ausgeschlossen werden (AA 8.1.2020). Im Rest des Landes wird ein erhöhtes Sicherheitsrisiko ausgerufen (BMEIA 3.12.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (8.1.2020): Reise & Sicherheit - Gambia - Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/gambia-node/gambiasicherheit/213624, Zugriff 16.1.2020

- BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (3.12.2019): Reise & Aufenthalt - Gambia - Sicherheit und Kriminalität, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/gambia/, Zugriff 16.1.2020

- FD - France Diplomatie (14.1.2020): Conseils par pays, Gambie, Sécurité, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/gambie/, Zugriff 16.1.2020

3. Rechtsschutz / Justizwesen

Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor und die Regierung respektiert die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz (USDOS 11.3.2020). Die Verfassung garantiert allen Bürgern den Zugang zu einer unabhängigen Justiz und das Recht auf Verteidigung (EASO 12.2017).

Nach dem Regierungswechsel Anfang 2017 kündigte Barrow an, dass er Jammehs Entscheidung, Gambia den Internationalen Strafgerichtshof zu verlassen, rückgängig machen werde (EASO 12.2017). Er ernannte einen ehemaligen Sonderbeauftragten und Staatsanwalt des Internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda auf die höchste Position der gambischen Justiz. Barrow erklärte, dies seien Zeichen der Unabhängigkeit der Justiz und Schritte auf dem Weg zur institutionellen und rechtlichen Reform (EASO 12.2017).

Eine verfassungsgebende Kommission hat im Mai 2018 ihre Arbeit aufgenommen mit dem Ziel, bis Ende 2019 einen Verfassungsentwurf vorzulegen, über den 2020 per Referendum entschieden werden soll (AA 5.8.2019). Auch Amnesty International forderte Ende April 2017 die Regierung auf, Reformen durchzuführen und mehr Mittel in folgenden Bereichen der Justiz bereitzustellen: die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz zu stärken; Organisationen wie die National Agency for Legal Aid (NALA), die Gambia Bar Association und die Female Lawyers Association Gambia zu unterstützen; sicherzustellen, dass Folter als Straftatbestand in das Strafgesetzbuch aufgenommen wird (EASO 12.2017).

Die Justiz wird durch Korruption und Ineffizienz behindert und die Exekutive dominiert die gerichtlichen Verfahren (FH 4.2.2019; vgl. PFD 3.12.2019). Justizmitarbeiter sind eingeschüchtert und unzureichend ausgebildet, es fehlt an Arbeitsmaterialien und Infrastruktur, wodurch die Unabhängigkeit der Justiz infrage gestellt wird (PFD 3.12.2019).

Die Regierung Barrow ernennt mehr gambische Staatsbürger ins Richteramt, dennoch bleibt die Jurisdiktion von ausländischen Richtern abhängig (FH 4.2.2019). Von Februar bis November 2017 ernannte Barrow neue Richter am Obersten Gerichtshof (EASO 12.2017, vgl. HRW 18.1.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.8.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014284/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Gambia_%28Stand_Juli_2019%29%2C_05.08.2019.pdf, Zugriff 25.11.2019

- EASO - European Asylum Support Office (12.2017): The Gambia - Country Focus, https://www.ecoi.net/en/file/local/1419801/90_1513324824_easo-201712-coi-report-gambia.pdf, Zugriff 18.9.2018

- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Gambia, The, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2019/gambia, Zugriff 26.11.2019

- HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Gambia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422435.html Zugriff 18.9.2018

- PFD – the Point for Freedom and Democracy (3.12.2019): UN rapporteur urges Gambia to reform judicial system, http://thepoint.gm/africa/gambia/article/un-rapporteur-urges-gambia-to-reform-judicial-system, Zugriff 3.12.2019

- USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: The Gambia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/GAMBIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 17.3.2020

4. Sicherheitsbehörden

Die zivilen Behörden behalten eine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte. Das Militärpersonal der ECOWAS bleibt weiterhin im Land (USDOS 11.3.2020).

Die Gambia Armed Forces – GFA (Streitkräfte) sind für die externe Verteidigung zuständig und stehen unter der Aufsicht des Verteidigungsministers; der Präsident ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte (USDOS 11.3.2020); vgl. EASO 12.2017). Der Nationale Geheimdienst untersteht direkt dem Präsidenten (EASO 12.2017). Das Innenministerium ist für die Gambia Police Force (GPF) verantwortlich, die die innere Sicherheit gewährleistet (USDOS 11.3.2020; vgl. EASO 12.2017).

Im Februar 2017 wurde die National Intelligence Agency (NIA), die unter der früheren Regierung Folter und willkürliche Inhaftierung praktizierte, in State Intelligence Services (SIS) umbenannt und ihre Haftbefugnisse wurde aufgehoben (AI 22.2.2018; vgl. EASO 12.2017). Laut Menschenrechtsorganisationen unterhielt die NIA ihre eigenen Haftanstalten. Menschenrechtsorganisationen und die Opposition warfen der NIA wiederholt Verbrechen wie übermäßige Gewaltanwendung, illegale Verhaftung, Folter und Tötung vor. Der neue Präsident Barrow ließ die Führungsspitzen der NIS verhaften und kündigte an, die Vorwürfe zu untersuchen (EASO 12.2017). Auch die Leiter von Polizei, Gefängnis und Militär wurden ausgetauscht (AI 22.2.2018). Selbst nach dem Regierungswechsel gibt es Berichte über die Anwendung von Gewalt durch die Polizei. Innerhalb des Innenministeriums wurde eine Stelle geschaffen, die Vorwürfe wegen Fehlverhaltens und Menschenrechtsverletzungen durch Polizeibeamte untersucht (EASO 12.2017).

Die Regierung hat effektive Mechanismen, um bei Missbrauch zu ermitteln und zu bestrafen, in Kraft gesetzt, jedoch kommen Straflosigkeit und inkonsistente Durchsetzung vor (USDOS 11.3.2020).

Quellen:

- AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Gambia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425363.html, Zugriff 18.9.2018

- EASO - European Asylum Support Office (12.2017): The Gambia - Country Focus, https://www.ecoi.net/en/file/local/1419801/90_1513324824_easo-201712-coi-report-gambia.pdf, Zugriff 18.9.2018

- USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: The Gambia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/GAMBIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 17.3.2020

5. Folter und unmenschliche Behandlung

Die Verfassung und weitere Gesetze verbieten Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 5.8.2019). Seit Amtsübernahme der Regierung Barrow im Jänner 2017 sind keine Berichte über Folter bekannt geworden (AA 5.8.2019; vgl. USDOS 11.3.2020). Im September 2018 hat Gambia das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe ratifiziert (AA 5.8.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.8.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014284/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Gambia_%28Stand_Juli_2019%29%2C_05.08.2019.pdf, Zugriff 25.11.2019

- USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: The Gambia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/GAMBIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 17.3.2020

6. Haftbedingungen

Die Haftbedingungen sind problematisch. Haftanstalten sind überfüllt und in schlechtem baulichen Zustand. Die medizinische Versorgung in den Haftanstalten ist schlecht wie generell in Gambia (AA 5.8.2019; vgl. AI 22.2.2018, USDOS 11.3.2020). Die Regierung reduzierte die Überbelegung der Gefängnisse deutlich, indem sie im Februar und März 2017 mehr als 250 Gefangene begnadigte (AI 22.2.2018; vgl. HRW 18.1.2018). Rechtshilfe ist begrenzt, insbesondere außerhalb der Hauptstadt Banjul (AI 22.2.2018).

Rückstände und Ineffizienz im Justizwesen führen zu langwierigen Untersuchungshaftverfahren. Eine große Anzahl von Untersuchungshäftlingen bleibt bis zum Verfahren in einigen Fällen mehrere Jahre in Haft (USDOS 11.3.2020). Aufgrund der Überlastung der Gerichte ziehen sich Strafverfahren mitunter unverhältnismäßig lang hin. Das Recht auf Besuche und die Wahrnehmung religiöser Feiertage werden gewährt. Die Regierung unternimmt Anstrengungen zur Verbesserung der Haftbedingungen, die bereits hinsichtlich einer besseren Nahrungsversorgung Erfolg zeigen. Der Überbelegung soll durch häufigere Nutzung der Möglichkeit der Entlassung auf Kaution entgegengewirkt werden. Nach Regierungsinformationen wird aktuell ein Gefängnis nach internationalen Standards gebaut (AA 5.8.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.8.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014284/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Gambia_%28Stand_Juli_2019%29%2C_05.08.2019.pdf, Zugriff 25.11.2019

- AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Gambia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425363.html, Zugriff 20.9.2018

- HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - Gambia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422435.html Zugriff 20.9.2018

- ÖB - Österreichische Botschaft Dakar (10.2014): Asylländerbericht - Gambia

- USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: The Gambia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/GAMBIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 17.3.2020

7. Todesstrafe

Die Todesstrafe kann für Verbrechen wie Mord und Hochverrat verhängt werden (AA 5.8.2019. Zuletzt wurde die Todesstrafe in Gambia im Sommer 2012 vollstreckt (AA 5.8.2019). Im Februar 2018 verkündete der gambische Präsident ein Moratorium zur Anwendung der Todesstrafe (AA 5.8.2019; vgl. AI 10.4.2019), das bis zu deren endgültiger Abschaffung (voraussichtlich mit Inkrafttreten der für 2020 erwarteten neuen Verfassung) in Kraft bleiben soll (AA 5.8.2019). Im Juni 2019 ratifizierte Gambia das zweite Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zur Abschaffung der Todesstrafe (AA 5.8.2019).

Im Jahr 2018 wurde eine Person zum Tode verurteilt und zum Jahresende 2018 befanden sich 22 Personen im Todestrakt, die meisten von ihnen wegen Mordes (AI 10.4.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.8.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014284/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Gambia_%28Stand_Juli_2019%29%2C_05.08.2019.pdf, Zugriff 25.11.2019

- AI - Amnesty International (10.4.2019): Death sentences and executions 2018, https://www.amnesty.org/download/Documents/ACT5098702019ENGLISH.PDF, Zugriff 26.11.2019

8. Grundversorgung

Gambia ist im internationalen Vergleich eines der ärmsten und am wenigsten entwickelten Länder der Welt. Lediglich ein Drittel der Bevölkerung verfügt über eine garantierte Ernährungssicherheit. Laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) waren zwischen 2014 und 2016 über 200.000 Gambier gezwungen, sich auf humanitäre Hilfe zu verlassen (EASO 12.2017). Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist v.a. in ländlichen Gegenden nur beschränkt gewährleistet (EASO 12.2017). Das staatliche „Social Welfare Service“ bietet für bedürftige Frauen und Kinder Unterbringung, Nahrung und Kleidung. Nach Angaben der Weltbank sind knapp 40 % der Kinder unter 5 Jahren akut unterernährt. Sozialhilferegelungen etc. bestehen nicht (AA 5.8.2019).

Gambia ist wirtschaftlich schwach. Etwa drei Viertel der Bevölkerung arbeiten in der Landwirtschaft. Familien bauen auch in kleinem Umfang Produkte für den Eigenbedarf an. Viele führen kleine Einzelhandelsgeschäfte (EASO 12.2017).

Die Wirtschaft des Landes ist aufgrund von Rückschlägen abgewürgt (KAS 16.5.2018). Zudem ist die Landwirtschaft anfällig für Überschwemmungen und Dürren (EASO 12.2017). Die schlechte landwirtschaftliche Ernte führte 2016/2017 zu Ausfällen (KAS 16.5.2018). Der Landwirtschaftssektor ist nicht vielfältig genug aufgestellt, 91 % der Landbevölkerung sind Kleinbauern, mehrheitlich durch Subsistenzwirtschaft geprägt. Das Land ist stark importabhängig, praktisch alle Güter des täglichen Gebrauchs werden importiert. Die Preise sind entsprechend hoch (KAS 16.5.2018).

Negativ wirkte sich auch die politische Krise des Jahres 2017 aus. Der jüngste Länderbericht des Internationalen Währungsfonds schätzt, dass die Tourismuseinnahmen im ersten Quartal 2017 aufgrund der politischen Turbulenzen um rund ein Drittel (8,8 Mio. $) gesunken sind (EASO 12.2017) und sich nur zögerlich erholten (KAS 16.5.2018). Die Überweisungen (Geldtransfers) von Auswanderern in ihr Heimatland werden auf rund 10% des BIP geschätzt. Im internationalen Handel haben China und Indien die EU (insbesondere Frankreich und Großbritannien) als Hauptexporteur teilweise abgelöst (EASO 12.2017).

Eine zerstörte Wirtschaft, ausgebeutete Staatsressourcen, eine ineffiziente Infrastruktur, enorme soziale Herausforderungen sowie ein Mangel an Möglichkeiten für die junge Bevölkerung waren die Rahmenbedingungen, unter denen Barrow seine Präsidentschaft angetreten hat (KAS 16.5.2018).

Als Jammeh Anfang 2017 ins Exil nach Äquatorialguinea ging, nahm er Vermögenswerte mit unbekanntem Wert mit (EASO 12.2017). Der systematische Diebstahl von Staatseigentum wurde rückwirkend seit 2014 auf 4 % des BIP jährlich geschätzt (KAS 16.5.2018). Laut Medien sei das Land "fast bankrott". Niedrige Ernteerträge, ängstliche Touristen und Investoren sowie wachsende Staatsverschuldung tragen zur weiteren Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation bei (EASO 12.2017). Das Land ist auf finanzielle Unterstützung aus dem Ausland angewiesen. Nach Angaben der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) machten die Hilfen ausländischer Geber 2013 11% des BIP aus (EASO 12.2017). Die externe Schuldenlast beläuft sich auf über 1 Mrd. US-Dollar (20 % des BIP). Aufgrund der Schuldennotlage können keine neuen Investitionen im Land getätigt werden, der Privatsektor erhält auch keinen Zugang zu Krediten auf dem Finanzmarkt. Die Elektrizitätskrise mit mehrmals täglichen Stromausfällen behindert zudem wirtschaftliche Aktivitäten und Investitionen (KAS 16.5.2018).

Ausländische Geber versprachen der Barrow-Regierung finanzielle Unterstützung unter der Bedingung, dass die Entwicklung der Demokratie gefördert und die Menschenrechte geachtet werden (EASO 12.2017).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014284/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Gambia_%28Stand_Juli_2019%29%2C_05.08.2019.pdf, Zugriff 25.11.2019

- EASO - European Asylum Support Office (12.2017): The Gambia - Country Focus, https://www.ecoi.net/en/file/local/1419801/90_1513324824_easo-201712-coi-report-gambia.pdf, Zugriff 20.9.2018

- KAS - Konrad-Adenauer-Stiftung (16.5.2018): Ein Jahr Demokratie in Gambia, http://www.kas.de/wf/doc/kas_52476-544-1-30.pdf?180516145500, Zugriff 20.9.2018

9. Rückkehr

Staatliche Einrichtungen zur Aufnahme von Rückkehrerinnen und Rückkehrern existieren nicht. Rückkehrer werden in der Regel wieder von ihrer (Groß-) Familie aufgenommen. Zwischen der International Organisation of Migration (IOM) und der EU wurde eine Vereinbarung zum Schutz und zur Wiedereinbürgerung von Migranten getroffen (EU-IOM Initiative on Migrant Protection and Reintegration), welche Unterstützung für freiwillig oder zwangsweise zurückgekehrte Gambier vorsieht. Der erhebliche Rückstau bei den Reintegrationsmaßnahmen wegen unerwartet hohen Rückkehrerzahlen v.a. aus Libyen und Anlaufschwierigkeiten des 2017 eingerichteten IOM-Büros konnte seit Mitte 2018 in etwa halbiert werden. Zum Stand März 2019 erhielten knapp 2.500 von insgesamt ca. 4.100 Rückkehrern Reintegrationsunterstützungsmaßnahmen. Des Weiteren gibt es zahlreiche NGOs, die in Gambia tätig sind, hauptsächlich im Grundbildungsbereich (AA 5.8.2019).

Rückkehrer bzw. wiedereingebürgerte Personen unterliegen keiner besonderen Behandlung. Fälle von Misshandlung oder Festnahmen sind nicht bekannt. Bei Rückkehr muss nicht mit staatlichen Maßnahmen aufgrund der Asylantragstellung gerechnet werden. Der „Social Welfare Service“ unterhält eine Einrichtung zur Unterbringung von Minderjährigen, dürfte sich aber eher an Kinder jüngeren Alters richten. Ob eine Unterbringung von abgeschobenen Minderjährigen dort möglich ist, muss im Einzelfall geklärt werden (AA 5.8.2019).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014284/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Gambia_%28Stand_Juli_2019%29%2C_05.08.2019.pdf, Zugriff 25.11.2019

10. Blutrache

1.       Gibt es Blutrache in Gambia? Wenn ja, in welchen Fällen kann es zu Blutrache kommen?

Es gibt keine systematische oder traditionelle Form von Vendetta, bzw. Blutrache in Gambia. Laut Definition des „Oxford Learner’s Dictionary“ wird „Blutrache/Vendetta“ wie folgt definiert: „eine lange und gewalttätige Unstimmigkeit zwischen zwei Familien oder Gruppen, bei der Menschen aufgrund eines vorherigen Mordes umgebracht werden.“ Blutfehden wurden in Gambia nie praktiziert, da die Menschen in diesem Land sehr friedvoll sind und das Gesetz entscheiden lassen. Das bedeutet natürlich nicht, dass eine Person in Selbstverteidigung oder zum Schutz einer anderen Person nicht töten würde, wenn diese in Gefahr ist, ernsthaft verletzt oder ermordet zu werden.

2.       Ist es vorstellbar, dass es aufgrund von einem Verkehrsunfall mit Todesfolge zu Racheakten kommt (Blutrache)?

Es ist sicherlich nicht unnatürlich, dass Verkehrsunfälle, die Todesopfer verursachen, zu rachsüchtigen Handlungen führen. Diese Racheakte finden jedoch in der Regel statt, wenn der Fahrer als leichtsinnig oder sehr unvorsichtig empfunden wird und ein Tod oder eine schwere Verletzung in Anwesenheit einer Menschenmenge geschieht, selbst wenn keine Blutsverwandtschaft mit dem Opfer besteht. Es ist die Angst vor unmittelbarer Gerechtigkeit, bzw. sofortiger Justiz, die Fälle von „Fahrerflucht“ verursachen.

3.       Falls Blutrache existiert, gibt es Schutzmechanismen seitens der Sicherheitskräfte?

In der traditionellen Gesellschaft in Gambia ist die bevorzugte Lösung, bei der ein tödlicher Unfall ohne Rücksichtslosigkeit auftritt, eine Entschuldigung, gekoppelt mit einer monetären (oder gleichwertigen) Entschädigung und, soweit möglich, einer Zahlung durch die Versicherung. Die Polizei hat die Pflicht, Verkehrsdelikte geltend zu machen, die, wenn es sich ausschließlich um einen Unfall handelt, auch nicht geahndet werden können, aber nur auf das Verlangen und mit der Zustimmung des Opfers oder der Familie des Opfers.

4.       Was hätte der Ast. In einem Strafverfahren wegen Fahrerflucht mit Todesfolge ohne Lenkerberechtigung in Gambia zu erwarten?

Diese Person kann laut § 221 A des Strafgesetzbuches mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren bestraft werden.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des BF vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz, in das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Gambia sowie durch Einvernahme des BF in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht 11.08.2020.

2.2. Zur Person des BF:

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seiner Glaubens- und Volksgruppenzugehörigkeit, seinem Gesundheitszustand, seiner Arbeitsfähigkeit, seiner Schulbildung und Arbeitserfahrung sowie seiner familiären Situation gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben des BF vor der belangten Behörde und in der mündlichen Verhandlung (Protokolle vom 11.08.2015 und 11.08.2020). Die belangte Behörde hat diese Feststellungen korrekt und nachvollziehbar gewürdigt. Aus dem Beschwerdevorbringen sind keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des BF aufgekommen.

Da der BF den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorgelegt hat, steht seine Identität nicht zweifelsfrei fest.

Die Feststellungen zu seiner Einreise und seinem Aufenthalt in Österreich lassen sich dem vorliegenden Verwaltungsakt und der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister entnehmen.

Dass der BF in Österreich über keine maßgeblichen persönlichen und familiären Beziehungen verfügt, ergibt sich aus den Angaben des BF anlässlich der Einvernahme durch die belangte Behörde und der mündlichen Verhandlung. Die Feststellungen zu seiner zweijährigen Beziehung und seinen freundschaftlichen Kontakten ergeben sich aus seinen Angaben in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 11.08.2020.

Die Feststellungen zu den Sprachkursen und der nicht bestandenen Prüfung ergeben sich aus den in der mündlichen vorgelegten Bestätigung des ÖIF vom 17.06.2019, dem Zertifikat vom 18.09.2019 sowie der Anmeldebestätigung des AZW Soziales Wien vom 10.09.2020. Die Feststellung zu seiner Tätigkeit und der Reduzierung von Grundversorgungsleistungen ergibt sich aus dem Schreiben des Fonds Soziales Wien vom 21.08.2018. Die Feststellung zu seinem Bezug der Grundversorgung ergibt sich aus dem, dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden, aktuell abgefragten Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem. Die Feststellungen zu seiner mangelnden Tätigkeit sowie zur fehlenden Selbsterhaltungsfähigkeit gründen sich auf seinen diesbezüglichen Angaben in der mündlichen Verhandlung am 11.08.2020.

Die strafgerichtlichen Verurteilungen des BF ergeben sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich sowie aus dem sich im Verwaltungsakt befindlichen Strafurteil.

2.3. Zu den Fluchtgründen des BF:

Das Vorbringen des BF zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates und seiner Situation im Fall seiner Rückkehr beruht auf dessen Angaben in der Erstbefragung und in der Einvernahme vor der belangten Behörde sowie in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 11.08.2020. Das Vorbringen des BF, wonach er aufgrund eines von ihm verschuldeten Unfalls mit Todesfolge einerseits die Todesstafe bzw. eine lebenslange Haftstrafe, andererseits die Blutrache fürchte, ist für das Bundesverwaltungsgericht aus folgenden Gründen nicht glaubwürdig:

Für die Glaubhaftigkeit eines Vorbringens spricht, wenn das Vorbringen genügend substantiiert ist. Das Erfordernis der Substantiierung ist insbesondere dann nicht erfüllt, wenn der Asylwerber den Sachverhalt sehr vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt, nicht aber in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen.

Der BF umriss in seiner Einvernahme durch die belangte Behörde als auch bei seiner Befragung durch die erkennende Richterin das fluchtauslösende Ereignis recht zögerlich und konnte auch keine detaillierten Angaben machen, obwohl er auch in der mündlichen Verhandlung mehrmals dazu aufgefordert wurde. So fehlt es unter anderem bestimmten Teile seines Vorbringens an der Nachvollziehbarkeit und an der Darlegung von konkreten Geschehensabläufen.

Insoweit der BF erklärt, dass er vom Unfallort weggerannt sei und sein Elternhaus nicht mehr aufgesucht habe, sondern auf direktem Weg an die Grenze zum Senegal bis nach Velingara gelaufen sei (AS 161), erscheint dies nicht nachvollziehbar. Denn unter Wahrstellung dieses zeitlichen und örtlichen Ablaufs habe der BF somit ohne jegliches Gepäck oder Geld seinen Heimatstaat verlassen. Stattdessen habe ihm entsprechend seinen Angaben vor der belangten Behörde ein Mann, mit welchem er bis nach Senegal mitfahren konnte, EUR 150,-- gegeben. Ein weiterer Mann in Libyen habe ihm später für seine Reise nach Europa EUR 100,-- überlassen. Dass sich der BF somit seine Flucht bis nach Österreich ohne Eigenmittel finanziert haben soll, erscheint dem erkennenden Gericht – wie schon der belangten Behörde – lebensfremd. Des Weiteren ist das Wissen über die Kosten einer Flucht von Westafrika nach Europa samt den möglichen Preisspannen mittlerweile dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgericht zuzurechnen und lässt somit zusätzlich der genannte Gesamtpreis von EUR 250,-- für seine Flucht aus Gambia nach Österreich am Fluchtvorbringen des BF zweifeln. Überdies ist auf eine Diskrepanz in seiner Erzählung bezüglich der Flucht vom Unfallort in den Senegal hinzuweisen. Einerseits sei er den ganzen Tag bis nach Senegal gelaufen (AS 161), andererseits habe er eine Mitfahrgelegenheit gefunden (AS 157 und AS 15).

Auch hinsichtlich der Geschehnisse am Unfallort hat sich der BF widersprochen. Während er vor der belangten Behörde anführte, dass die vier Helfer auf dem Traktor nach dem Zusammstoß schockiert gewesen und weggelaufen seien, legte in der mündlichen Verhandlung dar, dass die drei Helfer dort geblieben seien. Auch der Umstand, warum er gerade schuld am Unfall sei, ist nicht nachvollziehbar, wenn er in der mündlichen Verhandlung anführt, dass nicht er, sondern das Unfallopfer schnell unterwegs gewesen sei. Trotz dieses Umstandes konnte er nicht erklären, warum ihn die Schuld am Unfall treffe. Vielmehr verhartte er ohne jegliche Begründung in seinen Aussagen, dass er wegen des Unfalles verurteilt werden würde. Die Unglaubwürdigkeit des BF wird durch eine weitere Ungereimtheit in seinen Angaben rund um den Unfallhergang untermauert. So führt er vor der belangten Behörde aus, dass man in der engen Kurve, in welcher sich der Unfall ergeinet habe, normalerweise hupe, jedoch an diesem Tag weder er noch der Unfallgegner gehupt hätten. In Widerspruch dazu führte er in der mündlichen Verhandlung aus, dass der Traktor keine Hupe gehabt habe.

Weitere Ungereimtheiten ergaben sich auch hinsichtlich des weiteren Aufenthaltes seiner Schwester. In der mündlichen Verhandlung erklärte er, dass seines Schwester nach dem Unfall nach Senegal geflüchtet sei, weil sie Rache durch die Angehörigen des Unfallopfers befürchtet habe. Auf Nachfrage führte er dann weiter an, dass sie erst zwei Jahre nach dem Unfall nach Senegal geflüchtet sei, was jedoch seiner vorigen Angaben, wonach diese nach dem Unfall geflüchtet sei, widerspricht. Sofern im Zuge seiner Befragung durch die erkennende Richterin des Weiteren ausführt, dass seine Schwester zwei Jahre nach dem Unfall nach Senegal geflüchtet sei, wäre zu erwarten gewesen, dass dies bereits in seiner Einvernahme vor der belangten Behörde am 11.08.2015 anführt.

Auffalend ist auch der Umstand, dass der BF keine Angaben zu den Ereignissen nach seiner Ausreise bezüglich des Unfalles machen konnte, was jedoch zu erwarten gewesen wäre, da er ausführte, mit seiner Schwester in Kontakt gestanden zu sein. So wäre zu erwarten gewesen, dass er sich darüber erkundigt, ob gegen ihn Ermittlungen eingeleitet worden sind oder nach ihm gesucht wird.

Hinsichtlich des Vorbringens, wonach dem BF von Angehörien des Unfallsopferst Blutrache drohe, ist festzuhalten, dass selbst wenn dem Vorbringen des BF aber Glauben geschenkt würde, würde dieses keine Asylrelevanz entfalten. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 17.09.2003, 2000/20/0317 darauf verwiesen, dass eine Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (der Familie) und damit ein Verfolgungsgrund im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann, wenn ein Sachverhalt zu Grunde liegt, der die (drohende) Blutrache an einem unbeteiligten Familienmitglied des "Täters" (=Auslösers der Blutrache) beinhaltet. Im Falle des BF richtet sich die mögliche Rache im Gegensatz dazu jedoch nicht gegen einen unbeteiligten Dritten bloß wegen dessen mit dem "Täter" gemeinsamer oder von ihm herrührender Abstammung (vgl. VwGH 26.02.2002, 2000/20/0517), sondern gegen den Auslöser der Blutrache selbst, und beruht die aus einer möglichen Blutrache resultierende Gefahr für den BF nicht auf einem der in der GFK genannten asylrelevanten Motiven (VwGH 08.06.2000, 2000/20/0141).

Unbeschadet dessen ist auch auf die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 14.02.2017 zu verweisen, woraus hervorgeht, dass Blutfehden in Gambia grundsätzlich nicht praktiziert werden würden, da die Menschen friedvoll seien und das Gesetz entscheiden lassen. Racheakte seien aufgrund einer leichtsinnigen oder unvorsichtig empfundenen Handlungsweise, welche zum Tod oder einer schweren Verletzung führt, in Anwesenheit einer Menschenmenge möglich, wobei es dabei nicht auf die verwandschaftlichen Beziehungen ankommen würde. Generell sei die bevorzugte Lösung bei fahrlässigen Tötungen ohne hinzukommender besonderer Rücksichtslosigkeit eine Entschuldigung und, soweit möglich, einer Zahlung durch die Versicherung. Selbst bei Wahrstellung des Vorbringens des BF hinsichtlich des Verkehrsunfalls ergibt sich aufgrund des zuvor Angeführten keine asylrelevante Verfolgung des BF bezogen auf eine drohende Blutrache, insbesondere da der BF selbst angab, zwar nicht in Besitz einer Lenkerberechtigung gewesen zu sein, jedoch habe er sehr oft diesen Traktor gelenkt. An diesem Tag habe er lediglich vor Einfahren in die Kurve nich gehupt, gleich wie der Unfallgegner. Ein auffallend sorgloses Verhalten des BF lässt sich somit nicht erkennen und sind Blutrachen in herkömmlicher Form ohnehin nicht üblich, sodass dem Vorbringen des BF eine Asylrelevanz abzusprechen ist.

In einer Gesamtbetrachtung sämtlicher Ermittlungsergebnisse ist es für das Bundesverwaltungsgericht schlüssig nachvollziehbar, dass die belangte Behörde dieses Fluchtvorbringen als unglaubhaft einstuft. Dieser Beurteilung tritt auch die Beschwerde in keiner Weise entgegen, sodass für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund besteht, an der Würdigung der belangten Behörde zu zweifeln. Die erkennende Richterin kommt daher - wie auch das BFA - zu dem Schluss, dass es dem BF nicht gelungen ist, eine konkrete, gegen seine Person gerichtete Verfolgung bzw. Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen, der auch Asylrelevanz zukommt bzw. dass sein Vorbringen hinsichtlich der angeblichen Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht.

2.4. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Gambia (Gesamtaktualisierung am 02.10.2018, letzte Information eingefügt am 24.03.2020) samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. Open Doors, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen. Ergänzend wurde die Anfragenbeantwortung der Staatendokumentation zum Thema „Blutrache in Gambia“ vom 14.02.2017, welche von der belangten Behörde zum gegenständlichen Fall beauftragt wurde, berücksichtigt.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Der wesentliche Inhalt der Länderberichte wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung erörtert. Der BF ist den getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat, die auf den in das Verfahren eingeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen beruhen, nicht substantiiert entgegengetreten. Das bloße Aufzeigen von spezifischen Problemlagen im Herkunftsstaat vermag die Glaubwürdigkeit der Länderfeststellungen nicht zu erschüttern. Soweit im Beschwerdeschriftsatz Berichte zu den vorherrschenden Haftbedingungen in Gambia zitiert werden, ist anzuführen, dass es diesen mittlerweile an Aktualität fehlt und die belangte Behörde ohnedies nicht von einer dem österreichischen Standard vergleichbaren Haftsituation ausgegangen ist. Zudem wurde Fluchtvorbringen bzw. dem Vorbringen zu einer drohenden Haft die Glaubwürdigkeit abgesprochen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Da sich die gegenständliche – zulässige und rechtzeitige – Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung der nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichterin.

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.2. Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.2.1. Rechtslage:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Art 1 Absch A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (Hinweis E vom 28. Mai 2009, 2008/19/1031; 23.10.2019, Ra 2019/19/0413).

Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

3.2.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine "begründete Furcht vor Verfolgung" im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK nicht gegeben. Dies im Hinblick darauf, dass sich der BF im gesamten Asylverfahren keine Gründe glaubhaft machen konnte, welche Asylrelevanz begründen. Eine sonstige aktuelle zu berücksichtigende Verfolgungsgefahr wird vom BF nicht dargelegt und ergibt sich auch nicht aus Umständen, die von Amts wegen zu berücksichtigen wären.

Insgesamt sind somit die eingangs beschriebenen Voraussetzungen für eine Asylgewährung im gegenständlichen Fall jedenfalls nicht erfüllt und war die Beschwerde sohin gegen Spruchpunkt I. des bekämpften Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.

3.3. Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

3.3.1. Rechtslage:

Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein – über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes – "real risk" einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl. VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0372). Die dabei aufgrund konkreter vom Fremden aufgezeigter oder von Amts wegen bekannter Anhaltspunkte anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 15.12.2010, 2006/19/1354; 31.05.2005, 2005/20/0095, 31.03.2005, 2002/20/0582).

Die Abschiebung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art 3 EMRK ist nicht ausreichend (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174). Zu berücksichtigen ist auch, dass nur bei Vorliegen exzeptioneller Umstände, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet, die Gefahr einer Verletzung von Art 3 EMRK angenommen werden kann (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174; 19.11.2015, Ra 2015/20/0174 ua). Das Vorliegen solcher exzeptioneller Umstände erfordert detaillierte und konkrete Darlegungen (vgl VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 07.09.2016, Ra 2015/19/0303 ua).

3.3.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Wie umseits bereits dargelegt wurde, droht dem BF in Gambia keine asylrelevante Verfolgung.

Auch dafür, dass dem BF im Falle einer Rückkehr nach Gambia die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre, gibt es im vorliegenden Beschwerdefall keinen Anhaltspunkt, dies zumal es sich im Falle des BF um einen gesunden und arbeitsfähigen Mann handelt, der überdies über Arbeitserfahrung im Gambia verfügt. Es ist daher davon auszugehen, dass der BF dazu in der Lage ist seinen Lebensunterhalt im Herkunftsstaat sicherzustellen. Darüber hinaus lebt nach wie vor seine Schwester in Gambia, sodass er auf familiäre Unterstützung zurückgreifen kann.

Damit ist der BF durch die Abschiebung nach Gambia nicht in seinem Recht gemäß Art. 3 EMRK verletzt, weil die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz im konkreten Fall gedeckt werden können. Dass der BF allenfalls in Österreich wirtschaftlich gegenüber seiner Situation in Gambia bessergestellt ist, genügt nicht für die Annahme, er würde in Gambia keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können. Hierfür fehlen im vorliegenden Fall alle Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.

Ganz allgemein besteht in Gambia derzeit keine solche Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung iSd Art. 2 oder Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (ZPEMRK) ausgesetzt wäre. Im Verfahren sind auch keine Umstände bekannt geworden

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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